Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.10.2015, Az. 1 StR 521/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3964

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Gegenstand

Hinterziehung von Tabaksteuer durch Unterlassen: Beendigung und Vollendung; Durchleitung von Tabakwaren durch mehrere Mitgliedsstaaten; einheitliche Beihilfe bei mehreren Tatbeiträgen


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten B.  , M.     und S.    wird das Urteil des [X.] vom 4. März 2014

a) soweit es den Angeklagten [X.]betrifft

- im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte [X.]zweier Fälle der Beihilfe zu zwei Fällen der Steuerhinterziehung schuldig ist;

- im Strafausspruch aufgehoben;

b) soweit es den Angeklagten M.    betrifft

- im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte M.     der Beihilfe zu zwei Fällen der Steuerhinterziehung sowie der Steuerhinterziehung schuldig ist;

- im Strafausspruch aufgehoben;

c) soweit es den Angeklagten S.    betrifft

- im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte S.    der Beihilfe zu zwei Fällen der Steuerhinterziehung schuldig ist;

- im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten [X.], M.    und S.    werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

4. Die Revision des Angeklagten [X.]     wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten M.      wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und den Angeklagten [X.]wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der (Gesamt-) Freiheitsstrafen hat es jeweils zur [X.]währung ausgesetzt und ausgesprochen, dass von diesen jeweils drei Monate als vollstreckt gelten. Den Angeklagten [X.]hat das [X.] wegen [X.]ihilfe zur Steuerhinterziehung verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 5 Euro vorbehalten, von der 90 Tagessätze als vollstreckt gelten.

2

Gegen diese Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel der Angeklagten [X.], M.     und [X.]  haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision des Angeklagten [X.]bleibt ohne Erfolg.

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s waren die Angeklagten in den Jahren 2004 und 2005 in unterschiedlicher Zusammensetzung in einen oder zwei von insgesamt drei Transporten von Zigaretten aus [X.] nach [X.] eingebunden. Die Zigaretten wurden versteckt unter Tarnladung durch Dritte unverzollt in das Gebiet der [X.] eingeführt und aus einem anderen Mitgliedstaat ohne Verwendung [X.] Steuerzeichen nach [X.] verbracht, ohne dass über die Tabakwaren bei den [X.] Zollbehörden eine Steuererklärung abgegeben wurde. In [X.] wurden die Zigaretten sodann umgeladen, um - wiederum versteckt unter Tarnladung - durch eine Spedition nach [X.] zum dortigen Verkauf weitertransportiert zu werden.

4

a) [X.]im Transport von 1,8 Mio. Zigaretten im November 2004 wurde bei der Einfuhr der Tabakwaren in das Gebiet der [X.] Zoll in Höhe von 10.368 Euro und beim Verbringen der Zigaretten aus einem anderen Mitgliedstaat nach [X.] [X.] Tabaksteuer in Höhe von 188.460 Euro verkürzt. Die Zigaretten wurden nach [X.] weitertransportiert und dort verkauft (Fall III.2.a. der Urteilsgründe).

5

b) Anfang März 2005 wurden bei der Einfuhr von 1.405.400 Stück Zigaretten der Marken „[X.] rot“ bzw. „[X.] gelb“ in das Gebiet der [X.] Zoll in Höhe von 8.095,10 Euro und beim Verbringen der Zigaretten aus einem anderen Mitgliedstaat nach [X.] [X.] Tabaksteuer in Höhe von 166.399,36 Euro verkürzt. Die Zigaretten wurden in [X.] sichergestellt (Fall [X.]. der Urteilsgründe).

6

c) [X.]im Transport von 1.996.800 Stück Zigaretten der Marke „[X.]“ wurden bei der Einfuhr der Zigaretten in das Gebiet der [X.] Zoll in Höhe von 11.501,56 Euro, beim Verbringen der Zigaretten aus einem anderen Mitgliedstaat nach [X.] [X.] Tabaksteuer in Höhe von 236.421,12 Euro verkürzt. Die Zigaretten wurden ebenfalls in [X.] sichergestellt (Fall III.2.c. der Urteilsgründe).

7

d) Die [X.] der Angeklagten stellten sich wie folgt dar:

8

aa) Im Fall III.2.a. der Urteilsgründe organisierte der Angeklagte [X.]die Logistik und das Personal für die Umladung der Zigaretten in [X.].   , beauftragte eine Spedition mit dem Weitertransport nach [X.], erstellte die dafür erforderlichen Fracht- und [X.] und bemühte sich um den Absatz der Zigaretten in [X.]. Er erhielt für seine Tätigkeiten 6.000 Euro bis 7.000 Euro.

9

bb) Im Fall [X.]. der Urteilsgründe vermittelte der Angeklagte [X.]die Anmietung einer Lagerhalle in [X.]     für die Umladung der Zigaretten in [X.]. Zudem besorgte er für den Weitertransport nach [X.] einen fiktiven Absender in [X.], indem er sich vom Angeklagten [X.]Blankodokumente von dessen Firma „[X.]“ übergeben ließ, die für die [X.] benutzt wurden. [X.]erhielt für die Zurverfügungstellung der Dokumente 10.000 Euro. Der Angeklagte M.     überwies von seinem Konto bei der [X.]     Speditionskosten in Höhe von 1.960 Euro für den Weitertransport nach [X.] an eine [X.] Spedition. Der Angeklagte [X.]   brachte die Tarnladung, unter der die Zigaretten beim Weitertransport nach [X.] versteckt werden sollten, mit einem Kleintransporter zur Lagerhalle und wirkte am Umladen der Zigaretten mit.

cc) Im Fall III.2.c. nahm der Angeklagte M.    , nachdem die Abfertigung des Transportfahrzeugs an einem deutsch-[X.]n Grenzübergang wegen Unstimmigkeiten in den [X.] gescheitert war, Kontakt mit dem Fahrer des mit den unter Tarnladung versteckten Zigaretten beladenen Lkws auf und gab diesem Anweisungen zur weiteren Durchführung des Transports, indem er bestimmte, dass das Fahrzeug zur Abfertigung zum Zollamt [X.]-M.    kommen sollte.

2. Das [X.] hat das Geschehen hinsichtlich der Angeklagten [X.], M.    und [X.]  jeweils als in Mittäterschaft begangene einheitliche Hinterziehung von Zollabgaben und [X.] Tabaksteuer durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2 StGB gewertet. Die Annahme von Mittäterschaft hat es insbesondere darauf gestützt, dass die jeweiligen [X.] der Angeklagten für die Vorbereitung und Durchführung der Zigarettentransporte wesentlich gewesen seien. Den Angeklagten [X.] hat das [X.] dagegen lediglich als Gehilfen [X.]. § 27 StGB angesehen.

II.

1. Der Schuldspruch betreffend den Angeklagten [X.]in den Fällen III.2.a. und [X.]. der Urteilsgründe sowie die Angeklagten M.     und [X.]  im Fall [X.]. der Urteilsgründe wegen in Mittäterschaft begangener Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2 StGB begegnet durchgreifenden [X.]denken.

a) Täter - auch Mittäter - einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, [X.]St 58, 218 mwN).

Die Angeklagten [X.], M.     und [X.]  waren weder zur Gestellung der Zigaretten gemäß Art. 38, 40 ZK bei der Einfuhr der Zigaretten in das Gebiet der [X.] noch zur Abgabe einer Steuererklärung nach Verbringen der Tabakwaren ohne Verwendung [X.] Steuerzeichen nach [X.] gemäß § 19 Satz 2 und 3 TabStG aF verpflichtet.

(1) Gemäß Art. 38, 40 ZK sind Waren bei der Einfuhr in das Gebiet der [X.] von demjenigen zu gestellen, der diese dorthin verbracht hat. Die Gestellungspflicht des [X.]s knüpft an die Herrschaft über die Ware bei der Einfuhr in das Gebiet der [X.] an. Daran fehlt es hier. Die Angeklagten [X.], M.     und [X.] haben die Zigaretten weder selbst in das Gebiet der [X.] transportiert, noch hatten sie kraft Weisungsbefugnis beherrschenden Einfluss auf den Transport der Zigaretten, indem sie die Entscheidung zur Durchführung des Transports treffen oder die Einzelheiten der Fahrt (z.B. Fahrtroute, Ort und [X.]) hätten bestimmen können (vgl. [X.], [X.]schluss vom 1. Februar 2007 - 5 [X.], [X.], 590).

(2) Entsteht die Tabaksteuer gemäß § 19 Satz 1 TabStG aF aufgrund eines Verbringens der Tabakwaren ohne Verwendung [X.] Steuerzeichen (vgl. § 12 TabStG aF) aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken nach [X.], hat der Steuerschuldner über die Tabakwaren unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben (§ 19 Satz 2 und 3 TabStG aF). Steuerschuldner und damit Erklärungspflichtiger ist gemäß § 19 Satz 2 TabStG aF, wer die Tabakwaren verbringt oder versendet sowie der Empfänger, sobald er [X.]sitz an den Tabakwaren erlangt hat. Die Angeklagten [X.], M.     und [X.] waren nicht [X.] der Zigaretten. Der [X.]griff des [X.]s [X.]. § 19 Satz 2 TabStG aF ist in gleicher Weise auszulegen wie bei Art. 38 Abs. 1 ZK ([X.], Urteil vom 10. Oktober 2007 - [X.], [X.]E 218, 469; vgl. auch [X.], Urteil vom 14. März 2007 - 5 [X.], [X.], 592; [X.], [X.]schluss vom 1. Februar 2007 - 5 [X.], [X.], 590). Nach diesen Maßgaben fehlt es an der erforderlichen Herrschaft über die Tabakwaren beim Verbringen nach [X.]. Die Angeklagten haben auch nicht als Empfänger [X.]sitz an den Tabakwaren erlangt. Hinsichtlich des Angeklagten [X.]  reicht die bloße Mitwirkung am Umladen der Zigaretten nicht zur [X.]gründung einer Steuererklärungspflicht als Empfänger der Tabakwaren aus.

b) Die rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen jedoch eine Verurteilung des Angeklagten [X.] in den Fällen III.2.a. und [X.]. der Urteilsgründe sowie der Angeklagten M.    und [X.] im Fall [X.]. der Urteilsgründe jeweils wegen [X.]ihilfe zu zwei Fällen der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 27 StGB).

aa) Durch ihre [X.] haben die Angeklagten zur Hinterziehung von Einfuhrabgaben durch unbekannt gebliebene Täter bei der Einfuhr der Tabakwaren in das Gebiet der [X.] und von [X.] Tabaksteuer beim Verbringen der Zigaretten ohne [X.] Steuerzeichen aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates nach [X.] Hilfe geleistet. Im Zeitpunkt der Erbringung der [X.] waren die [X.] zwar vollendet, aber noch nicht beendet. Die Hinterziehung von Einfuhrabgaben bei Einfuhr unter Verstoß gegen Gestellungspflichten bzw. die Hinterziehung von Tabak-steuer unter Verstoß gegen die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gemäß § 19 Satz 3 TabStG aF ist erst beendet, wenn die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ sind. Maßgeblich für die [X.]endigung ist, ob die Tabakwaren die gefährliche Phase des Grenzübertritts passiert haben und der [X.] sein Unternehmen erfolgreich abgeschlossen hat. In der Regel wird die Steuerhinterziehung daher erst beendet sein, wenn die Tabakwaren ihren [X.]stimmungsort erreicht haben. Werden die Tabakwaren auf dem Weg dorthin in einem Zwischenlager lediglich umgeladen, sind sie nicht „zur Ruhe gekommen“ ([X.], Urteil vom 14. März 2007 - 1 [X.], [X.], 262 mwN; [X.]schluss vom 8. Juli 2014 - 1 [X.], [X.], 486 mwN). Hier waren die Zigaretten für den Verkauf in [X.] bestimmt, entsprechend wurde nach dem Umladen in [X.] alsbald eine Spedition mit dem Weitertransport dorthin beauftragt.

bb) Der Annahme einer [X.]ihilfe des Angeklagten [X.] im Fall III.2.a. der Urteilsgründe auch zur Hinterziehung [X.] Tabaksteuer steht nicht entgegen, dass die Zigaretten nach [X.] gelangt sind und dort veräußert wurden.

Zwar wird nach Art. 7 Abs. 1 und 2 der [X.] vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den [X.]sitz, die [X.]förderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren ([X.] [X.], 1) in der durch die [X.] vom 14. Dezember 1992 ([X.] L 390, 124) geänderten Fassung eine verbrauchsteuerpflichtige Ware, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden ist und sich zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat befindet, im [X.]stimmungsmitgliedstaat besteuert. Entsprechend ist die Tabaksteuer für Tabakwaren, die vorschriftswidrig in das Unionsgebiet eingeführt wurden und sich damit im freien Verkehr eines Mitgliedstaates befinden, wenn sie - ggfs. durch weitere [X.]en (hier: [X.]) - in einen anderen Mitgliedstaat (hier: [X.]) befördert und dort zu gewerblichen Zwecken in [X.]sitz gehalten werden, im letztgenannten Mitgliedstaat zu erheben (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2010 - [X.]/08 Rn. 114, Slg. 2010, [X.]; [X.]schluss vom 8. März 2012 - [X.]/11). Die Erhebung der Verbrauchsteuer in einem oder sogar mehreren anderen Mitgliedstaaten ist nicht erforderlich, um Missbräuche oder Steuerhinterziehungen zu verhindern. [X.] als [X.] kommt daher kein Erhebungsrecht für die Verbrauchsteuer zu ([X.], Urteil vom 5. März 2015 - [X.]/14, [X.], 98).

Durch den nachträglichen Übergang des [X.] auf einen anderen Mitgliedstaat in dem Zeitpunkt, in dem die Waren zu gewerblichen Zwecken in diesen verbracht worden sind, wird jedoch die Strafbarkeit wegen bereits vollendeter Steuerhinterziehung in [X.] nicht berührt. Eine hier vorliegende Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in [X.]zug auf das Unterbleiben der unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung (§ 19 Satz 2 und 3 TabStG aF) ist zu dem Zeitpunkt vollendet, zu dem bei rechtzeitiger Abgabe der Erklärung mit der [X.]kanntgabe der Steuerfestsetzung zu rechnen gewesen wäre (vgl. nur [X.], [X.]schluss vom 8. Juli 2014 - 1 [X.] Rn. 3, [X.], 486 mwN). Dies wäre bei pflichtgemäßer Erfüllung der Erklärungspflicht erfolgt, noch während sich die Zigaretten im Inland befanden. Ist wie hier durch die unbekannt gebliebenen Täter ein Hinterziehungserfolg in dem vorgenannten Sinne herbeigeführt worden, entfällt dieser durch den späteren Wegfall des steuerrechtlichen [X.] nicht nachträglich.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das unionsrechtliche Verbrauchsteuersystem davon ausgeht, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren im Ergebnis nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer [X.] belastet sein dürfen (vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 [X.], [X.], 226, 227). Insoweit verbleibt in Fallgestaltungen wie der vorliegenden bei Durchleitung der Tabakwaren durch mehrere Mitgliedstaaten dem Erstverfolgungsstaat nach Maßgabe des § 370 Abs. 6 [X.] eine Wahlmöglichkeit, welche nationale Verbrauchsteuer er als Anknüpfungspunkt für die Strafverfolgung heranziehen will. Die Singularität des [X.] schließt es aber aus, dass einem an einer Verbrauchsteuerhinterziehung [X.]teiligten im Erstverfolgungsstaat darüber hinaus auch die Hinterziehung von Verbrauchsteuern aller anderen betroffenen Mitgliedstaaten vorgeworfen werden kann.

cc) [X.] liegt in den Fällen III.2.a. und [X.]. eine einheitliche [X.]ihilfe vor. Die Angeklagten haben durch ihre [X.] sowohl zur Hinterziehung von Einfuhrabgaben im Mitgliedstaat der Einfuhr in das Gebiet der [X.] als auch zur Hinterziehung [X.] Tabaksteuer, die zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehen, Hilfe geleistet.

dd) Der [X.] ändert den Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten [X.]in den Fällen III.2.a. und [X.]. sowie hinsichtlich der Angeklagten M.     und [X.] im Fall [X.]. der Urteilsgründe entsprechend ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

2. Der Schuldspruch betreffend den Angeklagten M.    im Fall III.2.c. der Urteilsgründe wegen in Mittäterschaft begangener Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2 StGB hält hinsichtlich der [X.] Tabaksteuer revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

Der Angeklagte M.    ist als [X.] der Tabakwaren seiner Verpflichtung aus § 19 Satz 2 und 3 TabStG aF zur unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung nach Verbringen der Zigaretten ohne [X.] Steuerzeichen aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken in das [X.] Steuergebiet nicht nachgekommen, wodurch es zu einer Verkürzung [X.] Tabaksteuer gekommen ist. Zwar hat er die Zigaretten nicht selbst aus einem anderen Mitgliedstaat nach [X.] transportiert. Als [X.] sind aber auch die Personen anzusehen, die [X.] beherrschenden Einfluss auf das Transportfahrzeug haben, indem sie die Entscheidung zur Durchführung des Transports treffen oder die Einzelheiten der Fahrt (z.B. Route, Ort, [X.]) bestimmen (vgl. [X.], [X.]schluss vom 1. Februar 2007 - 5 [X.], [X.], 590; [X.], Urteil vom 14. März 2007 - 5 [X.], [X.], 262).

Die Feststellungen belegen einen derartigen beherrschenden Einfluss des Angeklagten M.    . Er trat mit dem Fahrer des Transportfahrzeugs in Kontakt, nachdem aufgrund von Unstimmigkeiten in den [X.] die Abfertigung des Transportfahrzeugs an einem deutsch-[X.]n Grenzübergang gescheitert war. Durch die Vorgabe, dass die Abfertigung nunmehr beim Hauptzollamt [X.]-M.     erfolgen solle, nahm er Einfluss auf die weitere Route, die das Transportfahrzeug von [X.] in das [X.] Steuergebiet nahm.

3. Der Strafausspruch betreffend die Angeklagten B.  , M.     und [X.] hat jeweils insgesamt keinen [X.]stand.

Die Änderung des Schuldspruchs zieht beim Angeklagten [X.]die Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen III.2.a. und [X.]. der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe und beim Angeklagten [X.] die Aufhebung der im Fall [X.]. der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe nach sich.

[X.]im Angeklagten M.      führt die Änderung des Schuldspruchs im Fall [X.]. der Urteilsgründe zu einer Aufhebung der betreffenden Einzelstrafe. Auch im Fall III.2.c. der Urteilsgründe ist die Einzelstrafe aufzuheben. Das [X.] hat im Rahmen der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten sowohl die [X.] Tabaksteuer als auch die Einfuhrabgaben des [X.] berücksichtigt. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei zutreffender [X.]wertung eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des [X.] nach sich.

Einer Aufhebung der zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen, die von dem [X.] nicht betroffen sind, bedarf es nicht.

Raum                          Graf                           Radtke

             Mosbacher                     Fischer

Meta

1 StR 521/14

14.10.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 4. März 2014, Az: 25 KLs 220 Js 3779/07

§ 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 370 Abs 6 AO, § 25 StGB, § 27 StGB, § 53 StGB, § 19 S 2 TabStG vom 12.07.1996, § 19 S 3 TabStG vom 12.07.1996, § 23 Abs 1 S 2 TabStG vom 15.07.2009, § 23 Abs 1 S 3 TabStG vom 15.07.2009

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.10.2015, Az. 1 StR 521/14 (REWIS RS 2015, 3964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3964

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