Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. 5 StR 199/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5923

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5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
8. Juni 2011
beschlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird
das Urteil des Land-gerichts
Chemnitz vom 31. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO im [X.] mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine [X.] des [X.] zurückverwiesen.

G r ü n d e

Im Wiederaufnahmeverfahren
hat das [X.] das Urteil des [X.] vom 24. Juni 1994, durch das der Angeklagte we-gen Mordes in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war, aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen; zugleich hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revi-sion des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Aufhebung Erfolg; im Übrigen

die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten betreffend

ist sie unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO).

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1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

Am 25. August 1993 erschoss der aus [X.] stammende [X.] eines Landsmannes
zwei weitere [X.]esen
mit einer kurz zuvor erworbenen Pistole. Er feuerte
aus unmittelbarer Nähe und in schnel[X.] Folge mehrfach auf die beiden von dem Angriff völlig überraschten
Opfer. Beide verstarben noch am [X.]. Einen Tag später stellte sich der Angeklagte der Polizei.

Die [X.] gelangt zu der Überzeugung, dass der Angeklagte
die Taten
aufgrund einer
durch
eine schizophrene Psychose
her-vorgerufenen
Wahnvorstellung beging.
Sein angegebenes Tatmotiv, die [X.] hätten ein Schutzgeld von ihm erpressen wollen, beruhe auf einer
wahnhaften
Verkennung der Wirklichkeit;
der Angeklagte habe sich auch in der Wohnung von den später Getöteten bedroht gefühlt. [X.] be-raten kommt das [X.]
zu dem Ergebnis, dass beim Angeklagten eine paranoide Psychose vorlag, die -
und [X.] nicht nur zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, son-dern im Wege der Nichtausschließbarkeit

([X.]) auch zu einer Aufhe-bung seiner Schuldfähigkeit im Tatzeitraum
führte,
und gelangt daher zu ei-nem Freispruch des Angeklagten. Auf der Grundlage der Gutachten zweier psychiatrischer [X.]er sowie der Aussagen zweier sachverständi-ger Zeugen bejaht sie indes seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit, die eine Unterbringung gemäß § 63 StGB erfordere.

2. Soweit das [X.] beweiswürdigend eine nicht ausschließbare völlige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit, möglicherweise sogar schon der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB), jedenfalls aber eine erhebli-che Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) annimmt, ist dies frei von [X.]. Auch eingedenk des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO bleibt 2
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daher der Freispruch des Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen bestehen.

3. Indes war der [X.] aufzuheben. Die Anordnung [X.] Maßregel nach § 63 StGB bedarf einer besonders sorgfältigen Begrün-dung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls
langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Dies gilt ungeach-tet des Gewichts der [X.] auch im vorliegenden Fall, in dem der Be-troffene wegen der von ihm im nicht ausschließbaren Zustand der Schuldun-fähigkeit begangenen Tat bereits seit 17 Jahren inhaftiert ist. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Das [X.] hat seine Überzeugung von der zukünftigen Gefähr-lichkeit des Beschuldigten nicht hinreichend begründet. Wegen des [X.] zeitlichen Abstands zu den [X.] reicht hierfür der Charakter der [X.] ausnahmsweise nicht aus. Das [X.] hat sich darauf be-schränkt, die Gefährlichkeitsbeurteilungen der beiden psychiatrischen Sach-verständigen und der beiden sachverständigen Zeugen wiederzugeben, die seinen
Schluss des [X.]s zwar übereinstimmend stützen. Erforderlich wäre, die wesentlichen Anknüpfungs-
und Befundtatsachen der Sachver-ständigenbewertung im Urteil so wiederzugeben, wie dies zum Verständnis der gutachtlichen Äußerungen und zur Beurteilung ihrer Schlüssigkeit erfor-derlich wäre
(vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2008

5
StR
397/08; Urteil vom 19. Februar 2008

5 StR 599/07; [X.], Urteil vom 15. Janu-ar
2003

5
StR 223/02, [X.], 307 f.,
Beschluss vom 8. April 2003

3 [X.], NStZ-RR
2003, 232,
jeweils mwN).

Die Schlussfolgerungen
der [X.]en und sachverständigen Zeugen werden aus der Schilderung der persönlichen Verhältnisse des [X.] und insbesondere seines Verhaltens während der Haft nicht be-legt. Dem Urteil ist lediglich Folgendes zu entnehmen:
Während sein Vorle-ben vor der Tat, abgesehen von ehelichen Problemen, weitgehend unauffäl-6
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lig war, fiel er zu Beginn seiner Haftzeit durch Verstöße gegen die Hausord-nung auf, denen jedoch damals keine psychotische Bedeutung beigemessen wurde. Ab 1996 zeigten sich [X.] sich wiederholt in psychiatrischer Behandlung befand. In
diesem Zusam-menhang werden nur vom Angeklagten berichtete [X.] geschildert. Nachdem er sich deswegen in der Zeit von Au-gust
1997 bis Januar 1998 im [X.] befunden hatte, in dem ein schizoaffektives Syndrom diagnostiziert
wurde, trat zunächst eine Beruhi-gung der Symptomatik ein. [X.] kam es zu erneuten Symptomen der psychiatrischen Erkrankung.
Ab dem Jahr 2008 führte
sich der [X.] weitgehend unauffällig.

Abgesehen von den anfänglichen Verstößen gegen die Hausordnung, denen für die Gefährlichkeitsprognose jedenfalls kein auf der Hand liegendes Gewicht zukommt, werden keine konkreten
Verhaltensauffälligkeiten des [X.] geschildert. Insbesondere finden sich keine Hinweise, auf aggres-sives oder gewalttätiges Verhalten des Angeklagten im Strafvollzug. Über den Zeitraum zwischen 2001 und 2008 macht das Urteil keinerlei konkrete
Angaben. Inwieweit der Angeklagte eine psychiatrische Behandlung erfuhr, ist nur in unzureichendem Maße ersichtlich. Das Urteil macht auch keine Ausführungen dazu, ob dem Angeklagten [X.] gewährt [X.] und wie diese gegebenenfalls verlaufen sind. Angesichts dieser Darle-gungsmängel vermag der Senat die Gefahrenprognose des [X.]s nicht nachzuvollziehen.

4. Der [X.] ist daher mit den zugehörigen [X.] aufzuheben. Von dem Rechtsfeh[X.] nicht betroffen sind die [X.] zum Geschehensablauf der rechtswidrigen Taten, die bestehen bleiben. Sie können durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt wer-den.

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5.
Mit der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] entfällt der Ausspruch über den Ausschluss der Entschädi-gung; über die Verpflichtung zur Entschädigung ist in der verfahrensab-schließenden
Entscheidung zu befinden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG).

Basdorf Raum Schneider

König Bellay

11

Meta

5 StR 199/11

08.06.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. 5 StR 199/11 (REWIS RS 2011, 5923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5923

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