1. Kammer | REWIS RS 2014, 6829
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Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.10.2013 (15 Ca 6881/13) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) mit den Anträgen zu 1), 4) und 2) - soweit künftige materielle und immaterielle Schäden festgestellt werden sollen - Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den ersten Rechtszug gewährt.
Zur Wahrung der Rechte wird ihm Rechtsanwalt G aus K beigeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren für die sofortige Beschwerde werden auf die Hälfte reduziert.
I.
Der Antragsteller war im Mai 2010 als Arbeitnehmer der Firma M GmbH auf der Baustelle „M “ in K tätig. Seine Arbeitgeberin war dort als Subunternehmerin der Antragsgegnerin zu 2) mit Abbrucharbeiten beauftragt. Der Antragsteller erlitt am 03.05.2010 durch eine einstürzende Wand einen Unfall mit schweren Verletzungen, die bis heute nicht vollständig ausgeheilt sind.
Der Antragsteller beabsichtigt, im Klagewege Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer seiner Arbeitgeberin, den Antragsgegner zu 1), und gegen die Antragsgegnerin zu 2) geltend zu machen. Er begehrt angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 75.000,00 €, nebst Zinsen seit dem 26.05.2011 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von jeweils 940,10 €. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Antragsgegner verpflichtet sind, sämtliche künftigen immateriellen Schäden sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist. Außerdem will er von der Antragsgegnerin zu 2) die Angabe von Namen und Anschrift sowie Qualifikation des Baggerfahrers, der am 03.05.2010 die Wand zum Einsturz brachte.
Der Antragsteller hat vorab um Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebeten und seinen Antrag zunächst beim Landgericht Köln eingereicht. Nach Verweisung des Antrags mit Beschluss vom 30.07.2013 hat das Arbeitsgericht Köln ihn mit Beschluss vom 21.10.2013 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die vom Kläger verfolgten Ansprüche seien gemäß § 104 Abs. 1 i. V. m. § 106 Abs. 3 S. 3 SGB VII ausgeschlossen.
Gegen den am 24.10.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 06.11.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht am 07.11.2013, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, eine gemeinsame Betriebsstätte läge nicht vor, da seine Arbeitgeberin und die Antragsgegnerin zu 2) auf der Baustelle eigenständige, voneinander abgegrenzte Tätigkeitsbereiche gehabt hätten. Außerdem sei von Vorsatz in Rechtssinne auszugehen, denn die Antragsgegner hätten den Unfall und die Folgen billigend in Kauf genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.01.2014 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln ist gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. 3 ZPO,569 Abs. 2 ZPO, 11 a) Abs. 3 ArbGG (in der gemäß § 40 EGZPO für das Verfahren weiterhin maßgeblichen früheren Fassung) zulässig.
2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg.
a) Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sieht § 114 S. 1 ZPO a. F. in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise vor, dass für die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehen muss (BVerfG v. 08.12.2009 – 1 BvR 2733/06 - WM 2010, 208 m. w. N.). Von einer hinreichenden Erfolgsaussicht für eine Rechtsverfolgung ist dann auszugehen, wenn bei einer vorläufigen Prüfung der Parteivortrag zumindest für vertretbar gehalten und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung ausgegangen werden kann (BVerfG v. 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04 - NJW-RR 2005, 140). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nur für eine beabsichtigte Klage gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) und auch nur für einen Teil der beabsichtigten Anträge erfüllt. Hierzu im Einzelnen:
b) Soweit der Antragsteller eine Klage gegen den Antragsgegner zu 1) beabsichtigt, fehlt die Erfolgsaussicht, denn möglichen Ansprüchen steht der Haftungsausschluss gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII entgegen.
aa) Der Antragsgegner zu 1) war zum Unfallzeitpunkt Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Antragstellers, einer im Handelsregister eingetragenen GmbH. Damit kommt entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein Haftungsausschluss zwar nicht gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII in Betracht, denn die Vorschrift bezieht sich nur auf den „Unternehmer“, vorliegend also auf die GmbH als juristische Person. Auf Geschäftsführer solcher juristischer Personen findet § 104 Abs. 1 SGB VII keine Anwendung (OLG Köln v. 23.10.1998 VersR 1999, 777). Indes besteht für im Betrieb beschäftigte Personen, zu denen auch ein Geschäftsführer zählt (ErfK/Rolfs, 14. Aufl., § 104 SGB VII Rn. 11), eine Haftungseinschränkung aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Der Haftungsausschluss betrifft alle Personenschäden, darunter sind neben immateriellen Schäden auch alle mit dem Unfallgeschehen in Zusammenhang stehenden materiellen Vermögensschäden (ErfK/Rolfs, 14. Aufl., § 104 SGB VII Rn. 15) erfasst.
bb) Die gesetzlichen Einschränkungen des Haftungsausschlusses gemäߧ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind vorliegend nicht ersichtlich. Da kein Wegeunfall i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII vorliegt, käme ein Wegfall der Haftungssperre nur wegen vorsätzlichen Handelns in Betracht. Insoweit hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Vorsatz des Schädigers i.S.d. §§ 104,105 SGB VII nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg erstrecken muss (BAG v. 28.04.2011 NZA-RR 2012, 290; BAG v. 19.02.2009 NZA-RR 2010,123; LAG Köln v. 03.08.2011 – 9 Sa 1469/10 - Rn. 43). Zum – bedingten - Vorsatz gehört, dass das Wissen und Wollen des Schädigers sich auf die Verletzungshandlung einschließlich Verletzungserfolg und auf den konkreten Schadensumfang erstreckt und dieser für den Fall seines Eintritts gebilligt werden muss (BAG 10.10.2002 NZA 2003, 436 Rn. 18 f; ErfK/Rolfs § 104 SGB VII Rn. 12 m. w. N.). Es ist vom Antragsteller nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner zu 1) das konkrete Schadensrisiko am 03.05.2010, dem Schadenstag, d.h. das Umstürzen einer Wand und die Verletzung von Beschäftigten voraussehen konnte oder sogar konkret vorausgesehen hätte. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.02.2014 selbst ausführt, dass der Antragsgegner zu 1) im Gemeinschaftszimmer die Einteilung der Arbeitskräfte vornahm, selbst aber nicht vor Ort im Gebäude war. Selbst wenn bei der Anweisung von Arbeiten Sicherheitsvorschriften missachtet werden, ist regelmäßig davon auszugehen, dass keine Schädigung einkalkuliert wird, sondern das Ausbleiben eines Unfalls erhofft wird (ebenso LAG Köln v. 03.08.2011 – 9 Sa 1469/10 - Rn. 43 m. w. N.). Mithin wäre für eine Haftung des Antraggegners zu 1) nicht ausreichend, dass er bei Einteilung der Arbeiten Sicherheitsvorschriften missachtet und etwa erforderliche Hinweise nicht erteilt hätte; zusätzlich hätte der Antragsgegner zu 1) den Wandeinsturz voraussehen und diesen billigend in Kauf nehmen müssen. Davon kann mangels besonderer Anhaltspunkte nicht ausgegangen werden.
c) Für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) besteht indes teilweise Erfolgsaussicht.
aa) Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 S. 1 ZPO a. F. besteht für den auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichteten Klageantrag zu 1).
(1) Soweit der Antragsteller seine Klage darauf stützen will, dass der Unfall von einem bei der Antragsgegnerin zu 2) beschäftigten Baggerfahrer verursacht worden sei, ergibt sich zwar keine Haftung der Antragsgegnerin zu 2) aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB.
(a) Dies ist anzunehmen, obwohl der Antragsgegnerin zu 2) insoweit nicht das Haftungsprivileg gemäß § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII zugutekommt. Denn nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich das erkennende Gericht anschließt, kommt die Haftungssperre nur einem auf einer gemeinsamen Betriebsstätte selbst tätigen Unternehmer zugute, der den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt. Dies setzt indes voraus, dass die Schädigung durch ein auf der Betriebsstätte tätiges „Organ“ des Unternehmers erfolgt (BGH v. 08.06.2010 NJW 2011, 449 (Rn. 10)). Weder handelt es sich bei dem Baggerfahrer um ein Organ der Antragsgegnerin zu 2), noch ist vorgetragen, dass ein Organ der Antragsgegnerin zu 2) die zum Schaden verursachende Handlung vorgenommen hätte.
(b) Allerdings entfällt eine Haftung gemäß § 831 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs i.V.m. § 840Abs. 2 BGB. Danach entfällt eine Haftung des nicht auf der Baustelle anwesenden Zweitschädigers aus § 831 BGB, wenn dem vor Ort tätigen Arbeitnehmer die Haftungssperre des § 106 Abs. 3, 3. Alt SGB VII zugutekommt (BGH 08.06.2010 a. a. O. Rn. 12; ErfK/Rolfs§ 106 SGB VII Rn. 6 m.w.N.). Eine Haftungssperre des vor Ort tätigen Mitarbeiters der Antragsgegnerin zu 2) ist vorliegend anzunehmen.
Voraussetzung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers ist zu einen eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VI. Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte setzt voraus, dass mehrere Unternehmen bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, sich ergänzen und unterstützen. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das auf gegenseitige Ergänzung und Unterstützung ausgerichtet ist (BGH 08.06.2010 a. a. O. Rn. 14). Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen hierfür ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung (BGH v. 30.04.2013 NZA 2013, 1218).
Die Voraussetzungen für eine gemeinsame Betriebsstätte sind nach der Schilderung des Antragstellers, insbesondere auch nach der Konkretisierung in dem Schriftsatz vom 27.02.2014, erfüllt. Danach wurden drei Arbeitsbrigaden der Arbeitgeberin des Antragstellers bestimmten Mitarbeitern der Antragsgegnerin zu 2) zugewiesen, insbesondere den Baggerfahrern. Dies bedeutet, auf der Baustelle wurden gemeinsame Teams aus Kollegen des Antragstellers und Mitarbeitern der Antragsgegnerin zu 2) tätig. Auch am Schadenstag soll eine Zuteilung zu einem Baggerfahrer der Antragsgegnerin zu 2) erfolgt sein, der dann die Arbeitsbrigade zum Arbeitsort in einen geschlossenen Raum im Erdgeschoss des Gebäudes – dem Unfallort - geführt habe. Diese Handhabung lässt bei der Durchführung der Abbrucharbeiten auf der gemeinsamen Baustelle ein arbeitsteiliges Zusammenarbeiten mit gegenseitiger Ergänzung und Unterstützung der Bauarbeiter der beiden Firmen im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung vermuten, so dass nach der Darstellung des Antragstellers von einer gemeinsamen Betriebsstätte auszugehen ist.
Die Haftungseinschränkung entfällt auch nicht wegen vorsätzlichen Handelns des Baggerfahrers (§ 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII i.V.m. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Denn für die Annahme von Vorsatz wäre – wie oben dargelegt – auch in diesem Zusammenhang erforderlich, dass das Wissen und Wollen des Schädigers sich auf die Verletzungshandlung einschließlich Verletzungserfolg und auf den konkreten Schadensumfang erstreckt und dieser für den Fall seines Eintritts gebilligt wird (ErfK/Rolfs § 104 SGB VII Rn. 12 m. w. N.). Der Antragsteller hat zwar geltend gemacht, der Baggerfahrer habe die falsche Wand eingerissen. Aber es fehlt Tatsachenvortrag aus dem sich entnehmen ließe, der Baggerfahrer habe bei seiner Tätigkeit gewusst oder damit gerechnet, dass die Mitarbeiter der Subunternehmerin in dem dahinterliegenden Raum arbeiteten und deren Schädigung gleichwohl in Kauf genommen. Mangels konkreter Anhaltspunkte ist vielmehr davon auszugehen, dass der Baggerfahrer bei seinen Abrissarbeiten davon ausging, die Bauarbeiter des Subunternehmers würden ihre Arbeiten in einem anderen Raum verrichten.
(2) Allerdings ergibt sich die Erfolgsaussicht für eine Haftung auf Schmerzensgeld der Antragsgegnerin zu 2) aus der Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten gemäß §§ 823 Abs. 1, 31 BGB i. V. m. § 253Abs. 2 BGB.
(a) Nach der Schilderung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin zu 2) die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten auf der Baustelle schuldhaft verletzt. Der Antragsgegnerin zu 2) war die Durchführung von Abbrucharbeiten auf dem Bauvorhaben „M “ in K übertragen, während die Arbeitgeberin des Antragstellers von der Antragsgegnerin zu 2) lediglich als Subunternehmer im Rahmen des Werkvertrages eingesetzt war. Einer bauausführenden Firma obliegt grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht für die von ihr betreute Baustelle und aller davon ausgehenden Gefahren (OLG Köln v. 11.04.2003 VersR 2003, 1185). Die Verkehrssicherungspflicht bezieht sich auf die Absicherung der Baustelle, Vermeidung von Gefahren, die der Betrieb der Baustelle erwarten lässt (OLG Köln 11.04.2003 a. a. O.) und obliegt grundsätzlich dem Unternehmer selbst (OLG Zweibrücken v. 12.7.2011 NJW-RR 2012,94 (Rn 11)).
(b) Die Verpflichtung der bauausführenden Firma zur Sicherung der Baustelle gegenüber all denjenigen, die vorhersehbar mit den Gefahren der baulichen Anlage in Berührung kommen, entfällt nur dann, wenn eine konkrete Übertragung der Verkehrssicherungspflicht durch eine besondere Vereinbarung auf einen Dritten stattgefunden hat (OLG Köln 11.04.2003 a. a. O.; OLG Zweibrücken 12.7.2011 a.a.O.). Die Antragsgegnerin zu 2) hat eine solche Übertragung nicht geltend gemacht und insbesondere nicht dargelegt, durch welche konkrete vertragliche Vereinbarung dies geschehen sein sollte.
(c) Die Haftung wegen Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten ist nicht gemäß § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ausgeschlossen, denn die Vorschrift hat insoweit keinen Anwendungsbereich (BGH v. 14.06.2005 VersR 2005, 1397 m. w. N.; Kassler-Komm./Ricke § 106 SGB VII Rn. 13). In diesem Pflichtenkreis besteht auch keine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Mitarbeiter vor Ort, so dass auch eine Haftungseinschränkung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs ausscheidet.
(d) Die konkreten Pflichten der bauausführenden Firma auf der Baustelle hat die Bezirksregierung K in ihrer arbeitsschutzrechtlichen Beurteilung vom 17.08.2010 (Seite 4), auf die der Vortrag des Antragstellers sich u.a. stützt, dahingehend konkretisiert, dass der Zugang der Gefahrenbereiche mittels Flatterband oder durch temporär errichtete Zaunanlagen zu versperren gewesen wäre oder durch eine farbliche Kennzeichnung der Gefahrbereiche bzw. der rückzubauenden Wände vorgenommen werden musste. Außerdem hätten die Mitarbeiter konkrete Hinweise erhalten müssen, dass die zum Innenhof angrenzenden Räume nicht betreten werden dürfen, da die Außenwände für den Abbruch vorgesehen sind. Beides sei nicht geschehen.
Die festgestellte Pflichtverletzung ist mitursächlich für den eingetretenen Schaden, das Unterlassen jedenfalls fahrlässig.
Soweit die Antragsgegnerin zu 2) nunmehr erstmals mit Schriftsatz vom 26.02.2014 - davon abweichend - geltend macht, ihre Verkehrssicherungspflicht zumindest teilweise durch Versperrung des Zugangs erfüllt zu haben, steht dies der Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Klage nicht entgegen. Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob der Vortrag unter Berücksichtigung der Feststellungen der Bezirksregierung hinreichend substantiiert ist. Selbst wenn man das annehmen würde, wäre die Frage ordnungsgemäßer Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ggf. durch Beweisaufnahme und Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten näher aufzuklären und zur Durchführung dieser Klärung Prozesskostenhilfe zu gewähren.
(e) Für die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldes besteht im Hinblick auf die schweren unmittelbaren Unfallfolgen, die sich aus dem Arztbericht des Krankenhauses M vom 08.05.2010 ersehen lassen sowie im Hinblick auf die in dem Arztbrief der Klinik M vom 14.10.2011 dokumentierten Folgen und den in dem Bericht des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 08.03.2013 dokumentierten Dauerfolgen ebenfalls Erfolgsaussicht. Im Hauptsacheverfahren werden für die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes ggf. die noch ausstehenden Begutachtungen Bedeutung haben.
bb) Der von dem Antragsteller beabsichtigte Feststellungsantrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) hat teilweise Aussicht auf Erfolg.
(1) Erfolgsaussicht für einen Feststellungsantrag betreffend den Ersatz künftiger Schäden setzt gemäß § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG grundsätzlich voraus, dass Schadensfolgen in Zukunft möglich sind, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind, wobei allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen muss (BAG v. 28.04.2011 NZA-RR 2012, 290).
(2) Vorliegend hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.02.2014 hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Entwicklung der Schadensfolgen noch nicht abgeschlossen ist und aktuell die Berufsgenossenschaft BG Bau durch drei neue Gutachten den status quo und die weitere Prognose klären lassen will. Daraus lässt sich für die zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden ein hinreichendes Feststellungsinteresse ableiten.
(3) Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO fehlt allerdings hinsichtlich der beabsichtigten Feststellung zu den vergangenen materiellen Schäden. Im Hinblick darauf, dass seit dem Unfallereignis nunmehr fast vier Jahre vergangen sind, dürfte dem Kläger eine Bezifferung bisher entstandener materieller Schäden ohne weiteres möglich sein. Insoweit wäre vorrangig eine Leistungsklage zu erheben. Aus welchem Grund Schadenspositionen noch nicht bezifferbar sind, hat der Antragsteller nicht erläutert. Insoweit war der Prozesskostenhilfeantrag abzuweisen und die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
cc) Keine Erfolgsaussicht hat der beabsichtigte Klageantrag zu 3), mit dem der Antragsteller Name, Anschrift und Qualifikation des Mitarbeiters benannt wissen will, der als Baggerfahrer die Mauer zum Einsturz brachte.
(1) Insoweit hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass zum fraglichen Zeitpunkt der Mitarbeiter H im Hofbereich mit einem Bagger tätig war. Allerdings soll dieser Baggerfahrer nach dem Vortrag der Antragsgegnerin zu 2) das Gebäude und die Wand nicht berührt haben. Damit hat die Antragsgegnerin zu 2) die erbetene Auskunft hinsichtlich der Person des Baggerfahrers bereits erteilt, wobei streitig ist, ob die Tätigkeiten des Baggerfahrers H ursächlich für den Einsturz der Wand waren.
(2) Dass am Unfalltag in der Nähe der eingestürzten Außenwand noch ein weiterer Bagger auf dem Gelände tätig war, auf den sich ggf. ein Auskunftsanspruch beziehen könnte, ist von dem Antragsteller nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.
(1) Es gehört zu den anerkannten Grundsätzen des Schadensersatzrechts, dass die Kosten der Rechtsverfolgung und damit auch Rechtsanwaltskosten als materieller Schadensersatz ersatzpflichtig sind, sofern die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war (BGH v. 08.05.2012 NJW 2012, 2194; Palandt/Grüneberg BGB, § 249 Rn. 57). Im Hinblick auf die klärungsbedürftigen Rechtsfragen und die geschäftliche Unerfahrenheit des Antragstellers war die Hinzuziehung eines Anwalts zur Rechtsdurchsetzung erforderlich.
(2) Allerdings könnte der Erstattungsanspruch im Hinblick auf § 12 a)Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen sein, der auch materielle Kostenerstattungsansprüche unabhängig von ihrer Anspruchsgrundlage im arbeitsgerichtlichen Verfahren ausschließt. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten dann, wenn der Schutzzweck bzw. Sinn und Zweck des § 12 a) ArbGG den Ausschluss nicht rechtfertigt (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 8. Aufl. § 12 a) Rn. 8). Vorliegend könnte eine Ausnahme deshalb gerechtfertigt sein, weil der Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) nicht gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wird, vielmehr auf einer Verkehrssicherungspflichtverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB eines Dritten gründet, für die die Arbeitsgerichte originär nicht zuständig sind und vorliegend nur eine Annexzuständigkeit gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG besteht. Da es nicht Aufgabe der nur summarischen Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren ist, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (BVerfG v. 24.06.2010– 1 BvR 3332/08 – juris; BGH v. 10.07.2013 NJW-RR 2014, 131), war dem Antragsteller insoweit Prozesskostenhilfe zu gewähren, damit die Frage eines möglichen Anspruchs im Hauptsacheverfahren einer Klärung zugeführt werden kann.
d) Der Antragsteller erfüllt auch nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 115 ZPO a. F. i. V. m. § 11 a) Abs. 3 ArbGG a. F.). Dies ergibt sich bereits aufgrund des von dem Antragsteller vorgelegten Bescheides des Jobcenters K vom 14.01.2014 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
e) Im Hinblick auf die besondere Schwierigkeit der in Rede stehenden Rechtsfragen ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten, so dass die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 121 Abs. 2 ZPO erfüllt sind.
III.
Mit Rücksicht darauf, dass die sofortige Beschwerde teilweise erfolgreich war, entspricht es billigem Ermessen, die Gerichtsgebühren auf die Hälfte zu reduzieren (Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG).
IV.
Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein Anlass besteht, ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78S. 2 ArbGG i. V. m. §§ 72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Meta
24.03.2014
Landesarbeitsgericht Köln 1. Kammer
Beschluss
Sachgebiet: Ta
Zitiervorschlag: Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 24.03.2014, Az. 1 Ta 12/14 (REWIS RS 2014, 6829)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 6829
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