Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.03.2011, Az. 2 StR 428/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8777

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Gegenstand

Urkundenfälschung: Verwendung des Ausdrucks der manipulierten Bilddatei eines Personalausweises; Mindestanforderungen an die Urteilsgründe bei einer Verfahrensabsprache


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 26 Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren gesamtstrafenfähigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte zur Tatzeit als Leiter der Filiale eines [X.] der [X.] mit dem Abschluss von Mobiltelefonieverträgen befasst. Üblicherweise kopierten bei Abschluss solcher Verträge die Mitarbeiter des [X.] das Legitimationspapier und die Bankkarte der Kunden und nahmen die Kopien zu dem jeweiligen Vertrag. Die Vertragsunterlagen wurden zum Monatsende an die Unternehmenszentrale geschickt und von dort an die Netzbetreiber weitergeleitet. Die Kunden erhielten pro [X.] ein oder mehrere Handys, die von dem [X.] subventioniert waren. Spätestens Anfang Januar 2008 kam der Angeklagte mit einem Bekannten überein, mit "Kopien" gefälschter [X.]e und Bankkarten im Namen fiktiver Personen Verträge abzuschließen, um an subventionierte Handys zu gelangen. Hierzu scannte der Bekannte des Angeklagten einen Originalpersonalausweis in einen Computer ein und stellte mittels eines [X.] "Kopien tatsächlich nicht existenter [X.]e" unter Verwendung von Scheinpersonalien her, indem er die Seriennummern, die Personaldaten und die Lichtbilder veränderte. Ferner fertigte er [X.] von Konten, die unter Scheinpersonalien eröffnet worden waren oder Kunden gehörten, welche in dem [X.] zuvor unter Angabe ihrer Bankdaten Mobilfunkverträge abgeschlossen hatten. Unter Verwendung der gefälschten Dokumente schlossen der Angeklagte und sein Bekannter in der Folgezeit auf den Namen der jeweiligen fiktiven Personen einen oder mehrere "Verträge" ab. Der Angeklagte reichte diese "[X.]" dann wie üblich über die Zentrale bei dem jeweiligen Provider ein. Für seinen Beitrag erhielt der Angeklagte jeweils eines der mit "Vertragsschluss" überlassenen neuen Handys.

3

2. Das angefochtene Urteil unterliegt insgesamt der Aufhebung, da es nicht den Mindestanforderungen genügt, die an die Urteilsgründe auch dann zu stellen sind, wenn die Entscheidung, wie hier, nach einer Verfahrensabsprache ergangen ist. Allein die Bereitschaft des Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist (vgl. [X.], [X.], 467; NStZ-RR 2010, 54; Senat, NStZ-RR 2010, 336).

4

Zu den unerlässlichen Mindestvoraussetzungen des Urteils gehört, dass es eine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollziehbare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhalts, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der [X.] als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. [X.]R StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3; [X.], [X.], 109). So verhält es sich hier.

5

a) Die Feststellungen der [X.] erschöpfen sich in einer knapp gehaltenen, teilweise aus dem [X.] übernommenen Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten und seines Komplizen, an die sich eine Zusammenfassung der [X.] in einer mehrspaltigen Tabelle anschließt. Dort wird in der Spalte "Tattag" das jeweilige Datum angegeben, unter dem die "[X.]" geschrieben worden sind, und in der Spalte "Fiktive Person" wird der Name des vorgetäuschten Kunden aufgeführt. In zwei weiteren Spalten werden unter der Überschrift "Vertragspartner" die SIM-Kartennummern der jeweiligen Netzbetreiber und unter der Überschrift "Handys" die in den Einzelfällen erhaltenen Mobiltelefone mit Typenbezeichnung aufgelistet.

6

Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, bei einer Vielzahl von Straftaten, die den selben Tatbestand erfüllen, davon abzusehen, die konkreten Sachverhalte der [X.] ausführlich mitzuteilen, und diese stattdessen in einer Liste zusammenzufassen, in der die jeweiligen Taten individualisiert werden. Dies gilt, wenn die Taten in allen wesentlichen tatsächlichen Umständen, die den Tatbestand erfüllen, gleich gelagert sind. Auch dann müssen die Urteilsgründe aber so abgefasst werden, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. für den Fall einer Vielzahl von gleichgelagerten Betrugstaten [X.], NJW 1992, 1709; [X.], 352; NStZ-RR 2010, 54).

7

b) Hier lässt sich der Sachverhaltsdarstellung der [X.] zur betrügerischen Vorgehensweise des Angeklagten jedoch schon nichts Näheres dazu entnehmen, wie es zu einem Abschluss der "[X.]" gekommen sein soll und wer aus dem Adressatenkreis der Täuschung über die mit fiktiven Personaldaten ausgefüllten Kundenaufträge von dem Angeklagten zu welcher irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst worden ist. Ausführungen zu vertraglichen Regelungen zwischen dem die [X.] betreibenden Unternehmen und den [X.] fehlen vollständig. Dementsprechend bleibt unklar, wie der Angeklagte die Mobiltelefone und die SIM-Karten erlangt hat. Es lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, aus welchem Vermögen die Mobiltelefone herrührten und welchen Wert diese hatten. Danach lässt sich auch nicht nachvollziehen, wer in den Einzelfällen in welcher Höhe geschädigt worden ist.

8

3. Hinzu kommt, dass die Feststellungen den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschungen nicht tragen.

9

a) Durch die Ausdrucke von Bilddateien eines [X.]es unter manipulativer Änderung von Personaldaten und Lichtbild sind weder unechte oder verfälschte Urkunden hergestellt worden, noch hat der Angeklagte solche Urkunden gebraucht, indem er die Ausdrucke verwendete, um vorzutäuschen, dass von den fiktiven Kunden Personaldokumente vorgelegen hätten.

Urkunden im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB sind verkörperte Erklärungen, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lassen. Einer bloßen Fotokopie ist, sofern sie nach außen als Reproduktion erscheint, mangels Beweiseignung sowie Erkennbarkeit des Ausstellers demgegenüber kein Urkundencharakter beizumessen (st. Rspr., vgl. [X.]St 20, 17, 18 f.; 24, 140, 141 f. mwN; [X.] wistra 1993, 225; 341; 2010, 226). Zwar kann im Wege computertechnischer Maßnahmen wie der Veränderung eingescannter Dokumente grundsätzlich eine (unechte) Urkunde hergestellt werden. Dafür muss die Reproduktion jedoch einer Originalurkunde so ähnlich sein, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. mwN [X.], [X.], 184, 185; [X.], StGB 58. Aufl. § 267 Rn. 22). Daran fehlt es hier. Die Ausdrucke der Computerdatei des gescannten [X.]es wiesen nicht die typischen Authentizitätsmerkmale auf, die einen [X.] prägen. Sie sollten nach ihrem Dokumentationszweck wie Kopien verwendet werden und spiegelten erkennbar lediglich ein Abbild eines [X.]es wider.

Da der von den Ausdrucken der Computerdatei jeweils abgebildete [X.] tatsächlich nicht existierte und diesbezüglich somit zu keinem Zeitpunkt eine falsche Urkunde vorgelegen hat, erfüllt die Verwendung dieser Ausdrucke auch nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung in Form des Gebrauchens einer unechten Urkunde (vgl. [X.], aaO § 267 Rn. 37), wie es das [X.] in seinen sich auf die Angabe des Endergebnisses beschränkenden Ausführungen zur rechtlichen Würdigung angenommen hat (UA S. 11).

b) Eine hier in Betracht zu ziehende Urkundenfälschung durch eine Anfertigung der mit fingierten Namen unterzeichneten "[X.]" bzw. Kundenaufträge und deren Weiterleitung hat die [X.] demgegenüber nicht erwogen.

[X.]                                       Appl                                   Berger

                    Eschelbach                                     Ott

Meta

2 StR 428/10

09.03.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hanau, 14. Juni 2010, Az: 1100 Js 7236/08 - KLs, Urteil

§ 267 Abs 1 StGB, § 267 Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.03.2011, Az. 2 StR 428/10 (REWIS RS 2011, 8777)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8777

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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