Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2013, Az. II ZR 83/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9025

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR 83/11
Verkündet am:

15. Januar 2013

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
[X.]§ 43a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1
a)
Bestimmt die Wahlordnung für die Wahl zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft, dass Kandidaten nicht zugleich Mitglied des Wahlvorstands oder Wahlhelfer sein können, wird dadurch weder das passive Wahlrecht nach § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG noch der in §
43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]normierte Grundsatz der allgemeinen Wahl eingeschränkt.
b)
Sehen Satzung und Wahlordnung zur Vertreterwahl einer Genossenschaft vor, dass Wahlvor-schläge eines Mitglieds zu ihrer Wirksamkeit 20 Unterstützungsunterschriften bedürfen, verstößt dies bei einer Genossenschaft mit mehr als 70.000 Mitgliedern und einer auf Wahrung der Gleich-heit des Wahlrechts ausgerichteten Einteilung der Wahlbezirke nicht gegen die Grundsätze der [X.]und gleichen Wahl. Dies gilt auch dann, wenn nach der Wahlordnung auch ein Wahlvor-schlagsrecht des Wahlvorstands besteht, dessen Wahlvorschläge ohne Unterstützung wirksam sind.
c)
In der Wahlordnung zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft kann dem Wahlvorstand jedenfalls dann ein Wahlvorschlagsrecht eingeräumt werden, wenn ihm ausschließlich Mitglieder der Genossenschaft angehören, die mehrheitlich von der Vertreterversammlung oder Generalver-sammlung gewählt werden, und es auch den anderen Mitgliedern möglich ist, Wahlvorschläge zu unterbreiten.

BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 -
II ZR 83/11 -
KG

LG Berlin

-
2
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Der II.
Zivilsenat des [X.]hat auf die mündliche Verhandlung vom 15.
Januar 2013 durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann, den Richter
Dr.
Strohn, die Richterin Dr.
Reichart
und die Richter Dr.
Drescher
und
Born
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.]gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des [X.]vom 17. Februar 2011 wird auf seine
Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagte Konsumgenossenschaft [X.]und Umgegend eG ist eine eingetragene Genossenschaft mit Sitz in Berlin, deren Generalversammlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 der Satzung aus gewählten Vertretern der Mitglieder besteht (Vertreterversammlung). Der Kläger verlangt als Mitglied der [X.]die Feststellung der Nichtigkeit verschiedener Bestimmungen der am 18. März 2009 von der Vertreterversammlung beschlossenen Wahlordnung für die Wahl der Vertreter sowie der im Zeitraum vom 4. bis 18. Mai 2009 durchge-führten Wahl zur Vertreterversammlung einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses.

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Nach § 14 Abs. 1 der Satzung der [X.]besteht die [X.]aus mindestens 50 gewählten Mitgliedern. § 15 der Satzung be-stimmt:
(1)
Die Mitglieder wählen ihre Vertreter auf die Dauer von vier Jahren. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

(2)
Auf je angefangene 1.000 Mitglieder en

(3)
Nähere Bestimmungen über das Wahlverfahren, den [X.]einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses werden in einer Wahlordnung geregelt, die vom Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund übereinstimmender Beschlüsse erlassen wird. Sie bedarf der Zustimmung der Vertreterversammlung.

(4)
Die Wahl findet in Wahlbezirken statt. Der Wahlvorstand bestimmt mit Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat die Wahlbezirke, die so eingerichtet werden sollen, dass die Gleichheit der Wahl

(5)
Ist ein Vertreter weggefallen, tritt an seine Stelle der für den [X.]Wahlbezirk gewählte Ersatzvertreter. [X.]auch dieser weg, rückt unabhängig vom Wahlbezirk der [X.]mit der höchsten Stimmenzahl nach.

Am 18. März 2009 stimmte die Vertreterversammlung einer vom [X.]und vom Aufsichtsrat vorgelegten Wahlordnung zu (Beschluss-Nr. 9/41/2009) und beschloss eine Ergänzung von § 11 der Satzung (Beschluss-Nr. 10/41/2009). Die Wahlordnung bestimmt u.a.:
§ 1 Wahlvorstand
(1)
Zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl von Vertretern und Ersatzvertretern zur Vertreterversammlung sowie aller damit zu-sammenhängenden Entscheidungen wird ein ehrenamtlicher Wahlvorstand bestellt.
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(2)
Der Wahlvorstand besteht aus:

a)
einem Vorstandsmitglied,
b)
drei Aufsichtsratsmitgliedern und
c)
fünf weiteren Genossenschaftsmitgliedern.

Die Mitglieder gem. a) und b) werden vom Vorstand bzw. dem Aufsichtsrat gewählt. Die Mitglieder gem. c) werden von der [X.]gewählt. Die Mitglieder des Wahlvorstandes dürfen nicht zugleich Kandidaten sein.

§ 5 Wahlbezirke und Wählerlisten
(1)
Nach § 15 Abs. 4 der Satzung bestimmt der Wahlvorstand mit Zu-stimmung von Vorstand und Aufsichtsrat die Wahlbezirke, die so eingerichtet werden sollen, dass die Gleichheit der Wahl gewähr-leistet ist.

(3)
Der Wahlvorstand stellt fest, wie viele Vertreter und [X.]in den einzelnen Wahlbezirken unter Beachtung von § 15 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 3 der Satzung zu wählen sind. Maßgebend ist der am Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres bekannte Mit-gliederstand.

§ 7 Kandidaten und Wahlvorschläge
(1)
Der Wahlvorstand stellt Kandidaten für die Wahl zur [X.]auf.

(2)
Andere Wahlvorschläge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit zwanzig

§ 8 Form der Wahl
(1)
Die Wahl findet als Urnenwahl statt. Davon ausgenommen sind die Wahlbezirke, die nicht in [X.]liegen. Hier kann die Wahl auch als Briefwahl durchgeführt werden.

(2)
Die Vertreter und [X.]werden in allgemeiner, unmittel-barer, gleicher und geheimer Wahl gewählt.

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§ 9 Wahlhelfer
(1)
Zum Wahlhelfer darf nicht bestimmt werden, wer für die Wahl zur Vertreterversammlung kandidiert oder wer einen Wahlvorschlag mit seiner Unterschrift unterstützt hat.

§ 11 Briefwahl
(1)
Die Mitglieder, die ihren Wohnsitz in einem Wahlbezirk außerhalb [X.]haben, wählen

§ 11 Abs. 2 der Satzung, der einzelne Rechte der Mitglieder aufzählt, wurde um folgende Nummer 10 ergänzt:
10.
Wahlvorschläge für die Vertreterversammlung einzureichen; hierzu bedarf es der Unterschriften von 20 Mitgliedern aus dem Wahlbe-zirk.

Der Kläger nahm als Mitgliedervertreter an der Vertreterversammlung teil und stimmte gegen die Beschlüsse. Gegen den Beschluss Nr. 9/41/2009 erklär-te er Widerspruch zu Protokoll.
Im Zeitraum vom 4. bis 18. Mai 2009 fand bei der [X.]eine Wahl zur Vertreterversammlung statt, bei der der Kläger kandidierte. Einen [X.]mit 20 Unterstützungsunterschriften gab es nicht. Der Wahlvorstand [X.]auch Wahlvorschläge, die ohne die erforderlichen Unterstützungs-unterschriften eingereicht wurden. Die Zahl der Mitglieder wurde mit 74.247 an-gegeben, wobei in sieben Wahlbezirken für jeweils angefangene 1000 [X.]insgesamt 79 Vertreter zu wählen waren. Im kleinsten Wahlbezirk Fried-richshain/[X.]wurden fünf Vertreter unter Zugrundelegung einer Mitglie-derzahl von 4.021 gewählt; im größten Wahlbezirk Pankow/[X.]4
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Berg/[X.]17 Vertreter unter Zugrundelegung einer Mitgliederzahl von 16.690.
Der Wahlvorstand gab am 25. Mai 2009 das Wahlergebnis bekannt, nach dem der Kläger in seinem Wahlbezirk als zweiter [X.]gewählt wurde. Er wies den vom Kläger am 22. Juni 2009 gegen die Wahl erhobenen Einspruch mit Schreiben vom 29. Juni 2009 zurück.
Mit seiner am 25. Juni 2009 eingegangenen und am 24. August 2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Regelungen in §
1 Abs. 2 Satz 4, §
7 Abs. 2, §
9 Abs. 1 und §
11 Abs. 1 Satz 1 der [X.]

letztere Bestimmung hinsichtlich der Beschränkung des Briefwahlrechts auf Mitglieder mit Wohnsitz außerhalb Berlins

sowie die im Mai 2009 durchge-führte Wahl zur Vertreterversammlung und der Beschluss des Wahlvorstands über die Feststellung des Wahlergebnisses nichtig sind. Das [X.]hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Feststellung der Nichtigkeit von § 11 Abs.
1 Satz 1 der Wahlordnung gerichtet ist, und ihr im Übrigen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der [X.]und unter Zurückwei-sung der Anschlussberufung des [X.]die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine im
Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter ver-folgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
A. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Ein zur Anfechtbarkeit oder gar zur Nichtigkeit der durchgeführten Wahl sowie des Beschlusses des Wahlvorstands führender Verstoß gegen § 43a Abs. 2 GenG könne nicht darin gesehen werden, dass nach §
1 Abs. 2 Satz 4 und §
9 der Wahlordnung Mitglied des Wahlvorstands oder Wahlhelfer nicht sein könne, wer für die Vertreterversammlung kandidiere oder einen [X.]mit seiner Unterschrift unterstütze. Die Regelungen schränkten nicht in unzulässiger Weise das passive Wahlrecht ein, sondern bestimmten, wer dem Wahlvorstand angehören bzw. als Wahlhelfer tätig werden dürfe.
Dass es zulässig sei, die Wirksamkeit eines Wahlvorschlags von Unter-stützungsunterschriften abhängig zu machen, ergebe sich mittelbar aus § 43a Abs. 4 Satz 6 GenG. Die Zahl von 20 Unterstützungsunterschriften im [X.]Wahlbezirk stelle weder wegen Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme zu anderen Mitgliedern als Unterstützer noch im Hinblick auf die [X.]in den Wahlbezirken eine unzumutbare, gegen demokratische Wahlgrund-sätze verstoßende Erschwerung eines Wahlvorschlags dar.
Ein zur Nichtigkeit oder zumindest zur Anfechtbarkeit von § 7 Abs. 2 der Wahlordnung bzw. des Beschlusses über die Feststellung des Wahlergebnis-ses führender Verstoß gegen die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl liege nicht darin, dass die Wahlordnung in § 7 Abs. 2 zwischen Vor-schlägen des Wahlvorstands und solchen anderer Mitglieder differenziere. Dem Wahlvorstand stehe ein eigenes Vorschlagsrecht zu. Die unterschiedliche Be-handlung von Wahlvorschlägen der Mitglieder und des Wahlvorstands sei [X.]durch das Bestreben gerechtfertigt, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken und dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und der Gefahr einer Stimmzersplitterung vorzubeugen. Anders als bei Wahlvorschlägen von Mitgliedern reiche es für die Wirksamkeit eines Wahl-vorschlags des Wahlvorstands aus, dass er von diesem mehrheitlich getragen 11
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werde, weil jedenfalls bei den Vorstands-
bzw. Aufsichtsratsmitgliedern im Wahlvorstand davon ausgegangen werden könne, dass sie auf Grund ihrer Tä-tigkeit beurteilen könnten, welcher Kandidat für eine Mitarbeit in der [X.]geeignet sei und ob dieser realistische Chancen habe, von den Mitgliedern gewählt zu werden.
Es gehöre nicht zu den Wahlgrundsätzen, in jedem Fall die Möglichkeit einer Briefwahl zu eröffnen. Soweit das Briefwahlverfahren nur für Mitglieder mit Wohnsitz außerhalb [X.]eröffnet sei, liege ein sachgerechtes Kriterium für eine Differenzierung vor. Einerseits könne den [X.]mit Wohnsitz außerhalb [X.]nicht zugemutet werden, ihre Stimme in [X.]ab-zugeben. Andererseits sei es der [X.]organisatorisch ersichtlich nicht möglich, eine Urnenwahl in räumlicher Nähe der theoretisch über das gesamte [X.]zerstreut lebenden Mitglieder durchzuführen. Es gebe keinen zwingenden Grund, den in [X.]wohnenden Mitgliedern ebenfalls die Möglich-keit einer Briefwahl zu gewähren. Der Hinweis der [X.]auf die hiermit verbundenen Kosten sei unabhängig davon beachtlich, ob das Urnenwahlver-fahren kostengünstiger sei, weil diese Erwägung der richterlichen Überprüfung nicht zugänglich sei.
Der auf Feststellung der Unwirksamkeit von § 1 Abs. 2 Satz 4 und §
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Abs.
1 der Wahlordnung gerichtete Antrag bleibe schon deswegen erfolglos, weil diese Bestimmungen nicht nichtig seien und die Anfechtung dieser am 18.
März 2009 beschlossenen Regelungen nicht innerhalb der Monatsfrist des §
51 Abs. 1 Satz 2 [X.]erfolgt sei.
Weder die Anfechtung der Wahl noch diejenige des Beschlusses des Wahlvorstands über das Wahlergebnis habe Erfolg. Die vom Kläger unter [X.]auf den unterschiedlichen Zuschnitt der Wahlbezirke beanstandete Dis-14
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proportionalität zwischen der Zahl der Vertreter für den kleinsten Bezirk Fried-richshain/[X.](Mitgliederzahl 4.021) und für den größten Bezirk Pan-kow/[X.]Berg/[X.](Mitgliederzahl 16.690) beruhe allein auf der Regelung, dass für jeweils angefangene 1000 Mitglieder ein Vertreter gewählt werde. Der Gleichheitsgrundsatz werde dadurch nicht
verletzt, weil ein Vertreter von durchschnittlich 945,15 Mitgliedern gewählt worden sei und die Abweichung von diesem Durchschnittswert um rund 15% im Wahlbezirk Friedrichs-hain/[X.]im noch hinzunehmenden Toleranzbereich liege. Hinzu komme, dass eine
praktikable Möglichkeit einer anderweitigen Sitzverteilung nicht [X.]habe und die Ausgestaltung des Wahlsystems gerichtlich nur einge-schränkt überprüfbar sei.
B.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
[X.]Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die auf Fest-stellung der Nichtigkeit von § 1 Abs. 2 Satz 4, § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 2 und §
11 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung gerichtete Klage unbegründet ist.
1. Der auf Feststellung der Nichtigkeit der genannten Bestimmungen der Wahlordnung gerichtete Antrag des [X.]ist dahin auszulegen, dass er sich gegen den Beschluss der Vertreterversammlung vom 18. März 2009 richtet, mit dem diese der vom Vorstand und Aufsichtsrat vorgelegten Wahlordnung nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 Satz 2 der Satzung der [X.]zugestimmt hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1973

II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, 386;
Urteil vom 22. März 1982

II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231).
2. Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen die in der [X.]einer Genossenschaft gefassten Beschlüsse nicht nur der [X.]nach Maßgabe des § 51 GenG, sondern es finden auch die aktien-17
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rechtlichen Grundsätze über die Nichtigkeitsklage und die Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG entsprechende Anwendung (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Mai 1960

II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 323 f.; Urteil vom 23. Februar 1978

II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, 387; Urteil vom 22. März 1982

II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231). Ein Beschluss der Vertreterversammlung ist daher ent-sprechend § 241 Nr. 3 Fall 1 [X.]nichtig, wenn er mit dem Wesen der [X.]nicht vereinbar ist (BGH, Urteil vom 22. März 1982

II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231). Hiervon ist auszugehen, wenn die von der [X.]beschlossenen Regelungen der Wahlordnung gegen elementare Wahlgrundsätze verstoßen.
3. Hieran gemessen bleiben die Angriffe der Revision ohne Erfolg.
a) Die Regelungen in § 1 Abs. 2 Satz 4 und § 9 Abs. 1 der Wahlordnung verstoßen nicht gegen § 43a
Abs. 2 Satz 1 [X.]oder den in § 43a Abs. 4 Satz
1 Halbsatz 1 [X.]verankerten Grundsatz der allgemeinen Wahl. Die Würdigung des Berufungsgerichts, das passive Wahlrecht werde durch § 1 Abs.
2 Satz 4 und § 9 Abs. 1 der Wahlordnung nicht eingeschränkt, ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gegenstand der angegriffenen [X.]ist die Unvereinbarkeit von Kandidatur und Mitgliedschaft im [X.]sowie der Tätigkeit als Wahlhelfer. Sie zielen schon ihrem Wortlaut nach

das hat das Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben

nicht auf eine Ein-schränkung der Wählbarkeit, sondern auf den Ausschluss der Wahlbewerber von der Wahlorganisation. Ihnen kommt auch nicht die Wirkung einer Be-schränkung des passiven Wahlrechts durch eine Unvereinbarkeitsregelung (In-kompatibilität) oder einen (rechtlichen) Ausschluss der Wählbarkeit (Ineligibili-tät) zu (im Ergebnis ebenso: Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 27; Bauer, Ge-nossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 52).
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aa) Wesentliches Merkmal einer das passive Wahlrecht einschränken-den Inkompatibilitätsvorschrift ist, dass sich der von ihr Betroffene als Wahlbe-werber aufstellen lassen, gewählt werden und die Wahl annehmen kann, die Annahme der Wahl aber von der Beendigung einer mit dem angestrebten Amt unvereinbaren Tätigkeit abhängig gemacht wird (für Art. 137 Abs. 1 GG:
[X.]58, 177, 192 f.; Klein/B. Pieroth in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 64.
Erg., Art. 137 Rn. 64). Darum handelt es sich hier nicht. Der Ausschluss der Wahlbewerber von der Wahlorganisation wirkt sich nur im [X.]der Wahl aus. Er verhindert lediglich die vorübergehende, auf die konkrete Wahl zur Vertreterversammlung begrenzte Mitwirkung bei der Durchführung und Organisation der Wahl neben einer Kandidatur.
bb) Der Ausschluss der Wahlkandidaten von der Wahlorganisation ist auch nicht als unzulässige (beschränkte) Ineligibilitätsregelung anzusehen (hierzu Klein/B. Pieroth in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 64. Erg., Art.
137 Rn. 65). Die Wählbarkeit ist nicht rechtlich ausgeschlossen, weil sich ein Mitglied des Wahlausschusses oder ein Wahlhelfer zwischen der [X.]dieser Funktion und einer Kandidatur als Vertreter entscheiden kann. Es fehlt aber auch an der

für eine sogenannte faktische Ineligibilität erforderli-chen

typischen Konfliktsituation für den potentiellen Bewerber, sich für eine Kandidatur nur unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile oder Risiken [X.]zu können, die die Wählbarkeit zwar nicht rechtlich ausschließen, aber -
bis hin zu einem faktischen Ausschluss -
geeignet sind, die Entscheidung für oder gegen eine Kandidatur zu beeinflussen (vgl. [X.]98, 145, 156).
Wie die Revision zutreffend sieht, könnten die vom Kläger beanstande-ten Regelungen allerdings zu einer unzulässigen Einschränkung
des passiven Wahlrechts führen, wenn die Mitglieder der [X.]verpflichtet wären, als Mitglied des Wahlvorstands oder als Wahlhelfer tätig zu werden oder wenn sie 23
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nach Übernahme einer solchen Funktion nicht mehr die Möglichkeit hätten, das übernommene
Amt niederzulegen und sich für eine Kandidatur als Vertreter zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat dies indes ohne Rechtsfehler verneint.
cc) Die Würdigung des Berufungsgerichts, § 1 Abs. 2 Satz 4 der Wahl-ordnung beschränke das passive Wahlrecht nicht, steht schließlich nicht in [X.]zur Rechtsprechung des [X.]([X.]28, 203, 206
ff.) oder zu derjenigen des [X.](BVerwGE 13, 296, 297
f.) zu den Voraussetzungen für die Wählbarkeit von Mitgliedern des [X.]zum Betriebsrat bzw. zum Personalrat. Schließen die gesetzlichen Vorschriften, die die Wählbarkeit eines Arbeitnehmers (§ 8 BetrVG) bzw. [X.]regeln, und die auf ihrer Grundlage erlassenen Wahlordnungen [X.]des Wahlvorstands nicht von einer Wahlbewerbung im Rahmen einer Personal-
oder Betriebsratswahl aus, ist nach dieser Rechtsprechung auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen des Wahlrechts von der Unvereinbarkeit der Wahlbewerbung mit der Mitgliedschaft im Wahlvorstand auszugehen.
Die Frage, ob dieser Grundsatz auch für die Wahl zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft gilt, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet (vgl.
Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 12; Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 27 einerseits und Bauer, Genossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 52 andererseits). Sie bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil hier die Unver-einbarkeit ausdrücklich in der gem. § 43a Abs. 4 Satz 7 und 8 [X.]beschlos-senen Wahlordnung geregelt ist. Zudem enthalten sowohl das Betriebsverfas-sungsgesetz (§ 16) als auch das Bundespersonalvertretungsgesetz (§ 20) [X.]Regelungen über die Zusammensetzung des Wahlvorstands, die eine Unvereinbarkeitsbestimmung nicht vorsehen (vgl. [X.]28, 203, 206 f.; BVerwGE 13, 296, 297 f.). In den Vorschriften über das Wahlverfahren für die Vertreterversammlung im Genossenschaftsgesetz finden sich demgegenüber keine Regelungen zur Zusammensetzung des Wahlvorstands. Nach §
43a 26
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Abs.
4 Satz 7 [X.]sind entsprechende Festlegungen der Wahlordnung vor-behalten.
b) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, ein § 7 Abs. 1 der [X.]zu entnehmendes Vorschlagsrecht des Wahlvorstands sei unwirksam, weil es zum einen der Satzung widerspreche, die in § 11 Abs. 2 Nr. 10 nur den Mitgliedern ein Vorschlagsrecht einräume, und zum anderen dem Wahlvorstand grundsätzlich die [X.]nicht übertragen werden dürfe. Es fehlt schon an einem korrespondierenden, auf Feststellung der Nichtigkeit dieser Bestimmung gerichteten Antrag, weil der Kläger nur § 7 Abs. 2 der [X.]angegriffen hat und diese Vorschrift das Vorschlagsrecht der Mitglieder betrifft.
c) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt § 7 Abs. 2 der Wahl-ordnung, der für die Wirksamkeit von Wahlvorschlägen der
Mitglieder der [X.]Unterstützungsunterschriften aus dem jeweiligen Wahlbezirk ver-langt, nicht gegen elementare Wahlgrundsätze.
aa) Der Grundsatz der allgemeinen und gleichen Wahl gebietet, dass je-der Wahlberechtigte sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können ([X.]13, 243, 246; 28, 220, 225; 34,
81, 98 f.; 36, 139, 141; 60, 162, 167). Dies gilt nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern bezieht sich auch auf die Wahlvorbereitung, insbesondere das Wahlvorschlagsrecht ([X.]4, 375, 386 f.; 11, 266, 272; 11, 351, 363; 14,
121, 132 f.; 30, 227, 246; 41, 399, 417; 60, 162, 167). Für die Wahl der [X.]folgt daraus, dass jedem Wahlberechtigten die gleichen Möglichkeiten bei der [X.]einzuräumen sind (Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 22b; [X.]in Lang/Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 43a Rn.
33; Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 9, 12; Bauer, Genossenschafts-27
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Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 37). Das Erfordernis
von Unterstützungsun-terschriften für die Einreichung gültiger Wahlvorschläge schränkt diese Mög-lichkeit ein, weil sich zum einen nur derjenige zur Wahl stellen kann, der für [X.]Kandidatur die vorherige schriftliche Unterstützung anderer Personen findet, und zum anderen die Wahlvorschläge derjenigen, die nicht die erforderliche Unterschriftenzahl beigebracht haben, unberücksichtigt bleiben ([X.]60, 162, 167 f.).
Diese vom [X.]aus dem allgemeinen Gleichheits-satz (Art. 3 Abs. 1
GG) hergeleiteten Grundsätze, die nach § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG für die Wahl der Vertreterversammlung unter Berücksichti-gung ihrer Besonderheiten entsprechend gelten (BGH, Urteil vom 22. März 1982

II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 232), schließen Differenzierungen nicht grundsätzlich aus ([X.]11, 266, 272; 60, 162, 168). Aus § 43a Abs. 4 Satz 6 GenG, nach dem eine Zahl von 150 Mitgliedern in jedem Fall ausreichend ist, um einen Wahlvorschlag einzureichen, ergibt sich zum einen, dass es zulässig ist, einen Wahlvorschlag von der Unterstützung mehrerer Mitglieder abhängig zu machen, und zum anderen, dass das Recht der Mitglieder, bei der [X.]mitzuwirken, nicht unzumutbar erschwert werden darf (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts, BR-Drucks. 71/06, S. 238; Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 12; [X.]in [X.]Kommentar GenG, 2. Aufl., §
43a Rn. 15). Da das Genossenschaftsgesetz keine weiteren Regelungen trifft, sind solche nach § 43a Abs. 4 Satz 7 GenG der Wahlordnung vorbehalten. [X.]muss gewährleisten, dass Minderheiten ihre genossenschaftlichen Zweck-
und Zielvorstellungen durch Vertreter ihres Vertrauens in der [X.]zur Geltung bringen und bei qualifizierten Mehrheitsentscheidungen mitwirken können (BGH, Urteil vom 22. März 1982

II ZR 219/81, BGHZ 83, 30
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228, 233). Der Genossenschaft verbleibt insoweit ein gewisser Spielraum bei der normativen Umsetzung (vgl. [X.]60, 162, 168).
bb) Die Regelung in § 7 Abs. 2 der Wahlordnung der [X.]ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden.
(1) Sie dient dem Ziel, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu be-schränken, um dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr einer Stimmzersplitterung vorzubeugen (vgl. [X.]3, 19, 27; 4, 375, 381 f.; 60, 162, 168). Ob der im genossenschafts-rechtlichen Schrifttum vertretenen Ansicht zu folgen ist, dass die Wahlordnung zwingend eine Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts der Mitglieder vorzu-sehen hat (Noelle, [X.]in Genossenschaften mit Vertreter-versammlung, 1988, S. 125), kann offen bleiben. Jedenfalls beurteilt sich die Erforderlichkeit der Einführung eines Unterschriftenquorums entgegen der [X.]der Revision nicht nach den konkreten Gegebenheiten etwaiger bereits durchgeführter Wahlen zur Vertreterversammlung. Ebenso wie ein Unterschrif-tenquorum bereits für Wahlvorschläge zur ersten Wahl zur [X.]vorgesehen werden kann, muss die Genossenschaft nicht erst den Eintritt von Missständen abwarten, bevor der abstrakt stets gegebenen Gefahr einer Stimmzersplitterung und der damit verbundenen Entwertung des Gewichts [X.]Stimmen durch die Einführung eines Unterschriftenquorums vorgebeugt werden darf. Im Übrigen ist diese Gefahr in besonderer Weise gegeben, wenn

wie die Revision geltend macht

die Wahlbeteiligung äußerst gering ist.
(2) Das Erfordernis von 20 Unterstützungsunterschriften aus dem [X.]Wahlbezirk erschwert das Recht einzelner Mitglieder, einen Wahlvorschlag zu unterbreiten, nicht unzumutbar. Angesichts einer Mitgliederzahl von mehr als 70.000 ist es dem einzelnen Mitglied bei einer auf die Wahrung der Gleich-31
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heit des Wahlrechts ausgerichteten Einteilung der Wahlbezirke (§ 15 Abs. 4 Satz 2 der Satzung) möglich und auch zumutbar, 20 Mitglieder für die Unter-stützung eines Wahlvorschlags zu gewinnen. Bei der hier zu beurteilenden Wahl hatte der kleinste Wahlbezirk noch mehr als 4.000 Mitglieder. Anders als die Revision meint, kann eine unzumutbare Erschwerung des Wahlvorschlag-rechts auch nicht aus der niedrigen Wahlbeteiligung hergeleitet werden. Diese besagt nichts über die Bereitschaft der Mitglieder, sich auf direkte Ansprache an einem
Wahlvorschlag zu beteiligen.
(3) Soweit das [X.]für Personalratswahlen ausge-sprochen hat, die Zahl der Unterstützungsunterschriften dürfe nicht so hoch bemessen sein, dass auch solche Bewerber vom Wahlvorgang ausgeschlossen würden, die schon nach der Zahl der für ihren Wahlvorschlag beizubringenden Unterschriften absehbar ernsthafte Aussichten auf einen Sitz in der [X.]hätten ([X.]60, 162, 174), lag dieser Entscheidung eine an-dere Fallgestaltung zu Grunde. Das [X.]hat dies in ei-nem Fall angenommen, in dem der Wahlvorschlag zur Wahl des Personalrats durch ein Quorum von 1/10 der Wahlberechtigten

dies entsprach 1.848 Unter-schriften

unterstützt werden musste und hierdurch auch Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen wurden, die bei zehn zu besetzenden Sitzen und durch-schnittlicher Wahlbeteiligung absehbar Erfolgsaussichten hatten ([X.]60, 162, 163, 174; vgl. zu einem entsprechenden Unterstützungsquorum bei der Wahl zur Vertreterversammlung: Schmitz-Herscheidt, Die [X.]der Genossenschaft als rechtliches und organisatorisches Problem, 1981, S. 15). Hier geht es jedoch um eine absolute Zahl von Unterstützungsunter-schriften, die

wie dargestellt

für sich genommen unabhängig
von der [X.]Wahlbeteiligung keine unzumutbare Erschwerung einer Kandidatur darstel-len. Im Übrigen genügt der Hinweis des [X.]auf die geringe Wahlbeteili-gung bei der [X.]nicht, um eine absehbar verschwin-34
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dend geringe Wahlbeteiligung zu belegen. Diese Wahl wurde während des [X.]über das Vermögen der [X.]durchgeführt und ließ schon wegen der besonderen Situation des Insolvenzverfahrens keine [X.]sicheren Rückschlüsse auf spätere [X.]zu.
(4) Schließlich verstößt auch die unterschiedliche Behandlung der Wahl-Abs. 2 der Wahlordnung nicht gegen elementare Wahlgrundsätze. Die Ausle-gung des Berufungsgerichts, nach der § 7 Abs. 1 der Wahlordnung das Recht zur [X.]dem Wahlvorstand als Gremium zuweist, ist revisi-onsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Formulierung in § 7 Abs. 2 der [X.]danach bereits eine Mehrheit von fünf Mitgliedern des Wahlvorstands einen t-zer benötigt. Diese Differenzierung ist aber

wie das Berufungsgericht zumin-dest im Ergebnis zutreffend angenommen hat

durch sachliche Gründe ge-rechtfertigt. Dem Wahlvorstand obliegt nach der Wahlordnung die Gesamtver-antwortung für die Aufstellung der Kandidaten im jeweiligen Wahlbezirk. Er muss bei entsprechend wenigen Wahlvorschlägen nach § 7 Abs. 2 der Wahl-ordnung so viele Wahlbewerber finden, dass eine den gesetzlichen Vorschriften und der Satzung entsprechende Vertreterversammlung gewählt werden kann. Dem Recht des Wahlvorstands nach § 7 Abs. 1 der Wahlordnung kommt damit eine ergänzende Funktion zu, bei deren Wahrnehmung er verpflichtet ist, die Eignung der von ihm benannten Kandidaten für das Vertreteramt und die Ernst-haftigkeit ihrer Bewerbung zu prüfen. Die Einschätzung, dass ein zumindest mehrheitlich von der Vertreterversammlung gewähltes Gremium in der Lage ist, dieser Verantwortung im Interesse der Gesamtheit der Mitglieder der [X.]gerecht zu werden, ist vertretbar. Demgegenüber untersteht derjeni-n-35
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reicht, keiner vergleichbaren Pflichtenbindung. Er kann, begrenzt durch die mit-gliedschaftliche Treuepflicht, denjenigen Kandidaten für die Wahl zum Vertre-teramt benennen, durch den er seine persönlichen Interessen innerhalb der Genossenschaft bestmöglich gewahrt sieht. Diese unterschiedliche Ausrichtung r-stützung durch eine größere Zahl von Mitgliedern abhängig zu machen.
d) Der Grundsatz der Wahlgleichheit wird durch § 11 Abs. 1 der Wahl-ordnung, der nur für Mitglieder mit Wohnsitz in einem außerhalb von [X.]ge-legenen Wahlbezirk die Durchführung des Briefwahlverfahrens vorsieht, nicht verletzt.
aa) In § 43a Abs. 4 GenG ist nicht abschließend geregelt, in welcher Weise das Wahlrecht auszuüben ist. § 43a Abs. 4 Satz 2 GenG verweist für die Vertretung der Mitglieder bei der Wahl auf § 43 Abs. 4 und 5 [X.]und sieht im Grundsatz die persönliche Wahlrechtsausübung vor (§ 43 Abs. 4 Satz 1 GenG), lässt aber auch die Erteilung einer Stimmvollmacht zu (§ 43 Abs. 5 Satz 1 GenG). Die weiteren Einzelheiten der Stimmrechtsausübung können nach §
43a Abs. 4 Satz 7 [X.]in der Wahlordnung bestimmt werden. Bei der Aus-gestaltung eines Wahlsystems kann nicht jeder Wahlgrundsatz uneingeschränkt verwirklicht werden
(vgl. [X.]59, 119, 124). Es liegt vielmehr im Ermessen der Genossenschaft zu entscheiden, ob und inwieweit Abweichungen von ein-zelnen Wahlrechtsgrundsätzen im Interesse der Einheitlichkeit des [X.]und zur Sicherung legitimer Ziele geboten sind.
bb) Gegen eine auf die in den Wahlbezirken außerhalb von [X.]woh-nenden Genossenschaftsmitglieder beschränkte Briefwahl ist von diesen Grundsätzen ausgehend nichts zu erinnern.

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(1) Mit der Eröffnung der Briefwahl für die in einem Wahlbezirk außerhalb von [X.]wohnenden Mitglieder der [X.]wird dem Grundsatz der allge-meinen Wahl in besonderer Weise Rechnung getragen, weil für diese eine Möglichkeit geschaffen wird, sich an der Wahl mit zumutbarem Aufwand zu [X.](vgl. [X.]59, 119,
125). Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.
(2) Entgegen der Sicht der Revision gebietet es der Grundsatz der Wahl-gleichheit nicht, auch für die in einem in [X.]gelegenen Wahlbezirk [X.]Mitglieder der [X.]die Möglichkeit einer Briefwahl vorzusehen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Anknüpfung an den Wohnsitz ein sachgerechtes Kriterium für eine Differenzierung darstellt. Dem liegt die bei typisierender Betrachtung zulässige Erwägung zu Grunde, dass es den in
[X.]wohnenden Mitgliedern möglich und zumutbar ist, ihr Wahlrecht entweder selbst oder gem. § 43a Abs. 4 Satz 2, § 43 Abs. 5 Satz 1 GenG durch einen Vertreter auszuüben. Der Hinweis der Revision auf die bedeutend höhere Wahlbeteiligung bei der Briefwahl führt zu keinem anderen Ergebnis. Diesem Umstand könnte die Genossenschaft mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung insge-samt zu erhöhen, nur durch die Einführung einer flächendeckenden Möglichkeit zur Briefwahl Rechnung tragen. Eine dahin gehende Verpflichtung
besteht aber nicht. Denn die Briefwahl birgt ihrerseits die Gefahr einer Beeinträchtigung der Wahlfreiheit und des [X.]in sich (vgl. [X.]21, 200, 205; 59, 119, 126). Es besteht auch keine Verpflichtung, die Möglichkeit der Briefwahl allgemein für Wahlberechtigte vorzusehen, die am Wahltag verhindert oder au-ßer Stande sind, den Wahlraum aufzusuchen. Abgesehen davon, dass ein [X.]Wahlverfahren deutlich aufwändiger wäre, ist es einem Mitglied der Ge-nossenschaft, das diese Voraussetzungen erfüllt, möglich, einen Vertreter für die Ausübung des Stimmrechts zu bestellen.
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I[X.]Zutreffend

und von der Revision auch nicht beanstandet

hat das Berufungsgericht die Anfechtung des [X.]nicht durchgrei-fen lassen, weil die Anfechtungsfrist vom Kläger nicht gewahrt wurde (§
51 Abs.
1 Satz 2 GenG).
II[X.]Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Beru-fungsgerichts, dass die Wahl zur Vertreterversammlung und der das [X.]weder anfechtbar noch nichtig sind.
1. Insoweit rügt die Revision nur noch die fehlerhafte Berechnung der zu wählenden Vertreter nach § 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung und die [X.]der Wahl auf der Grundlage einer zum Teil nichtigen Wahlordnung. Die weiteren in den Vorinstanzen geltend gemachten Nichtigkeits-
und Anfech-tungsgründe sind damit nicht Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung (vgl. zur Möglichkeit einer solchen Beschränkung: BGH, Beschluss vom
7. Dezember 2009

II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 3; Urteil vom 8. Februar 2011

II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 10 jeweils zur AG; Beschluss vom 24.
Juli 2012

II ZR 185/10, juris Rn. 6 zur [X.]KG).
2. Entgegen der Meinung der Revision leiden weder die Wahl noch der das Wahlergebnis feststellende Beschluss daran, dass die Wahl der Vertreter auf der Grundlage der vom Kläger als nichtig gerügten Bestimmungen der Wahlordnung durchgeführt wurde (s.o. unter I.).
3. Ein Verstoß gegen die Satzung oder das Gesetz liegt nicht darin, dass die Wahl nach § 7 Abs. 1 der Wahlordnung auf der Grundlage von Wahlvor-schlägen des Wahlvorstands durchgeführt wurde.
a) Die Satzung schließt ein Vorschlagsrecht des Wahlvorstands nicht aus. § 11 der Satzung regelt die Rechte der Mitglieder. Soweit diesen durch 41
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§
11 Abs. 2 Nr. 10 der Satzung ausdrücklich ein Vorschlagsrecht eingeräumt wird, bedeutet das nicht, dass dieses Recht ausschließlich den Mitgliedern zu-stehen soll.
b) Ob dem Wahlvorstand in der Satzung oder in der Wahlordnung ein Wahlvorschlagsrecht übertragen werden kann, ist im Schrifttum umstritten. Die Einräumung eines Vorschlagsrechts an den Wahlvorstand wird teilweise mit der Begründung abgelehnt, dies sei wegen der fehlenden mitgliedschaftlichen Stel-lung des Wahlvorstands als Organ der Genossenschaft nicht zulässig (Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 29; Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 12). [X.]werden demgegenüber gegen ein Vorschlagsrecht des Wahlvorstands zumindest dann keine Einwände erhoben, wenn es

wie hier

auch den [X.]möglich ist, Wahlvorschläge zu unterbreiten (Bauer, Genossenschafts-Handbuch, Lfg.
3/2012, §
43a Rn.
55; [X.]in Lang/
Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 43a Rn. 33; [X.]in [X.]Kommentar GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 15; Schmitz-Herscheidt,
in [X.]für Erik Boettcher, 1984, 221, 228 f.; Noelle, [X.]in [X.]mit Vertreterversammlung, 1988, S. 124; vgl. auch Beuthien, Die [X.]eingetragener Genossenschaften, 1984, [X.]f.).
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung mit der Maßgabe an, dass dem Wahlvorstand ein Vorschlagsrecht für die Kandidaten der [X.]dann eingeräumt werden kann, wenn dieser aus Mitgliedern der [X.]besteht und diese zumindest mehrheitlich von der [X.]oder Generalversammlung gewählt werden.
aa) Ein Vorschlagsrecht des Wahlvorstands verstößt nicht gegen die Wahlgrundsätze des § 43 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG. Die Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl gebieten nur, das Wahlvorschlagsrecht der [X.]der Genossenschaft nicht auszuschließen oder unzumutbar zu erschwe-47
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ren (vgl. [X.]41, 399, 417). Das Vorschlagsrecht der Mitglieder wird [X.]dadurch, dass auch dem Wahlvorstand ein Vorschlagsrecht
eingeräumt wird, für sich genommen nicht beeinträchtigt. Dementsprechend lässt sich aus diesen Grundsätzen auch nicht herleiten, dass die Stellung als Mitglied zwin-gende Voraussetzung für das Wahlvorschlagsrecht ist (vgl. Schmitz-Herscheidt, in [X.]für Erik Boettcher, 1984, 221, 228). Ebenso wenig schließt §
43a Abs. 4 Satz 6 [X.]ein Wahlvorschlagsrecht des Wahlvorstands aus.
bb) Die Übertragung eines Wahlvorschlagsrechts an den Wahlvorstand verletzt auch nicht den genossenschaftlichen Selbstverwaltungsgrundsatz (vgl. hierzu [X.]in Genossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 1 Rn. 97 f.; [X.]in Lang/Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 1 Rn. 6; [X.]in Pöhlmann/Fandrich/
Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 1 Rn. 26) oder das in § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG zum Ausdruck kommende Prinzip der Gewaltenteilung (vgl. hierzu Beuthien, Die Vertreterversammlung eingetragener Genossenschaften, 1984, S.
36 f.; [X.]in Lang/Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 43a Rn. 23). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Wahlvorstand ausschließlich mit Mitgliedern der Genossenschaft be-setzt ist und diese mehrheitlich von der Vertreterversammlung oder General-versammlung gewählt werden. Zumindest unter diesen Voraussetzungen ist ausreichend gewährleistet, dass ein Wahlvorschlag des Wahlvorstands von Mitgliedern der Genossenschaft legitimiert ist und nicht einseitig von Vorstand oder Aufsichtsrat vorgegeben werden kann.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Wahlvorstand ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der Wahlordnung i.V.m. mit § 21 Abs. 1 bzw. § 24 Abs.
3 Satz 1 der Satzung ausschließlich mit Mitgliedern der Genossenschaft zu besetzen. Die Mehrheit der Mitglieder des Wahlvorstands wird nach § 1 Abs.
2 Satz 1 Buchst. c, Satz 3 der Wahlordnung von der [X.]gewählt.

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cc) Die Wahl bzw. der das Wahlergebnis feststellende Beschluss versto-ßen entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen § 43a Abs. 4 Satz
5 Nr.
1 [X.]i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung, weil insgesamt 79 Vertreter bei einer festgestellten Gesamtmitgliederzahl von 74.247 gewählt wurden. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung die Zahl der Mitglieder in dem jeweiligen Wahlbezirk meint, ist aus [X.]Sicht nicht zu beanstanden. Die Satzung der [X.]ist nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus auszulegen; diese Auslegung kann das [X.]selbst vornehmen (BGH, Beschluss vom 24. April 2012

II
ZB
8/10, WM 2012, 1009 Rn. 17; Urteil vom 21. Januar 1991

II
ZR
144/90, BGHZ 113, 237, 240; Urteil vom 6. März 1967

II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 179 f. jeweils zum Verein). Soweit § 15 Abs. 2 der Satzung entsprechend § 43a Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 GenG festlegt, dass für je 1.000 Mitglieder der [X.]ein Vertreter zu wählen ist, spricht die Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 1 der Sat-zung, nach der eine Bezirkswahl durchzuführen ist, dafür, dass die Anzahl der zu wählenden Vertreter sich nicht nach der Gesamtmitgliederzahl, sondern nach der Mitgliederzahl in dem jeweiligen Wahlbezirk richtet. Diese nach [X.]und Satzung mögliche Auslegung, die Mitgliederzahl im jeweiligen Wahl-bezirk zu Grunde zu legen, wird durch die Wahlordnung bestätigt. Der [X.]hat die Zahl der wahlberechtigten Mitglieder und der zu wählenden [X.]in den jeweiligen
Wahlbezirken festzustellen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Wahlordnung), und zwar nach § 5 Abs. 3 Satz 1 der Wahlordnung unter Beach-tung von § 15 Abs. 2 der Satzung. Ähnliche Regelungen enthalten auch § 26[X.]Abs. 1 Satz 2 der vom Deutschen Genossenschafts-
und
Raiffeisenverband e.V. herausgegebenen Mustersatzung (abgedruckt bei Korte/Schaffland, Ge-nossenschaftsgesetz, 7. Aufl. 2009, S. 105) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 der Musterwahlordnung (abgedruckt bei Beuthien, GenG, 15. Aufl., Anhang zu § 43a). Ob es eine andere, in einer Genossenschaft wie der [X.]durch-51
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führbare Möglichkeit der Sitzverteilung gäbe, die dem Grundsatz der Wahl-gleichheit besser Rechnung zu tragen in der Lage wäre, ist ohne Bedeutung. Eine dahin gehende Vorgabe lässt sich weder dem Gesetz noch der Satzung, insbesondere auch nicht den in § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG normier-ten [X.]entnehmen.

Bergmann
Strohn
Reichart

Drescher
Born
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 06.07.2010 -
13 O 290/09 -

KG, Entscheidung vom 17.02.2011 -
19 [X.]-

Meta

II ZR 83/11

15.01.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2013, Az. II ZR 83/11 (REWIS RS 2013, 9025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9025

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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