Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2004, Az. 2 StR 241/04

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1988

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[X.] vom 6. August 2004 in der Strafsache gegen

wegen Falschbeurkundung im Amt
- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 6. August 2004 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten [X.] wird das Urteil des Land-gerichts [X.] ([X.]) vom 6. Februar 2004 - auch hinsicht-lich des Angeklagten [X.] - mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstre-ckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. 1. Nach den Feststellungen beurkundete der als Rechtsanwalt und Notar tätige Angeklagte auf Veranlassung des Mitangeklagten [X.] am 1. Juli 1999 einen Gesellschaftsvertrag zwischen dem Mitangeklagten und dessen [X.] [X.] über die Gründung einer GmbH. In der notariellen Urkunde stellte der Angeklagte fest, daß die genannten Personen vor ihm erschienen und daß sie ihm jeweils von Person bekannt seien. Tatsächlich nahm der geistig behinderte [X.] des Mitangeklagten an dem Termin nicht teil; er befand sich aufgrund eines schweren [X.] 3 - Traumas zum Zeitpunkt der Beurkundung in intensivmedizinischer stationärer Behandlung. Die Beurkundung fand entweder in der Kanzlei des Angeklagten oder in einem Pkw im Hof der Kanzlei statt. Außer dem Angeklagten nahm [X.] entweder nur der Mitangeklagte [X.] oder dieser und der - inzwischen verstorbene - [X.] oder eine andere dritte Person teil, die als [X.] auf-trat. Die Urkunde wurde daher nicht von [X.], sondern entweder von seinem Vater oder von der dritten Person mit verstellter Schrift unterzeichnet. Das [X.] konnte nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, welche der genannten [X.] vorlag. Es konnte ebenfalls nicht feststellen, ob dem Angeklagten für den Fall, daß eine dritte Person erschienen war, bewußt war, daß es sich bei dieser Person nicht um [X.] handelte, oder ob er dies irrig annahm; der Tatrichter hat daher letzteres zu Gunsten des Angeklagten angenommen. Die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt hat das [X.] auf die Feststellung gestützt, der Angeklagte habe gewußt, daß er die Identität der möglicherweise als [X.] auftretenden Person nicht wie von ihm beurkundet aufgrund eigener Bekanntschaft [X.] habe; er habe daher vorsätzlich der Wahrheit zuwider beurkundet, sich über die Identität des [X.] pflichtgemäß Gewißheit verschafft zu haben. 2. Auf diese Feststellungen konnte der Schuldspruch wegen [X.] im Amt gemäß § 348 Abs. 1 StGB nicht gestützt werden. Dies würde, wie das [X.] im Grundsatz nicht verkannt hat, voraussetzen, daß sich die inhaltlich unrichtige Beurkundung auf eine Tatsache bezieht, die in der Urkunde mit Beweiswirkung für und gegen jedermann festgestellt wird (ständ. Rspr.; vgl. BGHSt 22, 201, 203; 37, 207, 209; 44, 186, 187; 47, 39, 41 f.). Dazu gehören insbesondere solche Tatsachen, deren Angabe gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist; in der Regel nicht dagegen solche Tatsachen, die weder nach dem Gesetz noch nach anderen Vorschriften zwingend - 4 - nach dem Gesetz noch nach anderen Vorschriften zwingend anzugeben sind und deren unwahre Kundgabe die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 88/01 = [X.], 39, 42). a) Die Feststellung, auf welche Weise der Notar sich Gewißheit über die Identität der Beteiligten verschafft hat, gehört - anders als die Identität der Per-sonen selbst - nicht zu den rechtlich erheblichen Tatsachen im Sinne von § 348 Abs. 1 Satz 1 StGB. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BeurkG soll sich aus der Niederschrift ergeben, ob der Notar die Beteiligten kennt oder wie er sich Gewißheit über ihre Person verschafft hat. Selbst wenn der Notar sich diese Gewißheit nicht verschaffen kann, ist die Niederschrift auf Verlangen der Beteiligten aufzunehmen; in [X.] soll gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 BeurkG der Notar den Sachverhalt in der Niederschrift angeben. Hieraus folgt, daß noch nicht einmal der Umstand, daß der Notar sich über die Identität der erschienenen Personen nicht sicher ist, zwingend in die Niederschrift aufzunehmen ist. Dann kann aber, wenn er - wie hier unterstellt - subjektive Gewißheit über die Identität tatsächlich erlangt hat, nicht mit Beweiskraft für und gegen jedermann beurkundet sein, ob er die Person kannte, ob ihm ein Personaldokument vorgelegt wurde oder ob er sich die Gewißheit auf irgendeine andere Weise verschafft hat. Dagegen spricht auch die Irrtumsanfälligkeit dieser Feststellungen. b) Dies hat das [X.] nicht zutreffend gesehen. Es hat ausgeführt, die Bedeutung der Identitätsfeststellung erfordere es, die Beweiskraft der [X.] Urkunde "auf die pflichtgemäße Überprüfung der Identität der Betei-ligten" zu erstrecken ([X.]). Diese Erwägung läßt die kaum lösbare [X.] zwischen Identitätsprüfung und subjektiver Vorstellung von der [X.] außer Betracht: Wenn, wie das [X.] hier - entgegen einer Vielzahl - 5 - von Indizien - unterstellt hat, der Notar subjektiv davon überzeugt ist, die [X.] einer erschienenen Person zu kennen, so könnte sich sein Vorsatz [X.] dann auf eine pflichtwidrige Gewinnung dieser Überzeugung beziehen, wenn die Identitätsfeststellung bestimmten formalen Regeln zu folgen hätte. Das ist aber nicht der Fall. Davon geht auch das [X.] inzident aus: Wenn der Angeklagte den [X.] weder persönlich kannte noch sich einen Ausweis vorlegen ließ, so muß er seine Überzeugung, es handele sich bei der erschienenen Person um [X.], auf andere, im Urteil nicht genannte [X.] gewonnen haben. Nach dem Zusammenhang der Feststellungen drängt sich die Annahme auf, daß der Mitangeklagte [X.] die - möglicherweise - er-schienene dritte Person als seinen [X.] vorstellte. Dies könnte aber grund-sätzlich zur Identitätsfeststellung ausreichen und auch die Feststellung [X.], der Erschienene sei dem Notar "von Person bekannt". Da der Ange-klagte den Mitangeklagten [X.] persönlich seit langem kannte und dieser das Erscheinen seines [X.]es - möglicherweise - angekündigt hatte, könnte dies auch die Aufnahme der Formulierung in die vorbereitete Urkunde erklären. Das angefochtene Urteil äußert sich hierzu nicht und läßt daher im Er-gebnis offen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die - nach den im übrigen festgestellten Umständen eher fern liegende - Annahme beruht, der Angeklagte sei, wenn denn überhaupt eine dritte Person an dem unter dubiosen [X.] durchgeführten Beurkundungstermin teilnahm, hinsichtlich ihrer Identität gutgläubig gewesen. Mit dieser gleichsam "in der Luft" hängenden Unterstel-lung zugunsten des Angeklagten hat sich das [X.] aber zugleich die tatsächlichen Grundlagen für die Verurteilung entzogen, denn wenn der Ange-klagte sicher war, die erschienene Person sei [X.], so mußte er diese Gewißheit in irgendeiner - von ihm als ausreichend angesehenen - Weise ge-- 6 - wonnen haben; in diesem Fall konnte er aber nicht zugleich annehmen, sich diese Gewißheit nicht pflichtgemäß verschafft zu haben. c) Soweit der [X.] darauf hingewiesen hat, die [X.] der notariellen Urkunde beziehe sich auch auf die Personenidentität der Erklärenden, so trifft dies den hier vorliegenden Sachverhalt nicht, denn hinsichtlich der unzweifelhaft objektiv falsch beurkundeten Identität der Person handelte der Angeklagte nicht vorsätzlich. 3. Eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1 StPO kommt nicht in Betracht, weil neue Feststellungen möglich sind, welche eine Verurteilung nach § 348 Abs. 1 StGB tragen. Das wäre offensichtlich der Fall, wenn sich in der neuen Verhandlung herausstellte, daß eine dritte Person nicht anwesend war, aber auch dann, wenn der neue Tatrichter unter zusammenfassender Würdigung der Beweisanzeichen zur Feststellung gelangen würde, der Angeklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, daß die - möglicherweise - erschienene Person nicht [X.] war. 4. Die Aufhebung war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten Wer-ner [X.] zu erstrecken. Diesen hat das [X.] wegen Urkundenfälschung, wahlweise Anstiftung zur Urkundenfälschung, in Tateinheit mit versuchter mit-telbarer Falschbeurkundung, wahlweise Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt, unter Einbeziehung von fünf Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt. Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung oder Anstiftung zur [X.] ist von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Urteils gegen den Angeklagten [X.] führt, zwar nicht berührt. Dagegen liegt der tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung oder Beihilfe zur - 7 - Falschbeurkundung im Amt dieselbe rechtsfehlerhafte Ansicht zugrunde, die Methode der Feststellung der Personenidentität sei eine rechtlich erhebliche Tatsache im Sinne von § 348 Abs. 1 StGB. Wegen des [X.] war die Verurteilung des nicht revidierenden Angeklagten Wer-ner [X.] daher im Wege der Erstreckung gemäß § 357 StPO insgesamt aufzuhe-ben. [X.]Otten

Fischer

Roggenbuck

Meta

2 StR 241/04

06.08.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2004, Az. 2 StR 241/04 (REWIS RS 2004, 1988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1988

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