Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. VII ZR 219/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14973

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:250118U[X.]219.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VII ZR 219/14
Verkündet am:

25. Januar 2018

Klein,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 305c Abs. 1, [X.] § 157 D
Eine [X.] des öffentlichen Auftraggebers von Bauleistungen ist überraschend und wird nicht Vertragsbestandteil, wenn sie ohne ausreichenden Hinweis den Auftragnehmer zur Vermeidung erheblicher Nachteile bei [X.] dazu anhält, bereits bei seiner Kalkulation von üblichen Grundsätzen abzuweichen (Festhaltung [X.], Urteil vom 1.
Oktober
2014 -
VII ZR 344/13, [X.]Z 202, 309).
[X.], Urteil vom 25. Januar 2018 -
VII ZR 219/14 -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.
Januar 2018
durch den
Vorsitzenden Richter
Dr.
[X.], die Richter Halfmeier
und
Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterinnen [X.] und Borris

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 9.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 20.
August
2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage auf [X.] von 208.267,11

t Zinsen zurückgewiesen wurde.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.]s [X.]
I vom 26.
Februar 2014 teilweise abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 208.267,11

von 8
Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 30.
Mai
2012 zu zahlen;
im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz
tra-gen die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 85
%,
die Klägerin zu 15
%. Die Kosten
des Revisionsverfahrens haben die [X.] als Gesamtschuldner zu tragen.
Von Rechts wegen

-
3
-
Tatbestand:
Die Klägerin fordert die Zahlung restlichen [X.]. Die Beklagten schrieben im [X.] 2008 die Baumaßnahme "Hochwasserschutz zwischen S. und V." aus. Die Vergabeunterlagen nahmen auf die VOB/B (2006) Bezug und umfassten die "[X.]
Stahl", die unter anderem folgende Best-immungen enthielt:
"1. Anwendungsbereich
Die Klausel gilt nur für Stoffe, die im "Verzeichnis für Stoffpreis-gleitk-
oder Minderaufwen-dungen werden nach den folgenden Regelungen abgerechnet.
2. Allgemeines
2.1 Der Auftragnehmer hat dem
Auftraggeber über die Verwen-dung der Stoffe nach Nr.
1 prüfbare Aufzeichnungen vorzulegen, wenn Mehr-
oder [X.] abzurechnen sind. Aus den Aufzeichnungen müssen die Menge des Stoffes und der Zeit-punkt des Einbaus bzw. der Verwendung hervorgehen.

2.2 Der Ermittlung der Mehr-
oder [X.] werden nur die Baustoffmengen zugrunde gelegt, für deren Verwendung

Vermeidbare Mehraufwendungen werden nicht erstattet; vermeid-bar sind insbesondere Mehraufwendungen, die dadurch entstan-den sind, dass der Auftragnehmer
-
Vertragsfristen überschritten,
-
die Bauausführung nicht angemessen gefördert
hat.
2.3
An den ermittelten Aufwendungen wird der Auftragnehmer be-teiligt, seine Selbstbeteiligung beträgt 10 v. H.
der Mehraufwen-dungen, mindestens aber 0,5 v. H. der [X.] ([X.] für die insgesamt erbrachte Leistung bzw. wenn mehrere 1
-
4
-
[X.]e zusammen vergeben wurden, für das [X.], das von der Nennung von Ordnungsziffern im Verzeichnis betroffen ist). Für die Berechnung des Selbstbehalts zugrunde zu legen sind der Mehrbetrag ohne Umsatzsteuer sowie die [X.] ohne die aufgrund von [X.] zu erstattenden Beträge und ohne Umsatzsteuer.
Ein Mehr-
oder Minderbetrag kann erst geltend gemacht werden, wenn der Selbstbeteiligungsbetrag überschritten ist; bis zur Fest-stellung der [X.] wird 0,5 v. H. der Auftragssum-me für die insgesamt zu erbringende Leistung bzw. für den/die Abschnitt(e)/Titel, der/die von der Nennung von Ordnungsziffern im Verzeichnis betroffen ist/sind, zugrunde gelegt.
2.4 Bei [X.] ist der Auftragnehmer verpflichtet, die ersparten (=[X.] von seinem Vergütungsan-spruch abzusetzen. Er ist berechtigt, 10 v. H. der ersparten Auf-wendungen, mindestens aber 0,5 v. H. der Aufrechnungssumme (vgl. Nr.
2.3) einzubehalten.
2.5 Sind sowohl Mehraufwendungen als auch [X.] zu erstatten, so werden diese getrennt ermittelt und gegenei-nander aufgerechnet; auf die sich ergebende Differenz wird
Nr.
2.3 bzw. 2.4 angewendet.
3. Abrechnung
3.1 Der Auftraggeber setzt im Einheitlichen Formblatt

EFB-StGL-319 einen "Marktpreis" (Grundpreis zuzüglich ggf.
des Abmes-sungsaufpreises, des [X.] und des [X.], jedoch ohne etwaige Lieferanten-
und Transportzu-schläge) für die jeweilige Stahlart zum Zeitpunkt der Versendung der Angebotsunterlagen (Monat/Jahr) als Nettopreis in Eu-ro/Tonne
fest.
3.2 Der Preis zum Zeitpunkt des Einbaus bzw. der Verwendung wird ermittelt aus dem vorgegebenen "Marktpreis" (3.1) multipli-ziert mit dem Quotienten der
Preisindizes (Monat/Jahr) der [X.] gewerblicher Produkte ([X.]) des [X.] bzw. der Verwendung und dem vom Auftraggeber unter Nr.
3.1 genannten Zeitpunkt, veröffentlicht in der Fachserie 17, Reihe
2 unter der entsprechenden [X.]-Nummer.
-
5
-
3.3 Mehr-
oder [X.] werden errechnet für jeden einzelnen im Verzeichnis genannten Stoff aus der Differenz des "Preises" vom [X.] bzw. der Verwendung (Nr.
3.2) und des vom Auftraggeber vergebenen "Marktpreises" zu dem im Verzeichnis vorgegebenen Zeitpunkt (Nr.
3.1).
3.4 Die nach Nr.
3.3 errechneten Mehr-
oder [X.] werden für jede im "Verzeichnis für [X.] -
Stahl" angegebene [X.] und der nachgewiesenen Menge (vgl. Nr.
2) unter Berücksichtigung der
Selbstbeteiligung gemäß Nr.
2.3 und 2.4 zusätzlich zum Angebotspreis vergütet bzw. von diesem abgezogen."
Mit nachgereichtem Schreiben machten die Beklagten das ergänzte "Verzeichnis für [X.] Stahl" zum Bestandteil
der Ausschrei-bungsunterlagen.
Die Klägerin, die auf ihr Angebot vom 30.
Oktober
2008 am 15.
Dezember
2008 den Zuschlag erhielt, erbrachte im Jahr
2009 ihre [X.]. Nach Abnahme im Oktober
2011 legte die Klägerin am 31.
Dezember
2011 Schlussrechnung. Diese kürzten die Beklagten
unter Beru-fung auf [X.], berechnet nach der [X.] Stahl in Höhe von insgesamt 208.267,11

.
Die Klägerin, die diese
Abzüge für unberechtigt hält, begehrt

soweit für die Revision noch von Bedeutung

Restwerklohn in dieser Höhe nebst Zinsen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht durch Beschluss nach §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Stattgabe ihrer Klage im oben genannten Umfang.

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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat in ihrem zugelassenen Umfang Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten.

I.
Das Berufungsgericht
ist der Auffassung, die Beklagten hätten die Schlussrechnung
der Klägerin zu Recht wegen [X.] nach der [X.] Stahl um 208.267,11

Stahl sei als Preisnebenabrede einer Kontrolle nach §
307 Abs.
3 Satz
1 [X.] unterzogen. Die Klausel sei jedoch wirksam
vereinbart worden.

II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Beklagten waren nicht berechtigt, die klägerische
Schlussrech-nung
um "[X.]", berechnet nach der [X.] Stahl
zu kürzen, die
nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts eine von den Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbe-dingung
ist. Die [X.] Stahl
ist, soweit sie den Abzug ersparter
"[X.]"
betrifft, wegen ihres überraschenden Charakters gemäß §
305c Abs.
1 [X.] nicht Vertragsbestandteil geworden, was der [X.] nach der Entscheidung des Berufungsgerichts für eine gleichlautende Klausel bereits entschieden hat ([X.], Urteil vom 1.
Oktober 2014
VII
ZR 344/13, [X.]Z 202, 309).
Daran hält der [X.] fest. Zur Begründung wird auf die dortigen Entschei-dungsgründe Bezug genommen.
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8
-
7
-
Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigen die individuellen Begleitumstände des Streitfalls keine andere rechtliche Beurteilung. Ob eine Klausel überraschend im
Sinne von §
305c [X.] ist, bestimmt sich nach einem generell-konkreten Maßstab. Die Klausel muss im Hinblick auf den typischen Inhalt des Vertrags aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nach den [X.] objektiv ungewöhnlich sein. Daneben ist festzustellen, ob die Klausel so ungewöhnlich ist, dass der Kunde mit ihr nicht zu rechnen braucht. Auch der Überraschungseffekt ist anhand einer typisierenden Betrach-tung des für derartige Verträge typischen Kundenkreises zu prüfen (vgl. [X.]/
[X.] in [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 12.
Aufl., §
305c Rn.
12
f.; PWW/[X.],
[X.], 12.
Aufl., §
305
c Rn.
6).
Ob eine Klausel ungewöhnlich ist, beurteilt sich aus
der Perspektive des vertragstypischen [X.] nach objektiven Kriterien. Zu beurteilen ist die Klausel, nicht deren Auswirkungen im Einzelfall. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob die Beklagten für den 9.
Oktober 2008 einen Wert vorgaben, der zum damaligen Zeitpunkt oder zum Zeitpunkt der [X.] mit dem aktuell ermittelten und damit realistischen
Preis für Spundwand-bohlen übereingestimmt hat. Selbst wenn der von den
Beklagten vorgegebene "Marktpreis"

zufällig
den
tatsächlichen Preisverhältnissen im Oktober 2008 entsprochen haben sollte, würde
dies an der Ungewöhnlichkeit des
Berech-nungsmodus nichts
ändern.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hindert eine branchenübliche Verwendung von [X.]n nicht, die Klausel als überraschend [X.]. Mögen [X.]n bzw. [X.] bran-chenüblich verwandt werden, bedeutet dies nicht, dass dem Vertragspartner die Voraussetzungen und Auswirkungen
der von der Beklagten vorgegebenen [X.] so vertraut sind, dass er ohne besonderen Hinweis des
9
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Verwenders
die sich für ihn hieraus ergebenden Risiken erkennen und bei [X.] berücksichtigen kann
(vgl. [X.]/[X.],
aaO, § 305c Rn. 52 "[X.]").
Gleiches gilt für den Einwand der [X.] in der mündlichen Verhandlung, dass mit einem nachgereichten Schreiben die Berechnungsfaktoren der Ausschreibung vervollständigt wurden.
2. Der Beschluss des Berufungsgerichts kann im
angegriffenen Umfang danach keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache selbst entschei-den, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, §
563 Abs.
3 ZPO.
a) Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des Restwerklohns in Höhe von 208.267,11

öhe von 8
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.
Mai 2012 ge-mäß §
631 Abs.
1,
§
288 Abs.
1
Satz
1, Abs.
2,
§
286 Abs.
1, Abs.
3
Satz
1
[X.]
i. V. m. § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B.
b) Für die von der [X.] erfassten Leistungen verbleibt es bei den vertraglich vereinbarten und abgerechneten Preisen, denn die durch die fehlende Einbeziehung der [X.] Stahl betreffend die Herabset-zung der Vergütung wegen "[X.]" entstandene [X.] kann nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung nach §§
157, 133 [X.] gefüllt werden
(Urteil vom 1.
Oktober 2014
VII
ZR 344/13, [X.]Z 202, 309 Rn.
24
f.). Besonderheiten, die eine andere Bewertung rechtfertigen wür-den, weist der Fall nicht auf.

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-
III.
Die Kostenentscheidung
beruht
auf §
91 Abs.
1 Satz
1, §
92 Abs.
1 Satz
1, § 97 Abs.
1, §
100 Abs.
4 Satz
1 ZPO.

[X.]

Halfmeier

Jurgeleit

[X.]

Borris

Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 26.02.2014 -
11 O 14485/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 20.08.2014 -
9 U 1184/14 Bau -

15

Meta

VII ZR 219/14

25.01.2018

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. VII ZR 219/14 (REWIS RS 2018, 14973)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14973

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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