Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.03.2013, Az. II B 83/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 7727

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Gegenstand

(Fehlende Urteilsgründe i.S. des § 119 Nr. 6 FGO - kraftfahrzeugsteuerliche Einordnung von Pickup-Fahrzeugen)


Leitsatz

NV: Ein Urteil ist i.S. des § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen und deshalb verfahrensfehlerhaft, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn die Urteilsgründe vollständig fehlen, sondern auch dann, wenn sie so widersprüchlich und unverständlich sind, dass die Beteiligten nicht mehr erkennen können, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist die Einstufung des Fahrzeugs der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer streitig. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) behandelte das Fahrzeug vom Typ [X.], [X.], als LKW. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

2

Im Rahmen des Klageverfahrens waren die Abmessungen des Fahrzeugs streitig. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]) wurde das Fahrzeug durch das Gericht vermessen. Das [X.] wies daraufhin die Klage als unbegründet ab und folgte im Ergebnis der Rechtsansicht des FA.

3

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Ihrer Ansicht nach habe das [X.] gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) verstoßen. Zudem seien die Urteilsgründe nicht nachvollziehbar, weil das [X.] in den Entscheidungsgründen von anderen Daten als im Tatbestand ausgehe.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

5

1. Es liegt ein in der erforderlichen Form (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O) dargelegter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O).

6

Ein Urteil ist i.S. des § 119 Nr. 6 [X.]O nicht mit Gründen versehen und deshalb verfahrensfehlerhaft, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dies ist der Fall, wenn die Begründung des Urteilsspruchs fehlt oder wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind (Beschlüsse des Bundes-finanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, [X.], 768; vom 26. Februar 2010 VIII B 17/08, [X.], 1083; vom 1. Februar 2012 VI B 71/11, [X.], 767; vom 10. Mai 2012 X B 71/11, [X.], 1461). Dasselbe gilt, wenn die Urteilsbegründung widersprüchlich und unverständlich ist, so dass für die Beteiligten nicht mehr erkennbar ist, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 23; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 119 [X.]O Rz 80).

7

Im Streitfall lassen sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die Gründe, die für die Entscheidung maßgebend waren, nicht entnehmen. Dies folgt zum einen daraus, dass in den Urteilsgründen andere Abmessungen des Fahrzeugs zugrunde gelegt werden, als im Tatbestand festgestellt. Entscheidend ist jedoch, dass die Ausführungen auf Seite 5 das Ergebnis der Subsumtion nicht tragen. Nach Ansicht des [X.] ist das Fahrzeug als PKW einzustufen. Zur Begründung folgen zunächst Ausführungen dazu, dass das Fahrzeug mit seinem zulässigen Gesamtgewicht und seiner Nutzlast auch als LKW eingestuft werden könnte. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung kommt das [X.] dann zu dem Schluss, das Fahrzeug sei als LKW einzuordnen und begründet dies mit der wesentlich größeren Ladefläche im Verhältnis zur Fläche des Fahrgastraums, wobei andere Zahlen zugrunde gelegt werden als diejenigen, die im Tatbestand im [X.] an die Feststellungen in der mündlichen Verhandlung im Protokoll festgehalten wurden. Das ist erkennbar widersprüchlich, worauf die Klägerin in der Beschwerde zutreffend hinweist. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, worauf die Einstufung des Fahrzeugs als PKW durch das [X.] letztlich beruht. Die Widersprüche in den Entscheidungsgründen wiegen umso mehr, als das Verhältnis zwischen Ladefläche und für die Personenbeförderung vorgesehener Fläche im Rahmen der Gesamtbetrachtung aller Umstände, die zu einer Einstufung eines Fahrzeugs als PKW oder LKW führen, bei [X.] von besonderer Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 2012 II R 7/11, [X.], 93).

8

2. Im Interesse eines möglichst raschen Abschlusses des Rechtsstreits weist der Senat --allerdings ohne Bindungswirkung für den zweiten Rechtsgang-- auf Folgendes hin:

9

Bei [X.] kommt nach ständiger Rechtsprechung neben den anderen technischen Merkmalen der Größe der Ladefläche eine besondere, wenn auch nicht allein ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Größe der Ladefläche lässt nämlich den Schluss zu, ob die Möglichkeit einer Nutzung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung Vorrang hat. Im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe und der um der Rechtssicherheit willen geforderten Vorhersehbarkeit kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Zuordnungen hat die Rechtsprechung es für gerechtfertigt erachtet, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (BFH-Urteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, [X.], 257, [X.] 2001, 72; [X.] vom 7. November 2006 VII B 79/06, [X.] 2007, 778; vom 26. Oktober 2006 VII B 125/06, [X.] 2007, 767; vom 10. Februar 2010 II B 96/09, [X.], 952).

Diese Rechtsprechung führt jedoch nicht dazu, dass in den Fällen, in denen die Ladefläche größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche ist, umgekehrt typisierend von der Eigenschaft des Fahrzeugs als LKW auszugehen ist (BFH-Urteil in [X.], 93). In diesen Fällen erfolgt die Abgrenzung vielmehr nach den allgemeinen Kriterien. Dabei ist die Größe der Ladefläche und ihr Verhältnis zur Fläche für die Personenbeförderung nur ein Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtabwägung, dem allerdings umso größere Bedeutung zukommt, je deutlicher die Ladefläche die Fläche für die Personenbeförderung überwiegt. Überwiegt die Ladefläche die zur Personenbeförderung indes nur unwesentlich, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist. In die Berechnung der Ladefläche sind alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören regelmäßig auch [X.] in den Laderaum, z.B. für Radkästen, die aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit noch als Ladefläche (z.B. für Schüttgut oder für flache Gegenstände) genutzt werden können (BFH-Urteil in [X.], 93).

Meta

II B 83/12

01.03.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 12. April 2012, Az: 14 K 293/11, Urteil

§ 116 Abs 3 S 3 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 8 KraftStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.03.2013, Az. II B 83/12 (REWIS RS 2013, 7727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7727

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