Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2017, Az. I ZR 53/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4974

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210917U[X.]53.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
I [X.]
Verkündet am:
21. September 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Festzins Plus
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1
Der durch eine irreführende Blickfangangabe verursachte Irrtum wird auch bei wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbsvorgängen regelmäßig nicht durch einen Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen Texts ausgeräumt, dessen inhaltlicher Bezug zum Blickfang nicht klargestellt wird.
[X.], Versäumnisurteil vom 21. September 2017 -
I [X.] -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-

Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 21.
September
2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Prof.
Dr.
Koch und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 18. Februar 2016 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, ist in die Liste qualifizierter Ein-richtungen gemäß §
4 [X.] eingetragen. Die Beklagte ist ein Immobilienun-ternehmen. Sie bot auf einer am 6.
Februar 2015
abrufbaren Seite ihres Inter-netauftritts Kapitalanlagen an. Darin heißt es u.a.:
UNSERE KAPITALANLAGE
Die
B.

Immobilien AG ist ein stark wachsendes Immobilien-Unterneh--

B.

1
-
3
-
Immobilien AG zwei unterschiedliche Immobilien-Kapitalanlagen an: [X.] und [X.] PLUS.
[X.]: 100%-Besicherung des Kapitals
Die Immobilien-Anleihe [X.] bietet Investoren einen Festzins. Das Besondere bei [X.] ist die 100%-Besicherung des Kapitals der [X.].
B.

[X.] PLUS: 5,75% bis 6,25% [X.] PRO JAHR
Die Immobilien-Kapitalanlage B.

[X.] PLUS ist als Nachrang-
darlehen konzipiert. Investoren können zwischen 3, 4 oder 5 Jahren Laufzeit wählen.

Es folgt eine textliche Beschreibung
einzelner Aspekte der Anlagefor-men, die sich über mehrere, durch [X.] erreichbare Bildschirmsei-ten erstrecken. Die Ausführungen haben die Zwischenüberschriften "Festzins von 5,75 bis 6,25% pro Jahr", "Auszahlung des Festzinses erfolgt 4-mal im Jahr", "Inflationssicherungskonzept: 5% inflationsabhängiger [X.]", "Jahr-zehntelange Erfahrung", "Gesetzliche Kontrolle", "Detaillierte Informationen", "Erfahrene Experten", wobei den letzten
vier Zwischenüberschriften ein [X.] Symbol mit der Aufschrift "Sicherheit"
vorangestellt ist. Als letzter [X.] erfolgt ein "[X.]"
folgenden Inhalts:
Bei der Kapitalanlage B.

[X.] PLUS der B.

Immobilien
AG handelt es sich nicht um eine so genannte mündelsichere Kapitalanlage, sondern um eine Kapitalanlage in Form eines Nachrangdarlehens. Bei dieser Anlage kann ein Verlust des eingesetzten [X.], auch ein Totalver-lust, grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für die Verzin-sung. Das Angebot ist nur für Darlehensgeber geeignet, die dieses Risiko tra-gen und einen Totalverlust verkraften können. Das Nachrangdarlehen soll der B.

Immobilien AG wie Eigenkapital zur Verfügung stehen. Darlehens-
geber treten daher im Rang hinter die Forderungen aller anderen bestehenden und künftigen Gläubiger der B.

Immobilien AG zurück. Die Forderun-
gen der Gesellschafter der B.

Immobilien AG sind gleichrangig. Der
Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens sowie auf Zahlung von Zinsen kann nicht geltend gemacht werden, solange und soweit dieser zu einer [X.], bilanziellen Überschuldung oder zur Eröffnung des Insolvenzverfah-rens der B.

Immobilien AG führen würde. Ein Anspruch auf Tilgung
und Verzinsung des Darlehens besteht nur bei
ausreichender Liquidität der B.

Immobilien AG unter Berücksichtigung vorrangiger Gläubiger und ei-
2
-
4
-
nem entsprechendem Gewinn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zinsen bzw. des Darlehens. Jedem Anleger wird geraten, sich vor Eingehen der Kapitalanlage von einem fachkundigen Dritten, zum Beispiel einem Steuerberater oder Rechtsanwalt, beraten zu lassen.
In der [X.] sieht
der Angebotstext wie folgt aus:

3
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-

-
6
-

-
7
-

-
8
-

Die Klägerin hält die Werbung für das Angebot "B.

FEST-
ZINS PLUS"
für irreführend, weil sie über das Ausfallrisiko für die Zinszahlung aus einem Nachrangdarlehen täusche. Sie
hat nach vorgerichtlicher Abmah-nung beantragt,
1.
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verur-teilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-bewerbs wie folgt zu werben:

Im Rahmen der angebotenen "Immobilienkapitalanlage B.

[X.] PLUS 5,75% bis 6,25% Festzins pro Jahr"
ohne klarstellenden, deutlich hervorgehobenen Hinweis auf die Ausgestaltung als Nachrangdar-lehen, bei dem die Zinszahlung von der wirtschaftlichen Situation des [X.] abhängig ist;
4
-
9
-
2.

n-sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2014 zu zahlen.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihre
Klageanträge weiter.
Die ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage sowohl als unzulässig als auch
un-begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
Die Klage sei hinsichtlich des [X.] mangels Bestimmt-heit unzulässig, weil danach unklar sei, unter welchen Umständen ein Hinweis im Sinne des Klageantrags "deutlich hervorgehoben"
sei. Es sei nicht [X.], der Klägerin Gelegenheit zur Nachbesserung des Antrags zu geben, weil die Klage unbegründet sei. Die beanstandete Werbung sei nicht irreführend. Schon die Gegenüberstellung der beworbenen Anlageformen weise den [X.]
darauf hin, dass ein Nachrangdarlehen nicht vollständig sicher sei. Jedenfalls würden im
als [X.] bezeichneten Text die Risiken der [X.] hinreichend klar dargestellt.
I[X.] Über die Revision der Klägerin ist antragsgemäß durch [X.] zu entscheiden, weil die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sach-5
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-
prüfung (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Versäumnisurteil vom 12.
Januar 2017

I
ZR
258/15, [X.], 409 Rn. 10 = [X.], 418 -
Motivkontaktlinsen, mwN).
II[X.] Die Revision der Klägerin hat
Erfolg.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist zwar unzulässig (dazu III
1). Die Klägerin muss jedoch Gelegenheit erhalten, einen sachdienlichen Antrag zu stellen, weil ihr aufgrund des irreführenden Gehalts der beanstandeten Werbung ein [X.] zusteht (dazu III 2).

1. Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist, wie das Berufungsge-richt zutreffend erkannt hat, mangels hinreichender Bestimmtheit im Sinne des §
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO darf ein Unterlassungsantrag -
und nach §
313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung -
nicht derart un-deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs-
und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen
sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem [X.] die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisi-onsverfahren von Amts wegen zu beachten (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 5. November 2015 -
I [X.], [X.], 705 Rn. 11 = [X.], 869

[X.]; Urteil vom 26. Januar 2017 -
I [X.], [X.], 422 Rn. 18 = [X.], 426 -
ARD-Buffet, jeweils mwN).
Enthalten [X.] auslegungsbedürftige Formulierungen wie "eindeutig", "unübersehbar"
oder "leicht erkennbar", ohne die Charakteristik des gerügten Verstoßes durch eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform klarzustellen, sind sie regelmä-ßig unbestimmt, weil der gesamte Streit über die Reichweite des Verbots in das Vollstreckungsverfahren verlagert wird (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai 2005 10
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-
11
-

I
ZR
127/02, [X.], 692, 693 = [X.], 1009 -
"statt"-Preis; Urteil vom 4. Oktober 2007 -
I [X.], [X.], 84 Rn. 13 f. = [X.], 98

Versandkosten; Urteil vom 31.
März 2016 -
I
ZR
31/15, [X.], 1070 Rn.
12 f. = [X.], 1217 -
Apothekenabgabepreis, jeweils mwN).
b) So verhält es sich im Streitfall. Der Unterlassungsantrag ist darauf ge-richtet, der Beklagten eine Werbung ohne "klarstellenden, deutlich hervorgeho-benen Hinweis"
auf die Ausgestaltung als Nachrangdarlehen zu verbieten, und enthält keine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform, die geeignet wä-re, das Verbot mit Blick auf Inhalt und Gestaltung
des zur Vermeidung der Irre-führung nicht genügenden
Hinweises einzugrenzen.
2. Die mangelnde Bestimmtheit des [X.] hat nicht zur Folge, dass dieser Antrag als unzulässig abzuweisen ist. Vielmehr ist der
Klä-gerin
aus Gründen der prozessualen Fairness durch Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Gele-genheit zu geben, das mit diesem Antrag verfolgte Begehren in einen Antrag zu fassen, der dem Bestimmtheitsgebot entspricht (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2015 -
I [X.], [X.], 88 Rn. 17 = [X.], 35 -
Deltamethrin I; [X.], [X.], 422 Rn. 23 -
ARD-Buffet, jeweils mwN). Der
Klägerin
steht

entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -
ein diesem Begehren entspre-chender materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagte ist ge-genüber der Klägerin
gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3,
§§
3, 5 Abs. 1 Satz 1
und 2 Nr. 1
UWG verpflichtet,
die beanstandete Werbung zu unterlassen.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbung sei nicht irreführend. Bereits bei der Vorstellung der beworbenen Kapitalanla-gen werde darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Angebot "
B.

[X.] PLUS"
um ein Nachrangdarlehen handele, während das Angebot "HYPO
[X.]"
zu 100% besichert sei. Schon diese Gegenüberstellung weise den Verbraucher, der aufgrund der Tragweite eines solchen Investitions-13
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15
-
12
-
entschlusses nicht nur flüchtig, sondern aufmerksam sei, darauf hin, dass ein Nachrangdarlehen nicht vollständig sicher sei. Jedenfalls werde der Verbrau-cher durch diesen Hinweis veranlasst, die weitere Darstellung der [X.] auf nähere Erläuterungen zu prüfen. Dabei werde er das [X.] auf der Webseite der Beklagten ausschöpfen und auch den erst
nach weiterem Scrollen sichtbaren, ausdrücklich als [X.] bezeichneten Text zur Kenntnis nehmen, in dem die Risiken der Anlageformen hinreichend klar dargestellt würden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b) Da die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstande-te Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in
der Revisionsinstanz [X.] ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 14. September 2017 -
I [X.], [X.], 1135
Rn. 16 = [X.], 1332 -
Leuchtballon). Nach dem Aufruf der Internetseite mit der beanstandeten Werbung am 6. Februar 2015 ist das im Streitfall maßgebliche Recht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das Zweite
Gesetz zur Änderung des [X.] ([X.] I 2015, S. 2158) novelliert worden. Durch die dabei erfolgte Einfügung der dem Art.
6 Abs.
1 der Richtlinie ([X.]) 2005/29 über unlautere Ge-schäftspraktiken entsprechenden [X.] in §
5 Abs.
1 Satz
1 UWG hat sich die Rechtslage nicht geändert (vgl. [X.], Urteil vom 28.
April 2016

I
ZR 23/15, [X.], 1073 Rn. 16 = [X.], 1228 -
Geo-Targeting).
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt die bean-standete Werbung gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG.
aa) Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den
Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt.
16
17
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-
13
-
Mögliche Bezugspunkte der Irreführung sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie etwa die mit ihnen
verbundenen Risiken. Für die Beurteilung einer geschäftlichen Handlung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrs-kreisen hervorruft. Dabei sind die vom Tatrichter zu treffenden Feststellungen zur Verkehrsauffassung in der Revisionsinstanz nur darauf nachprüfbar, ob das Gericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ver-stoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 24.
September 2013 -
I [X.], [X.], 1254 Rn.
15
f. = [X.], 1596 -
Matratzen Factory Outlet; Urteil vom 21. April 2016 -
I [X.], [X.], 1193 Rn. 20 = [X.], 1354 -
Ansprech-partner, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird die Beurteilung des [X.] nicht gerecht.
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, bereits die Gegenüberstellung der beiden Anlageformen "
B.

[X.] PLUS"
als Nachrangdarlehen
und "[X.]"
mit
hundertprozentig besichertem Kapital weise den Durchschnittsverbraucher darauf hin, dass ein Nachrangdarlehen nicht [X.] sicher sei, lässt erkennen, dass das Berufungsgericht die Zielrichtung des Klagebegehrens nicht zutreffend erfasst hat. Dies gilt ebenfalls für die wei-tere Erwägung des Berufungsgerichts, der in der beanstandeten Werbung ent-haltene [X.] schließe eine Irreführung durch den im Blickfang verwen-deten Begriff "Festzins plus"
aus, weil sich hieraus hinreichend deutlich die Ri-siken
eines
Nachrangdarlehens ergäben.
Nach dem Klageantrag soll
der Beklagten verboten werden, in der ange-griffenen Weise unter Verwendung der Angabe "[X.] PLUS"
zu werben, ohne auf die Ausgestaltung als Nachrangdarlehen hinzuweisen, bei dem die Zinszahlung von der wirtschaftlichen Situation des Darlehensnehmers abhängig ist. Gegenstand der von der Klägerin vorgetragenen Irreführung ist nicht die 19
20
-
14
-
Täuschung über die Sicherheit des Nachrangdarlehens. Die Klägerin macht vielmehr geltend, dass die Angabe "[X.] PLUS"
den angesprochenen Verkehr darüber im Unklaren lässt, dass die Zinszahlung nicht nur dem allge-meinen Insolvenzrisiko des Darlehensnehmers unterliegt, sondern dieser die Zinszahlung aufgrund des Charakters als Nachrangdarlehen nachträglich an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens anpassen kann. Hinsichtlich dieses Vorbringens fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts.
cc) Die für die Ermittlung des [X.] erforderlichen Feststellungen kann der erkennende Senat anhand des unstreitigen Sachver-halts und des Vortrags der Klägerin selbst treffen
(vgl. [X.], Urteil vom [X.] -
I ZR 100/00, [X.], 361, 362 f. = [X.], 1224 -
Spar-vorwahl). Danach erweist sich die angegriffene Werbung als irreführend.
(1) Die im Blickfang der Werbung verwendete Bezeichnung "Festzins plus"
ist objektiv unrichtig, weil sie eine Sicherheit der für das Darlehen anfal-lenden Zinszahlung suggeriert, obgleich die Zinszahlung tatsächlich nicht nur von der Solvenz des Darlehensnehmers abhängt, sondern mit der Erwirtschaf-tung eines hinreichenden Gewinns des Darlehensnehmers steht und fällt. Es handelt sich mithin nicht um einen festen, also einen -
vorbehaltlich der [X.] des Darlehensnehmers -
über die Laufzeit des Darlehens unver-ändert gezahlten Zins. Vielmehr ist der Zins von der Ertragslage
des [X.] abhängig und kann daher nachträglichen Veränderungen [X.] sein.
(2) Der in der Werbung gegebene [X.] ist zur Beseitigung des durch den im Blickfang verwendeten Begriff "Festzins plus"
hervorgerufenen Irrtums über die Risikolage nicht geeignet.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann
in Fällen, in denen der [X.] für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch 21
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23
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-
15
-
veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat (vgl. [X.], Ur-teil vom 28. November 2002 -
I
ZR
110/00, [X.], 249
f. = [X.], 379 -
Preis ohne Monitor). Zwar ist nicht in jedem Fall ein Sternchenhinweis oder ein anderer klarstellender
Hinweis an den isoliert irreführenden blickfang-mäßigen Angaben in einer Werbung erforderlich, um einen Irrtum der Verbrau-cher auszuschließen. Vielmehr kann es genügen, dass es sich um eine [X.] -
etwa für langlebige und kostspielige Güter -
handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird ([X.], Urteil vom 18. Dezember 2014 -
I [X.], [X.], 698 Rn. 19 = [X.], 851 -
Schlafzimmer komplett). Mit Blick auf den hauptsächlichen Zweck der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken, den [X.] in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Ent-scheidung zu schützen, ist die Annahme, der Verbraucher werde die Ein-schränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt ([X.], Urteil vom 15. Oktober 2015 -
I [X.], [X.], 207 Rn. 18 = [X.], 184 -
All Net Flat).
Im Streitfall vermag der "[X.]"
die Irreführung nicht auszuräu-men.
Eine Werbung ist
nur dann "kurz und übersichtlich"
gestaltet, wenn der Zusammenhang zwischen unrichtiger Blickfangangabe und aufklärendem [X.] gewissermaßen "auf einen Blick"
erkannt werden kann, weil beide Be-standteile in räumlicher
Nähe zueinander stehen und die aufklärende Informati-on nicht in unübersichtlichem Text "versteckt"
wird (vgl. [X.], [X.], 698 Rn.
19 -
Schlafzimmer komplett). Die beanstandete Werbung genügt diesem Erfordernis nicht. Zwischen der für sich genommen unzutreffenden Angabe 25
-
16
-
"[X.]"
und dem "[X.]"
am Ende der Werbung befinden
sich in erheblichem Umfang
textliche Hinweise. Diese enthalten
zudem eine Anzahl positiver Ausführungen, die die Solidität der Anlageform betonen und Risikobe-denken
des Verbrauchers entgegenwirken sollen
(z.B.: "Auszahlung des Fest-zinses erfolgt 4-mal im Jahr"; "Jahrzehntelange Erfahrung"; "Gesetzliche [X.]: Unser Aufsichtsrat ist gesetzlich verpflichtet, den Vorstand zu kontrollie-ren und zu überwachen. Darum ist dieser mit erfahrenen Experten wie z.B. Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern besetzt"; "Erfahrene Experten: [X.] zum Aufsichtsrat unterhält die B.

Immobilien AG einen mit Exper-
ten besetzten Beirat. Dieser steht dem Vorstand bei wichtigen Entscheidungen beratend zur Seite. Denn bei allen Investitionen hat Sicherheit die höchste Prio-rität"). Durch den umfangreichen Text zwischen der isoliert unzutreffenden An-gabe "[X.]" und dem [X.] unterscheidet sich die
Werbung im
Streitfall von der im Fall "Schlafzimmer komplett"
gegebenen Konstellation, in der lediglich eine Preisangabe mit Zusatz ("1499,-
Schlafzimmer komplett")
und eine fußnotenähnliche Angabe am unteren Seitenrand zu beurteilen waren.
Angesichts der unübersichtlichen Gestaltung der beanstandeten [X.] wirkt sich nicht aus, dass die Entscheidung über eine Geldanlage von ei-niger wirtschaftlicher Tragweite sein kann und daher anzunehmen
ist, dass der Verbraucher sich mit einer Werbung hierfür eingehend befasst (vgl. [X.], [X.], 698 Rn. 19 -
Schlafzimmer komplett). Auch bei wirtschaftlich be-deutsamen
Erwerbsvorgängen
ist nach der Lebenserfahrung nicht sicherge-stellt, dass
der Irrtum, der durch eine irreführende Blickfangangabe verursacht wird, durch einen Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen Texts ausgeräumt wird, dessen inhaltlicher Bezug zum [X.] nicht klargestellt wird.
26
-
17
-
dd) Die angegriffene Werbung ist auch geeignet, den Verbraucher zu [X.] geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getrof-fen
hätte (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG).
(1) Eine geschäftliche Entscheidung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG [X.] Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Be-dingungen er ein
Geschäft abschließen
will. Der Begriff der geschäftlichen Ent-scheidung erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts ([X.], Urteil vom [X.] 2013 -
C-281/12, [X.], 196 Rn. 36 bis 38 = [X.], 161 -
Trento [X.]; [X.], [X.], 698 Rn. 20 -
Schlafzimmer komplett; [X.], Urteil vom 2.
März 2017 -
I ZR 41/16, [X.], 922 Rn. 28 = [X.], 1081

Komplettküchen).
(2) Ist der am Ende der Werbung gegebene [X.] nicht geeignet, den durch die Bezeichnung "Festzins plus"
hervorgerufenen Irrtum des [X.]s über die Sicherheit der Zinszahlung auszuräumen, droht die Gefahr, dass der Verbraucher aufgrund der Werbung der Beklagten eine nicht hinrei-chend informationsgeleitete Anlageentscheidung trifft.
3. Nach dem Vorstehenden kann auch die Abweisung des auf Erstattung der Abmahnkosten gerichteten [X.] keinen Bestand haben.
Da das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zur Abmahnung, insbe-sondere zur
Höhe der mit ihr verbundenen
Kosten, getroffen hat, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung insoweit verwehrt.
[X.] Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhand-lung und Entscheidung -
auch über die Kosten der Revision -
an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
27
28
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30
31
-
18
-
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt bin-nen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Koch
Feddersen
Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 04.09.2015 -
1 [X.] 2238/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 18.02.2016 -
29 [X.] -

Meta

I ZR 53/16

21.09.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2017, Az. I ZR 53/16 (REWIS RS 2017, 4974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4974

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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