Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. 5 StR 229/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1781

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5 StR 229/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

vom 22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22. Okto-ber
2013, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf,

Richter Prof. [X.],
Richterin [X.],
Richter [X.],
Richter Prof. Dr. König

als beisitzende Richter,

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 18. Oktober 2012 wird verwor-fen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch dem Ange-klagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperver-letzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Nichtverurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts, hilfsweise auch die Strafzumessung angreift. Das vom [X.] hinsichtlich der primären Beanstandung vertretene Rechtsmittel bleibt erfolglos.

1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Am 11. Februar 2012 gegen 17.40 Uhr verfolgte der Angeklagte den Nebenkläger heimlich in den zu dieser Zeit menschenleeren Eingangs-bereich eines [X.] in [X.] hinein. Aus seiner Sicht hatte sich der Nebenkläger bei Auseinandersetzungen mit der schwangeren Lebensgefähr-1
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tin des Angeklagten, bei der es sich um die geschiedene Ehefrau des [X.] handelt, nicht akzeptabel benommen und sie unter anderem ge-schubst. Dafür wollte ihn der Angeklagte bestrafen und zumindest für gewis-in Form einer Mann-gegen-Mann-er ein klappbares Messer mit einer Klingenlänge von 7,3 cm und einer maxi-malen Klingenbreite von 2,8 cm eingesteckt.

Der Angeklagte hielt die Situation für günstig und lief schneller. Der Nebenkläger bemerkte, dass sich jemand mit schnellen Schritten näherte. [X.] er den Kopf leicht zur Seite, um sich umzusehen. Der Angeklagte befand sich etwa auf gleicher Höhe einer Treppe. Er stach dem Nebenkläger mit dem Messer 4 cm tief in die linke Halsseite, wobei er die Hauptschlagader knapp verfehlte. Dessen Tod nahm er zumindest billigend in Kauf.

Durch die Wucht des Stichs fiel der Nebenkläger kurzzeitig nach vorn, ging jedoch nicht zu Boden. Der Angeklagte wandte sich ab und flüchtete, um nicht erkannt zu werden. Dabei rutschte er auf den Treppenstufen aus, wodurch der Nebenkläger sein Gesicht sehen konnte. Der Nebenkläger [X.] dem Angeklagten nach, um ihn zur Rede
zu stellen oder ihn ebenfalls zu schlagen. Spätestens jetzt ging der Angeklagte davon aus, dass der Stich nicht ausgereicht hatte, um den Tod des [X.] herbeizuführen.

Unmittelbar danach standen sich die Kontrahenten vor dem U-Bahn-Eingang in einer Entfernung von zwei bis drei Metern gegenüber. Der [X.] erkannte das Messer in der Hand des Angeklagten und rief, dass Nebenkläger solle seine Lebensgefährtin in Ruhe lassen. Der Nebenkläger fürchtete einen weiteren Angriff und nahm eine abwehrende Körperhaltung ein; er wies den Angeklagten auf eine nahe Sparkasse und vorhandene Ka-meras hin. Aus Angst, der Angeklagte werde mit dem Messer abermals ei-4
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nen Angriff unternehmen, lief ihm mit dem Messer in der Hand ein kurzes Stück hinterher, unternahm jedoch keine weiteren Stich-
bzw. [X.]. Dann verließ er den [X.].

Der Nebenkläger erreichte den Bahnsteig, verständigte die Polizei und bemerkte erst jetzt die Stichwunde am Hals, die bei einer Notoperation am selben Abend versorgt wurde.

b) Die [X.] hat angenommen, der Angeklagte sei freiwillig vom Versuch eines Tötungsdelikts zurückgetreten.
Sie vermochte nicht auszuschließen, dass ihm ein nochmaliger Messerangriff möglich war und er hiervon freiwillig Abstand nahm. Dass er wegen körperlicher Überle-genheit des [X.] nach dem ersten Stich keinen Angriff mehr auszu-führen imstande gewesen
sei, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden; der Nebenkläger sei nur 7 cm größer und von weitge-hend ähnlicher Statur.

2. Die Ausführungen, mit denen die [X.] einen fehlgeschlagenen Versuch abgelehnt und einen Rücktritt vom unbeendeten Mordversuch im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB angenommen hat, [X.] revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

a) Die [X.] hat ihrer Prüfung des Fehlschlags des [X.] zutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt, nach denen ein solcher gegeben ist, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln ohne zeitliche Zäsur nicht mehr vollenden kann (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 19. März 2013

1 [X.], [X.], 273 Rn. 32 mwN). Unter Würdigung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte (insbesondere: der [X.] hielt das Messer weiter in der Hand, Nähe zum Nebenkläger, sehr rascher Geschehensablauf) hat sie die weitere
Vollendbarkeit aus der 7
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maßgeblichen [X.]icht zumindest nicht ausschließen können. Auch mit dem durch die Revision hervorgehobenen Aspekt der körperlichen Überle-genheit des [X.] hat sie sich befasst und ihn vertretbar gewürdigt ([X.]). Soweit
die Beschwerdeführerin hiergegen anführt, der [X.] des Angeklagten sei zwingend auf einen Angriff auf den Nebenkläger in schutzloser Lage beschränkt gewesen und nach dessen erfolgloser [X.] endgültig gescheitert, ermangelt es für eine solche Annahme einer tragfähigen Grundlage in den tatgerichtlichen Feststellungen. Die Beschwer-deführerin setzt vielmehr ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjeni-gen des Tatgerichts. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört wer-den.

b) Die Annahme eines unbeendeten Versuchs wegen Korrektur des Rücktrittshorizonts ist hier im Hinblick auf das Fehlen jeglicher erkennbarer Beeinträchtigung beim Nebenkläger nach Ausführung des Stichs ungeachtet des gesetzten Treffers rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch für die weitere Annah-me des [X.]s, der Rücktritt sei freiwillig erfolgt. Freiwilligkeit liegt nach
s-plans
noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. Juni 1992

3 [X.], [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16 mwN, und vom 8. August 2013

5 StR 316/13 Rn. 2). Dabei ist maßgebliche [X.] nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des [X.] hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind jedoch, was die Beschwer-deführerin zu verkennen scheint, insoweit von Bedeutung, als sie Rück-schlüsse auf die innere Einstellung des [X.] ermöglichen (vgl. [X.], [X.] vom 24. Juni 1992

3 [X.], aaO, und vom 22. Mai 2013

4 StR 170/13, [X.], 342 Rn. 9).

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Das [X.] hat aus dem Umstand, dass sich der noch immer das Messer haltende Angeklagte und der Nebenkläger vor der Sparkasse nahe gegenüberstanden, die Möglichkeit abgeleitet, dass der Angeklagte un-schwer [X.] hätte zustechen können, davon aber aus autono-men Gründen Abstand genommen haben kann. Dieser Schluss ist möglich und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen. Soweit die Beschwerdeführe-rin rügt, die [X.] habe sich mit einer für den Angeklagten als letztlich unvertretbar darstellenden
Risikoerhöhung nicht befasst, sind den Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte in diese Richtung zu entnehmen (zu den Anforderungen vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. Juni 1992

3 [X.], aaO, und vom 19. Dezember 2006

4 StR 537/06, NStZ
2007, 265, 266). Der bloße Hinweis des [X.] auf die [X.] und auf Kameras genügt hierfür nicht, zumal

allgemein bekannt

weite Bereiche von U-Bahnhöfen ohnehin videoüberwacht sind. [X.] gilt für die Hilferufe des [X.]. Dass sich etwa

unter Um-ständen eingreifbereite

Passanten oder Sicherheitskräfte in der Nähe [X.], findet in den Feststellungen keinen Niederschlag. Die Beschwerde-führerin trägt auch nicht vor, dass sie insoweit Beweisanträge gestellt hat; eine Aufklärungsrüge
hat sie nicht erhoben.

3. Die Strafzumessung weist

in Übereinstimmung mit der Auffassung des [X.]s

durchgreifende Rechtsfehler weder zum Vorteil des Angeklagten noch zu dessen Nachteil (§ 301 StPO) auf.

[X.] Schneider

[X.] König

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Meta

5 StR 229/13

22.10.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. 5 StR 229/13 (REWIS RS 2013, 1781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1781

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 229/13

1 StR 647/12

4 StR 170/13

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