Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2005, Az. IX ZR 208/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1032

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 3. November 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

StBerG § 68 Die Verjährungsfrist für einen Schadensersatzanspruch gegen einen [X.] beginnt auch dann frühestens mit dem Zugang des dem Mandan-ten nachteiligen Steuerbescheids, wenn der Steuerberater in einer Steuer-sache eine Ausschlussfrist versäumt hat (Fortsetzung von [X.], [X.]. v. 16. Oktober 2003 - [X.], [X.], 472 ff). [X.], [X.]eil vom 3. November 2005 - [X.] - [X.]

LG Mainz - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2005 durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger wird das [X.]eil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 30. September 2004 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der verklagte Steuerberater betreute von Mitte 1990 bis Mitte 1995 steu-erlich die Unternehmen der Firmengruppe [X.]- darunter die [X.] (künftig: GmbH) und die [X.]

GmbH & Co [X.] (künftig: [X.]) -, die klagenden Eheleute [X.] sowie die inzwischen verstorbene Mutter des [X.], die von diesem allein beerbt worden ist. Der Kläger und seine Mutter waren an der [X.] als Kommanditisten beteiligt.

Zwischen der [X.] als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft bestand seit 1975 ein privatschriftlich abgeschlossener Beherrschungs- und [X.] 2 - 3 - gebnisabführungsvertrag (künftig: Vertrag), wonach die von der [X.] erwirtschafteten Verluste dem Organträger zugerechnet wurden und dessen Betriebsgewinn minderten. Anlässlich einer Betriebsprüfung in den [X.] 1998 bis 2000 wurde dem Vertrag die Anerkennung nach § 17 [X.] ver-sagt, weil der Gesellschafterbeschluss des beherrschten Unternehmens nicht - wie dies seit der Entscheidung des [X.] vom 24. Oktober 1988 ([X.] 105, 324, 338, 342) verlangt wird - notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen worden war. Deshalb ergingen im März 2001 neue Steuerbescheide, mit denen für die [X.], 1994 und 1995 Einkommen-steuer nachgefordert wurde. Die Kläger haben ihren angeblichen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten an das zuständige Finanzamt abgetreten. Dieses hat die Kläger zur gerichtlichen und außergerichtlichen Einziehung ermächtigt. Mit der am 16. Juni 2003 eingereichten und alsbald zugestellten Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten, im Wege des Schadensersatzes an das Finanzamt 219.885,54 • nebst Zinsen zu entrichten. [X.] und [X.] haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
3 4 - 4 - [X.] Das Berufungsgericht hat gemeint, der Schaden sei im vorliegenden Fall nicht erst mit Bekanntgabe der Steuerbescheide, sondern bereits mit dem [X.] der Frist - nämlich am 1. Januar 1993 - eingetreten, die der [X.] den betroffenen Unternehmen eingeräumt habe, um die Wirk-samkeit vorhandener Organschafts- und Beherrschungsverträge im Lichte der Entscheidung des [X.] vom 24. Oktober 1988 zu überprüfen und erforderlichenfalls für eine zivilrechtliche - und damit auch steuerrechtliche - Wirksamkeit zu sorgen (BStBl. 1989 I 430; Abschn. 64 Abs. 1 [X.]). Nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist habe das Finanzamt keine andere Wahl mehr [X.], als den zivilrechtlich unwirksamen Vertrag steuerlich nicht anzuerkennen. Mit dem Ablauf dieser Frist und der jeweiligen Veranlagungszeiträume sei der Schaden der Kläger somit unmittelbar und unkorrigierbar eingetreten. Drei [X.] nach dem Entstehen der Schadensersatzansprüche - also mit Ablauf der Jahre 1996, 1997 und 1998 - seien diese verjährt (§ 68 StBerG). I[X.] Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der [X.] ist nicht nach § 68 StBerG verjährt.

1. Nach dieser Vorschrift ist Anknüpfungspunkt für den Lauf der [X.] die Schadensentstehung, also der Zeitpunkt, zu dem der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen, eine als Schaden anzusehende Ver-schlechterung der Vermögenslage eingetreten ist. Solange dagegen offen ist, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden 5 6 7 - 5 - geführt hat, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden und hat die [X.] nicht zu laufen begonnen ([X.] 119, 69, 70 f). Wenn der Steuerberater einen fehlerhaften Rat in einer Steuersache er-teilt und dieser sich in einem für den Mandanten nachteiligen Steuerbescheid niedergeschlagen hat, ist nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögensla-ge des Mandanten grundsätzlich erst mit dem Zugang des Bescheids eingetre-ten. Das gilt für alle Schadensfälle in Steuersachen, gleichgültig, ob die Scha-densursache dazu führt, dass gegen den Mandanten ein Leistungsbescheid der Finanzbehörde ergeht oder ein Steuervorteil durch einen [X.] ([X.] versagt wird ([X.] 119, 69, 73; 129, 386, 388; [X.], [X.]. v. 29. April 1993 - [X.] ZR 109/92, [X.], 1511, 1513; v. 26. Mai 1994 - [X.] ZR 57/93, [X.], 1848 ff; v. 18. Dezember 1997 - [X.] ZR 180/96, [X.], 779, 780; v. 16. Oktober 2003 - [X.], [X.], 472, 474; v. 12. Februar 2004 - [X.] ZR 246/02, [X.], 2034, 2037). Von welchen tatsäch-lichen oder rechtlichen Umständen die dem Steuerpflichtigen ungünstige Ent-scheidung im Einzelfall abhängt, ist danach rechtlich unerheblich. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, welcher Art der vom Steuerberater zu verantwor-tende, für den nachteiligen Steuerbescheid ursächlich gewordene Fehler ist. Der [X.] stellt selbst dann, wenn der Steuerberater eine Aus-schlussfrist nicht beachtet und die Fristversäumung erst viele Jahre später zu einer dem Mandanten ungünstigen Steuerfestsetzung geführt hat, auf den Er-lass des Bescheides ab ([X.], [X.]. v. 29. April 1993 aaO; v. 16. Oktober 2003 aaO).

Diese Rechtsprechung beruht wesentlich darauf, dass es oftmals unsi-cher ist, ob die Finanzbehörde einen steuerlich bedeutsamen Sachverhalt auf-8 9 - 6 - deckt ([X.], [X.]. v. 12. Februar 2004 aaO). Deshalb verschlechtert sich die Vermögenslage des Mandanten infolge einer steuerlichen Fehlberatung erst, wenn die Finanzbehörde mit dem Erlass ihres Steuerbescheids ihren Entschei-dungsprozess zu Ungunsten des Steuerpflichtigen abschließt und auf diese Weise den öffentlich-rechtlichen Steueranspruch konkretisiert. Die auf den Er-lass des Steuerbescheids abstellende Rechtsprechung schafft zudem Klarheit für alle Beteiligten ([X.] 119, 69, 74). Sie schützt ferner das [X.] zwischen Steuerberater und Mandant vor unnötigen Belastungen ([X.] aaO). Bei einer Vorverlegung des [X.] auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes würden die schützwürdigen Belange des Mandanten nicht angemessen gewahrt, weil der Beratungsfehler und die dadurch ausgelösten Steuernachteile häufig erst lange nach der Beratung er-kennbar werden ([X.], [X.]. v. 26. Mai 1994 aaO; v. 12. Februar 2004 aaO). Zwar ist von einem früheren Schadenseintritt und Verjährungsbeginn auszugehen, wenn der [X.] auf die Empfehlung einer von vornherein nachteiligen Vermögensanlage gestützt wird, die einen Schaden schon mit der rechtlichen Bindung an das Beteiligungsobjekt auslösen kann ([X.] 129, 386, 388; [X.], [X.]. v. 26. Mai 1994 aaO S. 1849). Ferner beginnt die Verjährung des [X.] bereits mit dem von einem Steuerberater verschuldeten Verlust eines Subventionsanspruchs und nicht erst mit dem Zugang des dies aussprechenden Verwaltungsakts ([X.], [X.]. v. 28. März 1996 - [X.] ZR 197/95, [X.], 1108, 1109). Diese Fälle betreffen jedoch keine [X.].

2. Die Argumentation des Berufungsgerichts gibt keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen. 10 11 - 7 - a) Dass der Schaden, wie das Berufungsgericht gemeint hat, mit dem Ablauf der Frist - hier: zum [X.] Neuabschluss eines notleiden-den Ergebnisabführungsvertrages - "unmittelbar und unkorrigierbar" eingetreten sei, ist unzutreffend. Die steuerliche Nachveranlagung ist erst nach der [X.] durch die dadurch ausgelösten neuen Steuerbescheide erfolgt. Der Eintritt des Schadens hing noch von mehreren ungewissen Umständen ab. Zwar konnten die Verfahrensmängel nach Fristablauf rückwirkend nicht mehr beseitigt werden, falls es bei dem Erlass des [X.] verblieb. Es war aber schon nicht ausgeschlossen, dass die Frist verlängert werden [X.], ehe es zur nächsten Betriebsprüfung kam. Außerdem hätte es sein können, dass die Betriebsprüfung unterbleibt oder die Mängel des Vertrages dabei nicht aufgedeckt werden. In allen diesen Fällen hätte der unterlassene Hinweis des Beklagten auf die Verfahrensmängel zu keinem Schaden geführt. Dass [X.] in der hier gegebenen Größenordnung regelmäßig steuerlichen Außenprü-fungen unterzogen werden, wie das [X.] angenommen hat, ist kein trag-fähiger Gesichtspunkt. Denn es kann nicht von der Größenordnung des [X.]s abhängen, wann bei ihm ein Fehler des Steuerberaters zu einem Schaden geführt hat.

b) Im vorliegenden Fall wäre unter Zugrundelegung der vom Berufungs-gericht vertretenen Ansicht der Schadensersatzanspruch (jedenfalls zum größ-ten Teil) bereits verjährt gewesen, als die Kläger auf den Schaden und die Per-son des Schädigers aufmerksam wurden. Dies wäre kein angemessenes Er-gebnis.

c) Dass die Kläger - so das [X.] - spätestens am 5. Februar 1999 Feststellungsklage gegen den Beklagten hätten erheben können, weil ihnen nunmehr der Fehler des Beklagten bekannt gewesen sei, ist für den Zeitpunkt 12 13 14 - 8 - des Schadenseintritts unerheblich. Eine Feststellungsklage kann sich auch auf die Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens beziehen. Die Befürchtung, es werde sich künftig ein Schaden einstellen, setzt jedoch noch keine Verjährungsfrist in Lauf. 3. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der vorliegende Sachverhalt nicht mit demjenigen vergleichbar, welcher der Senatsentschei-dung vom 23. Juni 2005 ([X.] ZR 197/01, [X.], 1869) zugrunde lag. Damals hatte ein Rechtsanwalt einen Fehler gemacht, der zur Folge hatte, dass durch die Ausübung eines vertraglichen Gestaltungsrechts Erfolg versprechende An-sprüche des Mandanten vereitelt wurden. Darum geht es hier nicht. II[X.] Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif.

1. Allerdings haben die Vorinstanzen - rechtlich bedenkenfrei - ange-nommen, der Beklagte habe seine den Klägern und der verstorbenen Mutter des [X.] gegenüber bestehenden steuerlichen Beratungspflichten schuldhaft verletzt und im Falle einer zutreffenden Beratung hätten sich die Kläger be-ratungskonform verhalten, also einen zivilrechtlich wirksamen [X.].

a) Mit Recht für unerheblich gehalten hat das Berufungsgericht den Vor-trag des Beklagten, auf Nachfrage seines Mitarbeiters [X.]sei der Ergeb-nisabführungsvertrag nicht vorgelegt worden, weil dieser nur mit Mühe [X.] - finden sei und überdies aus Kostengründen nicht geprüft werden solle. Der [X.] musste mit der Möglichkeit rechnen, dass der Vertrag - wie damals viele dieser Art - den formalen Anforderungen des [X.]eils des [X.] vom 24. Oktober 1988 nicht genügte. Er hätte die Kläger auf die geänderte Rechtsprechung und die durch den [X.] gesetzte Ausschlussfrist hin-weisen und ihnen so die Notwendigkeit einer Überprüfung deutlich machen müssen. b) Die Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Schaden wird von der Revisionserwiderung zu Unrecht bezweifelt. Nach Auffassung des Berufungsge-richts hätten die Kläger - falls der Beklagte sie auf die geänderte [X.] aufmerksam gemacht hätte - nicht nur den [X.] herausgesucht und vorgelegt, sondern auch innerhalb der Übergangsfrist einen neuen, den geänderten Umständen Rechnung tragenden Vertrag abgeschlossen. Da ge-genteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, konnte sich das Berufungsgericht hierbei auf die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens stützen (vgl. [X.] 123, 311, 314 ff).

2. Indes hat der Beklagte vorgetragen, sein Verhalten sei für den geltend gemachten Steuerschaden nicht ursächlich, weil während des bestehenden Mandats die an dem Vertrag beteiligten Gesellschaften die Voraussetzungen des § 14 [X.] - insbesondere die wirtschaftliche und finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des [X.] - nicht oder nicht mehr erfüllt hätten. Jedenfalls sei durch den Beratungsfehler des Beklagten kein Schaden in dem eingeklagten Umfang entstanden. Zu der [X.] sei es auch deshalb gekommen, weil das Finanzamt anderweitige Be-triebsausgaben nicht anerkannt und sonstige Einnahmen berücksichtigt habe. Die Vorinstanzen haben sich mit diesem Vorbringen - von ihrem Standpunkt 19 20 - 10 - aus folgerichtig - nicht befasst. Dies wird nach der gebotenen [X.] nachzuholen sein. [X.] Ganter [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.04.2004 - 2 O 218/03 - [X.], Entscheidung vom 30.09.2004 - 5 [X.]/04 -

Meta

IX ZR 208/04

03.11.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2005, Az. IX ZR 208/04 (REWIS RS 2005, 1032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1032

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