Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2015, Az. I ZR 217/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9926

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 217/14
vom
11. Juni 2015
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der I. Zivilsenat des [X.] hat am 11. Juni 2015 durch [X.]
Dr.
Büscher,
[X.]
Dr.
Koch, Dr.
[X.], die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 5.
Sep-tember 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert
des Beschwerdeverfahrens wird auf 83.3-gesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Sie führt nach ihrer Behauptung den Geschäftsbetrieb des Maklers I.

e. K. M.

Z.

durch Über-
tragung sämtlicher Aktiva und Passiva fort, der der Klägerin die Klageforderung gegen die Beklagte vorsorglich abgetreten hat (im Folgenden einheitlich: Kläge-rin).

1
-
3
-

Am 21.
Oktober 2011 erteilte der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten der Klägerin einen "qualifizierten Alleinauftrag" zur Vermittlung eines Kaufinteressenten für ein Objekt in [X.]. Der Vertrag besteht aus einem auf dem Briefpapier der Beklagten verfassten, von der Klägerin gegen-gezeichneten Schreiben und mehreren Anlagen, auf die das Schreiben Bezug nimmt. Nach einer Anlage zum Vertrag sollte die Maklerprovision 5,95
% brutto des Kaufpreises betragen. Eine weitere Anlage enthält eine Liste von Kaufinte-ressenten, die vom Alleinauftrag ausgeschlossen sein sollten, da zu ihnen vor Abschluss des [X.] bereits Kontakt bestand.

Am 16.
April 2012 veräußerte die Beklagte ohne Mitwirkung der Klägerin das Objekt auf Vermittlung des [X.]

, der in der vorstehend genann-
ten Liste der Kaufinteressenten aufgeführt wird, an die B.

L.

GmbH & Co. KG
(im Folgenden: Käuferin), die in der Liste nicht ge-
nannt Am 20.
Juni 2012 trat der in der Liste der Kaufinteressenten genannte Herr Ba.

als Kommanditist in die Käuferin
ein, übernahm 90 % der Geschäftsanteile ihrer Komplementärin und wurde als deren Geschäftsführer bestellt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei aufgrund des qualifizierten [X.] zur Zahlung der Maklerprovision in Höhe von 5,95 %

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die [X.] mit ihrer Beschwerde. Nach Zulassung der Revision will sie ihren Klage-abweisungsantrag weiter verfolgen.

2
3
4
5
-
4
-
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils
und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat die Klage auf der Grundlage des zwischen den [X.]en am 21.
Oktober 2011 abgeschlossenen qualifizierten [X.] gemäß §
652 BGB für begründet erachtet.
Der
Klägerin stehe ein Provisionsanspruch zu, auch wenn sie
keine Tätigkeiten zum Nachweis
oder zur Vermittlung der Gelegenheit zum Geschäftsabschluss entfaltet habe. Ein Anspruch der Klägerin würde nur dann nicht bestehen, wenn der Kaufver-trag von einer der in der Anlage zum Alleinauftrag aufgeführten Personen oder einer mit diesen in persönlicher Kongruenz stehenden Person geschlossen worden wäre. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Die Aussage des vom [X.] vernommenen Zeugen
A.

sei nicht hinreichend für die
Annahme, dass der in der Anlage zum Alleinauftrag genannte Herr Ba.

im
Zeitpunkt des Erwerbs des Objekts in wirtschaftlicher Sicht der eigentliche Käu-fer des Objekts war oder werden sollte.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat den erstinstanzlich vernommenen [X.]

nicht erneut vernommen,
obwohl es dessen Aussagen anders gewürdigt hat als das [X.]. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen
Gehörs
nach Art. 103 Abs. 1 GG.

a) [X.] das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit der entschei-dungserheblichen Tatsachenfeststellungen, die sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben können, so sind nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO erneute Feststellungen geboten. Im Zuge dieser erneuten Tatsachenfest-stellung muss das Berufungsgericht einen in erster Instanz vernommenen Zeu-6
7
8
9
-
5
-
gen gemäß §
398 Abs.
1 ZPO grundsätzlich nochmals vernehmen, wenn es seiner Aussage eine andere Tragweite oder ein anderes Gewicht als das erst-instanzliche Gericht beimessen möchte ([X.],
Beschluss vom 5.
April 2005
-
IV
ZR
253/05, [X.], 949 Rn.
2; Beschluss vom 14.
Juli 2009
-
VIII
ZR
3/09, NJW-RR 2009, 1291
Rn. 4). Unterlässt es dies, so verletzt es den Anspruch der benachteiligten [X.] auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], NJW 2005, 1487; [X.], NJW-RR 2009, 1291
Rn. 4; Beschluss vom 21.
März 2012 -
XII
ZR
18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn.
6). Die erneute Vernehmung eines Zeugen darf unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitslie-be des Zeugen, d. h. seine Glaubwürdigkeit, noch die Vollständigkeit oder Wi-derspruchsfreiheit seiner Aussage, d. h. die Glaubhaftigkeit, betreffen, und es die Zeugenaussage deshalb ohne Verstoß gegen das Verbot der vorwegge-nommenen Beweiswürdigung bewerten kann, weil es keines persönlichen Ein-drucks von dem Zeugen bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Juni 1991
-
VIII
ZR
116/90, NJW 1991, 3285,
3286; Urteil vom 10.
März 1998
-
VI
ZR
30/97, NJW 1998, 2222, 2223; NJW-RR 2009, 1291
Rn. 5; NJW-RR 2012, 704 Rn.
7). Diesen Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht.

b) Das [X.] hat die Aussage des [X.]

dahingehend
gewürdigt, dass eine wirtschaftliche Identität zwischen der Zweckgesellschaft, die das Objekt erworben hat, und [X.].

bestehe. Herr Ba.

sei deshalb
von Anfang an als eigentlicher Erwerber zu betrachten. Der Zeuge A.

ha-
be nachvollziehbar ausgesagt, dass Herr Ba.

bereits seit Ende des Jahres
2010 ein starkes Interesse an dem Erwerb des Objekts
gehabt habe. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Der Zeuge A.

habe in diesem Zusam-
menhang Gespräche mit der Beklagten als Vertreter des [X.].

geführt
und über den endgültigen Kaufpreis verhandelt. Die Abwicklung habe über eine Zweckgesellschaft erfolgen sollen. Herr Ba.

sei zwar bei Abschluss des
10
-
6
-
Kaufvertrages noch nicht Gesellschafter der Käuferin gewesen. Es habe jedoch eine Treuhandabsprache dahingehend gegeben, dass der seinerzeitige Gesell-schafter S.

die Anteile an der Zweckgesellschaft für [X.].

halten
sollte. Das Objekt habe mittels einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse an der erwerbenden Zweckgesellschaft [X.].

zugeschlagen werden sollen,
wie es in der Folgezeit dann auch unstreitig geschehen sei. Die wirtschaftlichen Vorteile des Erwerbs hätten unabhängig von den handelnden natürlichen und juristischen Personen von Anfang an [X.].

zugutekommen
sollen.

c) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Aussage des [X.]

sei nicht ausreichend für die Annahme, dass Herr Ba.

im Zeitpunkt des
Erwerbs des Grundstücks in wirtschaftlicher Sicht der eigentliche Käufer des Objekts war oder sein sollte. Die Objektgesellschaft sei bereits zu einem Zeit-punkt gegründet worden, in dem zwar das Interesse des [X.].

am Er-
werb des Objekts bestanden habe, jedoch ließen die Verhandlungen noch nicht einen sicheren Erwerb des Objekts erwarten, wie
der zeitliche Abstand zwi-schen der Gründung der Objektgesellschaft und der Einigung mit der Beklagten von fast einem Jahr zeige. Insoweit habe nach dem Inhalt der Aussage des [X.]

zu diesem Zeitpunkt allenfalls eine noch unbestimmte Kaufab-
sicht der Herren S.

und Ba.

vorgelegen, die nicht die Annahme recht-
fertige, dass im Zeitpunkt des späteren Abschlusses des Hauptvertrages ein maßgeblich im wirtschaftlichen Interesse des [X.].

stehender Erwerb
erfolgen sollte. Gegen eine wirtschaftliche Kongruenz spreche zudem der [X.], dass sich Herr Ba.

zunächst nicht und auch nicht bis zum Zeitpunkt
des Erwerbs des Objekts an der Gründung der Objektgesellschaft beteiligt [X.]. Dies hätte jedoch nahe gelegen, wenn der spätere Erwerb des Grundstücks durch die Objektgesellschaft ein von ihm mitgetragener Plan im eigenen wirt-schaftlichen Interesse gewesen wäre. Verständlich werde die Gründung der Objektgesellschaft allein durch Herrn S.

nur, wenn dieser tatsächlich, wie
11
-
7
-
von der Beklagten behauptet, lediglich treuhänderisch alle Anteile an dieser Gesellschaft für [X.].

habe halten sollen. Die Aussage des [X.]

hierzu sei jedoch sehr unbestimmt, indem er erklärt habe, dass es eine
Treuhandabsprache gebe, soweit er sich erinnere.
Einen konkreten Hinweis darauf, dass es eine solche Treuhandabrede gegeben habe, habe der Zeuge nicht bekundet. Er habe auch nicht offen gelegt, woher seine Erinnerung [X.]. Die Beklagte habe eine solche Treuhandabrede trotz Bestreitens der Klä-gerin nicht vorgelegt, obgleich ihr dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Ohne Kenntnis einer solchen Treuhandabrede habe die Beklagte nicht davon ausgehen können, dass der Erwerb des Grundstücks durch die zum Zeitpunkt des [X.] allein von Herrn S.

gehaltene und geführte
Käufergesellschaft nur im wirtschaftlichen Interesse des [X.].

erfolgen
werde. Es sei nicht auszuschließen, dass der Entschluss des [X.].

, die
Objektgesellschaft maßgeblich zu übernehmen, erst nachträglich entstanden sei.

d) Damit hat das Berufungsgericht der Aussage des [X.]

ein
anderes Gewicht und einen anderen Inhalt als das [X.] beigemessen. Es führt zwar ausdrücklich aus, dass es keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen habe und auch nicht an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zweife-le. Allerdings lassen seine Ausführungen erkennen, dass es die Erinnerungsfä-higkeit des Zeugen und die Widerspruchsfreiheit seiner Aussage in Zweifel zieht. Bei einer solchen Sachlage ist eine Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme geboten.

3. Die in der unterlassenen Wiederholung der Beweisaufnahme liegende Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Wenn sich bei einer Wiederho-lung der Beweisaufnahme das vom [X.] gefundene Beweisergebnis bestätigt, wonach aufgrund einer bestehenden Treuhandabrede mit dem Ge-12
13
-
8
-
sellschafter S.

wirtschaftlich Herr Ba.

als Erwerber des Objekts zu be-
trachten wäre, bestünde kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer [X.]. In diesem Fall wäre die Berufung der Klägerin gegen das landgericht-liche Urteil zurückzuweisen.

Büscher
Koch
Richter am [X.] Dr.
[X.] ist
in Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben.

Büscher

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 14.02.2014 -
2-18 O 323/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 05.09.2014 -
19 [X.] -

Meta

I ZR 217/14

11.06.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2015, Az. I ZR 217/14 (REWIS RS 2015, 9926)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9926

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 217/14 (Bundesgerichtshof)

Berufung im Maklerlohnprozess: Vorliegen eines qualifizierten Maklrer-Alleinauftrags; verfahrensfehlerhaft unterbliebene erneute Vernehmung eines Zeugen


I ZR 40/19 (Bundesgerichtshof)

Maklervertrag: Wirksame Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Mindestlaufzeit; automatische Vertragsverlängerung; Länge der Kündigungsfrist; Wirksamkeit der Kündigungsregeln …


8 O 191/95 (Landgericht Duisburg)


7 U 45/22 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


24 U 95/07 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZR 217/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.