Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2011, Az. V ZR 113/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 815

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
V ZR
113/11
Verkündet am:

2. Dezember 2011

Mayer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2011 durch [X.]
Dr.
Krüger, [X.] und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der
29. Zivilkammer des [X.] vom 28. April 2011 im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2010 auf die Berufung der Klägerin abgeändert. Das Versäumnisurteil des [X.] vom 8. Januar 2010 wird
auch insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur nebst Zinsen
verurteilt worden ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Der Beklagte erwarb
Anfang 2005 fünf Wohnungen in einer Wohnungs-eigentumsanlage. Der wirtschaftliche Übergang der Wohnungen von der Vorei-gentümerin auf den Beklagten fand im Februar 2005 und im Mai 2005 statt. Die Eigentumsumschreibung erfolgte im Juni 2005. Die Klägerin ist
die Gemein-schaft der Wohnungseigentümer.
Im Frühjahr 2005 verklagte die Klägerin die Voreigentümerin der [X.] auf Zahlung der [X.] für 2004 und 2005. Aufgrund eines [X.] Arrests wurde die Kaufpreisforderung der Voreigentümerin aus dem [X.] der Wohnungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.177,94

und der Betrag im April 2005 an die Klägerin gezahlt. Diese verrechnete die Forderung mit dem rückständigen Wohngeld der [X.] mit deren [X.] bis zum wirtschaftlichen Übergang der Wohnungen auf den [X.] 2005. Außerdem nahm die Klägerin ei-ne Verrechnung mit den festgesetzten Kosten des [X.] und weiteren Verfahrenskosten vor.
In der Eigentümerversammlung vom 17. Oktober 2006 wurden die [X.] für das Wirtschaftsjahr 2004 und 2005 beschlossen, aus denen sich, weil
die Kosten höher waren als die nach dem Wirtschaftsplan beschlos-senen Vorschüsse, Nachforderungen an die Wohnungseigentümer ergaben. Die Einzelabrechnungen für die fünf verkauften Wohnungen sind für das [X.] und für das [X.] bis zum wirtschaftlichen Übergang auf den [X.] an die Voreigentümerin adressiert. Sie weisen als [X.] für 2004 in Höhe von 5.716,69

nd für 2005 in Höhe von 659,32

aus. Für die [X.] nach dem wirtschaftlichen Übergang der Wohnungen auf den Beklagten sind die Abrechnungen an diesen adressiert und weisen ei-

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Die Klägerin verlangt von dem Beklagten -
unter Verrechnung eines Überschusses von 4.290,70

n-tümerin
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Zahlung von 3.467,44

nebst Zinsen aus den Abrechnungen 2004 und 2005. Das Amtsgericht hat, nachdem es gegen den Beklagten zunächst ein Versäumnisurteil erlassen hatte, die Klage abgewiesen. Das [X.] hat i-sung im Übrigen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin. Der [X.] beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte nicht für die Forderungen aus den an die Voreigentümerin adressierten [X.]. Die Genehmigungsbeschlüsse der Eigentümergemeinschaft seien dahin-gehend auszulegen, dass die [X.] entsprechend der [X.] in den Abrechnungen für 2004 sowie in den Teilabrechnungen für 2005 gegenüber der Voreigentümerin geltend gemacht werden sollen. Angesichts des langen [X.]ablaufs zwischen der Eintragung
des Beklagten als Eigentümer und der Beschlussfassung handle es sich nicht um eine rechtlich nicht zu be-achtende [X.]. Zudem trage die Klägerin selbst vor, sie habe die Abrechnungen auf Wunsch des Beklagten ausdrücklich an die Voreigentümerin
adressiert.
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II.
Der Beklagte war trotz rechtzeitiger Bekanntmachung im [X.] nicht vertreten. Deshalb ist über den Revisionsantrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.], 79, 82).
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung des noch offenen [X.]sbetrages in Höhe von 2.085,31

Wirtschaftsjahr 2004 und aus den (Teil-) Abrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2005 verneint.
1. Die Beschlüsse der Wohnungseigentümer über die [X.] 2004 und 2005 begründen, auch soweit die Einzelabrechnungen an die Voreigentümerin adressiert sind, eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten.
a) Nach §
16 Abs.
2 [X.] ist jeder Wohnungseigentümer den anderen gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Nach §
28 [X.] hat der Verwalter für jeweils ein Kalenderjahr einen Wirt-schaftsplan aufzustellen und nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung zu erstellen; über Wirtschaftsplan und Abrechnung beschließen die [X.] durch Stimmenmehrheit. Ihre Verpflichtung im Innenverhältnis er-folgt nicht bereits mit Entstehung der Lasten und Kosten, sondern erst durch den Beschluss. Daraus
folgt zugleich, dass ein solcher Beschluss [X.] nur für und gegen die bei Beschlussfassung eingetragenen [X.], nicht aber für deren Rechtsvorgänger begründen kann, denn sonst 6
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läge insoweit ein -
unzulässiger
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Gesamtakt zu Lasten Dritter vor. Umgekehrt rechtfertigt sich die Verpflichtung der aktuellen Wohnungseigentümer im [X.]-punkt der Beschlussfassung aus § 16 Abs. 2 [X.] (Senat, Beschluss vom 21.
April 1988 -
V
ZB 10/87, [X.], 197, 203; Beschluss vom 30. Novem-ber 1995 -
V
ZB 16/95, [X.], 228, 230; Beschluss vom 23.
September 1999 -
V
ZB 17/99, [X.], 290, 296 f.).
b) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, abweichend von diesen Grundsätzen seien im vorliegenden Fall die Beschlüsse über die Genehmigung der Gesamt-
und Einzelabrechnungen dahingehend auszulegen, dass die [X.], soweit die Abrechnungen an die Voreigentümerin adres-siert sind, nicht gegenüber dem Beklagten, sondern gegenüber der Voreigen-tümerin geltend gemacht werden sollen. Diese tatrichterliche Würdigung ist [X.] zwar nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. nur [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., §
546 Rn. 9 mwN), in diesem Rahmen aber zu beanstanden.
Welche Zahlungspflichten durch den Beschluss der [X.] begründet werden sollen, bestimmt sich nach dem darin zum Ausdruck gebrachten rechtsgeschäftlichen Willen der sie beschließenden Mehrheit. Inhalt und Umfang der gewollten Rechtsbindung können deshalb nur im Wege einer Auslegung des gefassten Beschlusses ermittelt werden (vgl. Senat,
Beschluss vom 23. September 1999 -
V
ZB 17/99, [X.], 290, 296). Das Berufungs-gericht hat wesentliche Auslegungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt. Es stellt allein darauf ab, dass zwischen der Eintragung des Beklagten als [X.] und der Beschlussfassung über die Abrechnungen ein längerer [X.]-raum gelegen habe und die Adressierung -
nach dem Vortrag der Klägerin auf Wunsch des Beklagten
-
bewusst an die Voreigentümerin erfolgt sei. Nicht in den Blick genommen hat das Berufungsgericht den bereits angesprochenen Umstand, dass die Verpflichtung der aus der Eigentümergemeinschaft ausge-10
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schiedenen Voreigentümerin ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten eines [X.] wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 1994 -
V
ZB 43/93, NJW 1994, 2950, 2953). Bereits dies spricht dafür, dass die Wohnungseigentümer dem Beklagten lediglich den internen Forderungsausgleich gegenüber der Vor-eigentümerin erleichtern und sie nicht entgegen der Rechtsordnung eine Schuld der Voreigentümerin begründen wollten. Hinzukommt, dass die [X.] die Voreigentümerin wegen
der Verpflichtungen aus den Wirtschafts-plänen, die durch die Abrechnung nicht berührt werden (Senat, Beschluss vom 30. November 1995 -
V
ZB 16/95, [X.], 228, 231 f.), erfolgreich gericht-lich in Anspruch genommen, diese Einnahmen in der Abrechnung berücksich-tigt und sie keine rechtliche Möglichkeit hatten, die durch die Vorschüsse nicht gedeckten Mehrkosten nach deren Ausscheiden aus der [X.] gegen die Voreigentümerin durchzusetzen. Unter diesen Umständen erscheint die An-nahme, dass sie abweichend von § 16 Abs. 2 [X.] den Beklagten nicht in die Haftung nehmen und stattdessen unter Überschreitung ihrer Kompetenz eine -
nichtige
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Abrechnungsforderung gegen die Voreigentümerin begründen woll-ten, wenig lebensnah. Schließlich macht auch die Regelung in §
9 Nr.
12 der Teilungserklärung, wonach Käufer und Verkäufer im Jahr des Wohnungswech-sels als Gesamtschuldner haften, deutlich, dass das Interesse der [X.] darin besteht, den neuen Wohnungseigentümer möglichst weitge-hend in die Zahlungspflicht für die Kosten und Lasten einzubeziehen. Auch dies spricht dagegen, dass die Wohnungseigentümer den rechtsgeschäftlichen Wil-len
hatten, anstelle des Wohnungseigentümers die Voreigentümerin mit den Kosten zu belasten.
2. Unerheblich ist der Einwand des Beklagten, die Einzelabrechnungen seien unzutreffend, da die Klägerin bei der Ermittlung der Abrechnungsspitze, d.h. des anteilig auf die einzelnen Wohnungseigentümer umgelegten Betrages, um den die mit dem Wirtschaftsplan beschlossenen (Soll-)Vorschüsse hinter 12
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den tatsächlich entstandenen Lasten und Kosten zurückbleiben ([X.], Urteil vom 10. März 1994 -
IX
ZR 98/93, NJW 1994, 1866,
1867), zu Unrecht den der Voreigentümerin aufgrund der Pfändung gutgeschriebenen Betrag nicht in vol-lem Umfang berücksichtigt, sondern ihn in Höhe von 3.397,30

e-setzten Kosten des [X.] und weiteren Verfahrenskosten ver-rechnet habe. Der Eigentümerbeschluss über die Jahres-
und Einzelabrech-nungen für 2004 und 2005 ist bestandskräftig geworden. Auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit des Beschlusses kommt es daher nicht an, da auch eine feh-lerhafte, aber bestandskräftig beschlossene Abrechnung verbindlich ist. [X.] für eine Nichtigkeit der Beschlüsse liegen nicht vor, insbesondere führt die Adressierung der für die Wohnungen des Beklagten bestimmten [X.] an den Voreigentümer nicht zur Nichtigkeit der Beschlussfassung (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 1994 -
V
ZB 43/93, NJW 1994, 2950, 2953).

III.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur we-gen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Dies führt dazu, dass das von dem Amtsgericht erlassene
Versäumnisurteil auch insoweit aufrecht-zuerhalten ist, als der Beklagte zur Zahlung von 2.085(§ 280
Abs.
1 und
2
BGB [X.]. §§
286,
288
BGB) verurteilt worden ist.
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Lemke
Ri[X.] Prof. Dr. Schmidt-Räntsch

ist infolge Urlaubs verhindert

zu unterschreiben.

Krüger

[X.]
Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.05.2010 -
150 C 160/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 28.04.2011 -
29 [X.]/10 -

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Meta

V ZR 113/11

02.12.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2011, Az. V ZR 113/11 (REWIS RS 2011, 815)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 815

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