Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 08.12.2011, Az. III ZR 114/11

3. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 643

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit für Streitigkeit über Vergütungsansprüche eines Krankenhauses aus einem Krankenhausaufnahmevertrag


Leitsatz

Bei einem Krankenhausaufnahmevertrag ergibt sich aus der Natur des Schuldverhältnisses im Sinne des § 269 Abs. 1 BGB ein einheitlicher Leistungsort am Ort des Krankenhauses, der auch den Vergütungsanspruch des Krankenhauses umfasst. Deshalb ist das Gericht am Ort des Krankenhauses auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I-VO) für Vergütungsansprüche des Krankenhauses international zuständig.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 5. Mai 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der stationären Behandlung in ihrem in [X.] gelegenen Krankenhaus vom 19. April 2005 bis 5. Juli 2005 und vom 19. bis 30. September 2005 unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen in Höhe von 60.000 € mit Rechnungen vom 22. September 2005 und 3. November 2005 auf Zahlung von 111.685,48 € nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte, [X.] Staatsbürger, wohnte im Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus und wohnt auch noch heute in [X.]    . Er hat sich trotz ordnungsgemäßer Zustellung und Ladung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen und lediglich schriftlich mitgeteilt, dass er weder Grund noch Höhe der Forderung bestreite, die Klage aber - mit näherer Begründung - für unnötig und verfrüht halte.

2

Das [X.] hat die auf Erlass eines Versäumnisurteils gerichtete Klage durch unechtes Versäumnisurteil als unzulässig abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet. Dies ist, da der [X.] im Verhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil auszusprechen, das inhaltlich auf einer Sachprüfung beruht (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81).

I.

4

Das Berufungsgericht ([X.] 2011, 625) ist der Auffassung, dass sich die örtliche und die hiervon abgeleitete internationale Zuständigkeit mangels eines Wohnsitzes des [X.]n im Inland nur ergeben könnte, wenn Erfüllungsort für die streitige Verpflichtung des [X.]n der Ort des Krankenhauses wäre (§ 29 Abs. 1 ZPO). Da der [X.] in [X.] mit einem [X.] Träger geschlossen worden sei und demzufolge der Schwerpunkt des Vertrags in [X.] liege, sei nach dem im [X.]punkt des Vertragsschlusses noch anwendbaren Art. 28 Abs. 2 [X.][X.] [X.] Recht heranzuziehen. Nach dem insoweit anzuwendenden § 269 Abs. 1 [X.] habe die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur [X.] der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz habe, sofern nicht ein anderer Ort von den Parteien bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen sei. Bei gegenseitigen Verträgen bestehe im Allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser müsse grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden. Im Zweifel sei schon aus dem Grundsatz des [X.]es, der sowohl das [X.] als auch das [X.] Zivilrecht präge, der jeweilige Wohnsitz des Schuldners Leistungsort.

5

In Anlehnung an den die Honorarforderung eines Rechtsanwalts betreffenden Beschluss des [X.] vom 11. November 2003 ([X.], [X.]Z 157, 20) ist das Berufungsgericht der Auffassung, hinsichtlich der hier in Rede stehenden Geldforderung bestehe keine bestimmte örtliche Präferenz und das Schuldverhältnis weise keine Besonderheiten auf, die allein einen bestimmten anderen Leistungsort als den jeweiligen Wohnsitz des [X.]n [X.] sein ließen. Zwar liege der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses am Klinikort. Dabei handele es sich jedoch um einen Gesichtspunkt, der nicht auf die Bestimmung des [X.] im Sinne des § 269 Abs. 1 [X.] übertragen werden könne. Weitere Umstände, die es beim [X.] als [X.] erscheinen ließen, den Prozess am Ort der Klinik zu führen, seien nicht anzuerkennen. Dies gelte namentlich für selbstzahlende Patienten mit Gerichtsstand im Inland. Dass die Rechtsverfolgung im Ausland erschwert sei, sei ein Gesichtspunkt, der die Natur des Schuldverhältnisses im Sinne des § 269 Abs. 1 [X.] unberührt lasse. Im Übrigen könne die Klägerin mit Patienten, die im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hätten, nach § 38 Abs. 2 ZPO - auch in [X.] - einen inländischen Gerichtsstand vereinbaren.

II.

6

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

7

1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], dass mangels eines inländischen Wohnsitzes des [X.]n hier nur der besondere Gerichtsstand des [X.] im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt und dass insoweit zur näheren Beurteilung mit Rücksicht auf den im [X.]punkt des Vertragsschlusses noch geltenden Art. 28 Abs. 2 [X.][X.] [X.] Recht heranzuziehen ist.

8

Nach § 269 Abs. 1 [X.] hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur [X.] der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. Diese Dispositivnorm greift aber nur dann ein, wenn weder ein Ort für die Leistung bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Richtig ist die Auffassung des [X.], dass bei einem gegenseitigen Vertrag nicht notwendig ein einheitlicher Leistungsort besteht, sondern dass dieser grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden muss (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 1985 - [X.] 737/85, NJW 1986, 935; Urteile vom 9. März 1995 - [X.], NJW 1995, 1546; vom 4. März 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 932).

9

2. Ob sich bei einem [X.] mangels einer Vereinbarung über den Leistungsort aus der Natur des Schuldverhältnisses ein einheitlicher Leistungsort am Ort der Klinik auch für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses ergibt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Wegen der Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung im Krankenhaus, die den Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses bildet, wird von Teilen der Rechtsprechung ein einheitlicher Leistungsort am Ort des Krankenhauses angenommen (vgl. [X.], NJW 1990, 777 und [X.], 604; BayObLG, [X.], 677 und [X.], 1397; [X.], [X.], 508, 509; [X.], NJW-RR 2003, 488; [X.], [X.], 1260; vgl. auch [X.], [X.] 2005, 723, zum Behandlungsvertrag mit einem Zahnarzt). Demgegenüber haben andere Gerichte das Vorliegen besonderer Gründe, die für die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes sprechen könnten, verneint (vgl. neben dem Berufungsgericht [X.], NJW-RR 2007, 1145; [X.], NJW-RR 2003, 789; [X.], [X.], 1612 f; [X.], NJW-RR 2008, 1591, 1592; [X.], [X.] 2009, 675, 676).

In der Literatur überwiegen die Stimmen, die sich - zum Teil ohne nähere Begründung - für einen einheitlichen Leistungsort am Ort des Krankenhauses aussprechen (vgl. [X.], ZPO, 22. Aufl., § 29 Rn. 44; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 29 Rn. 65; [X.]/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 29 Rn. 24; Prütting/Gehrlein/Wern, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 29 Rn. 14 [X.]; [X.]/[X.], ZPO, 70. Aufl., § 29 Rn. 26; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 29 Rn. 6; [X.], ZPO, 8. Aufl., § 29 Rn. 5, 5b; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2009, § 269 Rn. 50; MünchKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 269 Rn. 38; [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 269 Rn. 13; Hk-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 269 Rn. 7; [X.], [X.] 2006, 332, 335 f; vgl. zur Honorarklage eines Arztes am Praxisort [X.], [X.] 2001, 402 ff; unentschieden wohl [X.]/[X.], ZPO, 8. Aufl. § 29 Rn. 21; HK-ZPO/[X.], 4. Aufl., § 29 Rn. 7; a.[X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 29 Rn. 52; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 269 Rn. 19; [X.] in juris Praxiskommentar [X.], 4. Aufl., § 269 Rn. 18 f; Zöchling-Jud in Prütting/Wegen/Weinreich, [X.], 6. Aufl., § 269 Rn. 9; [X.], [X.], 246 ff; [X.], [X.] 2009, 676 f).

Der Senat hält es für vorzugswürdig, beim [X.] nach der Natur des Schuldverhältnisses einen einheitlichen Leistungsort am Ort des Krankenhauses anzunehmen.

a) Die einleitende Bezugnahme des [X.] auf den Grundsatz des [X.]es, der das [X.] und [X.] Zivilrecht präge, trägt nicht die Schlussfolgerung, Leistungsort sei (im Zweifel) der jeweilige Wohnsitz des Schuldners. Eine auf diese Rechtsfolge ausgerichtete Norm, die Auswirkungen auf Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit hätte, ist im Zuge der Einführung des Verbraucher- und Unternehmerbegriffs (§§ 13, 14 [X.]) und der Übernahme verbraucherschützender Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch nicht geschaffen worden. Für den Bereich der [X.], in der sich der [X.] besonders entwickelt hat, ist es vielmehr möglich, nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat zu verklagen, wenn es um Ansprüche aus einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen geht, die in diesem Mitgliedstaat erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen (vgl. zu dieser Zuständigkeit bei einem [X.] [X.], NJW-RR 2008, 1597, 1598).

b) Was die Regelung des § 269 Abs. 1 [X.] selbst angeht, hat der [X.] in Bezug auf Honorarforderungen von Rechtsanwälten ausgeführt, es gehe insoweit lediglich um Geld, bei dem es an einer bestimmten örtlichen Präferenz fehle (vgl. Beschluss vom 11. November 2003 - [X.], [X.]Z 157, 20, 24); der Vertrag mit einem rechtlichen Berater habe nicht typischerweise seinen räumlichen oder rechtlichen Schwerpunkt in der Kanzlei (Urteil vom 4. März 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 932; zum Honoraranspruch eines Steuerberaters vgl. Beschluss vom 16. November 2006 - [X.], [X.], 1099 f). Insbesondere hat der [X.] den Gedanken, allein auf den Schwerpunkt abzustellen, abgelehnt, weil dies praktisch bei jedem Vertrag zu einem mit § 269 Abs. 1 [X.] nicht zu vereinbarenden einheitlichen Leistungsort für beide Vertragsparteien führen würde (vgl. Beschluss vom 11. November 2003 - [X.], aaO S. 25; Urteil vom 22. Oktober 1987 - [X.], NJW 1988, 966, 967).

Ungeachtet dieses Grundsatzes kann sich jedoch aus der Natur des Schuldverhältnisses ein einheitlicher Leistungsort für alle Vertragspflichten ergeben. Dies ist etwa anerkannt beim klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens, bei dem regelmäßig sofort an Ort und Stelle gezahlt wird, oder beim Bauwerkvertrag, bei dem auch der Besteller eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werks, am Ort des Bauwerks zu erfüllen hat und bei dem es im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine gerichtliche Auseinandersetzung über etwaige Mängel des Bauwerks in dessen räumlicher Nähe durchführen zu können (vgl. Beschlüsse vom 11. November 2003 - [X.], aaO S. 25 f; vom 5. Dezember 1985 - [X.] 737/85, NJW 1986, 935). Auch für einen Energie- oder Wasserlieferungsvertrag ist im Hinblick darauf, dass der Abnehmer am Ort der Abnahme wesentliche Nebenpflichten zu erfüllen hat, ein einheitlicher Leistungsort für alle Vertragspflichten angenommen worden (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2003 - [X.], [X.], 3418).

c) Dass mit Rücksicht auf den angeführten Beschluss des [X.] vom 11. November 2003 [X.] keinerlei Bedeutung mehr hätten (in diesem Sinne [X.], [X.], 246, 247), ist in dieser Verallgemeinerung nicht richtig. § 269 Abs. 1 [X.] als Dispositivnorm weist gerade der "Natur des Schuldverhältnisses" für die Bestimmung des [X.] eine vorrangige Bedeutung zu, die nicht mit der Bemerkung gemindert werden kann, hierbei handele es sich um eine "Leerformel" und um einen "nebulösen Begriff" (vgl. [X.] aaO). Wie der [X.] unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, soll mit diesem Merkmal in Fällen, in denen die Vertragsparteien es unterlassen haben, ihren tatsächlichen Willen zum Leistungsort durch ausdrückliches oder konkludentes Verhalten zum Ausdruck zu bringen, jedenfalls deren mutmaßlichem Willen Rechnung getragen werden können. Dieser mutmaßliche Wille kann sich vor allem aus der Beschaffenheit der streitigen Leistung ergeben, aber auch aus der Natur des Schuldverhältnisses zu ersehen sein. Sofern sich Besonderheiten des konkreten Schuldverhältnisses nicht feststellen lassen, erlaubt dieses Merkmal damit auch eine Bewertung anhand der typischen Art des Vertragsverhältnisses, das die streitige Verpflichtung begründet hat (vgl. Beschluss vom 11. November 2003 - [X.], aaO S. 23 f).

d) Gemessen hieran bestehen zwischen einem Dienstverhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Steuerberater und einem Elemente des Beherbergungsvertrags (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 24. Januar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 777, 778) enthaltenden [X.] Unterschiede, die auch auf den Leistungsort für den Vergütungsanspruch ausstrahlen.

Der Schwerpunkt der dem Patienten zu erbringenden Leistungen liegt zweifellos am Ort der Klinik. Das wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass unter Umständen einzelne Leistungen auf Veranlassung des Krankenhauses oder der zur selbständigen Liquidation berechtigten Ärzte von [X.] oder von Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses erbracht werden. Es kommt hinzu, dass der Patient zwar nicht die rechtliche Pflicht hat, sich am Ort des Krankenhauses der vorgesehenen Behandlung zu unterziehen. Er kann die Behandlung aber nur dort entgegennehmen. Soweit seine Mitwirkung erforderlich ist, wird sie am Ort des Krankenhauses benötigt. Die gesamte Durchführung des Vertrags ist an seine persönliche Anwesenheit im Krankenhaus gebunden. Insofern ist der Natur des Schuldverhältnisses eigen, dass sich der Patient am Ort des Krankenhauses zur Behandlung bereit hält und zustimmend mitwirkt, was nicht minder bewertet werden kann als in Betracht kommende einzelne Mitwirkungspflichten des Bestellers beim Bauwerkvertrag (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. November 2003 - [X.], aaO S. 25 f; vom 5. Dezember 1985 - [X.] 737/85, aaO) oder des Abnehmers beim [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2003 - [X.], aaO). Das rechtfertigt die Annahme eines einheitlichen [X.] für alle Vertragspflichten.

Es kommt hinzu, dass Krankenhäuser, die - wie hier - ihre Leistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) abzurechnen haben, gegen einen Patienten, der einen Krankenversicherungsschutz nicht nachweisen kann, einen gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Vorauszahlung haben (§ 8 Abs. 7 Satz 1 KHEntgG). Ab dem achten Tag des Krankenhausaufenthalts kann eine angemessene Abschlagszahlung, deren Höhe sich an den bisher erbrachten Leistungen in Verbindung mit der Höhe der voraussichtlich zu zahlenden Entgelte zu orientieren hat, verlangt werden (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KHEntgG). Einem [X.], der sich wegen der zu erhebenden Entgelte nach dem Krankenhausentgeltgesetz richtet, ist es daher ohne nähere Vereinbarung und in Ergänzung des Grundsatzes des § 614 Satz 1 [X.] immanent, dass die Leistungen des Krankenhauses - im Fall des § 8 Abs. 7 Satz 1 KHEntgG schon vor der Behandlung, im Fall des § 8 Abs. 7 Satz 2 KHEntgG zwingend während der Dauer des Krankenhausaufenthalts - zeitnah zu vergüten sind. Dem entspricht es, dass das Recht des Krankenhauses, Voraus- und Abschlagszahlungen verlangen zu können, dann nicht gilt, wenn durch Verträge oder andere Regelungen nach §§ 112 bis 114 [X.] sowie nach § 11 Abs. 1 KHEntgG eine zeitnahe Vergütung anderweit sichergestellt ist (§ 8 Abs. 7 Satz 3 KHEntgG), wie dies bei gesetzlich versicherten Patienten der Fall ist. Dem [X.] kann entnommen werden, dass Krankenhäuser, die ihre Leistungen - anders als ein Rechtsanwalt - nicht ohne weiteres von [X.] abhängig machen können, sondern in [X.] sofort behandeln müssen, vor der Gefahr bewahrt werden sollen, auf ihre Leistungen nach Abschluss der Behandlung und Entlassung des Patienten keine Vergütung mehr zu erhalten.

Schließlich ist auch Folgendes zu berücksichtigen: Üblicherweise wird ein Patient, der eine Krankenhausbehandlung benötigt, ein Krankenhaus in seiner Wohnortnähe aufsuchen. Abweichungen hiervon ergeben sich vor allem in Fällen, in denen das Krankenhaus besonders qualifiziert ist und der Patient es daher auf sich nimmt, dessen Dienste - gegebenenfalls weit abseits von seinem Wohnort - in Anspruch zu nehmen. In besonderem Maße gilt dies, wenn - wie hier - ein Patient aus dem Ausland anreist. Es entspricht seinem mutmaßlichen Willen, dass er die Kosten für eine solche Maßnahme aufbringt und dass dies auch am Ort seiner Behandlung erwartet wird. Dass es in der Dispositionsfreiheit des Krankenhauses liegen würde, einen solchen Patienten zu behandeln, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht sagen. Vielmehr zeichnet es die Behandlung in einem Krankenhaus aus, dass vielfach Leistungen erbracht werden müssen, ehe die rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa auch der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 2 ZPO, im Einzelnen haben geklärt werden können. Dies aber sind Gesichtspunkte, die dem Schuldverhältnis des [X.]s eigen sind und daher nach der "Natur des Schuldverhältnisses" unter Berücksichtigung der besonderen Stellung des Krankenhauses ergänzend für die Bestimmung des [X.] herangezogen werden können.

III.

Besteht sonach für die Klageforderung der besondere Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Krankenhauses in [X.], ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es in der Sache selbst entscheidet. Zwar ist der [X.] nicht nur in der Revisionsinstanz, sondern auch in den Tatsacheninstanzen säumig gewesen. Als Rechtsmittelgericht kann der [X.] indes nicht auf der Grundlage der Säumnis in der Vorinstanz durch Versäumnisurteil in der Sache erkennen (vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 1995 - [X.], NJW 1995, 2563, 2564).

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III ZR 114/11

08.12.2011

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 5. Mai 2011, Az: 20 U 251/10, Urteil

§ 29 ZPO, § 269 Abs 1 BGB, Art 5 Nr 1 Buchst b EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 08.12.2011, Az. III ZR 114/11 (REWIS RS 2011, 643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 643

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 114/11

93 C 75/20

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