Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. X ARZ 303/18

X. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 8250

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:060618BX[X.]303.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X [X.] 303/18
vom
6. Juni
2018
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 60
Macht der Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Verkäufer Ansprüche wegen eines behaupteten Sachmangels (hier: im Fahrbetrieb abgeschalteter Abgas-reinigungseinrichtungen) und gegen den Hersteller des Fahrzeugs Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend, die auf die Vortäuschung eines mangelfreien Zustands gestützt werden, können Verkäufer und Hersteller als Streitgenossen gemeinschaftlich verklagt werden.
[X.], Beschluss vom 6. Juni 2018 -
X [X.] 303/18 -
[X.]

-
2
-
Der X. Zivilsenat des [X.] hat am 6. Juni
2018
durch den Vorsit-zenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck, die Richter [X.], Dr.
Grabinski
und
Dr.
[X.] und die Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
Zuständig ist das [X.]
(Jagst).
Gründe:
I.
Die in [X.] ansässige
Klägerin
verlangt von der [X.] zu
1, einer in Aalen
ansässigen Kraftfahrzeughändlerin,
die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Dieselfahrzeug der Marke Volkswagen
und begehrt gegenüber der [X.] zu 2, der in [X.] ansässigen [X.],
als Herstellerin
des Fahrzeugs
die Feststellung der Einstandspflicht für aus der Beschaffenheit
der Abgasreinigungseinrichtungen des Fahrzeugs
resultierende Schäden.
Die
Klägerin
macht geltend, dass sie
das Fahrzeug auf Grund von Anga-ben der [X.] zu Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch erworben ha-be. Die Fahrzeugeinrichtungen
zur Abgasreinigung seien
jedoch
mit Wissen und Billigung des Vorstands der [X.] zu 2 werkseitig so programmiert worden, dass sie
im normalen Fahrbetrieb außer Betrieb gesetzt
würden.
Auf Antrag der
Klägerin
hat das von ihr
angerufene [X.], das
seine Zuständigkeit für die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage verneint, die Sache dem [X.] Stuttgart
zur Zuständigkeitsbe-stimmung vorgelegt. Das [X.] sieht sich an der von ihm beab-1
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sichtigten Bestimmung des zuständigen Gerichts gehindert und hat die Sache deshalb dem [X.] vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist zulässig.
Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat ein [X.], wenn es bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Ent-scheidung eines anderen [X.]s oder des [X.] abweichen will, die Sache dem [X.] vorzulegen. Diese Voraus-setzung ist gegeben.
1.
Das nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Zuständigkeitsbestimmung berufe-ne [X.] Stuttgart
will seiner Entscheidung zugrunde legen, dass zwischen den auf die Beschaffenheit des Fahrzeugs gestützten
Ansprüchen gegen den
Verkäufer und den Hersteller ein für die Annahme einer Streitgenos-senschaft nach §§
36 Abs. 1 Nr. 3, 59, 60
ZPO hinreichender innerer sachlicher Zusammenhang besteht. Darin läge eine Abweichung von dem
Beschluss
des [X.]s Nürnberg vom 25. April 2017 (1 AR 749/17), das für eine entsprechende Konstellation die Voraussetzungen für eine Streitgenossen-schaft verneint hat.
2.
Für die Zulässigkeit der Vorlage reicht es aus, dass die für klä-rungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage nach der Auffassung des vorlegenden [X.]s entscheidungserheblich ist und dies in den Gründen des [X.] nachvollziehbar dargelegt
wird. So verhält es sich hier. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der [X.] die Frage ebenfalls als entscheidungserheblich ansieht (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
August 2017

X [X.] 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 6).
3.
Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, dass die Rechtsfrage das Vorliegen einer Streitgenossenschaft und damit bereits eine 4
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der Voraussetzungen betrifft, unter denen eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO überhaupt zulässig ist. Die auf die Wendung "bei der Bestimmung" verweisende Auffassung, dass eine Vorlage in solchen Fällen nicht in Betracht komme ([X.], NJW 2006, 3723, 3724
zu dem Erfor-dernis
des fehlenden
gemeinsamen Gerichtsstands), entspricht nicht der Rechtsprechung des [X.] (s. nur [X.], Beschluss vom 23.
Fe-bruar 2011

X
[X.] 388/10, NJW-RR 2011, 929). Die Voraussetzungen des §
36 Abs. 1 Nr.
3 ZPO sind als rechtliche Vorfragen derart eng mit den für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Erwägungen verknüpft, dass [X.] bei solchen Rechtsfragen ebenfalls das [X.] nach §
36 Abs. 3 ZPO eröffnen.
III.
Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat
das Landgericht Ell-wangen.
1.
Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr.
3 ZPO sind erfüllt.
a)
Die [X.] werden als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
Die hier allein in Betracht kommende Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO setzt voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleicharti-gen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder [X.] den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Die Vorschrift ist, wovon der Vorlagebeschluss und der Beschluss des [X.]s Nürnberg über-einstimmend ausgehen, grundsätzlich weit auszulegen. Es genügt, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt ([X.], Beschluss vom 23. Mai 1990

I
[X.]
186/90, NJW-RR 1991, 381; Beschluss vom 3.
Mai 2011

X
[X.]
101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18).
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Die gegen den Verkäufer und den Hersteller gerichteten Ansprüche sind ihrem Inhalt nach gleichartig, weil sie jeweils darauf gerichtet sind, den Kläger von den Folgen seiner Kaufentscheidung zu befreien. Sie werden auf einen im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalt
gestützt, beruhen also auf im [X.] gleichartigen tatsächlichen
Gründen: Maßgeblicher Anknüpfungs-punkt des Klagevorbringens gegen beide Beklagte sind der Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch des verkauften Fahrzeugs, darauf bezogene werbende Äußerungen der [X.] zu 2 und deren Einfluss auf die
Kaufentscheidung der
Klägerin. Dass weitere Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zur einen oder zur anderen [X.] relevant sein mögen, ist unschädlich, denn § 60 ZPO verlangt nicht, dass die anspruchsrelevanten Sachverhalte deckungsgleich sind. Auch in rechtlicher Hinsicht sind die Anspruchsgründe im Wesentlichen gleichartig, denn die in Rede stehenden Herstellerangaben stellen nach der Klagebegründung unter kaufrechtlichen wie deliktsrechtlichen Gesichtspunkten ein wesentliches
Anspruchselement dar. Sie sind nicht nur unmittelbarer An-knüpfungspunkt für die
gegen die Beklagte zu 2 erhobenen Ansprüche aus un-erlaubter Handlung, sondern im Hinblick auf ihre mögliche Bedeutung für die Sollbeschaffenheit
der Kaufsache
(§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) auch für die gel-tend gemachten
Gewährleistungsansprüche
von zentraler Bedeutung. Die nur im Verhältnis zu einzelnen [X.] relevanten zusätzlichen Aspekte (Erfor-dernis einer Gelegenheit zur Nacherfüllung
einerseits, Zurechnungs-
und [X.] andererseits) stehen entgegen der Auffassung des [X.] rechtlich nicht derart im Mittelpunkt, dass sie die wesentliche Gleichartigkeit des [X.] in rechtlicher Hinsicht in Frage stellen könnten.
b)
Die [X.] haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei ver-schiedenen Gerichten.
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c)
Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des [X.] nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann dahinstehen, ob für den [X.] ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Zur [X.] einer auf [X.] beruhenden Verfahrensverzögerung, die mit einer Klärung der [X.] durch klageabweisendes Pro-zessurteil und Rechtsmittel verbunden wäre, genügt es, dass das angerufene [X.] seine
örtliche Zuständigkeit für die Klage gegen die [X.] zu 2 verneinen möchte
(vgl. [X.], NJW-RR 2017, 94
Rn. 14 f.).
2.
Für die Bestimmung des Landgerichts Ellwangen
als zuständiges Gericht sprechen Erwägungen der Prozesswirtschaftlichkeit, da
der Rechtsstreit dort bereits anhängig ist und einigen Fortgang genommen hat. Der bundesweit am Markt auftretenden [X.] zu 2 ist zudem eine Prozessführung am Sitz des jeweiligen Verkäufers eher zumutbar als diesem eine Prozessführung am

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Sitz des Kraftfahrzeugherstellers.
Vor diesem Hintergrund kommt es
auch für Zwecke der Gerichtsstandsbestimmung nicht entscheidend darauf an, ob das [X.]
ohnehin nach § 32 ZPO auch für die gegen die Beklagte zu 2
gerichtete Klage zuständig ist.
Meier-Beck
[X.]
Grabinski

[X.]
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 22.05.2018 -
9 [X.] -

Meta

X ARZ 303/18

06.06.2018

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. X ARZ 303/18 (REWIS RS 2018, 8250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8250

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ARZ 303/18

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1 AR 749/17

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