Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2023, Az. XI ZR 6/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3260

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 30. November 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von 783,88 € nebst Zinsen verurteilt worden ist und das Berufungsgericht festgestellt hat, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 5.714,29 € in der Hauptsache erledigt hat.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 2. Dezember 2019 wird auch im Hinblick auf den [X.] zurückgewiesen. Die Feststellungsklage wird im vorbezeichneten Umfang abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten und die Revision des [X.] werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen der Kläger zu 90% und die Beklagte zu 10%.

Streitwert: bis 22.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des [X.].

2

Der Kläger erwarb im Januar 2017 einen Gebrauchtwagen [X.] zum Kaufpreis von 22.400 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 10.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 21. Januar 2017 einen Darlehensvertrag über 12.400 €. Das mit einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 36 Monatsraten zu je 227,33 € und einer Schlussrate von 5.000 € zurückgezahlt werden.

3

Seite 1 des Darlehensvertrags enthält unter der Überschrift "[X.] Zahlungen" folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

4

Mit Schreiben vom 9. März 2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 5. Juni 2019 bot der Kläger der Beklagten an, dass sie das Fahrzeug bei ihm nach vorheriger Terminvereinbarung abholen könne.

5

Mit der Klage hat der Kläger zunächst (1.) die Feststellung, der Beklagten stehe ab Zugang seiner Widerrufserklärung kein Anspruch auf den [X.] und die vertragsgemäße Tilgung mehr zu, (2.) die Zahlung von 16.592,57 € nebst Zinsen nach Herausgabe des Fahrzeugs, (3.) die Feststellung, die Beklagte befinde sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug, und (4.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

6

Nachdem der Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens das Darlehen im Februar 2020 vollständig getilgt und das Fahrzeug am 1. Juli 2021 zu einem Kaufpreis von 8.500 € an einen privaten Käufer in [X.] veräußert hatte, hat er die Erstattung der auf das Darlehen geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen zuzüglich der Anzahlung abzüglich eines von ihm für Juni 2021 ermittelten [X.] von 5.714,29 €, mithin die Zahlung von 17.469,59 € nebst [X.] sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt. Den Rechtsstreit im Übrigen hat er in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung des [X.] nicht angeschlossen und hilfsweise widerklagend die Feststellung begehrt, dass der Kläger verpflichtet sei, an sie Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger und dem Verkehrswert zum Zeitpunkt der Herausgabe zu zahlen. Ferner hat sie hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 16.685,71 € erklärt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des [X.] die Beklagte zur Zahlung von 783,88 € nebst [X.] an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 5.714,29 € sowie hinsichtlich des erstinstanzlichen Antrags auf Feststellung, dass der Beklagten ab Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch auf den [X.] und die vertragsgemäße Tilgung des Darlehens mehr zustehe, in der Hauptsache erledigt ist. Die [X.] hat es als unzulässig abgewiesen.

7

Mit der - von dem Berufungsgericht für beide Parteien zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte die umfassende Abweisung der Klage, während der Kläger seinen Zahlungsanspruch in voller Höhe weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg.

I.

9

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist für die Ausübung des Widerrufsrechts aus § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 BGB sei im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht abgelaufen gewesen, weil der Darlehensvertrag keine ausreichenden Angaben zu dem Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung enthalten habe. Die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die unvollständige Pflichtangabe zum Verzugszins sei kein nur marginaler Fehler. Der Kläger habe nicht lediglich eine formale Rechtsstellung ausgenutzt. Dass er nach dem Widerruf noch Zahlungen geleistet habe, könne einen Rechtsmissbrauch nicht begründen, weil er sich eine Rückforderung vorbehalten habe. Schließlich rechtfertige auch der Verkauf des Fahrzeugs nicht den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens. Dem Kläger sei nicht zuzumuten gewesen, auf die Nutzung des in dem Fahrzeug verkörperten Werts bis zur Klärung der Rechtslage zu verzichten. Der Beklagten sei dadurch kein Nachteil erwachsen, weil ihr bei Wirksamkeit des Widerrufs ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugwerts zustehe.

Dem Kläger stehe daher ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten sowie der Anzahlung in Höhe von insgesamt 23.183,88 € zu. Diesem Anspruch des [X.] könne die Beklagte nicht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB entgegenhalten. Der Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugs sei mit dessen Veräußerung an einen [X.] entfallen, weil der Kläger gemäß § 275 BGB von der Pflicht zur Herausgabe befreit sei. Der Zahlungsanspruch des [X.] sei aber bis auf einen Betrag von 783,88 € erloschen, weil der Beklagten ein Wertersatzanspruch in Höhe des Kaufpreises von 22.400 € zustehe, mit dem sie gegen die Forderung des [X.] aufgerechnet habe.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen den vom Berufungsgericht zuerkannten Zahlungsanspruch und den diesbezüglichen Feststellungsausspruch wendet, weil sich die Beklagte insoweit auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB berufen kann. Insoweit führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung des [X.] gegen das landgerichtliche Urteil sowie zur Klageabweisung. Im Übrigen hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Die Revision des [X.] ist unbegründet.

A. Revision der Beklagten

1. Die Revision der Beklagten wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht im Hinblick auf den ursprünglichen Antrag des [X.] festzustellen, dass dieser aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag aufgrund seiner Widerrufserklärung weder Zinsen noch Tilgungsleistungen schulde, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt hat. Bei einer einseitigen Erledigungserklärung des [X.] ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, wenn die Klage bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der ursprüngliche Feststellungsantrag zulässig und begründet war.

aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seine auf Abschluss des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen [X.] gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszins und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

Wie der Senat bereits entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - [X.], [X.], 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ([X.]. 2008, [X.], [X.], berichtigt in [X.]. 2009, [X.], [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.] und [X.]. 2011, [X.], [X.]) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - [X.], [X.], 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Entgegen der Ansicht der Revision wird einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des gesetzlichen Verzugszinssatzes nicht durch die Regelung des § 494 Abs. 4 BGB hinreichend Rechnung getragen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Vorschrift ergibt sich, dass mit Zinsen und Kosten im Sinne des § 494 Abs. 4 BGB nur preisbestimmende Faktoren gemeint sind, d.h. in Bezug auf die Zinsen insbesondere die Sollzinsen und deren erforderliche Angabe nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB, nicht aber die (gesetzlichen) Verzugszinsen nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB (Senatsurteil vom 25. Oktober 2022 - [X.], [X.], 2332 Rn. 27 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

bb) Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich oder verwirkt ist. Dabei kann dahinstehen, ob oder inwieweit die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 9. September 2021 ([X.]/20, [X.], 1986 - [X.]) und die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu gegebenenfalls angepasst, d.h. eingeschränkt werden muss (vgl. aber Senatsbeschluss vom 31. Januar 2022 - [X.], [X.], 420). Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist das Berufungsurteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach dieser Rechtsprechung kann eine Rechtsausübung im Einzelfall bei missbräuchlichem Verhalten als unzulässig angesehen werden. Dabei kann die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten sein, mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2022 - [X.], [X.], 420 Rn. 70). Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erlaubt es, die Berufung auf grundsätzlich bestehende Rechtspositionen unter besonderen Umständen im Einzelfall zu versagen. Für die Entscheidung, ob die Berufung auf eine Rechtsposition missbräuchlich ist, erfordert § 242 BGB eine Bewertung der gesamten Umstände des jeweiligen Falles, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2022, aaO Rn. 49 mwN). Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2022 - [X.], [X.], 2332 Rn. 30 mwN und vom 14. Februar 2023 - [X.], [X.], 511 Rn. 20, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Nach diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts, weder die Ausübung des Widerrufsrechts noch die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs seien rechtsmissbräuchlich, frei von revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehlern. Es hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und einen Rechtsmissbrauch mit noch vertretbarer Begründung verneint. Die Nutzung des Fahrzeugs und dessen Veräußerung durch den Kläger bezieht das Berufungsgericht in seine Würdigung ein. Hinzu kommt die von dem Kläger - wenngleich erst in der Berufungsinstanz - erklärte grundsätzliche Anerkennung seiner Wertersatzpflicht. Die Revision bemüht sich lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie indes keinen Erfolg haben.

b) Indem der Kläger die vertraglich vereinbarten Raten einschließlich der Schlussrate vollständig gezahlt hat, ist die ursprünglich zulässige und begründete Klage unzulässig geworden, weil hierdurch das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO entfallen ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2022 - [X.], [X.], 2332 Rn. 33). Die Beklagte berühmte sich danach gegenüber dem Kläger keines Anspruchs auf Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen mehr.

2. Dagegen hat die Revision der Beklagten Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, dem Kläger stehe gegen die Beklagte der zuerkannte Zahlungsanspruch zu. Insoweit ist die Klage unbegründet.

Noch rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte aufgrund seiner Widerrufserklärung ein Anspruch auf Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB (in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung; im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und hinsichtlich der nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zusteht. Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den widerrufsrechtlichen Rechtsfolgen der Veräußerung des Fahrzeugs durch den Kläger. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Beklagten - was sie vorliegend geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 23). Weder das eine noch das andere ist der Fall.

Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht dadurch, dass der Kläger das Fahrzeug nach Ausübung des Widerrufsrechts an einen - wie hier weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten - [X.] veräußert hat (Senatsurteil vom 14. Februar 2023 - [X.], [X.], 511 Rn. 31 ff.). Die Beklagte kann die von dem Kläger begehrte Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung so lange verweigern, bis der Kläger ihr das Fahrzeug herausgibt und rückübereignet. Das dilatorische Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB wird zu einer dauerhaften Einrede, wenn dem Kläger die Rückgewährleistung unmöglich geworden ist (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 32). Dies ist hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.

3. Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung wendet, der Rechtsstreit habe sich in Höhe von 5.714,29 € in der Hauptsache erledigt. Dabei kann dahinstehen, ob die diesbezügliche Aufrechnungserklärung des [X.] zu einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache geführt hat. Jedenfalls war zu diesem Zeitpunkt der insoweit verfolgte Zahlungsanspruch des [X.] aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB unbegründet.

Insoweit stand der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hatte - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten oder der Kläger den Nachweis erbracht hätte, dass er das Fahrzeug abgesandt habe. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger die Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehrt hat, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme war (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 29). Dies war indes nicht der Fall. Ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB hat der Kläger nicht abgegeben. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat und von der Revisionserwiderung auch nicht mehr in Frage gestellt worden ist, waren die Schreiben des [X.] vom 9. März 2019 und vom 5. Juni 2019 nicht geeignet, einen Annahmeverzug der Beklagten nach § 295 BGB herbeizuführen. Das Schreiben vom 9. März 2019 verhält sich zu einer Rückgabe des Fahrzeugs nicht. Im Anwaltsschreiben vom 5. Juni 2019 hat der Kläger das Fahrzeug der Beklagten lediglich zur Abholung angeboten, was seiner Verpflichtung, der Beklagten das Fahrzeug zu bringen, nicht genügt (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1371 Rn. 18 mwN).

B. Revision des [X.]

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg. Ihm steht gegen die Beklagte - wie oben ausgeführt - der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.

III.

Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision der Beklagten teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Revision des [X.] ist zurückzuweisen.

Ellenberger     

  

Grüneberg     

  

[X.]

  

Derstadt     

  

Ettl     

  

Meta

XI ZR 6/22

23.05.2023

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 30. November 2021, Az: 5 U 174/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2023, Az. XI ZR 6/22 (REWIS RS 2023, 3260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3260

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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