Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.09.2014, Az. 10 AZB 4/14

10. Senat | REWIS RS 2014, 2900

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Gegenstand

Rechtsweg - Insolvenzanfechtung von Lohn- und Annexsteuern


Leitsatz

Verlangt der Insolvenzverwalter vom Finanzamt nach § 143 Abs. 1 InsO die Rückgewähr vom Schuldner entrichteter Lohn- und Annexsteuern, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig.

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des klagenden [X.] gegen den Beschluss des [X.]arbeitsgerichts Hamm vom 16. Dezember 2013 - 2 Ta 348/13 - wird zurückgewiesen.

2. [X.] hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.300,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über die Verpflichtung des klagenden [X.], Lohn- und [X.]n nach einer Insolvenzanfechtung durch den Beklagten an die Masse zurückzugewähren.

2

Beklagter des Ausgangsverfahrens ist der Insolvenzverwalter in dem am 1. April 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hoteliers [X.] [X.] begehrt die Feststellung, dass dem Beklagten keine Forderungen aufgrund der Anfechtung der vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeführten Lohn- und [X.]n in Höhe von insgesamt 3.248,71 Euro zustehen. Nach Auffassung des klagenden [X.] sind zur Entscheidung über sein Begehren die Gerichte für Arbeitssachen zuständig. Bei den Lohn- und [X.]n handele es sich um Bestandteile des Arbeitsentgelts.

3

Das Arbeitsgericht hat durch Alleinentscheidung des Vorsitzenden mit Beschluss vom 3. Juli 2013 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen. Der sofortigen Beschwerde hat es wiederum durch Alleinentscheidung des Vorsitzenden mit Beschluss vom 9. Juli 2013 nicht abgeholfen. Das [X.]arbeitsgericht hat die Beschwerde des klagenden [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt es die Aufhebung der Beschlüsse des Arbeitsgerichts und des [X.]arbeitsgerichts und meint, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei zulässig.

4

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.]arbeitsgericht hat die Beschwerde des klagenden [X.] zu Recht zurückgewiesen. Für den Rechtsstreit ist nach § 13 [X.] der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig.

5

1. Die angefochtene Entscheidung des [X.]arbeitsgerichts unterliegt nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil die Ausgangsentscheidung des Arbeitsgerichts ebenso wie dessen Nichtabhilfebeschluss im Wege einer Alleinentscheidung des Vorsitzenden ergangen ist.

6

a) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ergeht der Beschluss nach § 17a Abs. 4 [X.] auch außerhalb der mündlichen Verhandlung stets durch die Kammer, sofern er nicht lediglich die örtliche Zuständigkeit zum Gegenstand hat. Da es sich bei der Entscheidung über die Abhilfe oder Nichtabhilfe um eine erneute Entscheidung in der Sache handelt, ist auch sie nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG stets durch die Kammer zu treffen ([X.]/[X.] 14. Aufl. § 48 ArbGG Rn. 8; GMP/Germelmann 8. Aufl. § 48 Rn. 118; GK-ArbGG/[X.] Stand Juni 2014 § 48 Rn. 60) und nicht - wie hier geschehen - durch den Vorsitzenden allein.

7

b) Die Entscheidung des [X.]arbeitsgerichts, trotz dieser Verfahrensfehler des Arbeitsgerichts die Sache nicht gemäß § 78 Satz 1 ArbGG, § 572 Abs. 3 ZPO an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen, ist [X.] nicht zu beanstanden.

8

aa) Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts ist gemäß § 78 Satz 1 ArbGG, § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1, § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO im Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßig nur auf Rüge hin zu beachten. Diese ist grundsätzlich nur dann begründet, wenn das erkennende Beschwerdegericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (vgl. [X.] 30. Mai 1958 - V ZR 232/56 - NJW 1958, 1398; BVerwG 19. Juli 2010 - 2 B 127.09 - Rn. 7 [zu § 138 Nr. 1 VwGO]). Auf die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts erster Instanz kann die Rüge in der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nur dann gestützt werden, wenn auch der angefochtene Beschluss des [X.] mit diesem Verfahrensmangel behaftet ist (vgl. [X.] 16. Oktober 2008 - 7 [X.] 427/08 - Rn. 11, [X.]E 128, 130; [X.] 30. Mai 1958 - V ZR 232/56 - aaO).

9

bb) Die nicht ordnungsgemäße Besetzung des Arbeitsgerichts bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs und über die Nichtabhilfe wirkt sich nicht auf den angefochtenen Beschluss des [X.]arbeitsgerichts aus. Dieses hat nach § 78 Satz 3 ArbGG ordnungsgemäß ohne Hinzuziehung [X.] entschieden und den Sachverhalt selbständig und umfassend gewürdigt. Der Besetzungsfehler erster Instanz hat dadurch seine Bedeutung verloren (ebenso zu § 138 Nr. 1 VwGO: BVerwG 19. Juli 2010 - 2 B 127.09 - Rn. 5).

cc) Ob davon eine Ausnahme zu machen ist, wenn die erstinstanzliche Entscheidung objektiv willkürlich gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters verstößt (vgl. [X.] 22. November 2011 - [X.]/11 - Rn. 9), kann offenbleiben. Einen solchen Fehler stellt die vorschriftswidrige Besetzung des [X.] grundsätzlich nicht dar (vgl. [X.] 29. April 2004 - V ZB 46/03 - zu II 1 der Gründe mwN). Der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts hat das Gebot des gesetzlichen Richters weder grundlegend verkannt noch hat er unter objektiv willkürlicher Missachtung der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG entschieden. Insbesondere war sein Vorgehen nicht Ausdruck schlechthin unverständlicher oder offensichtlich unhaltbarer Missachtung der Zuständigkeitsnormen, die gegen das Willkürverbot verstoßen würde und einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen könnte (vgl. [X.] 14. Mai 2013 - VI ZR 325/11 - Rn. 15). Denn der Vorsitzende hat offensichtlich schlicht übersehen, dass er den Beschluss nach § 17a Abs. 2 [X.] nicht - wie bei Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung üblich - nach § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG allein erlassen kann, weil insoweit in § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG „anderes bestimmt“ ist. Darin liegt kein objektiv willkürlicher Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters.

dd) Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des [X.] die nach § 572 Abs. 3 ZPO eröffnete Möglichkeit, die erforderliche Anordnung an das Gericht zu übertragen, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, im arbeitsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nach § 78 ArbGG, § 17a Abs. 4 [X.] nicht eröffnet ist. Sie widerspräche dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren besonders bedeutsamen Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG). Dieser findet im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren seinen Ausdruck in § 68 ArbGG, wonach die Zurückverweisung wegen eines [X.] ausgeschlossen ist. Auch wenn diese Bestimmung im Beschwerdeverfahren nicht anwendbar ist, widerspräche es entgegen einer in der Rechtsprechung der [X.]arbeitsgerichte vertretenen Auffassung (vgl. [X.] 5. Januar 2006 - 3 Ta 69/05 -; [X.] 25. Januar 2007 - 11 Ta 10/07 -; wie hier dagegen [X.] [X.]arbeitsgericht 15. Mai 2008 - 20 Ta 80/08 -) regelmäßig dem in dieser Vorschrift und in § 9 Abs. 1 ArbGG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken der Verfahrensbeschleunigung, wenn im lediglich vorgeschalteten Rechtswegbestimmungsverfahren nach § 17a [X.] eine Zurückverweisung aus der Beschwerdeinstanz an das Arbeitsgericht zulässig wäre. Das Hauptsacheverfahren darf nicht bereits im Rechtswegbestimmungsverfahren durch [X.] von zweiter zu erster Instanz verzögert werden (vgl. [X.] 17. Februar 2003 - 5 [X.] - zu II 3 der Gründe, [X.]E 105, 1; GMP/Müller-Glöge § 78 Rn. 35).

2. Das [X.]arbeitsgericht hat in der Sache richtig entschieden. Für das Ausgangsverfahren ist gemäß § 13 [X.] der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig.

a) Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG ist bereits deshalb nicht gegeben, weil das klagende Land nicht Arbeitnehmer des Schuldners ist.

b) Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist auch nicht nach § 3 ArbGG eröffnet. Zwar ist der Streit über die Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Arbeitsvergütung nach § 143 Abs. 1 [X.] eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG aus dem Arbeitsverhältnis und der Insolvenzverwalter für die Dauer des Insolvenzverfahrens Arbeitgeber im Sinne dieser Bestimmung ([X.] 27. September 2010 - [X.] 1/09 - Rn. 10 ff., [X.]Z 187, 105). [X.] wehrt jedoch im vorliegenden Fall nicht als Rechtsnachfolger der Arbeitnehmer Ansprüche des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr verdienten Arbeitsentgelts nach § 143 Abs. 1 [X.] ab. Der Rechtsstreit ist vielmehr auf die insolvenzrechtlich geprägte Rückabwicklung einer steuerrechtlichen Beziehung zwischen dem klagenden Land und dem Schuldner gerichtet. Dieser hat als Arbeitgeber mit der Entrichtung von Lohn- und [X.]n eine eigene Steuerschuld erfüllt. Grundlage der Steuerforderung des Fiskus gegen den Arbeitgeber sind steuerrechtliche Normen. Die arbeitsrechtliche Frage des Bestehens und der Höhe der [X.], auf die die Steuern zu zahlen sind, ist lediglich Anlass für die Entstehung der Steuerschuld.

aa) Der Begriff des Rechtsnachfolgers in § 3 ArbGG ist in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl. GMP/[X.] § 3 Rn. 5 mwN; [X.]/[X.] § 3 ArbGG Rn. 2 mwN). Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsnachfolger an die Stelle des ursprünglichen Schuldners getreten ist. Vielmehr genügt die Erhebung oder Abwehr einer Forderung anstelle des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob der jeweilige Arbeitgeber oder Arbeitnehmer unter denselben tatsächlichen Voraussetzungen die Leistung fordern könnte oder sie schulden oder für sie haften müsste. Deshalb werden unter den Begriff der Rechtsnachfolge iSd. § 3 ArbGG auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen wie § 826 BGB (vgl. die Durchgriffshaftung im Konzern), die Bürgschaft, das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB), die Firmenfortführung (§§ 25, 28 HGB), der Schuldbeitritt und die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 [X.] subsumiert ([X.] 5. Dezember 2013 - 10 [X.] - Rn. 15).

bb) Eine solche Lage ist hier jedoch nicht gegeben. [X.] wehrt nicht anstelle der Arbeitnehmer des Schuldners die vom Beklagten erhobenen Ansprüche ab. Denn die in Rede stehende Rückgewähr gründet sich nicht auf arbeitsrechtliche Normen, sondern beruht auf der Erfüllung einer eigenen Steuerschuld des Schuldners. Die arbeitsrechtliche Vergütungsforderung ist lediglich Anlass für die Entstehung der Steuerschuld.

(1) Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer. Die Lohnsteuer wird nach § 38 Abs. 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten. Die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet. Aus § 46 Abs. 4 EStG ergibt sich, dass bei zu veranlagenden Arbeitnehmern die einbehaltene Lohnsteuer den [X.] (§ 37 EStG) der anderen Steuerpflichtigen entspricht ([X.] 9. Oktober 1992 - VI R 97/90 - zu II 3 c bb der Gründe, [X.]E 169, 202). Die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers wird mithin bereits durch den Einbehalt der Lohnsteuer vom Arbeitslohn getilgt. Bei einem korrekten Einbehalt erlischt die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers ([X.] 8. November 1985 - VI R 238/80 - [X.]E 145, 198). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die einbehaltene Lohnsteuer ohne Wissen des Arbeitnehmers nicht an das Finanzamt abgeführt wird (vgl. [X.] 23. April 1996 - [X.]/93 - zu II 1 b aa der Gründe, [X.]E 181, 7; [X.]/[X.] EStG 33. Aufl. § 36 Rn. 5). Anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer weiß, dass die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet worden ist. Wissen des Arbeitnehmers bedeutet dabei positive Kenntnis, Vermutungen und selbst grob fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus ([X.] 1. April 1999 - VII R 51/98  - zu II 2 c der Gründe).

(2) Bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt, wandelt sich die Rechtsnatur des vom Arbeitgeber einbehaltenen und an das Finanzamt abzuführenden Teils des Arbeitslohns: Es entsteht insoweit der [X.] des Staates (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG) als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. [X.]). Von diesem Zeitpunkt an gehen Lohnsteuer und (Rest-)Arbeitslohn rechtlich getrennte Wege ([X.] 13. Juli 1995 - VII S 1/95 - zu 3 c aa der Gründe).

(3) Die Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer obliegt nach § 41a Abs. 1 EStG dem Arbeitgeber, der nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG für die Lohnsteuer haftet, die er einzubehalten und abzuführen hat. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG zwar Gesamtschuldner. Jedoch kann der Arbeitnehmer als Gesamtschuldner gemäß § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat (Nr. 1) oder wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat und er den Sachverhalt dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat (Nr. 2). Die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Rahmen der Gesamtschuld ist auf diese beiden Tatbestände beschränkt. Nur wenn einer von ihnen vorliegt, kommt ein Auswahlermessen des Finanzamts nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG in Betracht ([X.] in [X.] EStG 12. Aufl. § 42d Rn. 28). Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG einbehalten, kann daher der Arbeitnehmer vom Finanzamt nicht mehr in Anspruch genommen werden, sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt (vgl. [X.] 22. Januar 2004 - [X.]/03 - zu III 4 c der Gründe, [X.]Z 157, 350). Aufgrund seiner - vorbehaltlich § 42d Abs. 2 und Abs. 3 Satz 4 EStG - alleinigen Haftung für die ihm nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG obliegende Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt ist diesbezüglich der Arbeitgeber Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. [X.] ([X.] in [X.] EStG § 42d Rn. 5).

(4) Aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen zugleich seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt (vgl. [X.] [X.] 7. März 2001 - [X.] 1/00 - zu III 1 c der Gründe mwN, [X.]E 97, 150), ergibt sich entgegen der Auffassung des klagenden [X.] nicht, dass der Arbeitgeber einen Teil des Arbeitslohns an das Finanzamt zahlt. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG hat der Arbeitgeber zwar die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten. Der Arbeitgeber führt die Lohnsteuer jedoch nicht „für Rechnung des Arbeitnehmers“ an das Finanzamt ab, sondern erfüllt hiermit eine ihn aus § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG treffende öffentlich-rechtliche Verpflichtung ([X.] in [X.] EStG § 38 Rn. 18). Nur er allein schuldet - vorbehaltlich § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG - ihre Abführung ([X.] Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren S. 265 f.). Daher erübrigen sich die Ausführungen der Rechtsbeschwerde zum Vorliegen eines angeblichen Treuhandverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der [X.] hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde mit Urteil vom 22. Januar 2004 (- [X.]/03 - zu III 4 b der Gründe, [X.]Z 157, 350) zu Recht erkannt, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abführung des gesetzlich vorgeschriebenen Anteils an das Finanzamt hat, der keine treuhänderische Berechtigung des Arbeitnehmers an diesem Anteil begründet. Dementsprechend hat auch der Fünfte Senat des [X.] in dem von der Rechtsbeschwerde ebenfalls herangezogenen Urteil vom 30. April 2008 (- 5 [X.] - Rn. 18, [X.]E 126, 325) entschieden, der Einbehalt für Rechnung des Arbeitnehmers (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) diene der Vorbereitung der Abführung und sei vom Arbeitnehmer zu dulden (ebenso [X.] 5. März 2007 - VI B 41/06 - Rn. 5). Soweit der Fünfte Senat weiter ausgeführt hat, „erfüllt“ werde „erst durch die Abführung nach § 41a EStG“, ist damit allein das schuldrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeint (vgl. auch [X.] [X.] 7. März 2001 - [X.] 1/00 - zu III 1 b der Gründe, [X.]E 97, 150), nicht aber die davon zu trennende steuerrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zur Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt und seine daraus resultierende Stellung als Steuerpflichtiger.

(5) Hat der Arbeitgeber ohne Rechtsgrund einbehaltene Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt, ist allein er als derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt wurde, zur Rückforderung von zu Unrecht abgeführter Lohnsteuer gegenüber dem Finanzamt berechtigt ([X.] aaO S. 267 f.). Der Arbeitnehmer muss nicht befürchten, nochmals für die Lohnsteuer in Anspruch genommen zu werden, es sei denn er weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat und teilt den Sachverhalt nicht unverzüglich dem Finanzamt mit (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG). Auch im Fall der Rückerstattung überzahlter Lohnsteuer an den Steuerpflichtigen durch das Finanzamt erlangt der an das Finanzamt abgeführte Teil des Arbeitslohns nicht wieder den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund einer Arbeits- oder Dienstleistung zusteht ([X.] 29. Januar 2010 - VII B 188/09 - Rn. 12). Die von der Rechtsbeschwerde herangezogene Entscheidung des [X.]s vom 9. Juni 2011 (- IX ZB 247/09 -), nach der die Arbeitsgerichte auch dann zuständig sind, wenn Arbeitsentgelt durch Zwangsvollstreckung erlangt wurde und nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzuzahlen ist, steht dem nicht entgegen. Der Insolvenzverwalter hat hier nur vom Arbeitgeber vor Insolvenzeröffnung geleistete [X.] zurückverlangt. Der Umstand, dass der Zahlungsanspruch vom Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt wurde, ändert hieran nichts.

cc) Für die Abwehr des Anspruchs des Beklagten gegen das klagende Land auf Erstattung der [X.]n gilt nichts anderes. Auch dieser beruht nicht auf der Zahlung von Arbeitslohn, sondern auf der Erfüllung einer eigenen Steuerschuld des Schuldners. Für die Erhebung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer sind die Vorschriften des EStG entsprechend anzuwenden (§ 1 Abs. 2 [X.] 1995, § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] NW).

c) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s gehört der Anfechtungsrechtsstreit als [X.]r Rechtsstreit gemäß § 13 [X.] vor die ordentlichen Gerichte ([X.] 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 5; [X.] ebenso [X.] 5. September 2012 - VII B 95/12 - Rn. 11, [X.]E 238, 325; [X.] 6. Dezember 2012 - IX ZB 84/12 - Rn. 6), wenn - wie hier - die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gegeben ist.

3. Soweit das klagende Land die Feststellung begehrt, dass dem Beklagten keine Forderung auf Erstattung von Anwaltskosten für die Rückerstattung der Lohn- und [X.] zusteht, wird von der Rechtsbeschwerde nichts gegen die Annahme des [X.]arbeitsgerichts eingewandt, es handele sich hierbei um eine [X.] Streitigkeit iSd. § 13 [X.].

III. [X.] fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO dem klagenden Land zur Last.

        

    Linck    

        

    [X.]    

        

    Brune    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

10 AZB 4/14

17.09.2014

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Detmold, 3. Juli 2013, Az: 3 Ca 192/13, Beschluss

§ 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG, § 48 Abs 1 Nr 2 ArbGG, § 78 S 3 ArbGG, § 13 GVG, § 17a Abs 4 GVG, § 36 Abs 2 Nr 2 EStG, § 38 Abs 1 EStG, § 38 Abs 2 EStG, § 41a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG, § 42d Abs 1 EStG, § 42d Abs 3 EStG, § 143 Abs 1 InsO, § 547 Nr 1 ZPO, § 572 Abs 3 ZPO, § 576 Abs 3 ZPO, § 577 Abs 2 S 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.09.2014, Az. 10 AZB 4/14 (REWIS RS 2014, 2900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2900

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

23 O 344/17

3 Ta 157/20

9 Ta 115/21

3 Ta 319/20

9 Ta 61/21

17 Sa 570/16

9 Ta 18/22

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