Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 15/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1600

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 15/10

Verkündet am:

9. November 2011

[X.]kamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

VVG
a.[X.] §§
130, 131; A[X.] Valoren-Transportversicherung

Sind vom Versicherungsschutz Schäden ausgenommen, die vom Versicherten einer Geld-
und Werttransportversicherung vorsätzlich herbeigeführt werden, beeinträchtigt eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht.

[X.], Urteil vom 9. November 2011 -
IV ZR 15/10 -
OLG Hamm

LG Essen

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Novem-ber 2011

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 20.
Zi-vilsenats des [X.] vom 18.
De-zember 2009 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten zu
2 und zu
3 wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nach-teil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus [X.] vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, [X.] Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von der A.

S.

GmbH (im Folgenden: A.

GmbH) bei
den Beklagten zu
2 1
-
3
-

und zu
3 im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr
2005 genomme-nen
Geld-
und Werttransportversicherung (Vertrag CLS
100-03). Die zu-grunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: [X.]) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen [X.] und -versorgung.

Als Auftraggeberin von Geldtransporten
erhielt die Klägerin im Fe-bruar
2006 eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss der
Versicherung. Darin sind
unter anderem die versicherten Sachen, Ge-genstand und Umfang sowie Beginn und Ende der Versicherung, Haf-tungshöchstsummen,
Bestimmungen für den Schadenfall
und die Beklag-te zu
1 als führender Versicherer
aufgeführt.

Geschäftsführer der A.

GmbH verwendeten seit dem [X.] dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A.

GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäfts-praktiken im [X.] 2006 fochten die Beklagten den
Versicherungsver-trag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.

Die Klägerin macht einen Schaden aus Bargeldentsorgungen vom 28. und 29.
August 2006
in Höhe von 222.675

sowie aufgrund unter-bliebener Auszahlungen von Hartgeld
in Höhe von 8.750

geltend. Hiermit war die A.

GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin im Februar
2006
geschlossenen "Vertrages
über den Transport, die [X.] und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag)
beauftragt.

2
3
4
-
4
-

Im Hauptantrag verfolgt die Klägerin Schadensersatzansprüche
aus §
280 Abs.
1 BGB und
aus §§
823, 826, 830 BGB i.V.m. §§
246, 263, 266, 27 StGB
gegenüber den
Beklagten
als Gesamtschuldner. [X.] hätten Schutzpflichten gegenüber der Klägerin
übernommen, die sie dadurch verletzt hätten, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unre-gelmäßigkeiten bei der A.

GmbH den Versicherungsvertrag weiter-hin unterhalten und die Klägerin nicht
aufgeklärt
oder zumindest vor den streitgegenständlichen Transporten gewarnt
hätten.

Hilfsweise beruft sich
die Klägerin
zunächst auf einen

jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten

Leistungsanspruch aus dem [X.], den sie auch gegenüber der Beklagten
zu
1
geltend macht, die zwar nicht Vertragspartei geworden sei,
aber aufgrund ihrer Nennung als führender Versicherer in der
Versicherungsbestätigung ei-nen
dahin gehenden
Rechtsschein begründet habe.
Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der [X.]
aus dem Versicherungsvertrag.
Bei diesen vertraglichen Ansprüchen
streiten die Parteien insbesondere darüber, ob die Beklagten schon in-folge der Anfechtung leistungsfrei sind
sowie ob die A.

GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld

vor allem mit dessen Einzah-lung auf ein eigenes Konto

gegen vertragliche Verpflichtungen versto-ßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.

Das [X.] hat den Beklagten zu
3 auf den ersten Hilfsantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung verurteilt
und
die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
dagegen gerichtete Berufung des
Beklagten
zu
3
zurückgewiesen
und
der Klägerin auf ihre Berufung ebenfalls aufgrund des ersten [X.] gegenüber der [X.] zu
2 eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen. Die wei-5
6
7
-
5
-

tergehende, auf [X.] gegenüber allen Beklagten gerichtete Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen richten
sich die Revisionen
der
Klägerin sowie der
Beklagten
zu
2 und zu
3.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg
(unten
[X.]);
diejenige der Beklagten zu
2 und zu
3
ist begründet
und
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt
(unten
I[X.]).

I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begrün-det. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht
aus dem Versicherungsvertrag oder der
Versicherungsbestätigung
gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A.

GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klä-gerin davor zu warnen.

Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu
2 und zu
3 entsprechend ihrer Beteiligungsquo-ten zu, dagegen ergebe sich ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu
1 nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.

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9
10
11
-
6
-

An die Verpflichtung aus Ziffer
15.4 [X.], Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des
Vertra-ges
wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten
zu
2 und zu
3
zu-gleich ihre aus Ziffer
15.4 [X.] folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach [X.] und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.

Der
Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da sowohl hinsichtlich des zur Ent-sorgung überlassenen als auch bezüglich des in Hartgeld zu [X.] Geldes ein Versicherungsfall bei jeder an die A.

GmbH über-gebenen Geldmenge eingetreten sei.
Dies ergebe sich aus drei [X.] Gründen.

Die nach Ziffer
3.1 [X.] versicherte Gefahr für das allein vom Versi-cherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A.

GmbH vorgenommene Vermischung des zu entsorgenden [X.] der Klägerin mit dem anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation
erfolgt sei. Das sei
mitursächlich für den Schaden der Klägerin
und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A.

GmbH
widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müs-sen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei.
Wegen der fehlenden Dokumenta-tion sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A.

GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.

Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A.

GmbH bei der [X.] Bun-12
13
14
15
-
7
-

desbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die
Verpflichtung
aus dem Transportvertrag,
die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der [X.] einzuzahlen.
Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung

gegebenenfalls auch nur still-schweigend

mit
einer Einzahlung auf ein Eigenkonto
der A.

GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese
nicht annehmen dürfen.

Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil die Klägerin zum einen kein Wechselgeld erhalten habe und zum anderen davon auszuge-hen sei, dass die A.

GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der [X.] eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die [X.] zu
2 und zu
3 ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.

Der [X.] sei nicht infolge der von den Beklagten
zu
2 und zu
3
erklärten Anfechtung des
Versicherungsvertrages
entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese
gegenüber der Kläge-rin aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ausgeschlossen.

Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; [X.] für eine grob fahrlässige Verursachung des [X.]S. des §
61 VVG
a.[X.] bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10
Mio.

9.3.3
Abs.
2
[X.]
begrenzt. Auch ein gedehnter Scha-denfall liege nicht vor.

[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das Berufungs-gericht
zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.
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18
19
-
8
-

1. Die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den [X.] verfolgten Schadensersatzansprüche ist rechtsfehlerfrei. Für eine von den Beklagten vorgebrachte
Beschränkung der Revisionszulassung fehlt es allerdings nach Tenor und Entscheidungsgründen des Beru-fungsurteils an einer ausreichenden Grundlage.

a)
Ein Anspruch aus §
280
Abs.
1
BGB
besteht selbst dann nicht, wenn die
Beklagten

wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht

seit März
2006 um die Geschäftspraktiken der A.

GmbH gewusst haben.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenom-men, dass
weder dem Versicherungsvertrag noch der
Versicherungsbe-stätigung
besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Ver-sicherten
zu entnehmen sind.
Die Versicherungsbestätigung enthält ins-besondere keine entsprechenden

ungeschriebenen

Mitteilungspflich-ten
oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der A.

GmbH zu unterbinden
oder
die Versicherten vor einem
drohenden
Scha-den zu warnen
(vgl.
Senatsbeschluss vom 21.
September 2011,

HEROS
II

IV
ZR 38/09 Rn.
33). Gleiches gilt für den Versicherungsver-trag selbst.

b)
Die
Klägerin vermag einen
Schadensersatzanspruch aus §§
823, 826, 830 BGB i.V.m. §§
246, 263, 266, 27 StGB ebenfalls nicht aufzuzeigen.
In
ihrer Revision
verweist sie allein auf eine
erst
während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein [X.] Vorwurf wird daher nicht
schon an
die
Gewährung von Versi-cherungsschutz, sondern erst daran geknüpft, dass
dieser weiterhin un-terhalten worden und
eine

vorzeitige

Vertragsbeendigung oder [X.] eine Information der Versicherten unterblieben
ist. Eine solche in 20
21
22
-
9
-

einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von
§
27 StGB erfordert unter anderem eine Garantenstellung i.S. des
§
13 StGB (vgl. nur
[X.],
[X.] vom 30.
September 1992

2 StR 397/92, wistra
1993, 59 un-ter
1;
Urteil vom 9.
September 1988

2
StR 352/88, NJW
1989, 914
un-ter
IV
2
a; Kühl in [X.], StGB 27.
Aufl. §
27 Rn.
5; [X.] in [X.]/[X.], StGB 28.
Aufl. §
27 Rn.
15). Diese hat das Beru-fungsgericht
mit Blick
darauf verneint,
dass die Klägerin die A.

GmbH auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt
und
mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.

2.
Die
auf Leistung
und Feststellung
gerichteten
Hilfsanträge
ha-ben die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu
1
zu Recht abgewie-sen.

Die
Beklagte zu 1
war

wovon die Klägerin
in ihrer Revision
aus-geht

nicht Versicherer der hier genommenen Geld-
und Werttransport-versicherung. Der Umstand, dass sie in der
Versicherungsbestätigung
als führender Versicherer genannt ist, vermag auch
keinen dahin [X.] Rechtsschein zu begründen. Aufgrund von §§
5, 7
Abs.
1
VAG ist
sie
als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weder berechtigt noch
in der Lage, Versicherungsverträge auf dem [X.] Markt anzubieten und in eigenem Namen abzuschließen.
Der erforderliche Deckungs-schutz wäre nicht gewährleistet. Geschäftserfahrene Versicherte
wie die
Klägerin
mussten deshalb von vornherein annehmen, dass der Versiche-rungsvertrag nicht mit der Beklagten zu
1, sondern mit solchen Vertrags-partnern
geschlossen ist, die
als
Versicherer tätig werden dürfen und 23
24
-
10
-

können (vgl. [X.], Urteil vom 17.
November 1975

II
ZR 120/74, [X.] 1976, 154 unter
2).

I[X.] Die Verurteilung der Beklagten zu
2 und zu
3
nach dem ersten Hilfsantrag
hält
rechtlicher Nachprüfung in entscheidungserheblichen Punkten nicht stand.

1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klä-gerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu
2 und zu
3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.

Wie der Senat mit
Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 (unter [X.]) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] vereinbarten

lediglich passiven

Prozessfüh-rungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten
Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hin-aus stellt sich die Erhebung dieses
Einwandes
bei gleichzeitigem Beru-fen auf die Unwirksamkeit des Vertrages
insgesamt
infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss
als ein nach §
242 BGB zu missbilligendes Verhalten
dar.

2. Einen
nach Ziffer
3.1 [X.] versicherten
Schaden
in Höhe von 222.675

aufgrund der Bargeldentsorgung durch die A.

GmbH
hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, einen solchen bezüglich der Versorgung mit Hartgeld (8.750

)
jedoch
fehlerhaft bejaht.
25
26
27
28
-
11
-

a) Über
die hier genommene Geld-
und Werttransport-Versiche-rung ist nur transportiertes
Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. [X.] ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff
auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch-
oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.
November 2007 -
IV
ZR 48/07, VersR
2008, 395 Rn.
4
ff. und

IV
ZR 70/07, TranspR
2008, 129 Rn.
4
ff.; Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
21
ff.; a.[X.], VersR
2011, 1081, 1082
f.).

b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten [X.] der Versicherung fällt; erst dann obliegt es
den
Beklagten zu
2 und zu
3 als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur
Senatsurteil vom 25.
Mai 2011,
HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
41).

aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Vertei-lung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A.

GmbH zu Scha-den gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des [X.] (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
42
ff.).

bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind
entgegen der
Annahme des Berufungsgerichts

auch nicht damit zu begründen, dass

wie von der Klägerin behauptet

die Geldentsorgung durch die 29
30
31
32
-
12
-

A.

GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige
unzu-reichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht
zum
Nachteil
der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A.

GmbH zum Transport anver-traut worden
sind. Ihnen steht
auch kein Anspruch gegenüber der A.

GmbH auf Auskunft über deren
Behandlung, Verbleib und Ver-buchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre
Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragli-che Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.

c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten Zeitraums eingetretenen
Versiche-rungsfalles i.S. von Ziffer
3.1 [X.] hat die Klägerin bezüglich des der A.

GmbH zur Aufbereitung und Einzahlung bei der [X.] überlassenen Bargeldes erbracht.

aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte
stoffli-che Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorge-sehene Sache manifestiert. Das ist der Fall, wenn die geschuldete Über-gabe nicht nach den Vorgaben des
Transportvertrages ausgeführt wird, und ist hier
für das bei der [X.] einzuzahlende Bar-geld
anzunehmen.

Insofern kommt es nicht darauf an, ob

wie die Klägerin behaup-tet

bereits vor Einzahlung
bei der [X.]
ein
stofflicher
Zugriff erfolgt ist.
Denn
auf der Grundlage des Vortrags
der Beklagten zu
2 und zu
3, den sich
die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht hier fest, dass die A.

GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bar-33
34
35
-
13
-

geld letztlich vollständig auf bei der [X.] unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten
stofflichen Zugriff.

Das folgt aus der Regelung
in
Ziffer
1 der
Anlage
2 zum [X.] ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten"). Danach sind
"Bargeldbestände, die aus Ein-zahlungen von Filialen des Auftraggebers stammen,

am darauffolgen-den Bankarbeitstag gebündelt an die jeweilige Filiale der [X.] zu liefern".

Dem
hat das Berufungsgericht entnommen, dass das Bargeld im Zuge der Übergabe an die [X.] Bundesbank
von der A.

GmbH
auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der [X.] einzuzahlen
(sog. Nicht-Konto-Verfahren)
und die Einzahlung auf ein Ei-genkonto der A.

GmbH nicht gestattet ist.
Damit hat es den [X.] in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausge-legt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze ver-letzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur [X.], Versäumnisurteil vom 6.
Juli 2005

VIII
ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter
II
2
a; Urteil vom 7.
Dezember 2004

XI
ZR 366/03, NJW-RR
2005, 581 unter
II
2
a
bb
(2)).

Die Vereinbarung des Nicht-Konto-Verfahrens
erschließt sich
be-reits
daraus, dass das Geld
auf ein Konto der Hausbank der Klägerin
36
37
38
-
14
-

einzuzahlen ist.
Gerade diese Einbeziehung der Hausbank
widerspricht der Annahme der Beklagten zu
2 und zu
3, eine
Einzahlung
auf ein Ei-genkonto des Transporteurs
und eine
Abwicklung
im kontogebundenen Überweisungsverfahren

einer nach den damaligen Regularien der [X.] ebenfalls zulässigen, aber nicht vorrangigen Einzahlungsmodalität

seien erlaubt. Anderes
folgt auch nicht aus
dem Umstand, dass das Geld gebündelt zu liefern ist
(anders der Sachverhalt in:
Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
52
ff.; Senatsbeschlüsse vom 25.
Mai 2011

IV
ZR 156/09, juris Rn.
18
ff.
und

IV
ZR 247/09, VersR
2011, 923 Rn.
20
ff.).

bb) Der
stoffliche
Zugriff durch
Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt
innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten Zeitraums, der
erst
endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird.
Dazu ist
hier erforderlich, dass zum einen das Trans-portgut der [X.] überlassen
wird
und diese zum an-deren die

vertragsgemäße

Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist
(vgl.
Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08
unter
II
3
c).

cc) Das Vorgehen der A.

GmbH
ist

wie das Berufungsge-richt richtig sieht

auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer
Abweichung von den sich aus dem
Wortlaut des
Transportvertra-ges
ergebenden Weisungen
von vornherein zugestimmt
oder diese zu-mindest
stillschweigend geduldet hätte. Nach den festgestellten [X.] zur Abwicklung des [X.] ist für
ein stillschweigendes Ab-bedingen der vertraglichen Vereinbarung oder
die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum,
da dies dazu geführt hätte, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versi-39
40
-
15
-

cherten
Zugriff durch die
Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil
vom heutigen Tag
im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
d).

[X.]) Mit der Einzahlung des der A.

GmbH am 28. und 29.
August 2006 zur Aufbereitung und Einzahlung bei der [X.] überlassenen Bargeldes auf deren Konto ist der Klägerin
ein versicherter Schaden in Höhe von
222.675

Anhalts-punkte für einen geringeren Schaden oder dessen Reduzierung haben
die
Beklagten zu
2 und zu
3 nicht dargetan.

d)
Dagegen hat
die Klägerin einen Versicherungsfall bisher nicht bezüglich des Geldes dargelegt, das
im Rahmen der von der A.

GmbH ebenfalls übernommenen Geldversorgung
in Hartgeld zu [X.] gewesen ist.

aa)
Zu diesem Zweck hat die Klägerin
der A.

GmbH
am 28.
August 2006
einen Betrag von insgesamt 8.750

erlassen; [X.] hat
sie dafür nicht
erhalten.
Dies stellt sich zunächst als
nicht vom Versicherungsschutz umfasste

Nichterfüllung vertraglicher Pflich-ten dar.
Es fehlt nach dem bisherigen Vorbringen
der Klägerin jeder An-halt,
dass diese
Vertragsverletzung
mit einem versicherten stofflichen Zugriff
einhergegangen ist. Sie legt nicht dar, ob und wie
auf das zu wechselnde, an
die A.

GmbH zu übereignende
oder bereits über-eignete
Geld oder auf das Wechselgeld während der versicherten Zeit
zugegriffen worden ist. Hierzu wird vorzutragen sein.

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lässt sich
ein stofflicher Zugriff nicht damit begründen, dass
es zu einer Vermischung 41
42
43
44
-
16
-

der Gelder
der Klägerin mit denen
anderer Kunden
gekommen ist
(vgl. Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
64).

Anderes ergibt
sich nicht, falls diese Vermischung ohne hinrei-chende Dokumentation erfolgt ist. Dies berührt lediglich die Frage, in welchem Umfang der
A.

GmbH über den Transportauftrag hinaus-reichende Pflichten
übernommen hat. Vor deren Verletzung böte indes allenfalls eine Haftpflichtversicherung Schutz, nicht aber die hier ge-nommene Transportversicherung.

3. Die Beklagten zu
2 und zu
3 sind
auch
nicht

wie die Revision
meint

deshalb nach §§
130, 131 VVG
a.[X.] i.V.m. §
79 Abs.
1 VVG
a.[X.] leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A.

GmbH ermöglicht
oder zumindest begünstigt hätte.

Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klä-gerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§
130, 131 VVG
a.[X.] sind gemäß
Ziffer
4.2.1 [X.]
zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt
ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebil-deter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die [X.] und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, [X.], 918 Rn.
22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber
herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verste-hen, dass eine
lediglich
fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung 45
46
47
-
17
-

eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beein-trächtigt.

4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten [X.] abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ver-einbarte Haftungshöchstgrenze von 10
Mio.

n-spruch der Klägerin nicht berührt.
Jede einzelne vertragswidrige Einzah-lung auf ein Eigenkonto der A.

GmbH begründet einen
stofflichen Zugriff infolge
separaten Verstoßes
gegen die sich aus dem [X.] ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.

5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu
2 und zu
3 jedoch aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] zu Unrecht mit dem Einwand der Anfech-tung des
Versicherungsvertrages
wegen arglistiger Täuschung i.S. von §
123 Abs.
1 BGB ausgeschlossen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 21.
September 2011 (HEROS
II, IV
ZR 38/09 Rn.
26
ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
bei Vertragsschluss
unwirksam, wenn die Täuschung von dem [X.] selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des §
123 Abs.
2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten zu
2 und zu
3 als Versicherer und
den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Zif-fer
9.3.3 Abs.
2 [X.] durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen [X.] Verzicht zu entnehmen ist.

48
49
50
-
18
-

Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten zu
2 und zu
3 ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglis-tiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.

[X.] Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dr. [X.][X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.11.2008 -
1 [X.]/07 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 18.12.2009 -
I-20 [X.] -

51
52

Meta

IV ZR 15/10

09.11.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 15/10 (REWIS RS 2011, 1600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1600

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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