Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2013, Az. AnwZ (Brfg) 22/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2013, 827

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

AnwZ ([X.]) 22/12

Verkündet am:

25. November 2013

[X.]oppel,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Zulassung zur Anwaltschaft

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2
-
Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat auf die mündliche [X.] vom 25. November 2013 durch [X.]
Dr.
Kayser, [X.] und [X.] sowie die [X.] Prof. Dr. Stüer und Dr. Martini

für Recht erkannt:

Die [X.]erufung des [X.] gegen das Urteil des 1.
Senats des [X.] vom 12. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des [X.]erufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das [X.]erufungsverfahren wird auf 50.000

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen unvereinbarer Tätigkeit (§
7 Nr.
8 [X.]) zu Recht versagt worden i[X.]
Der Kläger war von 1996 bis 2005 nahezu durchgehend als [X.] zugelassen und wandte sich danach anderen beruflichen Tätigkeiten zu. Seit 1.
September 2010 ist er als Unternehmens-
und Personalberater selb-1
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ständig tätig, bis zum 30.
Juni 2013 namentlich als lizensierter Partner der F.

GmbH. Er wird von seinen Auftraggebern (Rechtsanwaltskanzleien, zumindest vormals auch Wirtschaftsunternehmen) damit betraut, geeignete Juristen für frei werdende Stellen (im Folgenden: [X.]) zu suchen, und hierfür teils erfolgsbezogen, teils erfolgsunabhängig und in Abhängigkeit vom [X.]ruttojahresgehalt des eingestellten [X.]ewerbers [X.]. Weder seinen Kunden noch den [X.]ewerbern schuldet er Rechtsberatung. Es kommen ihm jedoch seine Erfahrungen als vormaliger Wirtschaftsjurist in Großkanzleien und Unternehmen bei der Auswahl und Ansprache der [X.]ewer-ber, bei der Führung und Auswertung von [X.], bei dem von ihm so genannten "Kündigungsmanagement", d.h. der [X.]egleitung des [X.]ewerbers bei der [X.]eendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses, sowie bei der [X.] eines ausgewählten [X.]ewerbers in die Auftrag gebende Rechtsanwaltskanzlei oder das Auftrag gebende Unternehmen zugute.
Mit Schreiben vom 1.
Oktober 2010 stellte der Kläger bei der [X.]eklagten den Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft, der von dieser mit [X.]escheid vom 9.
Juni 2011 abgelehnt wurde. Seine hiergegen gerichtete Klage hat der [X.] abgewiesen. Auf Antrag des [X.] hat der Senat mit [X.]eschluss vom 31.
Januar 2013 die [X.]erufung gegen das Urteil des [X.] zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige [X.]erufung hat keinen Erfolg.
1. Nach §
7 Nr.
8 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der [X.]ewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem [X.]eruf des Rechtsanwalts, insbesondere dessen Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit 3
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gefährden kann. Die Regelung greift in die Freiheit der
[X.]erufswahl (Art.
12 Abs.
1 GG) ein, die grundsätzlich auch das Recht umfasst, mehrere [X.]erufe zu wählen und nebeneinander auszuüben ([X.] 87, 287, 316). [X.] und Integrität eines Rechtsanwalts sowie dessen maßgebliche Orientierung am Recht und
an den Interessen seiner Mandanten können indessen bei einer erwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs gefährdet sein ([X.], aaO, S.
329). Die Regelung zielt darauf ab, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern sowie die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen ([X.], aaO, S.
321). Daher kommt es bei der Frage der Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit anderen beruflichen Tätigkeiten nicht nur auf die Integrität des einzelnen [X.]ewerbers und die [X.]esonderheiten seiner beruflichen Situation an; selbst wenn diese im Einzelfall durchaus günstig beurteilt werden können, ist darüber hinaus zu berücksichtigen, ob die Ausübung des zweiten [X.]erufs beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz eines Rechtsanwalts wecken müsste und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen würde ([X.], aaO, S.
320
f.). Angesichts der Vielfalt kaufmännischer [X.]etätigungen kommt es darauf an, ob sich der erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Zweitberuf von der Tätigkeit des Rechtsanwalts zumindest mit Hilfe von [X.] unschwer trennen lässt oder ob sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von [X.] lässt ([X.], aaO, S.
330).
2. Nach Maßgabe dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat die [X.] dem Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Ergebnis mit Recht versagt. Die vom Antragsteller konkret ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Personalberater ist entgegen seiner Auffassung mit dem Anwaltsberuf unver-einbar.
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a) Für die -
verfassungsrechtlich unbedenkliche (vgl. [X.], aaO, S.
316) -
[X.]erufswahlbeschränkung des §
7 Nr.
8 [X.]
ist ebenso wie für die des §
14 Abs.
2 Nr.
8 Halbsatz
1 [X.] darauf abzustellen, ob die zweitberufli-che Tätigkeit des Rechtsanwalts bei objektiv vernünftiger [X.]etrachtungsweise von Seiten der Mandantschaft die Wahrscheinlichkeit von Pflichten-
und Inte-ressenkollisionen nahelegt (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 21. November 1994
-
AnwZ ([X.]) 44/94, [X.]RAK-Mitt. 1995, 163, 164; vom 10. Juli 2000 -
AnwZ ([X.]) 55/99, [X.]RAK-Mitt. 2000, 307, 308; vom 13.
Oktober 2003 -
AnwZ ([X.]) 79/02, NJW 2004, 212). Dabei liegen Interessenkollisionen zwischen der Anwaltstätig-keit und dem Zweitberuf besonders dann nahe, wenn der Anwalt in seinem Zweitberuf [X.] tätig ist oder jedenfalls eine [X.]eschäftigung ausübt, die mit dem geschäftlichen Interesse untrennbar verbunden ist, Gewinn zu erwirt-schaften ([X.] Rspr.;
vgl. etwa [X.], [X.]eschlüsse vom 26.
November 2007
-
AnwZ ([X.]) 111/06, [X.], 1318 Rn.
5, 7 und vom 21.
März 2011
-
AnwZ
([X.]) 36/10, NJW-RR 2011, 856 Rn.
7; eingehend zur Entwicklung der Rechtsprechung Senat, Urteil von heute -
AnwZ ([X.]) 10/12).
b) Dass der Kläger [X.] tätig ist, steht außer Frage. Mit Recht hat es der [X.] dabei als unerheblich angesehen, dass er nicht in einem Angestelltenverhältnis für ein Unternehmen steht, sondern seinen Zweitberuf als [X.] in eigener Gewinnerzielungsabsicht ausübt.
c) Soweit dem angefochtenen Urteil zu entnehmen sein sollte, die erneu-te Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft scheitere wegen der Gefahr, dass dieser künftige Mandanten
aus seiner Anwaltstätigkeit mit [X.]lick auf seine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit als Personalberater gewissermaßen "abwer-ben"
und an seine Kunden vermitteln oder einen in seiner Tätigkeit als Rechts-anwalt erlangten Wissensvorsprung für seinen Zweitberuf nützen werde, könnte 7
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der Senat einer solchen Wertung im Ergebnis nicht folgen. Die Gefahr solcher Interessenkonflikte erscheint nach der Art der durch den Kläger ausgeübten Tätigkeit hier so fernliegend, dass sie die in die [X.]erufsausübungsfreiheit ein-greifende Versagung der Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht [X.] würde (vgl., mit zahlreichen Nachweisen, Senat, Urteil von heute
-
AnwZ ([X.]) 10/12).
d) Trotz weiterer missverständlicher Formulierungen zu die Entscheidung nicht tragenden Gesichtspunkten hat der [X.] gleichwohl im Er-gebnis zutreffend die Gefahr von Interessenkollisionen namentlich in [X.]ezug auf die Gewinnung und weitere [X.]etreuung von Fachkräften für seine Auftraggeber gesehen. Nach dem Klagevortrag vermag der Kläger für die Tätigkeit als Per-sonalberater seine [X.]erufserfahrung als Wirtschaftsjurist unter anderem in Großkanzleien fruchtbar zu machen. Sie kommt ihm bei der Auswahl und An-sprache geeigneter Kandidaten, bei der Führung und Auswertung von Kandida-teninterviews, bei dem von ihm so genannten "Kündigungsmanagement", also der [X.]egleitung des Kandidaten in [X.]ezug auf die [X.]eendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses, sowie bei der [X.]egleitung der Integration eines ausgewähl-ten Kandidaten in die Auftrag gebende Rechtsanwaltskanzlei oder das Auftrag gebende Wirtschaftsunternehmen zugute. Es mag dabei sein, dass [X.] nicht [X.] der Tätigkeit des [X.] bildet und von diesem auch nicht geschuldet wird. Andererseits erscheint es in Einklang mit der Auffassung des [X.]s und unter [X.]erücksichtigung des Vorbringens des [X.] in der [X.]erufungsverhandlung vor dem Senat, wonach er in manchen Fäl-len ähnlich einem Makler tätig werde, nicht vorstellbar, dass die Erörterung und [X.]eleuchtung von Rechtsfragen in [X.]ezug auf das neue und das alte [X.] vor allem im Rahmen des "[X.]"
ausgeklammert werden können. Unter solchen Vorzeichen besteht jedoch -
ohne dass der [X.] die persönliche Integrität des [X.] in irgendeiner Weise in Frage stellt
-
10
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bei objektiver [X.]etrachtung die Gefahr, dass sich der in Abhängigkeit vom künf-tigen Gehalt des Kandidaten, teils auch erfolgsabhängig entlohnte (vgl. [X.] des [X.] vom 3.
Februar 2011; [X.]l.
62 [X.]) [X.]erater von eigenen wirt-schaftlichen Interessen oder von Interessen seiner Auftraggeber mitbestimmen läs[X.] Mit dem [X.]erufsbild des Rechtsanwalts und seiner Stellung als unabhän-giges Organ der Rechtspflege wäre dies nicht vereinbar; auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts erscheint gefährdet (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 26.
November 2007, aaO Rn. 10
f.). Die Tätigkeit ist geeignet, beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der [X.] zu wecken und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen (vgl. [X.], aaO, S.
320 f.).
3.
Die dargestellten Gefahren lassen sich, was der [X.] entgegen dem Vortrag des [X.] nicht außer [X.] gelassen hat,
nicht mit Hilfe von [X.]erufsausübungsregelungen ausräumen. Im Hinblick darauf, dass die "[X.]etreuung"
des [X.]ewerbers bei dessen Kündigung und Integration einen we-sentlichen Teil seiner Tätigkeit darstellt, könnte den damit verbundenen Gefah-ren nur durch Aufgabe der Tätigkeit des [X.]
als solcher hinreichend sicher begegnet werden (vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 21.
November 1994, aaO).
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8
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.] i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Kayser König [X.]

Stüer Martini
Vorinstanzen:
[X.] Frankfurt, Entscheidung vom 12.12.2011 -
1 [X.] 12/11 -

12

Meta

AnwZ (Brfg) 22/12

25.11.2013

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2013, Az. AnwZ (Brfg) 22/12 (REWIS RS 2013, 827)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 827

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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