Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2012, Az. VIII ZR 210/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6145

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gasversorgungsvertrag: Verjährungsfristbeginn für Rückzahlungsansprüche wegen Gaspreisüberzahlungen


Leitsatz

Die Verjährung von Rückzahlungsansprüchen wegen Gaspreisüberzahlungen beginnt nicht bereits mit den jeweils geleisteten Abschlagszahlungen, sondern erst mit der anschließenden Erteilung der Jahresabrechnung zu laufen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 18 des [X.] vom 25. Mai 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Widerklage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 13. Oktober 2010 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte wird von der Klägerin aufgrund eines am 19. November 2001 geschlossenen Sondervertrages leitungsgebunden mit Erdgas versorgt. Zu Preisänderungen enthält der Vertrag eine Klausel, wonach der Versorger berechtigt ist, seine Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen. Im Übrigen verweist der Vertrag ergänzend auf die Bestimmungen der [X.] Klägerin erhöhte ihre [X.] seit Vertragsbeginn mehrfach. Mit Schreiben vom 25. September 2004 widersprach die Beklagte einer zum 1. Oktober 2004 angekündigten Erhöhung des bis dahin geltenden [X.] von netto [X.] Cent/kWh mit der Erklärung, sie halte die Preiserhöhung für unbillig und wolle deshalb bis zum Nachweis der Billigkeit nur den alten Preis zuzüglich eines Sicherheitsaufschlags von zwei Prozent weiterzahlen.

2

Die Klage, mit der die Klägerin die in den [X.] vom 26. Mai 2004 bis zum 19. Mai 2008 nicht gezahlten [X.] der von ihr vorgenommenen Preisanpassungen in Höhe von insgesamt 1.952 € geltend gemacht hat, ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden. Die Widerklage in Höhe von 1.653,79 €, mit der die Beklagte für den Zeitraum vom 25. Mai 2005 bis zum 13. Mai 2009 die Rückerstattung von ihr geleisteter Zahlungen begehrt hat, soweit diese einen Arbeitspreis von [X.] Cent/kWh übersteigen, hat lediglich in Höhe von 951,83 € nebst Zinsen Erfolg gehabt. Den darüber hinausgehenden Betrag von 701,96 €, mit dem die Widerklage im [X.] abgewiesen worden ist, verfolgt die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

5

Da die [X.] und die darauf gestützten Preiserhöhungen unwirksam seien, habe die Beklagte, soweit sie im streitigen Zeitraum mehr als den bis zum 1. Oktober 2004 geltenden Arbeitspreis von [X.]/kWh gezahlt habe, ohne Rechtsgrund geleistet. Allerdings seien bei Einreichung der Widerklage am 7. Dezember 2009 diejenigen Rückforderungsansprüche in Höhe von 701,96 € bereits verjährt gewesen, die auf die von ihr im Jahre 2005 erbrachten ([X.] entfielen, so dass die Klägerin aufgrund der von ihr erhobenen Verjährungseinrede in diesem Umfang eine Rückzahlung verweigern könne. Die dreijährige Verjährungsfrist habe schon mit den jeweiligen Abschlagszahlungen und nicht erst mit der Jahresabrechnung vom 2. Juni 2006 für den Zeitraum vom 25. Mai 2005 bis 19. Mai 2006 zu laufen begonnen. Denn bereits die Abschlagszahlungen seien [X.] erfolgt, soweit die Klägerin bei ihnen gemäß § 25 Abs. 2 [X.] auch [X.] in Ansatz gebracht habe, die wegen der Unwirksamkeit der [X.] nicht geschuldet gewesen seien.

6

Dieser auch in einem Urteil des [X.] vom 26. April 1989 ([X.]) zum Ausdruck gekommenen Sichtweise stehe nicht entgegen, dass in einem weiteren Beschluss vom 7. Dezember 2010 ([X.]) die Vorauszahlungen auf Netznutzungsentgelte nicht als selbständige Teilleistungen, sondern lediglich als unselbständige Rechnungsposten des geschuldeten Entgelts angesehen worden seien und angenommen worden sei, dass bei Unbilligkeit einer Preisanpassung insoweit nur ein auf das Gesamtjahr bezogener Rückforderungsanspruch bestanden habe. Hier liege wegen der Unwirksamkeit der in die Bestimmung der Abschlagsbeträge eingeflossenen Preisänderung eine Fallgestaltung vor, die derjenigen bei einer Unwirksamkeit der [X.] selbst ähnele. Dementsprechend habe die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB hinsichtlich der im Jahre 2005 geleisteten Abschlagszahlungen bereits mit dem Ende des Jahres 2005 zu laufen begonnen, da die Beklagte aufgrund ihres im Jahre 2004 gegen die Preiserhöhungen erhobenen Widerspruchs hinreichende Kenntnis von den einen Rückzahlungsanspruch begründenden Umständen gehabt habe und in der Lage gewesen sei, die auf diesen Zeitraum entfallenden Überzahlungen gerichtlich klären zu lassen.

II.

7

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der [X.]srechtsprechung (zuletzt [X.]surteile vom 14. März 2012 - [X.], juris Rn. 15 ff., zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; [X.], juris Rn. 17 ff. [X.]) davon ausgegangen, dass die von der Klägerin verwendete [X.] und die hierauf gestützten Preiserhöhungen unwirksam sind und dass der Beklagten deshalb ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von weiteren 701,96 € zusteht, um die die Beklagte, ausgehend von dem bis zum 1. Oktober 2004 in Ansatz gebrachten Arbeitspreis von [X.]/kWh, mit ihren im Zeitraum vom 25. Mai 2005 bis zum 31. Dezember 2005 geleisteten Abschlägen die von der Klägerin unter dem 2. Juni 2006 abgerechneten Vergütungsansprüche für Gaslieferungen überzahlt hat. Darüber besteht im [X.] kein Streit mehr. Mit Recht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht für den Verjährungsbeginn an die während des Jahres 2005 geleisteten Abschlagszahlungen und nicht an die unter dem 2. Juni 2006 erteilte Jahresabrechnung angeknüpft hat.

9

2. Der von der Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch unterliegt - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die letztgenannte Voraussetzung hat das Berufungsgericht mit Blick auf den von der Beklagten unter dem 25. September 2004 erhobenen Widerspruch gegen die seinerzeit anstehende Gaspreiserhöhung unangegriffen festgestellt. Zu Unrecht hat es dagegen angenommen, dass ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten bereits zum Zeitpunkt der einzelnen im Jahre 2005 geleisteten Abschlagszahlungen und nicht erst im Zuge der anschließenden Jahresabrechnung vom 2. Juni 2006 entstanden ist.

a) Abschlagszahlungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nur vorläufig bis zu einer im Wege der Abrechnung festzustellenden endgültigen Vergütung zu leisten sind, und bilden insoweit lediglich (unselbstständige) Rechnungsposten der [X.] Gesamtleistung, ohne dass sie auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können ([X.], Urteile vom 19. März 2002 - [X.], [X.], 2257 unter II 3 a; vom 15. April 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 957 unter II 1 a und b; Beschluss vom 7. Dezember 2010 - [X.], [X.] 2011, 314 Rn. 3). Dementsprechend haben Abschlagszahlungen ihren Rechtsgrund in der ihnen zu Grunde liegenden vertraglichen Abrede, die zugleich dahin geht, dass sie, wenn sie geleistet sind, ungeachtet ihrer jeweiligen sachlichen Berechtigung in die Endabrechnung einzustellen und mit dem endgültigen Vergütungsanspruch, wie er sich danach unter Berücksichtigung der hiergegen erhobenen sachlichen Einwände ergibt, zu verrechnen sind. Ein Anspruch auf Rückzahlung kommt erst dann in Betracht, wenn die geleisteten Abschlagszahlungen nach dem Ergebnis der vereinbarten Endabrechnung einen entsprechenden Überschuss an Abschlagsbeträgen ergeben ([X.], Urteile vom 19. März 2002 - [X.], aaO unter II 3 a, b; vom 2. Mai 2002 - [X.]/00, NJW-RR 2002, 1097 unter II 1; Beschluss vom 7. Dezember 2010 - [X.], aaO) oder wenn der Gläubiger es in von ihm zu vertretender Weise verabsäumt, die geschuldete Abrechnung nach Fälligkeit der Abrechnungspflicht innerhalb angemessener Frist vorzunehmen (vgl. [X.]surteil vom 9. März 2005 - [X.], [X.], 337 unter [X.]). Da ein solcher Anspruch auf Rückzahlung unverbrauchter Abschlagszahlungen erst zu diesem Zeitpunkt fällig wird ([X.]surteil vom 9. März 2005 - [X.], aaO), beginnt für ihn die Verjährungsfrist erst mit Erteilung der Abrechnung (vgl. [X.]sbeschluss vom 19. Dezember 1990 - [X.] 5/90, [X.] 113, 188, 196 f.).

b) So verhält es sich hier. Bei den von der Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen handelt es sich lediglich um vorläufige Zahlungen auf den nach Ablauf des Abrechnungszeitraums endgültig [X.] Verbrauch. Sie stellen deshalb keine von der Verbrauchsforderung losgelöste Vergütungen für einen Verbrauchsanteil oder -abschnitt mit einem von der Verbrauchsforderung unabhängigen rechtlichen Schicksal, sondern Leistungen auf die erst mit der Abrechnung nach § 27 Abs. 1 [X.] fällig werdende künftige Zahlungspflicht für den gemessenen und abgelesenen Verbrauch dar ([X.]/[X.], Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand Dezember 2003, § 25 [X.] Rn. 5; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO, Stand November 2010, § [X.] Rn. 4). Für einen bereits unmittelbar an die jeweilige Überzahlung anknüpfenden Rückerstattungsanspruch hat es deshalb - was das Berufungsgericht nicht beachtet hat und die Revision mit Recht rügt - an dem dazu nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB für einen Verjährungsbeginn schon im Jahre 2005 fällig gewordenen Rückzahlungsanspruch der Beklagten gefehlt. Aus dem [X.]surteil vom 26. April 1989 ([X.], [X.], 1023 unter [X.] 5 a bb) ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht anderes.

III.

Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht bezüglich der Widerklage zum Nachteil der Beklagten entschieden hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Widerklage.

[X.]                                                Dr. Frellesen                                                 Dr. Milger

                      Dr. [X.]                                               Dr. Schneider

Meta

VIII ZR 210/11

23.05.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 25. Mai 2011, Az: 318 S 241/10

§ 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 25 AVBGasV, § 27 AVBGasV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2012, Az. VIII ZR 210/11 (REWIS RS 2012, 6145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6145

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 210/11 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 80/12 (Bundesgerichtshof)

Gaslieferungsvertrag: Ergänzende Auslegung eines Norm-Sonderkundenvertrages bezüglich der zeitlichen Begrenzung der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs des Kunden …


VIII ZR 52/12 (Bundesgerichtshof)

Gaslieferungsvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel; bereicherungsrechtlicher Anspruch des Sonderkunden auf Herausgabe …


VIII ZR 249/11 (Bundesgerichtshof)

Gaslieferungsvertrag: Verjährungsbeginn für Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Preisänderungsklauseln


VIII ZR 93/11 (Bundesgerichtshof)

Unwirksame Preisänderungsklausel im Gasversorgungsvertrag: Voraussetzungen für die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen durch Sondervertragskunden


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.