Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.07.2021, Az. I R 6/18

1. Senat | REWIS RS 2021, 4143

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Gegenstand

Beschränkte Steuerpflicht für Zinsen aus Wandelanleihen


Leitsatz

Zinsen aus Wandelanleihen führen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG zu beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften. Dies gilt auch dann, wenn sie in Form von Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind. Die tatbestandlichen Ausnahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG finden auf Wandelanleihen keine Anwendung.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 06.12.2017 - 2 K 1289/15 [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Zinserträge eines ausländischen Anteilseigners aus Wandelanleihen, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind, in den Streitjahren (2012 und 2013) der beschränkten Steuerpflicht unterlagen und damit zu Kapitalertragsteuer führten.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine [X.] ([X.]) mit Sitz und Geschäftsleitung in den [X.], hat im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter. Sie gehört zu einer Unternehmensgruppe, die mehrere Private Equity Fonds verwaltet und im Rahmen dieser Tätigkeit im Jahr 2010 Anteile an der Beigeladenen übernahm.

3

Die Beigeladene begab am 07.12.2010 Schuldverschreibungen in [X.]öhe von insgesamt ... € als Teilschuldverschreibungen zu jeweils ... €. Die im Jahr 2018 fälligen Schuldverschreibungen begründeten nachrangige, nicht besicherte Verbindlichkeiten mit einer festen Verzinsung in [X.]öhe von 10,5 % pro Jahr. Sie waren während ihrer Laufzeit mit einer bedingten Pflichtwandlung und einem jederzeitigen Wandlungsrecht der Gläubigerin in Inhaberaktien der Beigeladenen ausgestaltet. Nach den Emissionsbedingungen dienten die Schuldverschreibungen als haftendes Eigenkapital in Form von Ergänzungskapital i.S. des § 10 Abs. 2b Satz 1 Nr. 5 und Abs. 5a des Gesetzes über das Kreditwesen in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Die Klägerin war Inhaberin (Gläubigerin) dieser Schuldverschreibungen.

4

[X.]ieraus erzielte die Klägerin im Dezember 2012 einen Zinsanspruch in [X.]öhe von ... €. Die Beigeladene zahlte hierauf lediglich einen Betrag in [X.]öhe von ... € an die Klägerin und behielt ... € zurück. Obwohl der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) der Beigeladenen auf Nachfrage mitgeteilt hatte, dass die Zinszahlungen an die Klägerin der beschränkten Steuerpflicht unterlägen und hierfür Kapitalertragsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen sei, gab die Beigeladene ihre Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Dezember 2012 ohne Einbeziehung dieser Zinsen ab. Sie teilte dem [X.] mit, dass eine Abführung von Kapitalertragsteuer unter Berücksichtigung der Emissionsbedingungen nur auf Grundlage eines [X.]aftungsbescheids möglich sei. Nach ihrer Auffassung bestehe aber keine Kapitalertragsteuerpflicht.

5

Das [X.] erließ daraufhin für Dezember 2012 den [X.]aftungsbescheid vom 17.01.2013, den es nach einem [X.]inweis der Beigeladenen am 29.01.2013 auf den zutreffenden Betrag von ... € erhöhte (... € Kapitalertragsteuer zuzüglich ... € Solidaritätszuschlag).

6

Nachdem die Beigeladene auch den Zinsanspruch 2013 in [X.]öhe von ... € nicht in ihre Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Dezember 2013 einbezogen und das [X.] hierüber unter [X.]inweis auf das [X.] informiert hatte, erließ das [X.] für Dezember 2013 am 11.02.2014 einen weiteren [X.]aftungsbescheid in [X.]öhe von ... € (... € Kapitalertragsteuer zuzüglich ... € Solidaritätszuschlag).

7

In beiden [X.]n wurde die Beigeladene als "Steuerschuldnerin" bezeichnet und § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) als [X.]aftungsnorm genannt. Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene legten gegen die [X.] fristgerecht Einspruch ein. Die [X.]aftungsbeträge wurden während der Einspruchsverfahren beglichen.

8

Die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage wies das [X.] (FG) Düsseldorf mit Urteil vom 06.12.2017 - 2 K 1289/15 [X.] (Entscheidungen der [X.]e --EFG-- 2018, 1965) als unbegründet ab. Die [X.] in Gestalt der während des Klageverfahrens ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 seien weder gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 119 der Abgabenordnung ([X.]) nichtig noch gemäß § 126 Abs. 1 [X.] formell rechtswidrig. Darüber hinaus seien auch die materiellen Voraussetzungen für eine [X.]aftung gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 [X.] i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG erfüllt. Die Zinsen aus der Wandelanleihe unterlägen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht, ohne dass die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. aa Satz 2 EStG zur Anwendung komme. Außerdem habe das [X.] bei der Inanspruchnahme der Klägerin ermessensfehlerfrei gehandelt (§ 102 der [X.]sordnung --FGO--).

9

Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend.

Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die gegen die Beigeladene gerichteten [X.] vom 29.01.2013 für Dezember 2012 und vom 11.02.2014 für Dezember 2013 über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 aufzuheben.

Das [X.] beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Klägerin an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a [X.]O. Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind hiervon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Auch der Schriftsatz der Klägerin vom 18.06.2021 enthält keine Erwägungen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen. Die streitentscheidenden Argumente sind aus den im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätzen bekannt und wurden von den Beteiligten umfassend diskutiert.

Das [X.] hat die Klage gegen die an die Beigeladene gerichteten [X.] vom 29.01.2013 für Dezember 2012 und vom 11.02.2014 für Dezember 2013 über [X.]italertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 zu Recht abgewiesen. Die Beigeladene hätte für die der Klägerin zustehenden Zinsen aus den Schuldverschreibungen nicht nur [X.]italertragsteuer i.S. der §§ 43 ff. EStG einbehalten, sondern auch anmelden und abführen müssen. Insbesondere unterlagen die Zinserträge gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht in der [X.] ([X.]). [X.]ierfür haftet die Beigeladene gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante [X.] i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. Die Inanspruchnahme der Beigeladenen durch die [X.] war auch frei von [X.] (§ 102 [X.]O). [X.]insichtlich des Solidaritätszuschlags gilt Entsprechendes (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 in der für die Streitjahre geltenden Fassung).

1. Die angefochtenen [X.] erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante [X.] i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG.

a) Das [X.] hat zu Recht die [X.] nicht mangels hinreichender Bestimmtheit als nichtig (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 119 Abs. [X.]) oder mangels ausreichender Begründung als formell rechtswidrig (§ 126 Abs. [X.]) beurteilt. Die ursprünglich fehlerhaften Bezeichnungen der Beigeladenen als Steuerschuldnerin (statt als Entrichtungsschuldnerin) und des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG als [X.]aftungsnorm (statt § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG) sind in der Einspruchsentscheidung korrigiert und damit "geheilt" worden (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO). Da die Klägerin insoweit keine Einwendungen erhebt, sieht der [X.] von weiteren Ausführungen ab.

b) Darüber hinaus hat das [X.] auch die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen rechtsfehlerfrei bejaht.

[X.]) Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG haften u.a. der Schuldner der [X.]italerträge und die die [X.]italerträge auszahlenden Stellen für die [X.]italertragsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen haben, es sei denn, sie weisen nach, dass sie die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt haben.

§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht für Zinsen aus Teilschuldverschreibungen, bei denen neben einer festen Verzinsung ein Recht auf Umtausch in Gesellschaftsanteile eingeräumt ist (Wandelanleihen), eine entsprechende Verpflichtung des inländischen Schuldners der [X.]italerträge zum Einbehalt und zur Abführung von [X.]italertragsteuer vor (§ 43 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG). Die [X.]italertragsteuer beträgt 25 % des [X.] (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG) und entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die [X.]italerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG).

bb) Im Streitfall handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) um Wandelanleihen in Form von Teilschuldverschreibungen, die neben einer festen Verzinsung --zumindest auch-- das klassische Element eines jederzeitiges Wandlungsrechts des Gläubigers in Aktien des Schuldners vorsehen. Die Zinsen aus der Wandelanleihe führen zu Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der [X.]italertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag unterliegen. [X.]ierüber besteht zwischen den Beteiligten [X.] wie über die konkreten [X.] zu Recht kein Streit.

cc) Da die Klägerin als Inhaberin der Wandelanleihen nicht in [X.] ansässig ist, setzt die Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung der [X.]italertragsteuer zusätzlich voraus, dass die Zinsen zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören. Die hierfür maßgeblichen Kriterien sind bei Zinsen aus Wandelanleihen stark umstritten, vom [X.] aber zu Recht unter ausschließlicher Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG bejaht worden.

[X.]a) Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften u.a. Einkünfte aus [X.]italvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 (mit Ausnahme der Erträge aus Investmentanteilen), 2, 4, 6 und 9 EStG, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Nach [X.]albsatz 2 dieser Vorschrift gilt "dies" auch für Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen.

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG regelt dagegen die beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte aus [X.]italvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG. Für diese Einkünfte ist der erforderliche Inlandsbezug gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. [X.] EStG erfüllt, wenn das [X.]italvermögen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. Satz 2 dieser Vorschrift sieht eine Ausnahme u.a. für Zinsen aus Anleihen und Forderungen vor, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind.

bbb) In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die Nennung der Wandelanleihen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG nur das Kriterium des Inlandsbezugs betreffe. Ansonsten soll für Erträge aus Wandelanleihen § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG anwendbar bleiben, da es sich weiterhin um Einkünfte aus [X.]italvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handele. In der Folge gelte insbesondere die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. [X.] Satz 2 EStG auch für Wandelanleihen (vgl. [X.]idien in [X.], EStG, § 49 Rz [X.] 245; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]euer/[X.], § 49 EStG Rz 833 und 846; [X.]/[X.], EStG, 40. Aufl., § 49 Rz 99, unter Verweis auf 38. Aufl., § 49 Rz 99; [X.] in [X.]/[X.], § 49 EStG Rz 152; [X.] in [X.]/[X.]euermann, § 49 EStG Rz 259 und 266; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 49 Rz 235 und 242; [X.]äuselmann, [X.]ybride Finanzinstrumente, 2019, [X.]. 10 Rz 117). Davon abweichend wird geltend gemacht, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG nur einen zusätzlichen Inlandsbezug fordere, d.h. auch die Kriterien des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. [X.] Satz 1 EStG kumulativ erfüllt sein müssten, um zur beschränkten Steuerpflicht zu gelangen ([X.] in [X.], EStG, § 49 EStG Rz 1766 und 1800).

ccc) Die Vorinstanz hat sich dagegen zu Recht einer anderen Auffassung angeschlossen. Danach ergibt sich die beschränkte Steuerpflicht für Erträge aus Wandelanleihen ausschließlich aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, so dass die Ausnahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. [X.] Satz 2 EStG (einschließlich der Ausnahme für Teilschuldverschreibungen) auf Wandelanleihen keine Anwendung finden (vgl. [X.] Köln, Urteil vom 23.01.2019 - 2 K 1315/13, E[X.] 2019, 1764, Revision beim [X.] --BF[X.]-- Az. I R 27/19; [X.] in [X.], EStG, 20. Aufl., § 49 Rz 74 und 79; [X.] in Kirchhof/[X.]/[X.], EStG, § 49 Rz 469; [X.] in Kanzler/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]echtner/[X.], Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 49 Rz 179; [X.] in Korn, § 49 EStG Rz 187; [X.], [X.] 2015, 270, 272 f.; Körner in [X.]/[X.]/Körner, [X.]andbuch der steueroptimalen Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., Teil [X.] 320; [X.], Recht der Finanzinstrumente, 2019, S. 88).

Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Wortlaut der zugrundeliegenden Normen und wird durch eine teleologisch-historische und systematische Auslegung bestätigt. Die Klägerin kann sich deshalb auch nicht auf einen Verstoß gegen das Rechtsst[X.]tsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--) und den Grundsatz der Normenklarheit berufen.

(1) § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG regelt nicht nur die Kriterien eines ausreichenden Inlandsbezugs, sondern darüber hinaus auch die beschränkte Steuerpflicht bestimmter Beteiligungseinkünfte, sofern diese Kriterien erfüllt sind. Wenn "dies" nach [X.]albsatz 2 auch für Wandelanleihen gelten soll, obwohl insoweit keine Beteiligungseinkünfte vorliegen, ist nach dem Wortlaut nicht nur der Inlandsbezug geregelt, sondern es liegt eine abschließende Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht für den Sonderfall der Zinserträge aus Wandelanleihen vor. Diese Regelung ist im Vergleich zur allgemeinen Bezugnahme auf Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG spezieller und damit vorrangig.

(2) Dieses Verständnis wird durch eine teleologisch-historische Auslegung bestätigt. Eine Sonderregelung für Wandelanleihen wurde erstmals durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 01.02.1938 ([X.] 1938, 99, [X.], 97) vorgesehen. Danach waren Zinserträge aus Teilschuldverschreibungen zwar grundsätzlich nicht beschränkt steuerpflichtig. Eine Ausnahme sollte aber für diejenigen Teilschuldverschreibungen gelten, die in Form von Wandelanleihen ausgegeben waren und bei denen der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hatte. Vergleichbare Sonderregelungen für Wandelanleihen wurden auch in den nachfolgenden Gesetzesfassungen beibehalten.

Dies gilt auch für das [X.] 1985 vom 14.12.1984 ([X.] 1984, 1493, [X.], 659), mit dem die maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen die für die Streitjahre geltende Fassung erhielten. Es handelte sich um Änderungen, die daraus resultierten, dass die breitere Einbeziehung von Zinserträgen infolge des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des [X.]italverkehrsteuergesetzes vom [X.] ([X.] 1965, 147, [X.], 103, sog. Kuponsteuer) wieder rückgängig gemacht wurde, um höhere [X.]italzuflüsse ausländischer Investoren zu fördern (Erster Bericht des Finanzausschusses des [X.], BTDrucks 10/2370, S. 6 und 8). Die Einbeziehung der Zinserträge aus Wandelanleihen in die beschränkte Steuerpflicht, die schon vor Einführung der Kuponsteuer bestanden hatte, sollte dagegen nicht berührt werden, wie insbesondere die nachträgliche Einfügung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a [X.]albsatz 2 EStG auf Grundlage der Ersten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des [X.] zeigt (BTDrucks 10/2367, S. 10).

Auch wenn es für die Auslegung in den Streitjahren keine Bedeutung hat, ist dieses Verständnis mittlerweile durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 ([X.] 2019, 2451, [X.], 17) ausdrücklich klargestellt worden (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 19/13436, S. 119 zur Ergänzung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. [X.] Satz 2 EStG).

(3) Darüber hinaus wird die vom [X.] vertretene Auffassung durch eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung des § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG gestützt, auch wenn es in dieser Regelung nicht um den Umfang der Steuerpflicht, sondern nur um die Erhebung durch Abzug von [X.]italertragsteuer geht. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht insoweit ebenfalls eine Sonderregelung für Zinsen aus Wandelanleihen vor. Die Nichterfassung von Teilschuldverschreibungen ist in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a EStG auf die allgemeine Regelung für [X.]italerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beschränkt. Dass § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG --abweichend von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG-- Teilschuldverschreibungen ausdrücklich erfasst und diese Erträge in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG --abweichend von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.] auch ausdrücklich von der allgemeinen Regelung ausgeschlossen werden, ändert nichts daran, dass der systematische Vergleich das gesetzgeberische Grundverständnis einer Sonderbehandlung von Wandelanleihen belegt.

Im Übrigen hätte die Sonderregelung für Wandelanleihen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a [X.]albsatz 2 EStG nahezu keinen Anwendungsbereich, wenn hierfür auch die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. [X.]. [X.] Satz 2 EStG zu berücksichtigen wäre. Denn Wandelanleihen werden in der Regel als Teilschuldverschreibungen ausgegeben ([X.] in [X.], a.a.[X.], § 49 EStG Rz 1763; [X.]idien in [X.], a.a.[X.], § 49 Rz [X.] 244; [X.], [X.] 2015, 270, 273).

(4) Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung von Zinsen aus Wandelanleihen und sonstigen Zinsen erfordere. Dies folgt aus der Besonderheit, dass das jederzeitige Wandlungsrecht des Gläubigers ein beteiligungsähnliches Element darstellt, das wesentlich von normalen Schuldverschreibungen abweicht. Dieser Unterschied rechtfertigt es, auch die daraus resultierenden Zinseinkünfte unterschiedlichen Regelungen zu unterwerfen.

(5) Auch das u.a. an den [X.] adressierte und über dessen Website veröffentlichte Schreiben des [X.] ([X.]) vom 10.04.2014 - IV C 2 - S 2742/12/10003:002 führt zu keinem anderen Ergebnis. [X.]ierfür kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit dieses Schreiben zumindest für die streitgegenständlichen Wandelanleihen verallgemeinerungsfähig ist oder ob es ausschließlich sog. "[X.] Typ B" zur Schaffung zusätzlichen bankaufsichtsrechtlichen Kernkapitals i.S. der Art. 51 ff. der Verordnung ([X.]) Nr. 575/2013 des [X.] und des [X.] ([X.] 2013, Nr. L 176, 1) betrifft. Dem entsprechend kann auch dahingestellt bleiben, ob dies durch ein neueres [X.]-Schreiben klargestellt worden ist, wie vom [X.] ohne Veröffentlichung oder Vorlage dieses Schreibens behauptet. In jedem Fall ist der [X.] nicht an die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gebunden, wenn diese den gesetzlichen Regelungen widerspricht. Im Übrigen erfolgten die streitigen Zinszahlungen zeitlich vor Erlass des [X.]-Schreibens vom 10.04.2014 - IV C 2 - S 2742/12/10003:002.

dd) Das [X.] ist weiterhin zu Recht davon ausgegangen, dass die Beigeladene ihre Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Weder die Beigeladene noch die Klägerin haben Umstände geltend gemacht, die eine Exkulpation rechtfertigen. Auch der Meinungsstreit in der Literatur zur Behandlung von Zinsen aus Wandelanleihen ist hierfür nicht geeignet, da das [X.] der Beigeladenen auf deren Nachfrage noch im Dezember 2012 mitgeteilt hatte, sie sei zur Anmeldung und Abführung der [X.]italertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag verpflichtet. Des Weiteren hat die Beigeladene unter [X.]inweis auf die Emissionsbedingungen der Wandelanleihe den Erlass eines [X.]aftungsbescheids selbst angesprochen.

ee) Eine [X.]aftung entfällt auch nicht wegen § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG, der durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften ([X.]) vom 26.06.2013 ([X.] 2013, 1809, [X.], 802) eingeführt worden ist und gemäß § 52a Abs. 16c Satz 1 EStG i.d.F. des [X.] für Zahlungen nach dem 31.12.2012 gilt. Zwar ist die Verpflichtung zum Steuerabzug grundsätzlich vom Emittenten auf die auszahlende Stelle umgestellt worden. Im Streitfall ergibt sich aber aus den Emissionsbedingungen, auf die das [X.] Bezug genommen hat, dass die Beigeladene nicht nur Emittentin, sondern auch Zahlstelle ist (§ 13 der Emissionsbedingungen).

ff) Schließlich können auch der Grundsatz der Akzessorietät der Entrichtungsschuld zur [X.]italertragsteuerschuld des Gläubigers der [X.]italerträge (vgl. BF[X.]-Urteil vom 21.09.2017 - VIII R 59/14, BF[X.]E 259, 411, [X.] 2018, 163) und die Berücksichtigung der Festsetzungsfristen (§ 191 Abs. 3 und 5 AO) nicht zur Rechtswidrigkeit der [X.] führen. Das [X.] hat die [X.] jeweils innerhalb von drei Monaten nach den Zinszahlungen und der (unvollständigen) Anmeldung der [X.]italertragsteuer erlassen. Im Übrigen besteht zwischen den Beteiligten hierüber kein Streit, so dass der [X.] von weiteren Ausführungen absieht.

2. Das [X.] hat des Weiteren zu Recht entschieden, dass das [X.] die angefochtenen [X.] ermessensfehlerfrei erlassen hat (§ 102 [X.]O). Dies gilt sowohl für das Auswahl- als auch für das Entschließungsermessen.

a) Insbesondere war es frei von [X.], die Beigeladene als Entrichtungsschuldnerin der [X.]italertragsteuer in [X.]aftung zu nehmen, da die Klägerin als Inhaberin der Wandelanleihen ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland hatte (vgl. allgemein auch [X.]sbeschlüsse vom 03.12.1996 – I B 44/96, BF[X.]E 181, 562, [X.] 1997, 306; vom 08.11.2000 – I B 59/00, juris; vom 30.09.2020 - I R 76/17, BF[X.]E 270, 455, [X.] 2021, 275; [X.]surteil vom 19.12.2012 – I R 81/11, BF[X.]/NV 2013, 698, jeweils m.w.N.).

b) Darüber hinaus ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] beim Entschließungsermessen auf den Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.01.2013 abgestellt hat. Die Beigeladene hatte in diesem Schreiben mitgeteilt, dass die Abführung der [X.]italertragsteuer nach den Emissionsbedingungen der Wandelanleihen erst nach Erlass eines [X.]aftungsbescheids möglich sei.

c) Schließlich war vom [X.] auch nicht zu berücksichtigen, ob und inwieweit das Abkommen zwischen der [X.] und den Vereinigten St[X.]ten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.08.1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 04.06.2008 ([X.] 2008, 612, [X.], 784) --[X.] 1989/2008-- zu einer Freistellung von der inländischen Quellensteuer führt (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG, Art. 29 Abs. 1 [X.] 1989/2008). Denn insoweit ist grundsätzlich ein eigenständiges Erstattungsverfahren in § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG und gegebenenfalls § 44a Abs. 9 EStG vorgesehen. Deshalb kam es im Rahmen der Ermessensentscheidung über die [X.]aftungsinanspruchnahme nicht darauf an, ob die Klägerin in der Rechtsform einer [X.] als Personen- oder [X.]italgesellschaft zu qualifizieren ist (zum sog. Rechtstypenvergleich einer [X.] vgl. [X.]surteil vom 20.08.2008 - I R 34/08, BF[X.]E 222, 521, [X.] 2009, 263; [X.]sbeschluss vom 18.05.2021 - I B 75/20 (AdV), juris; [X.]-Schreiben vom 19.03.2004, [X.], 411) und welche Auswirkungen dies auf die Abkommensberechtigung hat (vgl. auch [X.]surteil vom 26.06.2013 - I R 48/12, BF[X.]E 242, 195, [X.] 2014, 367 zur S-Corporation). Diese Fragen sind in einem etwaigen Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG zu klären (vgl. hierzu allgemein [X.] in [X.], a.a.[X.], § 50d Rz 10a). Ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn der Erstattungsanspruch völlig unproblematisch ist, muss im Streitfall nicht entschieden werden.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2, 3 [X.]O; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 [X.]O).

Meta

I R 6/18

13.07.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 6. Dezember 2017, Az: 2 K 1289/15 H, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 43 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 43 Abs 1 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 44 Abs 5 S 1 EStG 2009, § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst a EStG 2009, § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst c DBuchst aa S 2 EStG 2009, § 50d Abs 1 S 2 EStG 2009, § 191 AO, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.07.2021, Az. I R 6/18 (REWIS RS 2021, 4143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4143

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