Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2024, Az. 3 StR 358/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2024, 391

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Tenor

1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2023 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

Damit ist der Beschluss des [X.] vom 10. August 2023, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass von der gegen den Angeklagten verhängten [X.] ein Monat als vollstreckt gilt.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Vorverurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Dem Angeklagten war aus den vom [X.] genannten Gründen Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] zu gewähren. Damit ist der Beschluss des [X.]s Mönchengladbach vom 10. August 2023, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.

3

2. Während der Schuldspruch des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lässt, führt die sachlichrechtliche Nachprüfung des Strafausspruchs zu dessen Änderung.

4

a) Das [X.] hat die Verhängung von Jugendstrafe sowohl wegen „schädlicher Neigungen“ als auch wegen „Schwere der Schuld“ (§ 17 Abs. 2 [X.]) für notwendig gehalten und bei der Bemessung der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten berücksichtigt, dass es während des Strafverfahrens zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von etwa zwölf Monaten Dauer gekommen ist. Es hat in den Urteilsgründen ausgeführt, diese führe zu einer Reduzierung der Strafe im Umfang von einem Monat.

5

b) Jedenfalls für Fälle, in denen - wie hier - die Verhängung von Jugendstrafe sowohl auf „schädliche Neigungen“ als auch auf die „Schwere der Schuld“ gestützt wird, ist anerkannt, dass die Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer, die nicht mehr allein durch die entsprechende Feststellung in den Urteilsgründen bewirkt werden kann, nach der sogenannten [X.] vorzunehmen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Oktober 2021 - 4 [X.], [X.], 552 Rn. 6; vom 9. Januar 2018 - 1 StR 551/17, [X.]R [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 44 Rn. 16 mwN).

6

c) Das [X.] hat die Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung indessen in einer der Rechtsprechung des [X.] zur [X.] nicht gerecht werdenden Weise kompensiert, die den Angeklagten beschwert. Der [X.] [X.] hat mit Beschluss vom 17. Januar 2008 entschieden, dass danach die Kompensation nicht mehr durch einen bezifferten Abschlag auf die an sich schuldangemessene Strafe vorzunehmen ist; vielmehr ist diese in der Urteilsformel auszusprechen und gleichzeitig zu bestimmen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil dieser Strafe als vollstreckt gilt ([X.], [X.]St 52, 124 Rn. 54 ff.). Diese Änderung der Rechtsprechung führt hier dazu, dass sich der Rechtsfolgenausspruch als zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft erweist. Denn bei dem zum Tatzeitpunkt Jugendlichen liegt es nahe, dass er in Anwendung des [X.] früher in den Genuss einer Aussetzung der Vollstreckung einer Reststrafe zur Bewährung kommen kann, als dies bei der vom [X.] angewendeten Strafabschlagslösung der Fall wäre (vgl. zum Ganzen [X.], Beschlüsse vom 18. Januar 2008 - 3 [X.], [X.]R [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 35 Rn. 4; vom 19. Februar 2008 - 3 StR 536/07, juris Rn. 7; vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08, [X.], 399; vom 9. April 2008 - 3 [X.], [X.], 341; vom 8. Mai 2008 - 3 [X.], juris Rn. 3; vom 14. Mai 2008 - 3 [X.], juris Rn. 4; vom 27. Mai 2008 - 3 [X.], juris Rn. 4).

7

d) Der Senat hat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO von einer Aufhebung des Strafausspruchs und der - nochmaligen - Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht abgesehen. Eine abschließende Sachentscheidung ist geboten, weil jede weitere Verzögerung, die die Dauer des - zumal gegen einen zum Tatzeitpunkt jugendlichen Täter gerichteten - Strafverfahrens zusätzlich erhöhen würde, unvertretbar wäre (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. Mai 1996 - 2 StR 119/96, [X.]R StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8 mwN; vom 19. März 1997 - 2 StR 80/97, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 10; vom 9. Juni 2004 - 5 [X.], [X.]R StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 19). Zur Vermeidung jedweder Beschwer des Angeklagten hat der Senat den Strafausspruch trotz des von der [X.] vorgenommenen Strafabschlags bestehen bleiben lassen und um eine Kompensationsentscheidung dergestalt ergänzt, dass er einen (weiteren) Monat der festgesetzten Strafe für vollstreckt erklärt hat.

8

3. [X.] folgt aus § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision des Angeklagten ist es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten. Für eine Anwendung des § 74 [X.] bestand angesichts des Umstands, dass der Angeklagte zum

Urteilszeitpunkt nicht mehr Heranwachsender war, kein Anlass (vgl. [X.], Beschluss vom 10. März 2021 - StB 32/20, juris Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 24. Aufl., § 74 Rn. 9).

VRi[X.] Prof. Dr. Schäfer
befindet sich im Urlaub und
ist deshalb gehindert zu
unterschreiben.

      

Paul     

      

Berg   

Paul

      

      

      

      

      

     Erbguth     

      

[X.]     

      

Meta

3 StR 358/23

11.01.2024

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 17. Mai 2023, Az: 34 KLs 3/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2024, Az. 3 StR 358/23 (REWIS RS 2024, 391)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 391

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