Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.04.2018, Az. 6 AV 1/18

6. Senat | REWIS RS 2018, 11119

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Keine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung für Klage gegen einfache Streitgenossen


Leitsatz

Die Bestimmung der Zuständigkeit eines Gerichts für eine Klage gegen Gesamtschuldner als einfache Streitgenossen ist in § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO nicht vorgesehen; die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann weder über § 173 Satz 1 VwGO noch analog angewendet werden.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin, die Studierendenschaft einer [X.], beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts für eine gegen vier ehemalige Mitglieder des [X.] ([X.]) gerichtete Klage auf Schadensersatz.

2

Die Antragstellerin hat im Januar 2017 beim [X.] Klage u.a. gegen die in [X.], [X.], [X.] und [X.] wohnhaften Antragsgegner als Gesamtschuldner auf Zahlung von insgesamt 272 216,46 € erhoben. Dazu macht sie im [X.] geltend, die Antragsgegner hätten ihre Pflichten u.a. als [X.]-Vorsitzende, stellvertretende Vorsitzende und Finanzreferent im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kunst- und Kulturcafés verletzt.

3

Nachdem das angerufene Verwaltungsgericht auf Zweifel an seiner örtlichen Zuständigkeit hingewiesen hatte, stellte die Antragstellerin am 8. Februar 2017 beim Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts. Sie ist der Auffassung, die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO erfasse auch die durch Gesamtschuldnerschaft begründete einfache Streitgenossenschaft. Andernfalls müssten im vorliegenden Fall [X.] und sachsen-anhaltinische Landesgerichte über nordrhein-westfälisches Landesrecht entscheiden. Dem sind die Antragsgegner entgegen getreten.

4

Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2018 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das [X.] verwiesen.

II

5

Der Antrag ist unbegründet. Eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 53 Abs. 3 VwGO kommt vorliegend nicht in Betracht, denn das Prozessrecht enthält für die hier vorliegende Fallkonstellation eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit.

6

Für eine konstitutive Zuständigkeitsbestimmung ist nur Raum, wenn die in § 53 VwGO geregelten Anforderungen erfüllt sind, d.h. im vorliegenden Fall nach den Regelungen des § 52 VwGO keines oder verschiedene Gerichte in Betracht kommen (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Das ist hier nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat für eine Schadensersatzklage, in der die anderen Nummern der Vorschrift nicht durchgreifen, mit § 52 Nr. 5 VwGO auf den Wohnsitz des (jeweiligen) Beklagten abgestellt. Denn bei einer Mehrzahl von Ansprüchen oder Beklagten ist die Zuständigkeit für jeden einzelnen Streitgegenstand gesondert zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2017 - 6 AV 1.17 [[X.]:[X.]:[X.]] - NVwZ-RR 2017, 676 Rn. [X.], in: [X.], VwGO, 14. Aufl. 2014, § 52 Rn. 8). Das führt im vorliegenden Fall wegen der beabsichtigten Inanspruchnahme aller Antragsgegner als Gesamtschuldner zu einer örtlichen Zuständigkeit mehrerer Verwaltungsgerichte in [X.] (Antragsgegner zu 1 und 4), [X.] (Antragsgegner zu 2) und [X.] (Antragsgegner zu 3).

7

Die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung eines gemeinsamen Verwaltungsgerichts käme im vorliegenden Fall nur in Betracht, wenn anzunehmen wäre, dass zwischen den [X.] eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1 ZPO bestünde (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1992 - 4 ER 403.91 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 18 m.w.N.). Das ist jedoch nicht der Fall. Die Antragsgegner werden zwar von der Klägerin aus einem einheitlichen haftungsbegründenden Sachverhalt in Anspruch genommen. Eine Haftung als Gesamtschuldner bedeutet jedoch nicht, dass das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO nur einheitlich festgestellt werden könnte oder ihre Streitgenossenschaft aus einem anderen Grund eine notwendige wäre (BVerwG, Beschlüsse vom 1. Dezember 1993 - 2 AV 7.93 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 23 und vom 22. November 1999 - 11 AV 2.99 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 27).

8

Das verkennt auch die Antragstellerin nicht, möchte aber für ihre Klage gegen mehrere Gesamtschuldner in verschiedenen Bundesländern in Anlehnung an die in § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorgesehene Möglichkeit, auch für einfache Streitgenossen unter bestimmten Voraussetzungen ein zuständiges Gericht zu bestimmen, die Zuständigkeit eines [X.] Verwaltungsgerichts begründet wissen. Damit vernachlässigt sie, dass eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 53 VwGO, der keine § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechende Regelung enthält, nur in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsgerichtsordnung für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen im konkreten Fall keine widerspruchsfreie Zuweisung der gerichtlichen Zuständigkeiten vorsieht (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2017 - 6 AV 1.17 - NVwZ-RR 2017, 676 Rn. 12 m.w.N.). Denn die örtlichen Zuständigkeitsregelungen der Verwaltungsgerichtsordnung werden nicht von Gesichtspunkten des Sachzusammenhangs oder prozessökonomischer Zweckmäßigkeit bestimmt (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Februar 1993 - 4 ER 404.92 - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 34 und vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 28). Wegen der abschließenden gesetzlichen Regelung in § 53 VwGO kann § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO weder über § 173 Satz 1 VwGO noch im Wege des [X.] zur Anwendung gelangen.

Meta

6 AV 1/18

10.04.2018

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. Februar 2018, Az: 5 F 11/17, Beschluss

§ 52 Nr 5 VwGO, § 53 Abs 1 Nr 3 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO, § 62 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.04.2018, Az. 6 AV 1/18 (REWIS RS 2018, 11119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11119

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.