Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 3 AV 4/22

3. Senat | REWIS RS 2022, 4708

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Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den [X.] (Antragsgegner zu 1) und die [X.] (Antragsgegnerin zu 2), mit der festgestellt werden soll, dass die [X.]escheinigung des Antragsgegners zu 1, mit der der Antragstellerin bescheinigt wird, dass sie ab dem 29. Dezember 2021 bis zum 31. Mai 2022 als Genesene im Sinne von § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ([X.] - [X.]) vom 8. Mai 2021 sowie § 2 Abs. 2 Nr. 12 [X.]uchst. b der [X.] Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 ([X.] SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung - ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) vom 30. Juni 2021 in der jeweils gültigen Fassung gelte, unverändert bis zum 31. Mai 2022 Geltung habe.

2

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat die am 30. November 2021 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestete Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15. März 2022 beim [X.] gestellt; das Verfahren wurde dort zunächst zusammen gegen beide Antragsgegner unter dem Aktenzeichen 8 E 462/22 We geführt. Mit Schreiben vom 27. April 2022 hat das [X.] der Antragstellerin den Hinweis erteilt, dass es für das Verfahren gegen die [X.], der es den Antrag nun auch zugestellt habe, örtlich nicht zuständig sei; das ergebe sich aus der zwingenden Vorschrift des § 52 Nr. 2 VwGO. Es werde beabsichtigt, das Verfahren insoweit abzutrennen und an das örtlich allein zuständige [X.] zu verweisen. Hierzu werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

3

Die Antragstellerin hat daraufhin unter dem 10. Mai 2022, dort eingegangen am 11. Mai 2022, beim [X.] Oberverwaltungsgericht beantragt, in der Sache gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO das zuständige Gericht zu bestimmen. Unter demselben Datum hat sie das [X.] gebeten, den angekündigten Verweisungsbeschluss zurückzustellen, bis das Oberverwaltungsgericht über ihren Antrag entschieden habe.

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Mit [X.]eschluss vom 21. April 2022 hat das [X.] das Verfahren gegen die Antragsgegnerin zu 2 gestützt auf § 93 Satz 2 VwGO abgetrennt; das abgetrennte Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 8 [X.]/22 We weitergeführt. Im Übersendungsschreiben vom 12. Mai 2022 an die Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass aufgrund der Eintragung in dem [X.] jedenfalls am 31. Mai 2022 endgültig die Erledigung eintrete, da dann der im [X.] genannte Zeitraum ablaufe. Das Gericht werde die Verweisung des neuen Verfahrens 8 [X.]/22 We wie von der Antragstellerin gewünscht zurückstellen. Sollte das [X.] Oberverwaltungsgericht vorher nicht entscheiden und somit die endgültige Erledigung eingetreten sein, dürfte die Verweisung ohnehin überflüssig sein.

5

Das [X.] Oberverwaltungsgericht hat nach Anhörung der [X.]eteiligten mit [X.]eschluss vom 17. Mai 2022 das Verfahren über den Antrag auf [X.]estimmung des zuständigen Gerichts nach § 53 VwGO an das [X.] verwiesen. Es sei für eine Entscheidung über die gerichtliche Zuständigkeit unzuständig. Nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag der Antragstellerin komme nach § 52 VwGO in dem zugrunde liegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowohl die Zuständigkeit des [X.] als auch die des [X.] in [X.]etracht. Das für die Zuständigkeitsbestimmung zuständige nächsthöhere Gericht im Sinne des § 53 Abs. 1 VwGO sei das den Gerichten, deren Zuständigkeit in [X.]etracht komme, gemeinsam übergeordnete Gericht; das sei bei Gerichten verschiedener Länder - wie das hier der Fall sei - das [X.]. Daher sei der Antrag an das [X.] zu verweisen.

6

2. Der Antrag auf [X.]estimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

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Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 53 Abs. 3 VwGO sind nicht erfüllt, weil nach der Abtrennung des Verfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 2 durch das [X.] nicht mehr - wie in § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vorausgesetzt - die Zuständigkeit verschiedener Gerichte für ein Verfahren in [X.]etracht kommt.

8

Nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO wird das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 VwGO richtet und verschiedene Gerichte in [X.]etracht kommen. Kommen Gerichtsstände in mehreren [X.]undesländern in [X.]etracht, ist das nächsthöhere Gericht im Sinne dieser Regelung das [X.] (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 24. Juli 1962 - 7 ER 420.62 - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 2 S. 2 und vom 29. Mai 2017 - 3 AV 2.16 - NVwZ-RR 2017, 713 Rn. 5).

9

Hier hat das [X.] mit [X.]eschluss vom 21. April 2022 das Verfahren gegen die Antragsgegnerin zu 2 nach § 93 Satz 2 VwGO abgetrennt; nach dieser [X.]estimmung kann das Gericht anordnen, dass mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden. Die Abtrennung bewirkt, dass die zuvor in einem einheitlichen Verfahren geführten Anträge nunmehr in rechtlich selbständigen Verfahren gesondert geführt werden (vgl. [X.], in: [X.], VwGO, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 8; Rudisile, in: [X.]/[X.], VwGO, Stand 42. EL Februar 2022, § 93 Rn. 26).

Der [X.]eschluss des [X.] ist gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar; nach dieser [X.]estimmung können u. a. [X.]eschlüsse über die Trennung von Verfahren nicht mit der [X.]eschwerde angefochten werden. Die Unanfechtbarkeit der Abtrennung hat zur Folge, dass sie in einem [X.]erufungs- oder Revisionsverfahren als dem Endurteil vorausgegangene Entscheidung nicht der [X.]eurteilung durch das Rechtsmittelgericht unterläge (§ 146 Abs. 2, § 173 VwGO i. V. m. § 512 und § 557 Abs. 2 ZPO; vgl. dazu u. a. Rudisile, a. a. O. § 93 Rn. 27). Das gilt in gleicher Weise in einem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 53 VwGO für das zur Klärung der Zuständigkeit angerufene Gericht. Zwar wird von dieser Prüfungsbeschränkung die unanfechtbare Vorentscheidung nur als unmittelbarer Gegenstand einer Revisionsrüge ausgeschlossen; dem Revisionsgericht wird nicht die Nachprüfung derjenigen Folgerungen entzogen, die die Vorinstanz aus der durch die Vorentscheidung geschaffenen Prozesslage für die mit der Revision angefochtene Entscheidung gezogen hat. Daher wird im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung die Rüge eines [X.] dann als zulässig angesehen, wenn sie sich nicht gegen die Vorentscheidung selbst wendet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung dem angefochtenen Urteil selbst anhaftet. Insoweit kann sie einen Verfahrensmangel begründen, auf dem das angefochtene Urteil beruht (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 1972 - 8 C 84.70 - [X.]E 39, 319 <323 f.> und [X.]eschluss vom 10. Februar 2015 - 6 [X.] 3.15 - NJW 2015, 2599 Rn. 18). [X.]ei der Zuständigkeitsbestimmung nach § 53 VwGO liegt eine vergleichbare prozessuale Situation nicht vor. Es fehlt an einer rechtsmittelfähigen Entscheidung, gegen die eine Verfahrensrüge erhoben werden könnte. Das [X.] ist im vorliegenden Verfahren nicht Rechtsmittelgericht. Mit dem [X.]eschluss des [X.] über die Abtrennung ist vielmehr lediglich die gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbare Vorentscheidung ergangen.

Aus der Unanfechtbarkeit des [X.]eschlusses über die Abtrennung des Verfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 2 folgt zugleich, dass die Antragstellerin deren Wirksamkeit nicht mit dem Einwand in Frage stellen kann, bei dem Antragsgegner zu 1 und der Antragsgegnerin zu 2 handele es sich um notwendige Streitgenossen, weshalb die Abtrennung rechtswidrig sei (vgl. zu dem bei notwendiger Streitgenossenschaft bestehenden Abtrennungsverbot u. a. Rudisile, a. a. O. § 93 Rn. 22). Es unterliegt nicht der Überprüfung durch das für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 53 VwGO zuständige Gericht, ob die Abtrennung rechtmäßig war. Es ist nicht Sinn eines Verfahrens zur [X.]estimmung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts, Rechtsfragen, die im eigentlichen Verfahren zu klären sind, abschließend zu entscheiden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 7. Mai 1996 - 2 AV 1.95 - NVwZ 1996, 998). Ebenso wenig hätte eine etwaige Rechtswidrigkeit der Abtrennung zur Folge, dass das Erfordernis einer Zuständigkeitsbestimmung fortbestünde. Die Abtrennung ist mit [X.]lick auf § 146 Abs. 2 VwGO rechtswirksam erfolgt. Unerheblich ist schließlich aufgrund der sich bereits aus der Abtrennung ergebenden Rechtsfolgen, ob das [X.] das abgetrennte Verfahren außerdem bereits an das [X.] verwiesen hat.

Meta

3 AV 4/22

09.08.2022

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 17. Mai 2022, Az: 1 SO 265/22, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 3 AV 4/22 (REWIS RS 2022, 4708)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4708

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