Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.09.2020, Az. 6 AV 6/20

6. Senat | REWIS RS 2020, 4098

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Gegenstand

Keine erneute Zuständigkeitsbestimmung


Leitsatz

Ist die Zuständigkeit eines Gerichts einmal bestimmt worden, bleibt kein Raum für einen erneuten Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit nach § 53 VwGO.

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Der Antragsteller hat im Schuljahr 2019/20 die Abiturprüfung an der [X.] in [X.], einer [X.] Auslandsschule, nicht bestanden. Dagegen hat er Widerspruch erhoben.

2

Sein Prozessbevollmächtigter hat zunächst die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das [X.] gemäß § 53 Abs. 2 VwGO beantragt. Dabei hat er angekündigt, nach Abgabe an das zuständige Verwaltungsgericht zu beantragen, dem Antragsgegner zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, für den Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern anzusetzen, hilfsweise der Antragsgegnerin zu 2 und äußerst hilfsweise dem Antragsgegner zu 3 aufzugeben, den Antragsgegner zu 1 dazu anzuweisen.

3

Daraufhin hat das [X.] mit Beschluss vom 8. Juli 2020 - BVerwG 6 AV 4.20 - für das gegen den Antragsgegner zu 1 geführte Verfahren wegen Nichtbestehens der Reifeprüfung das [X.] bestimmt. In den Gründen des Beschlusses hat es ausgeführt, dass die gegenüber den [X.] zu 2 und 3 gestellten Hilfsanträge für die Entscheidung über die Zuständigkeitsbestimmung ohne Bedeutung seien. Die Begehren begründeten keine notwendige Streitgenossenschaft auf der [X.] und blieben außer Betracht.

4

Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2020 hat der Antragsteller bei dem [X.] beantragt,

1) dem Antragsgegner zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, für den Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern [X.], Mathematik und [X.] anzusetzen,

hilfsweise durch die Schulleiterin der [X.] [X.] nach Anhörung der [X.] festlegen zu lassen, für den Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern [X.], Mathematik und [X.] anzusetzen,

hilfsweise mit dem Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den Fächern Mathematik und [X.] durchzuführen,

2) der Antragsgegnerin zu 2 im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, den Antragsgegner zu 1 anzuweisen, nach Maßgabe von 1) zu verfahren und

3) dem Antragsgegner zu 3 im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, den Antragsgegner zu 1 anzuweisen, nach Maßgabe von 1) zu verfahren.

5

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. August 2020 nach Anhörung der Beteiligten das Verfahren über den Antrag gegen die Antragsgegnerin zu 2 abgetrennt, sich insoweit für örtlich unzuständig erklärt und diesen Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Den Gründen ist zu entnehmen, dass sich die Zuständigkeit des [X.] für eine Verpflichtung der Bundesrepublik [X.]land zu einem aufsichtlichen Einschreiten gegenüber dem Schulträger aus § 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO ergebe. Zu der vom Antragsteller angeregten Anrufung des [X.]s zur Zuständigkeitsbestimmung bestehe kein Anlass. Ein Fall insbesondere des § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO liege nicht vor, da die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft auf der [X.] hinsichtlich der im Ausgangsverfahren gegen alle Antragsgegner gerichteten Begehren nicht gerechtfertigt sei. Denn über die Verpflichtung zum einen gegenüber dem Schulträger zur Ansetzung zusätzlicher mündlicher Prüfungen und zum anderen gegenüber den Rechtsträgern der Aufsichtsbehörden auf aufsichtliches Einschreiten müsse weder aus prozessualen noch aus materiellrechtlichen Gründen zwingend einheitlich entschieden werden.

6

Mit Schriftsatz vom 21. August 2020 hat der Antragsteller beim [X.] beantragt, für die Verfahren [X.] 1377/20 und [X.] 1625/20 das zuständige Gericht zu bestimmen.

II

7

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist hinsichtlich des Verfahrens gegenüber dem Antragsgegner zu 1 ([X.] 1377/20) unzulässig, da das [X.] insoweit bereits mit Beschluss vom 8. Juli 2020 - BVerwG 6 AV 4.20 - das [X.] als zuständig bestimmt hat. Nach einer konstitutiv wirkenden Zuständigkeitsbestimmung ist kein Raum mehr für eine erneute Entscheidung nach § 53 VwGO. Hinsichtlich der kumulativen Begehren auf aufsichtliches Einschreiten gegenüber den [X.] zu 2 und 3 ist der Antrag unbegründet. Eine Zuständigkeitsbestimmung kommt insoweit nicht in Betracht, da das Prozessrecht eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit beinhaltet.

8

Bei einer Mehrzahl von Ansprüchen oder [X.] ist die Zuständigkeit für jeden einzelnen Streitgegenstand und damit für jedes Prozessrechtsverhältnis gesondert zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2017 - 6 AV 1.17 [[X.]:[X.]:[X.]] - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 39 Rn. [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 52 Rn. 8).

9

Für die Entscheidung im Verfahren gegenüber der Bundesrepublik [X.]land (ursprüngliche Antragsgegnerin zu 2 und Beteiligte im Verfahren [X.] 1625/20) ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des [X.] aus § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.]. Unabhängig davon, dass die Begründung des [X.] im Beschluss vom 18. August 2020 zutrifft, äußert der Verweisungsbeschluss Bindungswirkung. Damit steht er einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 53 VwGO entgegen. Für das Begehren auf aufsichtliches Einschreiten gegenüber dem [X.] ist das [X.] gemäß § 52 Nr. 3 Satz 1 und 5 VwGO örtlich zuständig.

[X.] eines (erneuten) Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung wendet sich der Antragsteller in Wirklichkeit gegen die Rechtsauffassung sowohl des beschließenden Senats als auch des [X.], seine zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Begehren begründeten keine notwendige Streitgenossenschaft auf der [X.] und deshalb sei keine alle Anträge übergreifende Zuständigkeitsbestimmung nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO zu treffen. Ein Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist aber kein Ersatz für eine durch § 83 Satz 2 VwGO ausgeschlossene Beschwerde gegen [X.]. Im Übrigen verschließt sich der Antragsteller der Einsicht, dass über die Verpflichtung zum einen gegenüber dem Schulträger zur Ansetzung zusätzlicher mündlicher Prüfungen und zum anderen gegenüber den Rechtsträgern der Aufsichtsbehörden auf aufsichtliches Einschreiten weder aus prozessualen noch aus materiellrechtlichen Gründen zwingend einheitlich entschieden werden muss. Seine Befürchtung, Gerichte könnten zu einem Punkt, der sich in einem Rechtsstreit vor dem einen Verwaltungsgericht unmittelbar und in einem anderen Verfahren vor einem anderen Verwaltungsgericht als Vorfrage stellt, unterschiedliche Entscheidungen treffen, begründet keine notwendige Streitgenossenschaft.

Für den Fall der einfachen Streitgenossenschaft enthält die Verwaltungsgerichtsordnung keine dem § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechende Regelung. Denn die örtlichen Zuständigkeitsregelungen in § 52 VwGO werden nicht von Gesichtspunkten des Sachzusammenhangs oder prozessökonomischer Zweckmäßigkeit bestimmt (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Februar 1993 - 4 ER 404.92 - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 34 und vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 28). Wegen der abschließenden gesetzlichen Regelung in § 53 VwGO kann § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO weder über § 173 Satz 1 VwGO noch im Wege des [X.] zur Anwendung gelangen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. April 2018 - 6 AV 1.18 [[X.]:[X.]:[X.]] - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 40 Rn. 8 zur Klage gegen Gesamtschuldner als einfache Streitgenossen).

Meta

6 AV 6/20

03.09.2020

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

vorgehend VG Düsseldorf, 18. August 2020, Az: 18 L 1377/20 und 18 L 1625/20, Beschluss

§ 52 Nr 2 S 1 VwGO, § 52 Nr 2 S 2 VwGO, § 52 Nr 3 S 1 VwGO, § 52 Nr 3 S 5 VwGO, § 53 Abs 1 Nr 3 VwGO, § 83 VwGO, § 17a Abs 2 S 3 GVG, § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.09.2020, Az. 6 AV 6/20 (REWIS RS 2020, 4098)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4098

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