Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.03.2010, Az. I ZR 75/08

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7879

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[X.] DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 31. März 2010 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja Ohne 19% Mehrwertsteuer UWG (2004) §§ 3, 4 Nr. 1 Eine Werbung mit der Angabe "Nur heute Haushaltsgroßgeräte ohne 19% Mehrwertsteuer" beeinflusst Verbraucher auch dann nicht in [X.] und unsachlicher Weise [X.] von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG bei ihrer Kaufent-scheidung, wenn die Werbung erst am Tag des in Aussicht gestellten Rabattes erscheint. [X.], Urteil vom 31. März 2010 - [X.]/08 - [X.] LG Stuttgart
- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 31. März 2010 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Bergmann und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 17. April 2008 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 28. September 2007 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien sind Wettbewerber unter anderem auf dem Gebiet des [X.]. Die Beklagten gehören zur [X.]. Sie warben am 4. Januar 2007 unmittelbar nach Heraufsetzung der Mehrwertsteuer von 16% auf 19% im [X.] mit einer Anzeige, die wie folgt gestaltet war: 1 - 3 - - 4 - Eine entsprechende Werbung für [X.], DVDs und [X.] veröf-fentlichten die Beklagten am 5. Januar 2007 in der [X.]. In einem mit Sternchen gekennzeichneten Zusatz fand sich zudem noch folgender Hin-weis: "Sparen Sie volle 19% vom Verkauf". 2 3 Die Klägerin hat die Werbung nach § 4 Nr. 1 UWG als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie hat vorgebracht, das Angebot habe nur für eine unangemes-sen kurze Zeit bestanden mit der Folge, dass zumindest den berufstätigen Verbrauchern ein Preisvergleich aufgrund des dadurch erzeugten Zeitdrucks nicht mehr möglich gewesen sei. Die Beklagten haben demgegenüber insbesondere geltend gemacht, durch die beanstandete Werbung werde kein unangemessener Druck auf die Kaufentscheidung der Verbraucher ausgeübt. Ebenso wenig könne von einem unlauteren übertriebenen Anlocken die Rede sein. 4 Das [X.] hat den Beklagten entsprechend dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin verboten, 5 mit der Angabe "Ohne 19% Mehrwertsteuer" zu werben, sofern in der Ankündigung für einen einzigen Verkaufstag, der mit dem Veröffentli-chungsdatum identisch ist, geworben wird. Darüber hinaus hat es der Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 810,10 • nebst Zinsen zuerkannt. 6 7 Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben ([X.] 2008, 643). - 5 - Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei-sung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageab-weisung weiter. 8 Entscheidungsgründe: 9 [X.] Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem [X.] an-genommen, dass die streitgegenständliche Werbung der Beklagten gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG verstößt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die angegriffene Werbung sei unlauter, weil sie die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher unangemessen unsachlich beeinflusse. Zwar sei die Gewäh-rung von Rabatten nach Abschaffung des Rabattgesetzes zulässig. Eine sehr kurze zeitliche Befristung einer Rabattaktion könne aber unlauter sein, wenn der Verbraucher vor der Nachfrageentscheidung keine ausreichende Möglichkeit eines Preisvergleichs habe. Ob der zur Verfügung stehende Zeitraum angemes-sen sei, bestimmten die Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen der Art der [X.] Ware sowie dem Kaufpreis eine gewichtige Rolle zu. 10 Unter den Umständen des Streitfalls habe dem Verbraucher nicht ausrei-chend Zeit zur Verfügung gestanden, um die Vor- und Nachteile einer Kaufent-scheidung abzuwägen. Die beanstandete Werbung habe auch [X.] umfasst, deren Kaufpreis sich im drei- und vierstelligen Bereich bewege. Der Verbraucher habe ein Interesse daran, den Preis und die Technik der beworbe-nen Ware mit anderen Produkten zu vergleichen. Ein Zeitraum von wenigen Abendstunden, wie er Berufstätigen nur zur Verfügung gestanden habe, reiche für einen Preisvergleich bei Elektrogroßgeräten regelmäßig nicht aus. Es könne nicht angenommen werden, dass der Verbraucher den Markt jener Produkte kenne. 11 - 6 - I[X.] Die dagegen gerichtete Revision ist begründet. Sie führt zur Abwei-sung der Klage. 12 13 1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die [X.] des am 30. Dezember 2008 in [X.] getretenen Gesetzes zur [X.] den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 ([X.] I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf [X.] gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zum Zeitpunkt ihrer Bege-hung wettbewerbswidrig war. Das beanstandete Verhalten war zum fraglichen Zeitpunkt im Januar 2007 nicht unlauter [X.] von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG 2004. [X.] hat sich auch durch die für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften der Richtlinie 2005/29/[X.] (Art. 8 und 9) nichts geändert (vgl. [X.], [X.], 841, 842 f.). Es ist deshalb nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden. Für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist ohnehin die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung maßgeblich (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urt. v. 11.3.2009 - I ZR 194/06, [X.], 1064 [X.]. 13 = [X.], 1229 - Geld-zurück-Garantie II; Urt. v. 18.6.2009 - I ZR 224/06, [X.], 247 [X.]. 9 = [X.], 237 - Solange der Vorrat reicht). 2. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung der Verbraucher zusteht (§ 4 Nr. 1 UWG). 14 a) Der Beispielstatbestand des § 4 Nr. 1 UWG erfasst im Bereich der [X.] nur Wettbewerbshandlungen, durch die ein unangemessener 15 - 7 - unsachlicher Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher ausgeübt wird. Eine Werbeaussage ist nicht schon dann unlauter, wenn das Kaufinteresse lediglich durch einen Rabatt in Höhe von 19% vom Kaufpreis geweckt wird. Die damit verbundene Anlockwirkung ist nicht wettbewerbswidrig, sondern liegt als gewollte Folge in der Natur des Leistungswettbewerbs (vgl. [X.], Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 157/98, [X.], 287, 288 = [X.], 94 - Widerruf der Erledigungserklärung; Urt. v. 22.5.2003 - I ZR 8/01, [X.], 1057 = [X.], 1428 - Einkaufsgutschein, jeweils zu § 1 UWG a.F.). b) Die Schwelle zur wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit ist nur über-schritten, wenn die geschäftliche Handlung geeignet ist, in der Weise unange-messenen unsachlichen Einfluss auszuüben, dass die freie Entscheidung der Verbraucher beeinträchtigt zu werden droht (vgl. [X.] 164, 153, 157 - Arten-schutz; [X.], Urt. v. 13.11.2003 - [X.], [X.], 249, 250 - Umgekehrte Versteigerung im [X.]; Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 212/00, [X.], 626, 627 = [X.]; 742 - Umgekehrte Versteigerung II; Urt. v. 22.1.2009 - I ZR 31/06, [X.], 875 [X.]. 12 = [X.], 950 - Jeder 100. Einkauf gratis). Diese Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn ein Fall einer aggressiven Geschäftspraktik [X.] der Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 2005/29/[X.] gegeben ist ([X.] in [X.]/[X.], UWG, 28. Aufl., § 4 [X.]. 1.2a; [X.]., [X.], 841, 842 f.). Die Vorschrift des Art. 8 der [X.] 2005/29/[X.] verlangt für die Annahme einer aggressiven Geschäftspraktik, dass der Verbraucher durch die unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder vor-aussichtlich erheblich beeinträchtigt wird und dadurch tatsächlich oder voraus-sichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine unzulässige Beeinflussung erfordert nach Art. 2 lit. j der genannten Richtlinie die Ausnutzung einer Machtposition gegen-über dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des 16 - 8 - Verbrauchers zu einer informationsgeleiteten Entscheidung wesentlich ein-schränkt. Bei der Feststellung, ob im Rahmen einer Geschäftspraktik das Mittel einer unzulässigen Beeinflussung eingesetzt wird, sind die in Art. 9 der Richtlinie 2005/29/[X.] beschriebenen Umstände heranzuziehen. 17 Für die Annahme einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung [X.] des § 4 Nr. 1 UWG durch Werbung mit einem Preisrabatt müssen zu dem in Aussicht gestellten Nachlass daher besondere Unlauterkeitsumstände hinzutre-ten, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informationsgeleiteten Ent-scheidung wesentlich zu beeinträchtigen drohen. Diese können bei einer zeitli-chen Begrenzung der Werbeaktion darin liegen, dass dem Verbraucher nur eine unangemessen kurze Überlegungszeit zusteht (vgl. [X.] [X.], 249, 251 - Umgekehrte Versteigerung im [X.]). Unzulässig können daher übersteigert zeitgebundene Angebote sein, die den potentiellen Kunden unter starken [X.] setzen, um ihn zu einem schnellen und unüberlegten Kaufentschluss zu bewegen ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 [X.]. 1.95). c) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Unrecht einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 1 UWG angenommen. Seine Beurteilung ist mit der Lebenserfahrung nicht zu vereinbaren. 18 Die Annahme des Berufungsgerichts, eine rationale Kaufentscheidung setze einen vollständigen Preisvergleich voraus, ist [X.]. Der mün-dige Verbraucher ist durchaus in der Lage, mit einem Kaufanreiz - wie dem im Streitfall - in rationaler Weise umzugehen. Zwar wurde die Werbung erst an dem Tag veröffentlicht, an dem auch der Rabatt gewährt wurde. Dieser Rabatt betrug auch mit 19% nahezu ein Fünftel des ([X.], den der Verbraucher der Werbung selbst allerdings nicht entnehmen konnte. Der [X.] aber immerhin während der gesamten Öffnungszeit an einem Wochentag in 19 - 9 - Aussicht gestellt. Die beworbenen Artikel - Haushaltsgroßgeräte, [X.], DVDs und Software - sind im Allgemeinen in ausreichendem Maß auf dem Markt er-hältlich und unschwer zugänglich. Einen Preisüberblick können sich die Verbraucher beispielsweise auch im [X.] verschaffen. Selbst wenn sie den-noch keine Gelegenheit zu einem ausführlichen Preisvergleich haben sollten, werden sie allein aufgrund der Werbung keine unüberlegten Kaufentschlüsse treffen. Das schließt zwar die Möglichkeit ein, dass sich einzelne Verbraucher auch ohne (vollständigen) Preisvergleich zu einem Kauf entschließen und da-durch riskieren, dass ihnen ein noch günstigeres Angebot eines Mitbewerbers der Beklagten entgeht. Diese Situation ist jedoch nicht ungewöhnlich. Vielmehr kommt es im Handel häufig vor, dass sich Verbraucher kurzfristig zu einem Kauf entschließen, ohne einen umfassenden Preisvergleich vorzunehmen. Sofern sich der Verbraucher ohne einen solchen Vergleich zum Kauf entschließt, han-delt er bewusst und geht freiwillig das genannte Risiko ein. Bei teuren Artikeln, bei denen die Anschaffungskosten unter Umständen eine beträchtliche Investiti-on darstellen, wird der Verbraucher ohnehin von dem Angebot erfahrungsge-mäß nur nach reiflicher Überlegung Gebrauch machen. Bei günstigen Angebo-ten wird der Durchschnittsverbraucher gerade nicht derart übertrieben ange-lockt, dass er unüberlegte Entscheidungen trifft. 3. Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer gezielten [X.] von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG) begründet. Einem Unternehmen steht es grundsätzlich frei, seine Preise in eigener Verantwortung zu gestalten und die Preise der Konkurrenten insbesondere auch beim Verkauf identischer Waren zu unterbieten ([X.], Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 144/03, [X.], 596 [X.]. 13 = [X.] 2006, 888 - 10% billiger; Urt. v. 2.10.2008 - I ZR 48/06, [X.], 416 [X.]. 13 = [X.], 432 - [X.]). Einen Verkauf unter Einstandspreis hat die Klägerin nicht dargetan. 20 - 10 - 21 4. Da der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zusteht, hat sie auch kei-nen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten. 22 II[X.] Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzu-heben. Die Klage ist unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuwei-sen. 23 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. [X.] Pokrant Büscher
Bergmann Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/07 KfH - [X.], Entscheidung vom 17.04.2008 - 2 U 82/07 -

Meta

I ZR 75/08

31.03.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.03.2010, Az. I ZR 75/08 (REWIS RS 2010, 7879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7879

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