Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2012, Az. XI ZB 31/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8506

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 31/11

vom

6. März 2012

in dem Rechtsstreit

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2
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Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Richter Dr.
Joeres,
Dr.
Ellenberger, [X.], Dr.
Matthias und Pamp

am 6.
März 2012

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 30.
August 2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 17.992

Gründe:

I.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf die Feststellung in Anspruch, dass [X.] aus der Finanzierung eines [X.] nicht mehr bestehen. Die Klage ist durch Teilurteil des [X.] vom 1.
April 2011 abgewiesen worden, nachdem die gleichfalls beklagte [X.] des Kraftfahrzeuges insolvent geworden war. Das Teilurteil ist dem Kläger am 18.
April 2011 zugestellt worden. Mit Fax vom 17.
Mai 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] Berufung eingelegt und beantragt, ihm die Gerichtsakten in seine Kanzlei zu übermitteln.
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Am 25.
Mai 2011 hat der Vorsitzende des [X.] die Beru-fungsbegründungsfrist auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des [X.] um einen Monat verlängert. Am 11.
Juli 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Monat beantragt, da ihm die Akten noch nicht vorlägen. Am selben Tage ist er auf die fehlende Zustimmung des Gegners zu diesem Fristverlängerungsge-such hingewiesen worden. Zugleich sind ihm die Akten für drei Tage auf seine Kanzlei überlassen worden, in der sie am 13.
Juli 2011 eingegangen sind. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat dem Berufungsgericht am selben Tage mitgeteilt, dass sein IT-System ausgefallen sei, dass er am 14.
Juli 2011 zwei Notfristen wahren und am 15.
Juli 2011 vor einem auswärtigen [X.] auftreten müsse. Deshalb seien ihm eine sorgfältige Akteneinsicht sowie die rechtzeitige Erstellung der Berufungsbegründung nicht möglich. Zugleich hat er angefragt, ob er die Akten zurückgeben solle. Am 14.
Juli 2011 hat der Vorsitzende des [X.] den zweiten Fristverlängerungsantrag des Prozessbevollmächtigten des [X.] zurückgewiesen, weil die zwingende Einwilligung des Gegners nicht erteilt worden sei und für eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nach §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO kein Raum sei. [X.] erneuten Antrag hat der Vorsitzende des [X.] am 15.
Juli 2011 mangels Einwilligung des Gegners zurückgewiesen. Mit Verfügung vom 20.
Juli 2011 ist der Prozessbevollmächtigte des [X.] darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, seine Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil das Rechtsmittel nicht innerhalb der am 18.
Juli 2011 abgelaufenen Frist [X.] worden sei. Mit handschriftlichem Telefax vom 25.
Juli 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] die erneute Übersendung der [X.] sowie die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat ihm daraufhin am 26.
Juli 2011 Akteneinsicht auf [X.] Geschäftsstelle bis zum 1.
August 2011 gewährt. Am 29.
Juli 2011 hat der 2
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Prozessbevollmächtigte des [X.] beantragt, die Entscheidung über die [X.] abzuändern, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilli-gen und ihm die Akten herauszugeben. Diese Beschwerde hat das Berufungs-gericht mit Beschluss vom 8.
August 2011 zurückgewiesen. Dem Prozessbe-vollmächtigten des [X.] hat es erneut Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle bis zum 15.
August 2011 bewilligt und ihm ausdrücklich gestattet, sich Ausferti-gungen, Auszüge und Abschriften erteilen zu lassen. Hiergegen hat der Pro-zessbevollmächtigte des [X.] am 15.
August 2011 Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 30.
August 2011 hat das Berufungsgericht die
Beru-fung und die
Beschwerde als unzulässig verworfen und den [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerde gegen die Art der Akteneinsichtsge-währung sei unzulässig. Die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht binnen der verlängerten Frist begründet und eine weitere Verlängerung mangels Einwilli-gung des Gegners nicht gewährt worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei unzulässig, da die Berufungsbegründung als versäumte Handlung nicht in-nerhalb der Monatsfrist nachgeholt worden sei. Zudem sei der Kläger nicht oh-ne sein Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert gewesen. [X.] sei dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 13.
Juli 2011 ge-währt worden, wobei die Akte keinen so erheblichen Umfang gehabt habe, dass sie nicht innerhalb kurzer Frist habe bearbeitet werden können.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574
Abs.
1
Nr.
1 [X.]. §§
522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des §
574
Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die 3
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Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29.
Mai 2002 -
V
ZB 11/02, [X.]Z 151, 42, 43, vom 4.
Juli 2002 -
V
ZB 16/02, [X.]Z 151, 221, 223 und vom 7.
Mai 2003 -
XII
ZB 191/02, [X.]Z 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, noch zur Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§
574
Abs.
2
ZPO) erforderlich. Der angefochtene Beschluss des [X.] beruht auf einer einzelfallbezo-genen, [X.] Begründung im Einklang mit der
höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt nicht den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG [X.]. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.] 77, 275, 284; [X.], NJW 2003, 281).
1. Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründungsfrist rechtsfehler-frei und von der Rechtsbeschwerde unangegriffen als versäumt angesehen, weil der Kläger die Berufung nicht innerhalb der um einen Monat bis zum 18.
Juli 2011 verlängerten
Frist begründet hat (§
520 Abs.
2 ZPO).
2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der
Rechtsbe-schwerde auch den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist rechtsfehlerfrei ab-gelehnt, weil der Kläger nicht ohne sein Verschulden und das seines Prozess-bevollmächtigten (§
85 Abs.
2
ZPO) gehindert war, diese Frist einzuhalten (§
233 ZPO).
a) Der Kläger durfte allerdings auf die Bewilligung der am 11. und 14.
Juli 2011 beantragten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen [X.] Monat, d.h. bis zum 18.
August 2011, vertrauen. Da die erste Fristverlän-5
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gerung vom 25.
Mai 2011 mit dem versicherten Einverständnis des Gegners erfolgt war, hätte die Frist auf den Antrag vom 11. bzw. 14.
Juli 2011 gemäß §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO auch ohne Einwilligung des Gegners um einen weite-ren Monat verlängert werden können. Gleichwohl entschuldigt die durch die Verfügungen vom 14. bzw. 15.
Juli 2011 rechtsfehlerhaft abgelehnte Fristver-längerung um einen weiteren Monat die Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist nicht, weil der Kläger die Berufung auch innerhalb dieses Monats, d.h. bis zum 18.
August 2011, nicht begründet hat.
b) Auch die Behandlung der Akteneinsichtsgesuche des Prozessbevoll-mächtigten des [X.]
durch das Berufungsgericht hat den Kläger, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht an der Einhaltung der Berufungsbegrün-dungsfrist gehindert.
aa) Zwar erfolgt die Gewährung von Akteneinsicht -
auch auswärts
-

grundsätzlich auf der Geschäftsstelle eines Gerichts ([X.], Urteil vom 12.
De-zember 1960 -
III
ZR
191/59,
NJW 1961, 559; Beschluss vom 23.
November 1972 -
IX
ZR
29/71, [X.] 1973, 580; [X.], ZIP 1990, 1369; OLG
Brandenburg, NJW-RR 2000, 1091). Nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, der dabei die arbeitsorganisatorischen Belange des Gerichts und die nie völlig auszuschließende Verlustgefahr bei der Übersendung von Akten sowie die berechtigten Belange insbesondere nicht am Gerichtsort ansässiger Parteien und ihrer Rechtsanwälte gegeneinander abzuwägen hat, kommt [X.] auch eine kostenpflichtige Übersendung in eine Rechtsanwaltskanzlei in Betracht, wenn die Akten entbehrlich sind und der Empfänger vertrauenswürdig ist ([X.], Beschluss vom 23.
November 1972 -
IX
ZR
29/71, [X.] 1973, 580; [X.], ZIP 1990, 1369; [X.]/Prütting, 3.
Aufl., §
299 Rn.
11; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
299 Rn.
4a; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
299 Rn.
2).
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7
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bb) Mit diesen Grundsätzen steht
die erfolgte Überlassung der [X.] in die Kanzlei des Klägervertreters ab dem 13.
Juli 2011 für drei [X.] durch das Berufungsgericht im Einklang, so dass dem Klägervertreter ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht im Sinne von §
299 Abs.
1 ZPO ge-geben worden ist. Zutreffend weist das Berufungsgericht im angefochtenen Be-schluss darauf hin, dass die Verfahrensakte im Zeitpunkt der Einsichtsgewäh-rung lediglich einen Umfang von 226 Seiten hatte. Dabei handelt es sich weit überwiegend um Schriftsätze der Parteivertreter, Protokolle oder Entscheidun-gen des [X.] sowie eigene [X.] bzw. Zustellungs-urkunden, die dem Prozessbevollmächtigten des [X.] bereits vorlagen oder bekannt waren. Soweit der Prozessbevollmächtigte des [X.] persönlich an der Einsichtnahme verhindert war, hätte sein Büro Kopien fertigen können.
[X.]) Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, die Akten hätten dem Prozessbevollmächtigten des [X.] auf seinen Antrag vom 25.
Juli 2011 erneut in seine Kanzlei überlassen werden müssen. Die [X.] auf der Geschäftsstelle des [X.] habe nicht ausgereicht, weil dort eine sorgfältige, insbesondere ungestörte Einsicht-nahme ohne Einblick Dritter in die Akten oder Notizen des Anwaltes nicht mög-lich gewesen sei.
Dieser Einwand ist bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger gemäß §
299 Abs.
1 Halbs.
2 ZPO Anspruch auf die Erteilung von Ausfertigungen, Auszügen und Abschriften aus den Akten hat. Damit ist gewährleistet, dass er den gesamten Akteninhalt, der ihm nicht bereits vorliegt, erhält und ungestört in seinen Kanzlei-
oder Privaträumen zur Kenntnis nehmen kann. Dies gilt umso mehr, wenn,
wie hier, der dem Antragsteller noch unbekannte Teil der [X.] nur einen geringen Umfang hat
und lediglich aus gerichtlichen Ver-fügungen, Ladungsabschriften und gegnerischen [X.]n be-10
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steht. Auf sein Recht, sich durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen erteilen zu lassen, ist der Prozessbevollmächtigte des [X.] in
dem Beschluss des [X.] vom 8.
August 2011 ausdrücklich hingewiesen worden. Da er spätestens seit dieser Entscheidung nicht mehr darauf vertrauen durfte, dass ihm die Akten in seine Kanzlei überlassen würden, hätte er von der ihm ange-botenen Form der erneuten
Akteneinsicht Gebrauch machen und die Berufung bis zum 18.
August 2011, ggf. mit Hilfe eines externen Schreibbüros, [X.] müssen.

Joeres
Ellenberger
[X.]

Matthias
Pamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.04.2011 -
2 [X.]/09 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 30.08.2011 -
1 [X.] -

Meta

XI ZB 31/11

06.03.2012

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2012, Az. XI ZB 31/11 (REWIS RS 2012, 8506)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8506

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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