Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2016, Az. XII ZB 531/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 6328

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:240816BXII[X.]531.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.] 531/15
vom
24. August
2016
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 26, 294
Eine
persönliche Anhörung des Betroffenen ist auch im Verfahren betreffend die Aufhebung einer Betreuung generell unverzichtbar, wenn sich das Gericht zur Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens entschließt und dieses Gutachten als Tatsachengrundlage für seine Entscheidung heranziehen will.
[X.], Beschluss vom 24. August 2016 -
XII [X.] 531/15 -
LG [X.]

AG
[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 24. August
2016
durch [X.] und [X.] Klinkhammer, Dr.
Günter, Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der
3.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 6.
Oktober
2015
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der 72-jährige Betroffene erstrebt die Aufhebung seiner
Betreuung.
Für ihn
wurde im Juni 2013 nach Einholung eines Sachverständigengut-achtens eine rechtliche Betreuung mit dem
Aufgabenkreis Vermögenssorge eingerichtet
und insoweit ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Im Laufe des Jahres 2013 wurde die Betreuung um die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Wohnungs-
und Mietangelegenheiten
sowie
Angelegenheiten betreffend Post und elektronischen Rechtsverkehr
erweitert.
1
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3
-

Im September 2014 hat der Betroffene die Aufhebung der Betreuung [X.]. Auf die Mitteilung des Amtsgerichts, dass es ohne Vorlage eines ärztli-chen Zeugnisses
keine Veranlassung zur Einholung eines neuen Sachverstän-digengutachtens sehe, hat der Betroffene im April 2015 seinen [X.] wiederholt und
ein ärztliches Attest
vorgelegt, welches dem Betroffenen
Das Amtsgericht hat hiernach den Arzt für Psychiatrie Dr. N.
mit der Erstellung eines
medizini-schen Sachverständigengutachtens
beauftragt und nach der Vorlage dieses Gutachtens den Aufhebungsantrag des Betroffenen zurückgewiesen. Die dage-gen gerichtete
Beschwerde des Betroffenen hat das [X.]. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landge-richt.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Betreuung nicht weggefallen [X.]. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sach-verständigen Dr. N. bestehe bei dem Betroffenen eine anhaltende wahnhafte Störung; krankheitsbedingt zeige der Betroffene ein ausgeprägtes, seit Jahren bestehendes Wahnsystem. Zur Regelung seiner Angelegenheiten sei er
nicht mehr in der Lage. In finanziellen Angelegenheiten neige der Betroffene bei stark eingeschränkter Einsichts-
und Kritikfähigkeit dazu, hochspekulative Finanz-transaktionen durchzuführen. Er könne krankheitsbedingt nicht das Risiko er-3
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kennen, zum Opfer betrügerischer Absichten zu werden, namentlich im Zu-sammenhang mit der Erbringung von Zahlungen für die angebliche Vermittlung von Millionenkrediten aus [X.]. Die Ablehnung der Betreuung sei infolge der Krankheits-
und Behandlungsuneinsichtigkeit des Betroffenen als krankheitsbe-dingte Entscheidung zu werten, so dass die Betreuung auch gegen den Willen des Betroffenen anzuordnen sei. Auch die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts seien erfüllt. Der Betroffene sei geschäftsunfähig. Ohne den Einwilligungsvorbehalt würde der Betroffene regelmäßig immer höhe-re Beträge für die Vermittlung eines
millionenschweren Darlehens zahlen, wel-ches ihm über eine Internetadresse in Aussicht gestellt worden sei. Im Umgang mit seinem Geld sei der Betroffene sehr leicht beeinflussbar, während seine Geschäftsunfähigkeit gleichzeitig für Geschäftspartner nicht unmittelbar er-kennbar sei.

2. Dies hält bereits den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde
nicht stand.
Das [X.] hätte nicht über die Beschwerde entscheiden dürfen, ohne den Betroffenen vorher persönlich anzuhören.

a) Gemäß § 294 Abs. 1 FamFG gelten für die Aufhebung einer
Betreu-ung
oder eines Einwilligungsvorbehalts
die §§ 279
Abs. 1, 3 und 4, 288 Abs.
2 Satz 1 FamFG entsprechend. Nicht erfasst von der Verweisung wird zwar
§
278 Abs. 1 FamFG, der die persönliche Anhörung des Betroffenen vorschreibt. Dies ändert aber nichts daran, dass auch im Aufhebungsverfahren die allgemeinen Verfahrensregeln, insbesondere die Grundsätze des rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs. 1 GG) und der Amtsermittlung (§ 26 FamFG),
zu beachten sind. Nach § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erschei-nenden Beweise zu erheben. Nach den Maßstäben des § 26 FamFG bestimmt 6
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5
-

sich, ob im Einzelfall auch im Aufhebungsverfahren eine persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen ist, um dem
Gericht dadurch
einen unmittelba-ren Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 11. Mai 2016 -
XII [X.] 363/15 -
FamRZ 2016, 1350 Rn. 8 und vom 2. Februar 2011 -
XII [X.] 467/10
-
FamRZ 2011, 556 Rn. 9 f.
und 20).

b) Da über Art und Umfang der Ermittlungen grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, obliegt dem Rechtsbeschwerde-gericht insoweit lediglich eine Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die [X.], ob der Tatrichter die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat und die rechtliche Würdigung auf einer ausreichenden Sachverhaltsaufklärung beruht (Senatsbeschluss
vom 11. Mai 2016 -
XII [X.] 363/15 -
FamRZ 2016, 1350
Rn.
9). Im Einzelfall mag es
dabei rechtlich unbedenklich sein, von einer per-sönlichen Anhörung des Betroffenen im Aufhebungsverfahren abzusehen, wenn sich sein Begehren
nach
Aufhebung der Betreuung von vornherein als eine offenkundig
aussichtslose oder querulatorisch erscheinende
Eingabe dar-stellt (vgl. [X.] BtPrax 1998, 150; [X.], 449, 450). Eine Anhörung des Betroffenen ist demgegenüber auch im Aufhe-bungsverfahren generell unverzichtbar, wenn sich das Gericht zur Einholung eines neuen
Sachverständigengutachtens
entschließt
und dieses Gutachten als Tatsachengrundlage für seine Entscheidung
heranziehen
will
(vgl. [X.] vom 2. Dezember 2015 -
XII [X.] 227/12 -
FamRZ
2016, 300
Rn.
9 und vom 2. September 2015
-
XII [X.] 138/15 -
FamRZ 2015, 1959 Rn.
13
zur erneu-ten Anhörung des Betroffenen bei Einholung eines neuen [X.] im Beschwerdeverfahren).
Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass erst die persönliche Anhörung des Betroffenen und der dadurch von ihm gewonnene Eindruck das Gericht in die Lage versetzen, seine Kontrollfunktion gegenüber dem Sachverständigen sachgerecht auszuüben.
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c)
Gemessen daran konnte auf eine Anhörung des Betroffenen im [X.] Fall nicht verzichtet werden. Denn obwohl das Amtsgericht wie
auch das Beschwerdegericht ihre Entscheidungen
maßgeblich auf das im Aufhe-bungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. N.
vom 26. Mai
2015 gestützt haben, ist
der Betroffene weder im ersten noch im zweiten Rechtszug durch das Gericht persönlich angehört
worden.

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht zugleich Gelegenheit, die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 -
XII [X.] 19/11 -
FamRZ 2011, 1577 Rn. 8 f.) und ergänzende Feststellungen zur Fortdauer der materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung in den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge sowie Wohnungsangelegenheiten zu treffen.

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4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

[X.][X.]Günter

Botur Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.07.2015 -
870 [X.]/13 B -

LG [X.], Entscheidung vom 6.10.2015 -
3 T 276/15 -

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Meta

XII ZB 531/15

24.08.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2016, Az. XII ZB 531/15 (REWIS RS 2016, 6328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6328

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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