Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2005, Az. VI ZR 174/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5214

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.]/03 Verkündet am: 1. Februar 2005 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 823 Abs. 1 ([X.]); § 847 Abs. 1 a.F. Wenn der Patient im Arzthaftungsprozeß im einzelnen darlegt, warum er bei voll-ständiger und richtiger Aufklärung hinsichtlich seiner Einwilligung in den ärztlichen Eingriff in einen [X.] geraten wäre, darf der Tatrichter in aller Regel die Plausibilität dieses Vortrags nicht beurteilen, ohne den Patienten persönlich dazu angehört zu haben. Der Tatrichter darf seine eigene Beurteilung des Konflikts nicht an die Stelle derjenigen des Patienten setzen.

[X.], Urteil vom 1. Februar 2005 - [X.]/03 - Thüringer OLG Jena

LG Meiningen

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin nimmt die [X.] wegen ärztlicher Behandlungsfehler und fehlerhafter Aufklärung auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz mate-riellen Schadens in Anspruch. Die Klägerin behauptet, seit der operativen Exzi-sion einer Analfistel im Juni 1998 im Krankenhaus der [X.] zu 1 durch den [X.] zu 2 als Operateur an einer Inkontinenz I[X.] Grades (unkontrollier-ter Abgang von Winden und dünnflüssigem Stuhl) zu leiden. Sie führt dies auf einen Behandlungsfehler bei der [X.] zurück. - 3 - Das [X.] hat die Klage abgewiesen: Zur Begründung hat es [X.], dem [X.] zu 2 sei kein ärztlicher Kunstfehler unterlaufen; aus ei-nem vorliegenden Mangel der Aufklärung ergäben sich keine Ansprüche, weil die Klägerin der [X.] auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätte. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht verneint in Übereinstimmung mit dem [X.] das Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Das [X.] habe sich insoweit auf das eingeholte Sachverständigengutachten stützen können. Die Vorausset-zungen für Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin lägen nicht vor. Aus einem Aufklärungsfehler könne die Klägerin keine Ansprüche herleiten. Hier sei zwar nicht über alternative Behandlungsmethoden, wohl aber über das Risiko einer bleibenden Stuhlinkontinenz aufzuklären gewesen. Eine solche Aufklä-rung habe nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Zeugenver-nehmung nicht stattgefunden. Die [X.] hätten aber vorgetragen, daß die Klägerin auch bei korrekter Aufklärung in den Eingriff, wie er vorgenommen worden sei, eingewilligt hätte. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin über-zeuge nicht. Sie habe nicht vorgetragen, welche Erwägungen von ihr vorge-nommen worden wären, wenn sie damit konfrontiert worden wäre, daß es bei der geplanten [X.] ein Inkontinenzrisiko gebe. Angesichts dessen, daß eine Zustimmung nahegelegen habe, reiche die pauschale Behauptung einer Zustimmungsverweigerung nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der vorlie-- 4 - genden Umstände, insbesondere der sensiblen Reaktion der Klägerin auf den Schaden, und der Tatsache, daß die [X.] nur relativ indiziert gewesen sei, dränge sich eine Zustimmung der Klägerin auf. Von einer persönlichen Anhö-rung der Klägerin habe abgesehen werden können, weil die unstreitigen äuße-ren Umstände eine sichere Beurteilung der hypothetischen Entscheidungssitua-tion erlaubten. I[X.] Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 1. Es ist bereits zweifelhaft, ob es den Anforderungen entspricht, die nach der Rechtsprechung des [X.] an den Inhalt eines Beru-fungsurteils zu stellen sind. Findet gegen ein Berufungsurteil die Nichtzulas-sungsbeschwerde statt, muß aus dem Urteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbe-gehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (vgl. Senatsurteile [X.] 156, 216 ff.; vom 10. Februar 2004 - [X.] ZR 94/03 - [X.], 881 f. und vom 28. September 2004 - [X.] ZR 362/03 - [X.]/[X.] 2004, [X.]-Ls 979/04 (Leitsatz); ferner [X.] 154, 99 ff; 158, 37 ff.; [X.], Urteile vom 6. Juni 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 1290, 1291; vom 22. Dezember 2003 - [X.]II ZR 122/03 - NJW-RR 2004, 494; vom 13. Januar 2004 - [X.] - NJW-RR 2004, 573 f.; vom 6. Februar 2004 - [X.]/03 - NJW 2004, 1666, 1667). Gemessen an diesen Anforde-rungen liegt es nahe, die Mitteilung, daß "klageerweiternd eine erhöhte Schmer-zensgeldrente begehrt" werde, als nicht ausreichend anzusehen, zumal sie un-vollständig ist, weil die Klägerin in der Berufungsbegründung auch ihren Antrag - 5 - auf Rentenzahlung erhöht hat. Dem muß indes nicht weiter nachgegangen wer-den. 2. Das angefochtene Urteil kann jedenfalls deshalb keinen Bestand ha-ben, weil seine Ausführungen zum [X.] der Klägerin von [X.] beeinflußt sind. Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklä-rung entschieden hätte, und ob er in einen [X.] geraten wäre, darf der Tatrichter grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen (vgl. Senatsurteile vom 26. Juni 1990 - [X.] ZR 289/89 - VersR 1990, 1238, 1240 = [X.]; vom 11. Dezember 1990 - [X.] ZR 151/90 - [X.], 315, 316 = [X.]; vom 2. März 1993 - [X.] ZR 104/92 - [X.], 749, 750 = [X.]; vom 14. Juni 1994 - [X.] ZR 260/93 - [X.], 1302 f. = [X.]; vom 4. April 1995 - [X.] ZR 95/94 - [X.], 1055, 1057 = [X.]). Ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn schon die unstreitigen äußeren Umstände eine sichere Beurteilung der hypothetischen Entscheidungssituation erlauben. Der Auffassung des [X.], dies sei hier der Fall, vermag der erkennende Senat nicht zu [X.]. Freilich trifft den Patienten die Verpflichtung, plausibel darzulegen, wes-halb er aus seiner Sicht bei Kenntnis der aufklärungspflichtigen Umstände vor einem [X.] gestanden hätte, ob er die ihm empfohlene [X.] gleichwohl ablehnen solle (Senatsurteil vom 26. Juni 1990 - [X.] ZR 289/89 - aaO). Dieser Verpflichtung ist die Klägerin jedoch in dem Schriftsatz vom 7. Februar 2003 nachgekommen. Dort ist im einzelnen darge-legt, weshalb sie im Hinblick auf ihre bestehenden Beeinträchtigungen und in Anbetracht ihres bisherigen Lebenswegs ein Inkontinenzrisiko keineswegs ak-- 6 - zeptiert hätte. Diese Ausführungen genügen den Anforderungen, die der erken-nende Senat an die Substantiierung des Vortrags des Patienten stellt ([X.] 90, 103, 111 ff. = [X.]). Von einer "pauschalen Behauptung einer Zustimmungsverweigerung" kann insoweit nicht die Rede sein. Bei dieser Sachlage durfte das Berufungsgericht nicht von der grundsätz-lich gebotenen persönlichen Anhörung der Klägerin absehen, ohne in unzuläs-siger Weise seine eigene Beurteilung des Konflikts an die Stelle derjenigen der Klägerin zu setzen. Gerade angesichts der vom Berufungsgericht selbst ange-sprochenen besonderen Lebensgeschichte und Sensibilität der Klägerin bedarf es zum Erfassen ihrer besonderen persönlichen Situation und ihrer Einstellung eines persönlichen Eindrucks und konkreter Nachfragen. Müller [X.] [X.]

[X.] Zoll

Meta

VI ZR 174/03

01.02.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2005, Az. VI ZR 174/03 (REWIS RS 2005, 5214)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5214

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