Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2004, Az. 2 StR 462/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 4480

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[X.]/03vom18. Februar 2004in der Strafsachegegenwegensexuellen Mißbrauchs von [X.]anken- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Februar 2004 ge-mäß § 349 Abs. 2 StPO [X.] Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. April 2003 wird als unbegründet verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels unddie den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstande-nen notwendigen Auslagen zu tragen.2. Der Hilfsantrag des Angeklagten, die Entscheidung über [X.] bis zur Entscheidung des 2. Senates des [X.] in dem Verfahren 2 BvR 625/01 auszusetzen,wird zurückgewiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von[X.]anken in Einrichtungen in vier Fällen (§ 174 a Abs. 2 StGB) zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn in einem weiteren Fallfreigesprochen. Es hat gegen den Angeklagten ein Berufsverbot für den medi-zinischen Bereich, soweit es um weibliche Patientinnen geht, für die Dauer vondrei Jahren verhängt und ihn verurteilt, an die Nebenklägerin [X.] in Höhe von 5.000 - 3 -Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Ange-klagten hat keinen Erfolg.A.Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:Der Angeklagte war seit 1985 an der neurologischen [X.] tätig, seit 1995 ist er dort als Oberarzt und außerplanmäßiger Professorangestellt. Von Ende 1999 bis April 2000 nahm er an vier Patientinnen [X.] von neurologischen Untersuchungen und von Therapien sexuelleHandlungen vor, inbesondere täuschte er Untersuchungshandlungen an [X.] und im Genitalbereich vor, die zum Teil mit einer Stimmgabel, zum Teilmit den Fingern durchgeführt wurden; einer Patientin griff er bei einer Thera-piesitzung in die Schamhaare. Der Verurteilung liegen Taten an drei Patientin-nen zugrunde, die stationär in der neurologischen Universitätsklinik aufge-nommen waren; hinsichtlich der bei einer ambulanten Untersuchung an einerweiteren Patientin vorgenommenen sexuellen Handlungen ist der [X.] Rechtsgründen freigesprochen worden.[X.] Nachprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zu Ungunsten [X.] nicht ergeben. Der näheren Erörterung bedürfen nur die Befan-genheitsrügen aus der Revisionsschrift des Verteidigers Rechtsanwalt [X.] ([X.] der Schuldspruch nach § 174 a Abs. 2 StGB (II.); im übrigen nimmt [X.] auf die Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] 27. November 2003 Bezug.- 4 -I. [X.] der Verletzung des § 338 Nr. 3 [X.] Ablehnungsgesuch vom 24. September 2002a) Der Angeklagte lehnte am ersten Hauptverhandlungstag vor [X.] der erkennenden Strafkammer wegenBesorgnis der Befangenheit ab, weil sie die Anklageschrift unverändert [X.] hätten, obwohl die Anklagevorwürfe vom Ermittlungsergebnis teilweisenicht gedeckt gewesen seien, weil sie das Hauptverfahren eröffnet hätten, ob-wohl der Sachverständige Prof. Dr. [X.]. seinen Gutachten eine fehlerhafteFragestellung zugrunde gelegt und sich herabwürdigend über den [X.] habe, und weil der Vorsitzende eine Äußerung des [X.] uminterpretiert habe.Das [X.] hat das Ablehnungsbegehren durch Beschluß gemäߧ 26 a StPO als unzulässig zurückgewiesen, weil die Mitwirkung am Eröff-nungsbeschluß und die Äußerung einer Rechtsansicht keine Befangenheit [X.]en.Der Angeklagte ist der Ansicht, sein Ablehnungsgesuch sei [X.] wie auchdie späteren [X.] vom [X.] willkürlich als unzulässig zurückgewiesen [X.]. Die willkürliche Anwendung des § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO verletze ihn inseinem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 2 Satz 2 GG auf Entscheidung [X.] durch [X.]. Das Revisionsgericht dürfe in [X.] nicht nach [X.] sachlich selbst entscheiden, sondernmüsse das Urteil [X.] 5 -b) Die Rüge entspricht nicht dem Formerfordernis des § 344 Abs. 2 [X.] StPO und ist daher nicht zulässig erhoben. Der Umstand, daß die [X.] des [X.] nach § 26 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO imvorliegenden Fall bedenklich erscheint (vgl. [X.], 1907), [X.] den Grundsätzen von BGHSt 23, 265 an der umfassenden Vortragspflichtnichts (vgl. [X.], 563 Nr. 27).Nach ständiger Rechtsprechung muß der Beschwerdeführer, der eineVerletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, die den Mangel [X.] Tatsachen so vollständig und genau angeben, daß das Revisionsge-richt aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehlervorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st. Rspr., vgl.BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 3, [X.] 2).Diesem Erfordernis wird der Sachvortrag nicht gerecht, weil der [X.] in seiner Revisionsbegründung nicht den vollständigen Inhaltder Zeugenaussagen, aus denen sich zum einen ergeben soll, daß die [X.] vom Ermittlungsergebnis nicht gedeckt sei, und zum anderen [X.] Fehler des Sachverständige Prof. Dr. [X.]. belegt werden sollen, [X.] hat, sondern nur einzelne zusammenhanglose Zitate; die Berechtigungseiner Rüge insoweit kann aber nicht ohne Kenntnis des gesamten [X.] beurteilt werden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).c) Im übrigen wäre die Rüge aus den in der Antragsschrift des [X.] ausgeführten Gründen auch [X.] -2. Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2003a) In der Hauptverhandlung am 15. Januar 2003 lehnte der [X.] erkennenden Berufsrichter und die Schöffen wegen der Besorgnis der Be-fangenheit ab, nachdem der Vorsitzende den Sachverständigen Prof. Dr. S. über den Inhalt der Aussagen der Zeuginnen [X.]und [X.]. Der Bericht habe eine verfälschende Wiedergabe der [X.] und den Eindruck einer endgültigen Bewertung der [X.] [X.] erweckt.Das [X.] hat das Ablehnungsbegehren durch Beschluß gemäߧ 26 a StPO als unzulässig zurückgewiesen, weil das Ablehnungsverfahrennicht dazu bestimmt sei, einen Streit über das bisherige Ergebnis der Beweis-aufnahme auszutragen.b) Die Revisionsrüge ist schon deshalb unbegründet, weil das [X.] den Befangenheitsantrag zu Recht nach § 26 a StPO abgelehnt hat. [X.], auf die der Angeklagte die Ablehnung zu stützen versucht, sind auszwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchsvöllig ungeeignet. Eine solche völlig ungeeignete Begründung ist rechtlich [X.] Fehlen der Begründung zu behandeln (BGHR StPO § 26 a [X.], 7, 9; [X.], 311). So verhält es sich hier. Der Ort, um entschei-dungserheblichen Inhalt der Beweisaufnahme festzustellen, ist das Urteil. [X.] kann das, was ein Zeuge aussagte oder wie das [X.] zu verstehenist, nicht in derselben Hauptverhandlung zum Beweisgegenstand gemachtwerden (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 7 und 12; Rissing-vanSaan [X.] 1993, 310, 311; [X.] in [X.]. § 244 Rdn. 67).- 7 -Auch im Revisionsverfahren sind [X.] ausgeschlossen, die eine Rekonstruk-tion der Beweisaufnahme voraussetzen würden (st. Rspr., u. a. BGHSt 17, 351,352; 29, 18, 20; 31, 139, 140; [X.], 2840; NStZ 1997, 296; [X.] § 261 Inbegriff der Verhandlung 23, 26, 34). Der Grundsatz des § 261StPO verbietet ausnahmslos, Aufzeichnungen, die ein Prozeßbeteiligter überdie Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung abweichend von dentatrichterlichen Feststellungen gemacht hat, zu deren Widerlegung im Revisi-onsverfahren heranzuziehen (BGHSt 15, 347). Diese verfahrensrechtliche Si-tuation kann nicht dadurch umgangen werden, daß der Angeklagte in der [X.] Hauptverhandlung auf seine abweichende Wiedergabe und [X.] Zeugenaussagen einen Befangenheitsantrag stützt. Die ureigene [X.] erkennenden Richters, Zeugenaussagen inhaltlich festzustellen und zuwürdigen, kann nicht mittels eines Befangenheitsantrags auf andere [X.] werden, die hierüber nicht ohne eine Rekonstruktion der Beweisauf-nahme entscheiden könnten.3. [X.] vom 28. März 2003a) In der Hauptverhandlung vom 28. März 2003 lehnte der [X.] Mitglieder der erkennenden Strafkammer ab, weil sie durch Ablehnung ei-nes Beweisantrags auf erneute Begutachtung zweier Zeuginnen zu erkennengegeben hätten, daß sie den Angeklagten in diesen Fällen bereits verurteilthätten. Das [X.] wies den Ablehnungsantrag gemäß § 26 a StPO alsunzulässig zurück, weil die Begründung des Antrages aus zwingenden rechtli-chen Gründen zur Rechtfertigung eines [X.] völlig ungeeignetsei. Hierauf stützte der Angeklagte einen weiteren Befangenheitsantrag, der- 8 -von der erkennenden Kammer aus denselben Gründen als unzulässig verwor-fen wurde.b) Die [X.], die erkennende Strafkammer habe die beiden [X.] nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sind unbegründet. [X.] hat den Beweisantrag des Angeklagten sachgemäß beschieden.Die Ablehnung des [X.] bot für einen vernünftigen Angeklagtenkeinen Anlaß, [X.] wegen Besorgnis der [X.]. Mit seinen wiederholten Befangenheitsanträgen ging es dem [X.] offenbar nicht tatsächlich um die Befangenheit [X.], [X.] darum, das Verfahren zu verschleppen. Die Strafkammer hätte den Antragdaher nach § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verwerfen können. [X.] Zurückweisung des zweiten [X.] durch die [X.] ist deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden.Im übrigen waren die [X.] auch in der Sache nicht [X.]. Das hat der Senat nach [X.] nachzuprüfen (st.Rspr., vgl. BGHSt 23, 265 ff; BGHR StPO § 26 a Unzulässigkeit 9). Diese [X.] ergibt, daß der Angeklagte bei verständiger Würdigung des [X.] Grund hatte, an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit [X.] zu zweifeln.4. Hilfsweise hat der Angeklagte beantragt, die Entscheidung über seineRevision bis zur Entscheidung des 2. Senats des [X.] dem Verfahren 2 BvR 625/01 auszusetzen, in welchem sich der dortige [X.] gegen die Befugnis des Revisionsgerichts zur Sachentschei-dung bei rechtswidriger Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig- 9 -wende. Der Senat hält die bisherige ständige Rechtsprechung des [X.] zu dieser Frage für verfassungsgemäß; zu einer Aussetzung [X.] besteht daher keine Veranlassung.II.Das [X.] hat in den Fällen [X.], [X.]und [X.]zu [X.] Tatbestand des § 174 a Abs. 2 StGB als erfüllt angesehen.Allerdings wird in der Literatur verbreitet die Auffassung vertreten, daßein Mißbrauch des [X.]anken nicht vorliege, wenn eine Handlung unter [X.] medizinischer Betreuung vorgenommen werde, der sich der [X.]an-ke freiwillig, in der Annahme, sie sei medizinisch indiziert, unterwerfe (Lauf-hütte in [X.]. § 174 a Rdn. 16; [X.]/[X.] in [X.]/[X.],StGB 26. Aufl. § 174 a Rdn. 10; [X.] in [X.] § 174 a Rdn. 18;Lackner/[X.] StGB 24. Aufl. § 174 a Rdn. 8). Demgegenüber hat das Oberlan-desgericht [X.] in seinem Urteil vom 24. Mai 1977 [X.] 5 Ss 128/77 [X.] (NJW1977, 1499) das Merkmal "unter Ausnutzung der [X.]ankheit oder Hilfsbedürftig-keit" nicht nur dann als erfüllt angesehen, wenn der Patient bedingt durch sei-nen krankhaften Zustand in seiner Willenskraft geschwächt ist und deshalb [X.] sexueller Handlungen ermöglicht hat, sondern auch schon bei je-dem Ausnutzen der mit der [X.]ankheit verbundenen besonderen Situation [X.] durch das Betreuungspersonal im Rahmen der vorgesehenen stationä-ren Behandlung. Das Tatbestandsmerkmal ist nach dieser Auffassung [X.] erfüllt, [X.] stationär untergebrachte Patient unter Vortäuschung einer erforderlichenUntersuchung zur Duldung sexueller Handlungen durch den behandelnden- 10 -Arzt veranlaßt wird. Der Senat hält die Auffassung des Oberlandesgerichts[X.] für zutreffend. Die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers wird [X.] verletzt und die [X.]ankheit oder Hilfsbedürftigkeit ausgenutzt, wenn [X.] die Notwendigkeit einer Maßnahme aus Anlaß der [X.]ankheit oder Hilfs-bedürftigkeit nur vorgespiegelt wird, denn das Opfer, selbst wenn es vor [X.] aus dem [X.]ankenhaus steht, duldet eine ärztliche Handlung nur,weil es sich dadurch Hilfe erhofft. Letztlich kann die Frage hier jedoch offenbleiben. Denn auch das in der Literatur geforderte Beruhen der Einwilligung aufeiner Schwächung der Willenskraft, auf Hilfsbedürftigkeit oder auch schon aufdem Gefühl des Ausgeliefertseins an das [X.] (vgl. [X.] aaO)liegt hier vor; aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich unzweifelhaft, daß alledrei Patientinnen unter dem Eindruck der Symptome ihrer [X.] schweren [X.] [X.]ank-heiten sowie zum Teil unter dem Schock der Diagnosen in ihrer Willenskraftgeschwächt waren, als sie die Handlungen des Angeklagten erduldeten.[X.] Fischer Roggenbuck

Meta

2 StR 462/03

18.02.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2004, Az. 2 StR 462/03 (REWIS RS 2004, 4480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4480

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