Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2019, Az. XII ZB 29/19

12. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 4693

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Gegenstand

Anforderung an Formulierung eines Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit im Beschwerdeverfahren


Leitsatz

1. In Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. November 2017 - XII ZB 578/16, FamRZ 2018, 198; BGH Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - II ZB 17/11, NJW-RR 2012, 997 und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39).

2. Für eine Antragstellung nach § 62 Abs. 1 FamFG reicht es aus, wenn sich aus dem gesamten Vorbringen des Betroffenen konkludent das Begehren ergibt, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme überprüfen zu lassen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 12. September 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat mit [X.]eschluss vom 22. Februar 2018 die für den [X.]etroffenen, einen Rechtsanwalt, bestehende [X.]etreuung um den Aufgabenbereich „Entscheidung über den Verzicht auf die anwaltliche Zulassung gegenüber der Rechtsanwaltskammer“ erweitert. Mit Schreiben vom 8. März 2018 verzichtete der für den [X.]etroffenen als [X.]erufsbetreuer bestellte Rechtsanwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer auf die Rechte des [X.]etroffenen aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und erklärte zugleich den Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Widerruf der Anwaltszulassung. Daraufhin widerrief die Rechtsanwaltskammer mit einem dem [X.]etreuer am 22. März 2018 zugegangenen Schreiben die Zulassung des [X.]etroffenen zur Rechtsanwaltschaft.

2

Am 23. März 2018 hat der [X.]etroffene [X.]eschwerde gegen die Erweiterung der [X.]etreuung eingelegt, die er am 26. März 2018 begründet hat. In der [X.]egründung weist er auf den zwischenzeitlich erklärten Zulassungsverzicht durch den [X.]etreuer hin und führt an mehreren Stellen aus, dass der [X.]eschluss des Amtsgerichts rechtswidrig sei. Mit [X.]eschluss vom 12. September 2018 hat das [X.] die [X.]eschwerde des [X.]etroffenen verworfen, weil mit der Abgabe der Verzichtserklärung durch den [X.]etreuer Erledigung eingetreten sei und der [X.]etroffene trotz Hinweises keinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß § 62 FamFG gestellt habe.

3

Hiergegen richtet sich die am 21. Januar 2019 eingegangene Rechtsbeschwerde des [X.]etroffenen.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere nicht erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingelegt. Diese Frist beginnt mit der schriftlichen [X.]ekanntgabe des [X.]eschlusses an den [X.]etroffenen, die hier gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG durch Zustellung hätte erfolgen müssen. Aus der Akte ist indes eine Zustellung nur an den [X.]etreuer, nicht jedoch an den [X.]etroffenen ersichtlich. Der [X.]etreuer ist aber insoweit mit [X.]lick auf die gemäß § 275 FamFG unabhängig von der Geschäftsfähigkeit bestehende [X.] des [X.]etroffenen nicht dessen Vertreter, was auch dann gilt, wenn der Aufgabenkreis wie hier die Entgegennahme, das Anhalten und das Öffnen der Post umfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2015 - [X.] 283/15 - FamRZ 2016, 296 Rn. 20 mwN). Daher fehlt es an einer wirksamen [X.]ekanntgabe, so dass die Rechtsbeschwerdefrist noch nicht zu laufen begonnen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2018 - [X.] 188/18 - FamRZ 2019, 477 Rn. 11 mwN).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das [X.] hat die [X.]eschwerde des [X.]etroffenen zu Unrecht als unzulässig angesehen.

7

a) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings dagegen, dass das [X.] von einer Erledigung der Hauptsache im Sinne des § 62 Abs. 1 FamFG ausgegangen ist.

8

In Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (Senatsbeschluss vom 22. November 2017 - [X.] 578/16 - FamRZ 2018, 198 Rn. 6 mwN; [X.] [X.]eschlüsse vom 8. Mai 2012 - [X.] - NJW-RR 2012, 997 Rn. 6 mwN und vom 14. Oktober 2010 - [X.]/10 - [X.] 2011, 39 Rn. 11 mwN). So liegt es hier.

9

Gegenstand des amtsgerichtlichen [X.]eschlusses war allein die Erweiterung des [X.] der [X.]etreuung um die Entscheidung über den Verzicht auf die Anwaltszulassung. Noch vor Einlegung der [X.]eschwerde (vgl. dazu [X.] [X.]eschluss vom 5. Dezember 2012 - [X.] - NJW-RR 2013, 751 Rn. 13) hatte der [X.]etreuer den Verzicht gegenüber der Rechtsanwaltskammer erklärt und diese die Zulassung - aufgrund des vom [X.]etreuer erklärten [X.] bestandskräftig - widerrufen. Nach dem insoweit anwendbaren Verwaltungszustellungsgesetz des [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.] [X.] 9. Aufl. § 34 Rn. 6; [X.]/Wolf/Göcken/[X.] [X.]erufsrecht 2. Aufl. § 34 [X.] Rn. 9) gilt der Widerruf als mit dem Zugang beim [X.]etreuer zugestellt (vgl. § 1 Abs. 1 Hess[X.], §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 1, 8 [X.]). Schon deshalb geht der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Widerruf sei mangels Zustellung noch nicht rechtswirksam erfolgt, ins Leere. Jedenfalls mit dem [X.] war der Verzicht auf die Zulassung nicht mehr frei widerruflich (vgl. [X.] [X.]eschluss vom 22. April 2002 - [X.] ([X.]) 5/01 - [X.] 2002, 1880, 1881 mwN; vgl. auch [X.]/Wolf/Göcken/Schmidt-Räntsch Anwaltliches [X.]erufsrecht 2. Aufl. § 14 [X.] Rn. 25), eine Entscheidung über diesen Verzicht abschließend getroffen und damit der dem [X.]etreuer insoweit übertragene Aufgabenbereich gegenstandslos.

Soweit der [X.]etroffene die Wiederherstellung seiner Zulassung und in diesem Zusammenhang die Anweisung an den [X.]etreuer, einen entsprechenden Antrag zu stellen, begehrt, handelt es sich um einen anderen, vom übertragenen Aufgabenbereich nicht mehr erfassten Verfahrensgegenstand. Denn die Frage des Zulassungsverzichts wird hiervon nicht mehr berührt.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch zutreffend, dass der [X.]etroffene den nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit im [X.]eschwerdeverfahren gestellt hat.

aa) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das [X.]eschwerdegericht gemäß § 62 Abs. 1 FamFG auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den [X.]eschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der [X.]eschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Wie das [X.] mithin richtig erkannt hat, setzt die Rechtswidrigkeitsfeststellung einen darauf gerichteten Feststellungsantrag voraus.

Die Anforderungen an die Formulierung dieses Antrags dürfen jedoch nicht überspannt werden. Es reicht aus, wenn sich aus dem gesamten Vorbringen des [X.]etroffenen konkludent das [X.]egehren ergibt, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme überprüfen zu lassen (OLG Karlsruhe [X.] 2003, 99 f.; [X.]/[X.] FamFG 5. Aufl. § 62 Rn. 4; [X.]/[X.]udde FamFG 19. Aufl. § 62 Rn. 10; [X.]/Feskorn ZPO 32. Aufl. § 62 FamFG Rn. 9). Allerdings muss zum Ausdruck kommen, dass eine Sachentscheidung auch in Ansehung der Erledigung der Hauptsache begehrt wird, wofür es auf das wohlverstandene Interesse des [X.]eschwerdeführers ankommt (vgl. MünchKommFamFG/[X.] 3. Aufl. § 62 Rn. 28; vgl. auch [X.] [X.] 2011, 44, 45; [X.]eckOK FamFG/[X.] [Stand: 1. Juli 2019] § 62 Rn. 8).

bb) Wie die vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbst vorzunehmende Auslegung der Verfahrenserklärungen des [X.]etroffenen ergibt, ist nach diesen rechtlichen Maßgaben eine auf Feststellung gemäß § 62 FamFG gerichtete Antragstellung entgegen der Annahme des [X.]s bereits mit der [X.]eschwerdebegründung erfolgt. Zwar enthält diese keinen ausdrücklichen Feststellungsantrag. Sie datiert aber nach dem Widerruf der Zulassung, der [X.]etroffene nimmt darin auf den vom [X.]etreuer erklärten Verzicht [X.]ezug und rügt trotz Kenntnis von dem letztlich zur Erledigung führenden Ereignis mehrfach ausdrücklich die Rechtswidrigkeit der [X.]etreuungserweiterung. Dieses [X.]egehren kann nur dahin verstanden werden, dass es dem [X.]etroffenen auf eine entsprechende Feststellung ankommt. Das ist hier für die Antragstellung nach § 62 Abs. 1 FamFG ausreichend.

cc) Aus diesem Grund kann dahinstehen, dass das [X.] seiner Pflicht, den anwaltlich nicht vertretenen und auch selbst nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen [X.]etroffenen vor der Verwerfung auf das Fehlen des Feststellungsantrags hinzuweisen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2018 - [X.] 489/17 - FamRZ 2018, 1361 Rn. 19 und vom 2. September 2015 - [X.] 138/15 - FamRZ 2015, 1959 Rn. 16), nicht genügt hat. Ein dahingehender Hinweis des [X.]s ist zwar per Postzustellungsurkunde an den [X.]etroffenen abgesandt worden. Die darin angegebene Adresse ist jedoch - wohl wegen der vom [X.]etreuer auf der Grundlage seines [X.] veranlassten Postweiterleitung - in die Adresse des [X.]etreuers geändert worden, so dass nach Aktenlage allein dieser den Hinweis erhalten hat.

3. Die [X.]eschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Da für eine anderweitige Unzulässigkeit der [X.]eschwerde des [X.]etroffenen keine Gründe ersichtlich sind, wird sich das [X.] nun - auch unter [X.]erücksichtigung der weiteren Ausführungen der Rechtsbeschwerde - damit zu befassen haben, ob das Feststellungsbegehren des [X.]etroffenen (§ 62 FamFG) begründet ist.

Von einer weiteren [X.]egründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher [X.]edeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose     

        

Nedden-[X.]oeger     

        

[X.]otur 

        

Guhling      

        

Krüger      

        

Meta

XII ZB 29/19

07.08.2019

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt, 12. September 2018, Az: 2-29 T 262/18

§ 62 Abs 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2019, Az. XII ZB 29/19 (REWIS RS 2019, 4693)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1523-1524 NJW 2019, 3384 REWIS RS 2019, 4693

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