Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2010, Az. VI ZR 34/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 728

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 34/09 Verkündet am: 7. Dezember 2010 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 23. Dezember 2008 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 17. April 2008 wird [X.]. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Kläger zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger wurde mehrfach wegen Tötungsdelikten verurteilt und ver-büßt seit 1983 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Über die gegen ihn geführten Strafprozesse wurde in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen [X.] sowie über den letzten Fall 1983 bundesweit umfangreich in der [X.] berichtet. Die Beklagte betreibt ein Bildarchiv zur kommerziellen Nutzung durch [X.]. Sie stellte der [X.] zwei Bildnisse des [X.] zur Verfügung, welche diese zur Illustration eines in der Dezemberausgabe 2006 des "[X.]" unter dem Titel "[X.]... Psychogramm eines [X.]" veröffentlichten Artikels ver-1 - 3 - wendete. Der Kläger sieht darin eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der erneuten Verbreitung dieser Bild-nisse in Anspruch. Das [X.] ([X.], 637) hat die Klage abgewiesen. Das [X.] ([X.], 334) hat ihr auf die Berufung des [X.] im Wesentlichen stattgegeben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Ur-teils. 2 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus: 3 Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch aus § 22 Kunst[X.] zu, weil die Beklagte seine Bildnisse ohne seine Einwilligung verbreitet habe und eine Ausnahme gemäß § 23 Abs. 1 Kunst[X.] nicht vorliege. Der Kläger sei auf den Bildern erkennbar, auch wenn diese bereits vor Jahrzehnten [X.] worden seien. Bei der Weitergabe an den Zeitschriftenverlag handele es sich auch um eine Verbreitungshandlung. Es handele sich nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, weil es an dem erforderlichen aktuellen Bezug fehle. Es gehe vorliegend allein um das Recht des [X.] am eigenen Bild als spezifische Ausprägung des Persönlichkeitsrechts, das mehr als 20 Jahre nach der letzten Verurteilung einer identifizierenden Berichterstattung ohne aktuellen Anlass entgegenstehe, weil dem Selbstbestimmungsrecht des [X.] nach so langer Zeit in jedem Fall Vorrang gegenüber einem eher Un-terhaltungszwecken dienenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu-4 - 4 - komme. Die Beklagte habe durch die Herausgabe der Bildnisse ohne Prüfung einer Einwilligung und ohne Rechtfertigung gemäß § 23 Abs. 1 Kunst[X.] das Persönlichkeitsrecht des [X.] rechtswidrig verletzt. Sie genieße zwar grund-sätzlich den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie eine presseexterne Tätigkeit ausübe, bei der es sich um eine typischerweise pressebezogene Tä-tigkeit handele. Deshalb sei zu berücksichtigen, dass eine Beschränkung ihrer Tätigkeit geeignet wäre, die Bildberichterstattung der Medien und damit auch die Meinungsfreiheit zu beschränken. Dies führe jedoch nicht zu einer generel-len und weitgehenden Haftungsfreistellung einer Bildagentur oder eines [X.]archivs. In Anbetracht der Umstände des Falls habe die Beklagte Anlass [X.], sich nach dem Vorliegen einer Einwilligung oder einer Rechtfertigung zu erkundigen. [X.] habe sie ihre eigene Verantwortlichkeit auf den [X.] verlagern können. Die pauschale Behauptung, die Arbeit von [X.] würde in nicht mehr hinnehmbarer Weise erschwert, wenn ihnen die [X.] der Rechtmäßigkeit einer Bildveröffentlichung im Einzelfall obliegen würde, genüge nicht, um eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Bereiche des Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf Presse- und Informationsfreiheit ge-nerell zugunsten von Bildagenturen vorzunehmen. Die Beklagte werde mit dem aufgrund der eindeutigen Rechtslage erforderlichen Prüfungsaufwand auch nicht unzumutbar belastet. I[X.] Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg. 5 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Beklagte hat sein [X.] - 5 - sönlichkeitsrecht durch die Weitergabe der Bilder an den [X.] nicht rechtswidrig verletzt. Nach Ansicht des erkennenden Senats liegen bereits die tatbestandli-chen Voraussetzungen des § 22 Kunst[X.] nicht vor. Mit Recht beanstandet die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Begriff des Verbrei-tens im Sinne dieser Vorschrift. Darauf, ob der Begriff in gleicher Weise wie in § 17 [X.] zu verstehen ist (zum Streitstand vgl. etwa Dreier in Dreier/[X.], [X.], 3. Aufl., § 22 Kunst[X.] Rn. 9 einerseits und von [X.], in [X.], [X.], 5. Aufl., [X.]. 7 Rn. 43, [X.] andererseits), kommt es bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht an. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob ein Informationsaustausch, der quasi im presseinternen Bereich stattfindet und das Persönlichkeitsrecht eines Betroffe-nen allenfalls geringfügig beeinträchtigt, mit Blick auf die Pressefreiheit als Verbreitungshandlung qualifiziert werden kann. Dies ist in solchen Fällen grundsätzlich zu verneinen. 7 Der Schutzbereich der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Pressefrei-heit ist berührt, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt geht ([X.] 85, 1, 12 f.). Die be-sondere Garantie der Pressefreiheit betrifft die einzelne Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung ([X.] 20, 162, 175 f.; 85, 1, 12). Die Pressefreiheit ge-währleistet sowohl als Grundrecht des Einzelnen wie als Garantie des [X.]" nicht nur die Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Mei-nungen; sie schützt vielmehr auch den gesamten Bereich publizistischer [X.], zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen ge-8 - 6 - hört ([X.] 10, 118, 121; 12, 205, 260; 20, 162, 176; 21, 271, 279; 36, 193, 204; 50, 234, 240; 77, 346, 354; 85, 1, 12; [X.] NJW 2001, 503, 504; NJW 1995, 184, 185; NJW 1996, 310). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle wirksam wahrzunehmen ([X.] 50, 234, 240). Das Grundrecht der Pressefreiheit garantiert als objektives Recht die Freiheit des [X.] insgesamt. Der Schutz der Pressefreiheit be-schränkt sich nicht auf die unmittelbar inhaltsbezogenen Pressetätigkeiten, sondern erfasst im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung auch inhaltsferne Hilfsfunktionen von [X.] (vgl. [X.] 25, 296, 304; [X.] 64, 108, 114 f.; 77, 346, 354). Im Einzelnen kommt es für die De-finition des Schutzbereichs darauf an, was notwendige Bedingung des Funktio-nierens einer freien Presse ist ([X.] 66, 116, 134; 77, 346, 354). Zwar wird nicht jede selbstständige Dienstleistung in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einbezogen, die der Presse zugutekommt und für diese funktions-wichtig ist. Der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG besteht im Interesse der freien Meinungsbildung und kann deswegen nur durch einen ausreichenden Inhaltsbezug ausgelöst werden. Für presseexterne Hilfstätigkeiten greift der Schutz aber ausnahmsweise im Interesse eines freiheitlichen [X.], wenn eine selbstständig ausgeübte, nicht die Herstellung von [X.] betreffende Hilfstätigkeit typischerweise pressebezogen ist, in enger orga-nisatorischer Bindung an die Presse erfolgt, für das Funktionieren einer freien Presse notwendig ist und wenn sich die staatliche Regulierung dieser Tätigkeit zugleich einschränkend auf die Meinungsverbreitung auswirkt ([X.] 77, 346, 354). 9 Diesem Verständnis der Pressefreiheit ist bei der Auslegung des Begriffs des Verbreitens von [X.] im Sinne des § 22 Kunst[X.] Rechnung zu [X.] - 7 - gen. Danach stellt der [X.] bleibende Abruf von [X.] durch [X.] keine Verbreitungshandlung des Betreibers eines Bildar-chivs dar. Die Hilfstätigkeit des [X.] ist in diesem Fall typischerweise pressebezogen. Ersichtlich liegt keine Verbreitungshandlung vor, wenn ein [X.] auf sein eigenes Bildarchiv, wie es zahlreiche Medienunterneh-men unterhalten, zugreift. Nichts anderes gilt, wenn er auf das Bildarchiv eines Drittunternehmens zugreift. Das Bildarchiv erbringt in diesem Fall eine typisch medienbezogene Hilfstätigkeit, die in enger organisatorischer Bindung an die Medien erfolgt und für das Funktionieren der freien Medien notwendig ist (so zutreffend [X.], [X.], 385 Rn. 28). Bleibt der Vorgang in dieser Weise ohne Außenwirkung, ist der durch §§ 22, 23 Kunst[X.] angestrebte Schutz des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten nicht tangiert. Es besteht deshalb kein rechtfertigender Grund, den Schutz, den die Pressefreiheit bei der Beschaffung von Informationen gewährt, dadurch zu schwächen, dass dem Betreiber des [X.] die nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 Kunst[X.] erforderlichen Prüfpflichten hinsichtlich einer möglichen Verwer-tung der Bilder im Rahmen einer Presseberichterstattung angesonnen werden. 2. Entgegen den Ausführungen der Revisionserwiderung hat das Land-gericht eine Störerhaftung der Beklagten zutreffend verneint. 11 Die Störerhaftung darf nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst den Eingriff vorgenommen haben. Die Haftung des Störers setzt deshalb das Bestehen so genannter Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch [X.] nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - [X.] ZR 210/08, [X.], 1417 Rn. 18; [X.], Urteile vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, [X.]Z 158, 236, 251; vom 1. April 2004 - I ZR 317/01, [X.]Z 158, 343, 350; vom 19. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 119, 12 - 8 - 131 f.; vom 30. April 2008 - [X.], [X.], 702, 706 Rn. 53). Dabei können Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch genomme-nen Dritten und die Eigenverantwortung des unmittelbar Handelnden eine Rolle spielen (Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - [X.] ZR 210/08, aaO; [X.], Urteil vom 17. Mai 2001 - I ZR 251/99, [X.]Z 148, 13, 18 f.; vom 1. April 2004 - I ZR 317/01, aaO). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erstreckten sich die [X.] der Beklagten nicht auf die konkrete Presseveröffentlichung in der Ausgabe Dezember 2006 des Magazins "[X.]". Eine Verpflichtung des Be-treibers eines [X.], ausnahmslos oder doch regelmäßig vor Herausgabe von angefordertem Bildmaterial zu prüfen, für welche Zwecke dieses verwendet werden soll, besteht aufgrund der Störerhaftung nicht. Eine derart umfangreiche Obliegenheit würde die Betreiber von Archiven in technischer, persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht überfordern und das Betreiben von umfangreichen Text- und Bildarchiven letztlich wegen der sich aus der Überwachungspflicht ergebenden Haftungsrisiken in unzumutbarer Weise erschweren. Ein solcher Eingriff in die Pressefreiheit ist auch im Bereich der Störerhaftung aus den vor-stehend erörterten Gründen nicht zu rechtfertigen. 13 - 9 - II[X.] Die Klage ist danach abzuweisen. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der erkennende Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 14 Galke Zoll [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 17.04.2008 - 2/3 O 90/07 - [X.], Entscheidung vom 23.12.2008 - 11 U 21/08 -

Meta

VI ZR 34/09

07.12.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2010, Az. VI ZR 34/09 (REWIS RS 2010, 728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 728

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