Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.05.2013, Az. 3 StR 80/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5463

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Gegenstand

Abgrenzung zwischen Computerbetrug und Untreue: Elektronische Erstellung von Vertragsunterlagen für fiktive Kunden zur Einleitung eines automatisierten Genehmigungsverfahrens für Mobilfunkverträge zwecks Erlangung von Mobiltelefonen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Juni 2012, auch soweit es den Mitangeklagten [X.]betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten sowie den nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.]    jeweils wegen [X.] in 14 Fällen verurteilt. Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Hiergegen wendet sich die Revision des Beschwerdeführers, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht, mehrere Verfahrensbeanstandungen erhebt und die Verletzung materiellen Rechts rügt.

I.

2

1. Das Verfahrenshindernis der sachlichen Unzuständigkeit (§ 338 Nr. 4 i.V.m. § 6 [X.]) besteht aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht. Die Verfahrensrügen sind - wie der [X.] ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] erhoben und deshalb unzulässig.

3

2. Das Rechtsmittel hat indes mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen [X.] in 14 Fällen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

a) Nach den Feststellungen des [X.]s entwickelten der Mitangeklagte [X.]    und der gesondert Verfolgte [X.].   im Frühjahr 2008 den Plan, mit Hilfe gefälschter Unterlagen auf die Namen fiktiver Personen Mobilfunkverträge abzuschließen, um so die bei Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Mobilfunkgeräte zu erlangen. Für diese war ein allenfalls geringes Entgelt sofort zu zahlen; die wesentliche Gegenleistung bestand in der Erfüllung des Mobilfunkvertrages über eine feste Vertragslaufzeit, die [X.]    und [X.].   , wie von Anfang an geplant, jedoch in keinem Fall erbrachten.

5

Die Verträge wurden in verschiedenen Filialen der [X.] - sogenannten [X.] - geschlossen, deren verantwortliche "Shop-Manager"  - der Angeklagte war einer von ihnen - in den [X.] eingeweiht waren. Der Mitangeklagte [X.]    erstellte mit Hilfe eines Computerprogramms Dateien, deren Ausdrucke aussahen wie Kopien der Urkunden, die nach den Vorgaben der [X.] bei Vertragsschluss vorzulegen waren; dabei verwendete er erfundene Daten nicht existierender [X.] Staatsangehöriger. Die Ausdrucke wurden von dem gesondert Verfolgten [X.].   oder einem anderen Mittäter in die jeweiligen [X.] gebracht. Dort gaben der "Shop-Manager" oder ein anderer in den [X.] eingeweihter Mitarbeiter die aus den Unterlagen ersichtlichen Daten in das elektronische Antragsformular ein. Dies verstieß gegen die internen Vorgaben der [X.], die vorsahen, dass die Kunden selbst in den [X.] vorstellig werden mussten und die angeforderten Urkunden im Original vorzulegen hatten. Das Antragsformular wurde auf  elektronischem Wege an ein Rechenzentrum verschickt, in dem es automatisch ausschließlich auf Auffälligkeiten im Sinne unvollständiger oder offensichtlich widersprüchlicher Angaben überprüft wurde. Aus dem Rechenzentrum heraus wurde - ebenfalls automatisiert - eine Anfrage an die [X.] gerichtet, ob zu der Person, deren Daten übermittelt wurden, negative Einträge vorlägen. War dies der Fall, wurde der Abschluss eines Mobilfunkvertrages automatisch abgelehnt. Andernfalls wurde an den [X.], der den Antrag eingereicht hatte, über das genutzte Computersystem die automatische Mitteilung gemacht, dass der Vertrag zustande komme; nach den Vorgaben der [X.] durfte erst zu diesem Zeitpunkt der Vertrag vollzogen und dem Kunden das Mobilfunkgerät ausgehändigt werden. Da die von dem Mitangeklagten [X.]    erstellten Datensätze sämtlich fiktive Personen betrafen, zu denen negative Einträge bei der [X.] folglich nicht vorliegen konnten, wurde ein Vertragsschluss in keinem der verfahrensgegenständlichen Fällen abgelehnt.

6

Der Angeklagte war seit einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt - jedenfalls aber deutlich vor August 2008 - in den [X.] eingeweiht und wirkte seitdem bewusst und gewollt zusammen mit dem Mitangeklagten [X.]    und dem gesondert Verfolgten [X.].   an dem Abschluss einer Vielzahl solcher Verträge in maßgeblicher Weise mit. In den 14 ausgeurteilten Fällen zwischen dem 4. August 2008 und dem 31. Januar 2009 gab er in dem [X.], dessen verantwortlicher "Shop-Manager" er war, entweder selbst die fiktiven Daten in das im [X.] hinterlegte Antragsformular ein und später die Mobiltelefone an seine Mittäter heraus, oder er veranlasste seine Mitarbeiter, dies zu erledigen; in jedem Fall stellte er zumindest seine [X.] zur Verfügung, die für die Aktivierung des vor der Herausgabe der Geräte zu durchlaufenden [X.] erforderlich war.

7

b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen [X.] in 14 Fällen nicht.

8

Der Tatbestand des [X.] gemäß § 263a StGB wurde zur Schließung von [X.] in das Strafgesetzbuch eingeführt, weil es bei der Manipulation von Datenverarbeitungsvorgängen regelmäßig an der Täuschung und infolgedessen der Erregung eines Irrtums einer natürlichen Person fehlt, was zur Unanwendbarkeit des [X.] nach § 263 StGB führt (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a Rn. 2 mwN). Bei der Umsetzung dieses Ziels orientierte sich der Gesetzgeber konzeptionell an dem Tatbestand des Betruges, wobei an die Stelle der Täuschung die Tathandlungen des § 263a Abs. 1 StGB treten und mit der Irrtumserregung und dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung die Beeinflussung des Ergebnisses eines - vermögenserheblichen - [X.] korrespondiert (BT-Drucks. 10/318 S. 19). Aufgrund dieser Struktur- und Wertgleichheit mit dem [X.] (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 21. November 2001 - 2 [X.], [X.]St 47, 160, 162 und vom 20. Dezember 2012 - 4 [X.], [X.], 1017, 1018) entspricht es in Rechtsprechung und Schrifttum einhelliger Auffassung, dass der in tatbestandsmäßiger Weise beeinflusste, vermögensrelevante Datenverarbeitungsvorgang unmittelbar vermögensmindernd wirken muss ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 416/12, [X.], 715, 716; [X.], Beschluss vom 6. Mai 1996 - 3 Ss 21/96, NJW 1997, 1518, 1519; [X.]/[X.], [X.] 1986, 654, 659; [X.]/[X.], 1. Aufl., § 263a Rn. 61; [X.], StGB, 12. Aufl., § 263a Rn. 65 mwN). Daran fehlt es hier:

9

Die Minderung des Vermögens der [X.] trat vorliegend nicht dadurch ein, dass die erfundenen Daten nicht existierender [X.] Staatsangehöriger in die elektronischen Antragsformulare eingegeben wurden und über das so manipulierte Ergebnis der automatisierten Anfrage bei der [X.] die elektronische Mitteilung an die [X.] bewirkt wurde, dass der Vertrag zustande komme. Vielmehr kam es zu der Vermögensminderung erst dadurch, dass der Angeklagte oder die von ihm instruierten Mitarbeiter im [X.] an diese Mitteilung die Mobiltelefone herausgaben. Zwar kann in Fällen, in denen - wie hier - noch weitere Verfügungen vorgenommen werden, das Merkmal der Unmittelbarkeit der Vermögensminderung gleichwohl zu bejahen sein, wenn das Ergebnis des von dem Täter manipulierten [X.] ohne eigene Entscheidungsbefugnis und ohne inhaltliche Kontrolle von einer Person lediglich umgesetzt wird ([X.] aaO Rn. 67; [X.]/[X.] aaO Rn. 62). Eine solche Konstellation ist hier indes schon deshalb nicht gegeben, weil der Angeklagte in jedem der zur Verurteilung gelangten Fälle wusste, dass die vermeintlichen Vertragspartner der [X.] bzw. der von dieser vertretenen Mobilfunkanbieter tatsächlich nicht existierten und dass die Verträge nicht erfüllt werden sollten. Er war bereits vor Ingangsetzen des [X.] entschlossen, die Mobiltelefone an seine Mittäter herauszugeben, ohne dass diese eine nennenswerte Gegenleistung erbrachten. Somit lag in jeder Herausgabe jeweils eine eigenverantwortliche Vermögensverfügung des Angeklagten oder seiner Mitarbeiter, mit der allerdings nicht das Ergebnis des vorangegangenen [X.] umgesetzt wurde. Vielmehr stand schon vorher fest, dass die Verfügung, die - mit Blick auf die Mitarbeiter - jedenfalls eine Missachtung der internen Vorgaben der [X.] für das Vorgehen bei Vertragsschlüssen und hinsichtlich des Angeklagten eine bewusste Überschreitung dessen darstellte, was ihm von der [X.] als "Shop-Manager" gestattet war, durchgeführt werden sollte. Die Beeinflussung des [X.] führte also nicht zu einer unmittelbaren Vermögensminderung, sie diente vielmehr in erster Linie der Verschleierung des tatsächlich vermögensmindernd wirkenden, unerlaubten Verhaltens.

II.

Die Aufhebung des Urteils wirkt gemäß § 357 [X.] auch zugunsten des nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.]   , weil dieser wegen der nämlichen Taten ebenfalls wegen [X.] verurteilt worden ist.

III.

Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Da die Gesetzesverletzung, auf die die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung mit Anklageerhebung beschränkt hat, nicht gegeben ist, sind die ausgeschiedenen Teile wieder einzubeziehen ([X.], [X.], 56. Aufl., § 154a Rn. 24 mwN).

Der Angeklagte kann sich in den zur Verurteilung gelangten Fällen wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Eine Schuldspruchänderung kam insoweit nicht in Betracht, weil - mit Blick auf den rechtlichen Ausgangspunkt des [X.]s konsequent - bislang Feststellungen zu einer - allerdings nicht fern liegenden - Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten fehlen.

Da für den Mitangeklagten [X.]    das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der [X.] nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht kommen dürfte, kommt für ihn insoweit allenfalls eine Verurteilung wegen Teilnahme an etwaigen Untreuehandlungen des Angeklagten in Betracht [X.] 25 Rn. 16).

Um das Tatunrecht vollständig zu erfassen, könnte bei beiden Angeklagten zudem eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung - gegebenenfalls gewerbs- und/oder bandenmäßig begangen - zu prüfen sein.

[X.]                         Schäfer                           Mayer

                    Gericke                         Spaniol

Meta

3 StR 80/13

28.05.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 4. Juni 2012, Az: 31 KLs 10/10

§ 263a StGB, § 266 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.05.2013, Az. 3 StR 80/13 (REWIS RS 2013, 5463)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5463

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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