Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2015, Az. VI ZB 46/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 17338

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI [X.]/14
vom

13. Januar 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fa
Der Rechtsanwalt hat selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein Fristen-de richtig ermittelt und eingetragen wurde, wenn ihm die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt wird. Dies gilt auch dann, wenn ihm die Akte nach vorangegangener Ferti-gung eines Entwurfs der Berufungsschrift nur zum Zwecke der Unterschrift vorgelegt wird.
[X.], Beschluss vom 13. Januar 2015 -
VI [X.]/14 -
OLG Stuttgart

LG Heilbronn

-
2
-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 13. Januar 2015 durch
den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.],
die Richterin
von Pentz und den Richter Offenloch

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 10. Juni 2014 wird auf Kos-ten des [X.] als unzulässig verworfen.

[X.]: 19.419,28

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den
Beklagten
auf Ersatz materiellen und immateriel-len Schadens in Anspruch.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem
Prozessbevollmächtigten des
[X.]
am 1. April 2014
zugestellt
worden. Hiergegen hat der Kläger mit Telefax vom
5. Mai
2014
Berufung einge-legt
und begründet. Der Beklagte hat mit [X.] vom 15. Mai 2014 darauf hingewiesen, dass die Berufung
verspätet
eingelegt worden sei. Der Kläger hat daraufhin mit Telefax vom
26. Mai 2014 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, hilfsweise auch gegen die Versäumung der [X.] zu gewähren.
1
-
3
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Der Kläger hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter
habe den Entwurf der Berufungsschrift am 22. April 2014 diktiert und eine Abschrift an ihn, die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung sowie die Wiedervorlage zur Einlegung der Berufung für
den 2. Mai 2014 ver-fügt. Die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte habe die [X.] weisungswidrig nicht notiert. Die Deckungszusage sei am 2. Mai 2014 einge-gangen und dem Prozessbevollmächtigten am 5. Mai 2014 gemeinsam mit der Handakte und einer Ausfertigung der Berufungsschrift vorgelegt
worden.
Dieser habe die Berufungsschrift umgehend unterzeichnet und den Versand per Tele-fax an das Berufungsgericht veranlasst. Kenntnis von der Fristversäumnis habe er erst am 20. Mai 2014 erlangt, als ihm der [X.] des Prozessbevoll-mächtigten des Beklagten vom 15. Mai 2014 zugegangen sei.
Das Oberlandesgericht
hat die Berufung und den Antrag des [X.], ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beru-fungsfrist zu bewilligen, als unzulässig
verworfen, weil der [X.] nicht innerhalb der zweiwöchigen [X.] gestellt worden sei. Die Frist habe am 5. Mai 2014 zu laufen begonnen, da der Prozessbevoll-mächtigte des [X.] an diesem Tag die Versäumung der Frist hätte bemer-ken müssen.
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung die-ses Beschlusses und Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen zur [X.] der Berufung und Beantragung der Wiedereinsetzung, hilfsweise Zurück-verweisung.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, 2
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weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die [X.] wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu-tung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Der an-gefochtene Beschluss verletzt den Kläger weder in seinem Anspruch auf [X.] (Art.
103 Abs.
1 GG)
noch in seinem verfassungsrechtlich gewähr-leisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).
1. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] zu Recht als unzulässig verworfen, da der
Wiedereinsetzungsantrag nicht in-nerhalb der [X.] gestellt wurde.
a)
Nach §
234 Abs.
1 Satz 1 ZPO
ist die Wiedereinsetzung innerhalb [X.] zweiwöchigen Frist zu beantragen. Diese Frist beginnt, sobald das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis behoben ist (§
234 Abs.
2 ZPO). Das ist der Fall, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr unverschuldet ist (Senat, Ur-teil
vom 15. März 1977 -
VI
ZR 104/76, [X.], 643, 644; Beschlüsse
vom 1. Juni 1976 -
VI
ZB 23/75, [X.], 962, 963; vom 5. März 2002 -
VI
ZR 286/01, [X.], 637; [X.], Beschlüsse
vom 13. Juli 2004 -
XI
ZB 33/03, [X.], 426, 427; vom 5. April 2011 -
VIII
ZB 81/10, NJW 2011, 1601 Rn.
9; vom 6. Juli 2011 -
XII
ZB 88/11, [X.], 1208).

b)
Das Hindernis bestand hier darin, dass der
Prozessbevollmächtigte des [X.] bei Einlegung der Berufung den Ablauf der Berufungsfrist nicht bemerkt hatte. Dieses Hindernis entfiel nicht erst mit dem Eingang des [X.] des Beklagten auf den Fristablauf am 20. Mai 2014, sondern schon
in dem Moment,
in dem
der Prozessbevollmächtigte des [X.] bei Anwendung der 5
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5
-

erforderlichen
Sorgfalt die Versäumung der Berufungsfrist hätte bemerken müssen
(vgl. Senatsbeschlüsse
vom 29. April 1975 -
VI
ZB 2/75, [X.], 860
f.;
vom 5. März 2002 -
VI
ZR 286/01, [X.], 637;
[X.], Beschlüsse vom 11. Oktober 2004 -
X
ZB 3/03, NJW-RR 2005, 923; vom 19. Juni 2008 -
V
ZB 29/08, juris Rn.
5, 6; vom 6. Juli 2011 -
XII
ZB 88/11,
[X.], 1208, jeweils mwN). Das war am 5. Mai 2014 der Fall, als ihm die Sache
zur Unter-zeichnung der Berufungsschrift vorgelegt wurde.

aa)
Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] hat der Rechtsanwalt selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein Frist-ende richtig ermittelt und eingetragen wurde, wenn ihm die Sache
im Zusam-menhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung,
vorgelegt wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 1976 -
VI
ZB 23/75, [X.], 962, 963; vom
19. Februar 1991 -
VI
ZB 2/91, [X.], 1269; vom 11. Februar 1992 -
VI
ZB 2/92, [X.], 1632; vom 5. März 2002 -
VI
ZR 286/01, [X.], 637; vom 6. Februar 2007 -
VI
ZB 41/06, [X.], 858 Rn.
6; vom 3. Mai 2011 -
VI
ZB 4/11, juris Rn.
6; vom 5. Juni 2012 -
VI
ZB 76/11, [X.], 645 Rn.
7; [X.], Urteil vom 25. September 2014 -
III
ZR 47/14, [X.], 1337 Rn.
8).

bb)
Dies gilt entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde
unabhän-gig davon, ob der Rechtsanwalt den
Fristablauf ursprünglich selbst berechnet oder ob er die routinemäßige Fristberechnung und Fristenkontrolle einer
zuver-lässigen
und sorgfältig überwachten
Bürokraft
übertragen
hat
(vgl. [X.], [X.] vom 13. Juli 1959 -
IV
ZR 57/59, [X.], 814, 815; vom 11. [X.] -
VIII
ZB 38/91, [X.], 1153; vom 17. März 2004 -
IV
ZB 41/03, [X.], 96;
Urteil vom 25. September 2014 -
III
ZR 47/14, [X.], 1337 Rn.
11). Denn die Pflicht des Prozessbevollmächtigten, den Fristab-lauf bei der Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung selbständig 8
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6
-

zu überprüfen, beruht darauf, dass die sorgfältige Vorbereitung der Prozess-handlung stets die Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre [X.] einschließt. Diese Aufgabe ist von der Fristberechnung und Fristenkontrolle zu unterscheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen (Senatsbeschlüsse vom 1.
Juni 1976 -
VI
ZB 23/75, [X.], 962, 963; vom 8. Januar 2013 -
VI
ZB 52/12, juris Rn.
9; [X.], Beschlüsse vom
17. März 2004 -
IV
ZB 41/03, [X.], 96; Urteil vom 25. September 2014 -
III
ZR 47/14, [X.], 1337 Rn.
11).
[X.]) Die Pflicht, den Fristablauf selbständig zu prüfen, besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde
auch dann, wenn die Akte dem Pro-zessbevollmächtigten nach vorangegangener Fertigung eines Entwurfs der Be-rufungsschrift nur zum Zwecke der Unterschrift vorgelegt wird
([X.], Beschlüs-se
vom 13. November 1975 -
III
ZB 18/75, [X.], 342; vom 13. Oktober 1993 -
XII
ZB 120/93, juris Rn.
10; vgl. Senat, Beschluss vom 5. März 2002 -
VI
ZR 286/01, [X.], 637; [X.], Beschluss vom 20. Januar 2009 -
Xa
ZB 34/08, [X.], 646 Rn.
8). Denn die Bearbeitung ist erst dann ab-geschlossen, wenn der
fristgebundene [X.]
vom Rechtsanwalt [X.] und zur
Weiterleitung an das Gericht
freigegeben worden ist.
[X.])
Ohne Erfolg verweist die Rechtsbeschwerde
für ihre gegenteilige An-sicht
auf den Beschluss
des [X.]. Zivilsenats vom 23. November 2000 ([X.]/00, [X.], 211, 212). In dem zugrunde liegenden Fall waren dem [X.] die Akten nicht im Zusammenhang mit der Einlegung der Berufung, son-dern zur Information über den Erhalt des [X.] vorgelegt worden.
Der [X.]. Zivilsenat hat dagegen keinen Zweifel daran gelassen, dass der Anwalt die notierte Frist auf ihre Richtigkeit hätte überprüfen müssen, wenn ihm die Akten -
wie im Streitfall
-
zur Bearbeitung der Berufung vorgelegt worden wären.
10
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-
7
-

c)
Die [X.]
lief damit gemäß §
222 Abs.
1 ZPO i.V.m.
§
187 Abs.
1, §
188 Abs.
2 BGB am 19. Mai 2014
ab, so dass der am 26. Mai 2014 gestellte Wiedereinsetzungsantrag verspätet
war.

2. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] schei-tert daran, dass
der Kläger
die [X.] nicht unverschuldet ver-säumt
hat. Er muss
sich das
Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen.
3. Da der Kläger die Berufungsfrist nicht gewahrt hat, hat das Berufungs-gericht die
Berufung
zu Recht als unzulässig verworfen.
Galke
[X.]
[X.]

von Pentz
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.03.2014 -
2 O 241/13 Sch -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 10.06.2014 -
4 [X.] -

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14

Meta

VI ZB 46/14

13.01.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2015, Az. VI ZB 46/14 (REWIS RS 2015, 17338)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17338

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VI ZB 46/14

4 U 77/14

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