Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2011, Az. IX ZB 166/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1541

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 166/10

vom

10. November 2011

in dem Insolvenzverfahren

-

2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.], Grupp und die Richterin Möhring

am 10. November 2011
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde
der
weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 14.
Juli 2010 (4
[X.]) aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 23.
April 2007 ordnete das Insolvenzgericht im Insol-venzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin Sicherungsmaß-nahmen an. Mit Beschluss vom
8.
Mai 2007 setzte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss ein und bestellte die weiteren Beteiligten zu 4 bis 9 zu dessen Mitgliedern. Am 1.
Juli 2007 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren.

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Das Insolvenzgericht hat die Vergütung der Mitglieder des im Eröff-nungsverfahren gebildeten vorläufigen Gläubigerausschusses mit Beschluss vom 8.
Juli 2008 festgesetzt. Diese Entscheidung
hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 17.
Juli 2008 aufgehoben und neu gefasst. Den Beschluss vom 17.
Juli 2008 hat das Insolvenzgericht dem Insolvenzverwalter, der Schuldnerin sowie den Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses zugestellt und am 18.
Juli
2007 auf der [X.]seite www.insolvenzbekanntmachungen.de
wie folgt bekanntgemacht:

"9 [X.]: In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.

GmbH (...)
wird der Beschluss des Insolvenz-gerichts vom 08.07.2008 über die Vergütung und Auslagen der [X.] aufgrund einer offenbaren [X.] hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht der Gläubigerausschussmitglie-der (...) aufgehoben. Die Vergütung und Auslagen der [X.] sind erneut durch
Beschluss des [X.] vom 17.07.2008 festgesetzt worden. Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden.
[X.], 17.07.2008"

Mit am 25.
Mai 2010 beim Insolvenzgericht eingegangenem Schriftsatz haben
die weiteren
Beteiligten
zu 1
bis 3
als Insolvenzgläubiger sofortige Be-schwerde gegen die Festsetzung der Vergütung für die Mitglieder des [X.] eingelegt. Das [X.] hat die sofortige Be-schwerde als unzulässig verworfen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen
die weiteren
Beteiligten
zu 1
bis 3 ihren Antrag auf Herabsetzung der Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses weiter.

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4

-

II.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil sie
nicht innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist von zwei Wochen

569 Abs.
1 Satz
1 ZPO)
eingelegt worden sei. Nach der Regelung der §§
9, 73 in Verbindung mit §
64 Abs.
2
[X.] habe die
Beschwerdefrist am dritten Tag nach der Bekanntmachung im [X.] am 18.
Juli 2008, mithin am 21.
Juli 2008, zu laufen begonnen. Zwar sei die
[X.] unrichtig ge-wesen, weil tatsächlich nicht die Vergütung und die Auslagen der [X.] festgesetzt worden seien, sondern diejenigen der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses. Dieser Fehler hindere den Lauf der Beschwerdefrist jedoch nicht, weil
es für die Wahrung der Verfah-rensrechte der Beteiligten entscheidend auf deren Kenntnis ankomme, dass eine Vergütungsfestsetzung für Mitglieder des Gläubigerausschusses
erfolgt sei. Ohne
Bedeutung
sei, ob es sich hierbei um die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses, der [X.] oder der Mitglieder des Gläubiger-ausschusses handele. Zumindest habe die Bekanntmachung im [X.] eine fünfmonatige Anfechtungsfrist
entsprechend §
569 Abs.
1 Satz
2 ZPO in Lauf gesetzt, welche die Beschwerdeführer
ebenfalls nicht gewahrt haben.

Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde, wegen des [X.] auf effektiven Rechtsschutz dürfe eine Rechtsmittelfrist durch die öffentliche Bekanntmachung einer Entscheidung nur in Lauf gesetzt werden, wenn auch der
Entscheidungsausspruch öffentlich bekannt gemacht worden sei. [X.] hingegen nach der Vorschrift des
§
73 Abs.
2 in Verbindung mit §
64 Abs.
2 Satz
2 [X.] die [X.] des Betrags, welcher als Vergü-tung
der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses
festgesetzt worden 4
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5

-

sei, so könnten die Beteiligten aus der [X.] nicht ersehen, inwieweit sie durch die Entscheidung betroffen würden. Ungeachtet dessen sei vorliegend die Rechtsmittelfrist durch die Bekanntmachung im [X.] jedenfalls
deshalb nicht in Gang gesetzt worden, weil diese Bekanntgabe sich nicht auf die tat-sächlich getroffene Entscheidung -
die Festsetzung der Vergütung und der [X.] für die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses
-
bezogen habe. Aus diesem
Grunde sei die Bekanntgabe auch nicht geeignet gewesen, eine fünfmonatige Einlegungsfrist in Gang zu setzen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nach den Vorschriften der §§
6, 7, 64 Abs.
3 Satz
1 in Verbindung mit §
73 Abs.
2
[X.] statthaft, wobei es für
die Statthaf-tigkeit der Rechtsbeschwerde nicht darauf ankommt, dass das [X.] die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen hat ([X.], Beschluss vom 30.
März 2006 -
IX
ZB 171/04, [X.], 1409 Rn.
5; vom 22.
September 2010 -
IX
ZB 195/09, [X.], 2122 Rn.
6). Die auch im Übrigen zulässige
Rechtsbeschwerde (§
4 [X.], §
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO)
ist begründet, die Sache aber nicht zur Endentscheidung reif.

1.
Entgegen der Auffassung des [X.] ist
die sofortige
Beschwerde
der weiteren Beteiligten zu 1 bis
3 fristgemäß eingelegt worden.

a) Die zweiwöchige Frist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung für die Mitglieder eines Gläubigerausschusses (§§
4, 64 Abs.
3 Satz
1, § 73 Abs. 2 [X.], §
569 Abs.
1 Satz
1 ZPO) knüpft, weil
der Festsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts nicht verkündet worden ist, 6
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6

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an die Zustellung dieser Entscheidung an (§
6 Abs.
2 [X.]). Nach der Regelung der §
9 Abs.
3, §
64 Abs.
2 in Verbindung mit §
73 Abs.
2
[X.] genügt zum Nachweis der Zustellung die öffentliche Bekanntmachung der Vergütungsfest-setzung, wobei die Mitteilung der festgesetzten Beträge unterbleibt. Die öffentli-che Bekanntmachung erfolgt gemäß §
9 Abs.
1 [X.] seit dem 1.
Juli 2007 (§
103c Abs.
1 Satz
1 EG[X.]) zentral und länderübergreifend durch Veröffent-lichung auf der [X.]seite www.insolvenzbekanntmachungen.de.

b) Der öffentlichen Bekanntmachung kommt die Wirkung einer Zustellung gemäß §
9 Abs.
3 [X.] jedoch nur dann zu, wenn die getroffene Entscheidung in der [X.] zutreffend bezeichnet ist. Eine [X.], welche die getroffene Entscheidung fehlerhaft bezeichnet, begründet auch dann keine Zustellungswirkung, wenn mit dem Insolvenzverfahren vertraute Kreise aus dem Inhalt
der Bekanntmachung hätten erschließen können, welche Entschei-dung das Insolvenzgericht mutmaßlich getroffen habe. Fehlt es an einer wirk-samen öffentlichen Bekanntgabe, so löst der bloße Erlass der Entscheidung des Insolvenzgerichts auch keine fünfmonatige Anfechtungsfrist analog §
569 Abs.
1 Satz
2 Fall 2 ZPO zum Nachteil solcher Verfahrensbeteiligter aus, denen
der Beschluss nicht individuell bekannt gegeben worden ist
(vgl. dazu [X.], Beschluss vom 10.
November 2011 -
IX
ZB 165/10 unter III.
1.
c).

c) [X.] vom 8.
Juli 2008 ist gemäß den Feststellungen des [X.] offenbar überhaupt nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Die öffentliche Bekanntmachung des [X.] über die Neufestsetzung vom 17.
Juli 2008 ist unrichtig
gewesen, weil hierin eine tatsächlich nicht getroffene Entscheidung über die Vergütung vorläufiger
Mitglieder des Gläubigerausschusses mitgeteilt
worden ist. Aus die-ser [X.] war nicht zu ersehen, dass sich die Vergütungsentschei-9
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dung auf den bereits im Eröffnungsverfahren gebildeten vorläufigen Gläubiger-ausschuss bezog. Wegen dieser wesentlichen Unrichtigkeit vermochte die öf-fentliche Bekanntmachung
keine Beschwerdefrist gegen die Festsetzung vom 17.
Juli 2008 auszulösen, die sofortige Beschwerde war daher fristgerecht.

2. Auf die weitere von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die gesetzliche Regelung, nach der die zweiwöchige Frist zur sofortigen Be-schwerde gegen die Festsetzung der Vergütung der Mitglieder eines Gläubi-gerausschusses an die öffentliche Bekanntmachung dieser Entscheidung ohne Mitteilung der festgesetzten Beträge anknüpft, den verfassungsrechtlich ge-währleisteten Anspruch eines Insolvenzgläubigers auf effektiven Rechtsschutz (Art.
19 Abs.
4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, kommt es danach nicht an.

3. Wegen des Rechtsfehlers des [X.] ist die [X.] Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO).

Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Be-schwerdegericht die angefochtene Vergütungsfestsetzung bislang nicht in der Sache überprüft und hierzu keine Feststellungen getroffen hat (§
577 Abs.
5 Satz
1 ZPO).
Dabei kann dahinstehen, ob die Bildung des vorläufigen Gläubi-gerausschusses durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren nach ge-genwärtiger Gesetzeslage zulässig
gewesen
ist (zum [X.], [X.], 13.
Aufl., §
67 Rn.
4
f; vgl. nun auch §
21 Abs.
2, §
22a [X.] in der Fassung des [X.] der Sanierung von Unternehmen, BT-Drucks. 17/5712 S.
7, 24
f). Wegen der mate-riellen Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts vom 8. Mai 2007,
11
12
13
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8

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durch welchen im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss ein-gesetzt worden ist, unterliegt die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im [X.] über die Vergütung der Mitglieder dieses Ausschusses nicht der Nach-prüfung (vgl. zur materiellen Rechtskraft von Entscheidungen des [X.] [X.], Beschluss vom 7.
April 2011 -
IX
ZB 170/10, [X.], 949 Rn.
9). Auch wenn die Rechtmäßigkeit der Einrichtung eines vorläufigen Gläubigeraus-schusses im Eröffnungsverfahren nach bisheriger Rechtslage
fraglich ist, be-deutet eine solche Anordnung des Insolvenzgerichts jedenfalls keinen so schwerwiegenden Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen, dass die Ent-scheidung als nichtig anzusehen wäre (vgl. dazu [X.], Urteil vom 10.
Dezem-ber 2009 -
IX
ZR 206/08, [X.], 136 Rn.
13
f).

Kayser
Gehrlein
Fischer

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.07.2008 -
9 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 14.07.2010 -
4 [X.] -

Meta

IX ZB 166/10

10.11.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2011, Az. IX ZB 166/10 (REWIS RS 2011, 1541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1541

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