Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2010, Az. IV ZR 96/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 346

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[X.] BESCHLUSS [X.]vom 15. Dezember 2010 in dem Rechtsstreit nachträglicher Leitsatz Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja [X.] § 15; [X.] Nr. 2303 [X.] Eine Geschäftsgebühr nach [X.] Nr. 2303 [X.] setzt ein Verfahren vor [X.] gesetzlich eingerichteten [X.], Güte- oder Schiedsstelle voraus. Sie fällt daher bei Verfahren vor einer kirchlichen Vermittlungsstelle, deren Anru-fung vor Beschreiten des Rechtsweges rein arbeitsvertraglich vereinbart ist, nicht an. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2010 - [X.] - [X.]

AG [X.] - 2 -

[X.] hat durch die Richterin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] Karczewski und [X.] am 15. Dezember 2010 einstimmig beschlossen: Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 24. Februar 2010 durch Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Januar 2011.

Gründe: [X.] Der Kläger - eine [X.] - fordert von dem beklagten Rechtsschutzversicherer die Freistellung von außergerichtlichen Rechts-anwaltskosten. Dem Versicherungsverhältnis liegen Bedingungen zu-grunde, die den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversiche-rung (im Folgenden: [X.]) entsprechen. Nachdem die [X.] zweier Mitglieder des [X.] von den jeweiligen kirchlichen [X.] gekündigt worden waren, erhoben die beauftragten 1 - 3 -

Rechtsanwälte in beiden Fällen Kündigungsschutzklage und riefen gleichzeitig die kircheninterne Vermittlung an. Die Beklagte zahlte nur die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren. Der Kläger meint, dass auch durch die außergerichtliche Vertretung im Verfahren vor den kirchlichen Vermittlungsstellen von der [X.] zu erstattende Rechtsanwaltsgebühren entstanden seien.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg; das [X.] hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. 2 I[X.] Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). 3 1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat die Rechtssache nicht. 4 a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nicht schon dann zu, wenn sie lediglich in Zusammenhang mit einer abstrakt generell formulierten Rechtsfrage gebracht wird. Erforderlich ist weiter, dass diese Rechtsfrage über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Recht-sprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstrit-ten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - [X.], [X.], 225 unter 2 a) und die Rechtssache eine solche Rechtsfra-ge im konkreten Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. 5 - 4 -

[X.], Beschlüsse vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 291; vom 1. Oktober 2002 - [X.], [X.]Z 182, 191).
b) Eine derartige Bedeutung hat die Klärung der hier entschei-dungserheblichen Fragen nicht. Weder die Auslegung der maßgeblichen Regelung in den [X.] noch die Auslegung der [X.] ist über das Rechtsverhältnis der Parteien hinaus um-stritten. 6 aa) Nach § 5 (1) d) [X.] trägt der Versicherer "die Gebühren eines Schieds- oder Schlichtungsverfahrens bis zur Höhe der Gebühren, die im Falle der Anrufung eines zuständigen staatlichen Gerichtes erster Instanz entstehen". Der Wortlaut des § 5 (1) d) [X.] enthält keine den Rechtsanwaltsvergütungsregelungen der § 65 Abs. 1 Ziff. 4 [X.] und Nr. 2303 Ziff. 4 [X.] entsprechende Einschränkung auf gesetzlich eingerichtete Einigungsstellen. Für eine einschränkende Auslegung ent-gegen dem Wortlaut gibt es keinen Anlass. Dementsprechend gilt die Kostenübernahme nach allgemeiner Auffassung für Schieds- und Schlichtungsverfahren jeglicher Art (Armbrüster in [X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., § 5 [X.] Rn. 5; [X.] in [X.], Rechtsschutzversiche-rung, § 5 [X.] 2000 Rn. 121; van [X.] in van [X.]/Plote, [X.], 2. Aufl., § 5 Rn. 72), insbesondere auch für betriebliche Schiedsstellen, die auf Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung beruhen ([X.] in [X.]/Matusche-[X.], Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., S. 2104). Allerdings sind Rechtsanwaltskosten nach § 5 (1) a) [X.] nur im Rahmen der gesetzlichen Vergütung erstattungsfähig. 7 bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass durch die Vertretung in den Vermittlungsverfahren keine [X.] - 5 -

gebühren nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 4 [X.] bzw. nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.], Nr. 2303 Ziff. 4 [X.] [X.] entstanden sind. (1) Einer unmittelbaren Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 4 [X.] und der Nr. 2303 Ziff. 4 [X.] [X.] auf kirchliche Vermittlungsstel-len steht der klare Wortlaut der Gebührentatbestände entgegen. Zwar setzen § 65 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 4 [X.] und Nr. 2303 Ziff. 4 [X.] [X.] nicht voraus, dass die Einrichtung der Gütestelle unmittelbar durch ein formelles Gesetz geregelt ist. Aus der Bezugnahme auf die in Ziff. 1 bis 3 konkret aufgeführten Gütestellen folgt vielmehr, dass die Einrichtung auf-grund einer in einem Gesetz enthaltenen Ermächtigung ausreichend ist ([X.], [X.] 1985, 236, 238; [X.], in [X.]/ v. Eicken/[X.]/Müller-Rabe, [X.], 19. Aufl., [X.] 2303 Rn. 7; [X.], in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., Nr. 2303 [X.] Rn. 12; [X.], in [X.]/Mümmler/[X.]/[X.]/Schons/ [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., [X.]). 9 Eine gesetzliche Ermächtigung für die Einrichtung der kirchlichen Vermittlungsstellen fehlt jedoch. Insbesondere findet sich eine solche nicht in § 1 des [X.] ([X.]), der lediglich bestimmt, dass die Arbeitsbedingungen nach tarifvertraglichen Regelun-gen zu gestalten sind. Der Kirchliche Angestelltentarifvertrag ([X.]) vom 15. Januar 1982 (veröffentlicht im GVOBl. der [X.] - [X.] - 1980, [X.]) stellt bereits [X.] keine gesetzliche Grundlage dar, da er weder das [X.] vor den kirchlichen Vermittlungsstellen noch das Vertragsmuster mit der die Vermittlungsstellen betreffenden Verpflichtungsklausel [X.]. Offen bleiben kann, ob für das vorliegende Revisionsverfahren nach § 559 Abs. 2 ZPO die - unzutreffende - Feststellung im unstreitigen 10 - 6 -

Tatbestand des Berufungsurteils zugrunde zu legen ist, wonach das [X.] Bestandteil des für allgemeinverbindlich erklärten [X.] ist. Auch auf dieser Grundlage könnte in dem Tarifvertrag [X.] "gesetzliche" Ermächtigung für die Einrichtung der kirchlichen [X.] gesehen werden, da es zur Verbindlichkeit der Klausel einer Übernahme in den Arbeitsvertrag bedarf, die - wie die "[X.] Mittei-lungen" vom 1. Januar 1994 klarstellen - den Arbeitsvertragsparteien freisteht. Die Anrufung und Einrichtung der Vermittlungsstellen beruht daher ausschließlich auf der Entscheidung der Arbeitsvertragsparteien.
[X.] Eine extensive Auslegung des seinem Wortsinn nach eindeuti-gen Begriffs der "gesetzlichen" Einrichtung in Ziff. 4 der [X.] scheidet auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser einschränkenden Formulierung aus. Aus dem Wortlaut der Regelung und der Bezugnahme auf die ausdrücklich unter Ziff. 1 bis Ziff. 3 erwähnten Schlichtungsstellen ergibt sich die Intention des Gesetzgebers, die An-wendung der besonderen Gebühr für das Vermittlungsverfahren im Inte-resse der Vorhersehbarkeit der Gebührenlast für die Parteien klar zu [X.]. Durch die Beschränkung auf gesetzlich eingerichtete Eini-gungsstellen wird zugleich gewährleistet, dass die besondere Gebühr nur in Verfahren vor solchen Einigungsstellen anfällt, die aufgrund ihrer Be-setzung und aufgrund eines strukturierten Verfahrens ein hinreichendes Maß an Neutralität und Kompetenz aufweisen. Dieser Zweck lässt sich nur durch eine restriktive, am Wortsinn orientierte Auslegung der [X.] gewährleisten. Daher können weder eine vertragliche Regelung noch die aus dem Status der Religionsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV) abgeleitete allgemeine Befugnis zu öffentlich-rechtlicher 11 - 7 -

Rechtssetzung unter den Begriff der "gesetzlichen" Einrichtung subsu-miert werden.
(3) Auch eine analoge Anwendung der Vergütungsregelungen auf die Verfahren vor kirchlichen Vermittlungsstellen kommt nicht in [X.]. Es fehlt bereits die für eine Analogie erforderliche (vgl. [X.], Ur-teil vom 14. Juni 2007 - [X.], NJW 2007, 3124 unter I[X.] b m.w.N.) planwidrige Regelungslücke. Eine Ausweitung des [X.] auf vertraglich vereinbarte Streitbeilegungsverfahren wollte der Gesetzgeber zwecks Vorhersehbarkeit der Gebührenlast erkennbar vermeiden. Der Annahme, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer arbeitsvertraglichen Regelung planwidrig übersehen haben könnte, steht auch entgegen, dass sowohl Ziff. 2 als auch Ziff. 3 der Gebührenrege-lungen Verfahren zur Schlichtung von Streitigkeiten in Arbeits- bzw. [X.] betreffen. 12 (4) Für die vom Kläger geforderte verfassungskonforme Auslegung der Gebührentatbestände unter Berücksichtigung des Selbstbestim-mungsrechts der N.

-Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV) besteht kein Anlass. Weder können sich die [X.] dieses Rechtsstreits auf das Selbstbestimmungsrecht berufen noch ist die [X.] in ihrem Recht, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, beeinträchtigt. 13 cc) [X.] ist demnach allein die Frage, ob die Gebührenregelungen auf vertraglich vereinbarte Vermittlungsverfahren Anwendung finden. Diese Frage ist über die zwischen den Parteien strei-tigen Fälle hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre nicht umstritten. Nur vereinzelt ([X.], [X.]. 2004, [X.]) wird vertreten, dass § 65 14 - 8 -

[X.] auf private Streitbeilegungseinrichtungen angewendet werden sollte. Eine grundsätzliche Bedeutung folgt hieraus nicht.
2. Auch der vom Berufungsgericht angenommene [X.] der Fortbildung des Rechts liegt nicht vor. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Aus-legung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher An-lass besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeine-rungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientie-rungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], NJW 2003, 1943 unter [X.]). Ein Bedürfnis für eine 15 - 9 -

Orientierungshilfe bei der Auslegung der hier maßgeblichen Regelung der [X.] und der einschlägigen Gebührentatbestände besteht aus den genannten Gründen nicht.
Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch [X.]

erledigt worden. Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 16.12.2008 - 36 [X.][X.], Entscheidung vom 24.02.2010 - 23 S 34/09 -

Meta

IV ZR 96/10

15.12.2010

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2010, Az. IV ZR 96/10 (REWIS RS 2010, 346)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 346

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