Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2010, Az. XI R 25/08

11. Senat | REWIS RS 2010, 1532

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Gegenstand

(Unzulässigkeit der Feststellungsklage einer Organgesellschaft - Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 FGO - Außergerichtliche Kosten eines Beigeladenen)


Leitsatz

NV: Die Klage einer Organgesellschaft mit dem Antrag, festzustellen, dass die von ihr entrichteten Abwassergebühren Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Abwasserentsorgungsleistung eines bestimmten Unternehmens und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare Abwasserentsorgungsleistung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gewesen sind, ist unzulässig .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine … in der Rechtsform einer GmbH. Sie ist Organgesellschaft innerhalb eines umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses nach § 2 [X.]bs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit dem von X ([X.] zu 3) betriebenen Einzelunternehmen als Organträger.

2

Der Klägerin wurden von der [X.] zusammen mit den Beträgen für den Wasserverbrauch ohne Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.

3

Die Y-GmbH verwies in den [X.]brechnungen u.a. darauf, dass sie die Entwässerungsgebühr im [X.], Beigeladene zu 2, erhebe. Rechtsgrundlage für die Entwässerungsgebühr sei das in [X.] geltende Entwässerungsgebührenortsgesetz. Die Klägerin ist der [X.]nsicht, dass die von ihr im [X.] geleisteten Zahlungen für [X.]bwasserentsorgungsleistungen Entgelte für umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige [X.]bwasserentsorgungsleistungen der Beigeladenen zu 2 und nicht der Stadtgemeinde [X.], [X.] Entsorgungsbetriebe, Eigenbetrieb der Stadtgemeinde [X.] (Beigeladene zu 1) seien.

4

Mit ihrer im Dezember 2006 erhobenen Feststellungsklage machte sie beim Finanzgericht ([X.]) geltend, sie könne nur durch eine Feststellungsklage ihr Ziel erreichen, dass die umstrittene Entwässerungsgebühr als umsatzsteuerrechtliche Leistung beurteilt werde. Das Bestehen der Umsatzsteuerbarkeit und -pflicht sei ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Sie könne die Erteilung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer nur verlangen, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen habe (Hinweis auf die Urteile des [X.] --BFH-- vom 10. Juli 1997 [X.], [X.], 288, [X.] 1997, 707, und des Sächsischen [X.] vom 28. Juni 2001  2 K 2261/98, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2001, 1577).

5

Das [X.] wies die Klage mit dem [X.]ntrag, festzustellen, dass die von ihr gezahlten [X.]bwassergebühren im [X.] Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige [X.]bwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 2 und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare [X.]bwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 1 gewesen seien, ab. Die Feststellungsklage sei zwar zulässig. Sie sei aber unbegründet, weil die Beigeladene zu 2 entgegen der [X.]uffassung der Klägerin ihr gegenüber keine umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungen ausgeführt habe. Vielmehr sei die Beigeladene zu 1 auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Bestimmungen [X.] gegenüber der Klägerin gewesen. Eine "Beleihung" habe im Streitfall nicht stattgefunden. Das Urteil des [X.] ist in E[X.] 2008, 1312 veröffentlicht.

6

Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die [X.]bwasserentsorgungsleistungen der Beigeladenen zu 2 stellten keine hoheitliche Tätigkeit dar. Die Beigeladene zu 1 lasse die ihr übertragene öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die hoheitliche Tätigkeit der [X.]bwasserentsorgung durchzuführen, durch die Beigeladene zu 2 als umsatzsteuerrechtlichen "Subunternehmer" ausführen. Die Beigeladene zu 2 sei insoweit [X.]. Während die Beigeladene zu 2 im eigenen Namen gegenüber den Leistungsempfängern auftrete, indem sie die konkrete [X.]bwasserentsorgungstätigkeit durchführe und die [X.]bwassergebühr in Rechnung stelle, trete die Beigeladene zu 1 den Leistungsempfängern gegenüber nicht in Erscheinung.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und festzustellen, dass die von ihr im [X.] entrichteten [X.]bwassergebühren Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige [X.]bwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 2 und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare [X.]bwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 1 gewesen sind,

hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und festzustellen, dass die von ihr im [X.] entrichteten [X.]bwassergebühren Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige [X.]bwasserentsorgungsleistung der Y-GmbH und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare [X.]bwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 1 gewesen sind.

8

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beigeladene zu 2 beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1 und 3 haben keinen [X.]ntrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar hätte es die Klage als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist aber trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil sein Tenor zutreffend ist (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 20. April 1988 [X.]/84, [X.], 5, [X.] 1988, 927, und vom 3. September 2009 IV R 38/07, [X.], 283, [X.] 2010, 60).

1. Nach § 41 Abs. 1 [X.]O kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

a) Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 [X.]O ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 29. Juli 2003 [X.], 43/02, [X.], 411, [X.] 2003, 828, unter 2.b, m.w.N.).

Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des [X.] zum [X.] handeln, denn nur hierfür ist der [X.] eröffnet (vgl. § 33 [X.]O); ein Feststellungsbegehren, das allein die privatrechtlichen Beziehungen eines [X.] zu seinen Vertragspartnern und/oder ausschließlich deren abgabenrechtliche Verhältnisse betrifft, ist unzulässig (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 18. Mai 1988 [X.]/81, [X.] 1989, 54, und vom 11. April 1991 [X.], [X.], 219, [X.] 1991, 729).

Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger ein Interesse an baldiger Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten hat ([X.]-Urteil vom 7. Juni 1972 [X.]/70, [X.], 414).

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht erfüllt.

aa) Soweit die Klägerin sich mit ihrem Feststellungsbegehren auf die beabsichtigte Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs aus erteilten Abrechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer beruft, fehlt es schon an dem erforderlichen eigenen abgabenrechtlichen Interesse. Denn sie hat als Organgesellschaft in einer bestehenden Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kein eigenes Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 Abs. 1 UStG aus ihren [X.]. Vielmehr entsteht das Vorsteuerabzugsrecht ausschließlich beim Organträger (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 13. Mai 2009 [X.], [X.], 282, [X.] 2009, 868).

bb) Da die Klägerin als Organgesellschaft auch keine Unternehmerin i.S. des § 2 UStG ist, bestehen außerdem zwischen der Klägerin und dem beklagten [X.] insoweit auch keine durch Rechtsnormen geordneten Beziehungen. Das beklagte [X.] ist nicht für die Klägerin zuständig. Es ist vielmehr das für die Beigeladene zu 2 zuständige [X.].

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem [X.]-Urteil in [X.], 288, [X.] 1997, 707, in dem der [X.] ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine Feststellungsklage gegen dasjenige [X.] für zulässig erachtet hat, das für die [X.] gegenüber den Geschäftspartnern der dortigen Klägerin zuständig war.

aa) Er hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ausgeführt, dass grundsätzlich für die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Rechnungserteilung mit Steuerausweis der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Er hat das Feststellungsbegehren aber ausnahmsweise deshalb für zulässig erachtet, weil eine steuerrechtliche Vorfrage, nämlich die Frage der Umsatzsteuerbarkeit und Umsatzsteuerpflicht eines Vorgangs, umstritten gewesen sei und dem Leistenden nicht das Risiko aufgebürdet werden könne, Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 bzw. Abs. 2 UStG 1993 zu schulden. Eine eventuelle Klage gegen die Geschäftspartnerin auf Erteilung einer Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer wäre an der Rechtsprechung der Zivilgerichte gescheitert, wonach bei zweifelhafter Steuerrechtslage die Erteilung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Steuer nur verlangt werden könne, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen habe (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Februar 1988 [X.], [X.]Z 103, 284).

bb) Mit diesem Sachverhalt ist der des Streitfalls nicht vergleichbar.

Einer eventuellen Klage der Klägerin gegen die Beigeladene zu 2 auf Erteilung von Abrechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer stünde nicht das Hindernis einer zweifelhaften steuerrechtlichen Vorfrage entgegen.

Denn die Steuerbarkeit und Steuerpflicht der [X.] stünde fest, wenn die Beigeladene zu 2 und nicht die Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin als Leistende anzusehen wäre. Wer als [X.] anzusehen ist, ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 28. Februar 2002 [X.], [X.]E 198, 220, [X.] 2003, 950, m.w.N.). Die Klärung dieser Rechtsfrage betrifft die zivilrechtliche Rechtslage.

2. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Nach § 139 Abs. 4 [X.]O sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur dann erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeitsgründen der unterliegenden [X.] oder der Staatskasse auferlegt. Im Streitfall entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 zu tragen hat. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1 und des Beigeladenen zu 3 sind nicht erstattungsfähig, da diese keine Sachanträge gestellt haben und daher gemäß § 135 Abs. 3 [X.]O keinem Kostenrisiko ausgesetzt waren (vgl. [X.]-Urteil vom 22. Oktober 1991 [X.], [X.]E 165, 482, [X.] 1992, 147).

Meta

XI R 25/08

10.11.2010

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Bremen, 16. April 2008, Az: 2 K 265/06 (5), Urteil

§ 41 Abs 1 FGO, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, § 15 Abs 1 UStG 2005, § 135 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2010, Az. XI R 25/08 (REWIS RS 2010, 1532)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1532

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