28. Senat | REWIS RS 2019, 7751
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Markenbeschwerdeverfahren – "Freilauf-Rundstall" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 102 181.6
hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 30. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein und der Richter [X.] und Dr. Söchtig
beschlossen:
Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 29, vom 22. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen
„Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen“ (Klasse 35)
zurückgewiesen worden ist.
I.
Der Anmelder hat am 26. Februar 2018 beim [X.] beantragt, das Zeichen
Freilauf-[X.]
als Wortmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 31, 35 und 44 in das Markenregister einzutragen. Die Dienstleistungen der Klasse 35 lauten wie folgt:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen.
Das [X.], Markenstelle für Klasse 29, hat die Anmeldung nach vorausgegangener Beanstandung durch Beschluss vom 22. Oktober 2018 zurückgewiesen. Das aus der Kombination der Begriffe „Freilauf“ und „[X.]“ bestehende Anmeldezeichen verweise auf eine schonende Tierhaltung in einer Behausung, die den Tieren eine Freilauffläche biete. Das angesprochene Publikum verstehe die Wortfolge in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich als eine Sachangabe. So werde es dahingehend verstanden, dass die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 darauf gerichtet seien, einen landwirtschaftlichen Betrieb so zu organisieren und damit zu werben, dass Tiere in [X.] und [X.] untergebracht werden könnten. Das Anmeldezeichen eigne sich damit nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem konkreten Unternehmen und entbehre daher der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er meint, das angemeldete Wortzeichen sei schutzfähig. Nach Hinweis des Senats hat er im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 16. April 2019 die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 31 und 44 zurückgenommen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des [X.]s, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. Oktober 2018 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen
„Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen“ ([X.])
zurückgewiesen worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 kein Schutzhindernis entgegen. Der angefochtene Beschluss des [X.]es war daher insoweit aufzuheben.
Soweit die Zurückweisung auch Waren und Dienstleistungen betrifft, für die die Anmeldung im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt wird, ist der angegriffene Beschluss wirkungslos.
1. Dem angemeldeten Wortzeichen
Freilauf-[X.]
kann für die noch beanspruchten Dienstleistungen der [X.] nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft, also die einem Zeichen innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet (vgl. [X.] [X.], 610, Rdnr. 42 - [X.]; [X.] 2013, 731, Rdnr. 11 ff. - [X.]; [X.], 270, Rdnr. 8 - Link economy; [X.], 569, Rdnr. 10 - [X.]), fehlt insbesondere Wortzeichen, denen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] 2010, 640, Rdnr. 13 - hey!; [X.], 731, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 934, Rdnr. 12, 23 - [X.]). Ob das Publikum ein Zeichen rein sachlich als merkmals- oder sonst inhaltsbestimmende Angabe versteht, richtet sich nach den in einer bestimmten Branche herrschenden Kennzeichnungsgewohnheiten (vgl. [X.] 2009, 949, Rdnr. 24 - My World; [X.], 1204, Rdnr. 19 - DüsseldorfCongress).
Die beanspruchte Dienstleistung „Werbung“, also die werbende Tätigkeit für Dritte wird ausweislich der [X.] vor allem durch die Branche, auf die sie sich bezieht, oder durch die zur Bewerbung eingesetzten Medien beschrieben (vgl. [X.] 2009, 949, Rdnr. 24 - My World; [X.], Beschluss vom 27. November 2013, 29 W (pat) 523/12 - myJobs; Beschluss vom 23. Januar 2017, 28 W (pat) 22/15 - smartcrutch). Dem Anmeldezeichen kommt ein solcher Aussagegehalt jedoch nicht zu. Vielmehr benennt es eine spezifische Form der Tierhaltung in einem [X.] mit Freilauf. Es ist nicht erkennbar, dass der Verkehr hierin ein Synonym für artgerechte Tierhaltung und damit eine Bezeichnung eines selbständigen Branchenzweigs sieht. Um zu diesem verallgemeinernden Verständnis des Ausdrucks „Freilauf-[X.]“ zu kommen, bedarf es zusätzlicher Überlegungen, die das Publikum regelmäßig nicht anstellt. Eine Werbemaßnahme mag zwar im Einzelfall darauf abzielen, die [X.]tierhaltung mit Freilauf oder den Vertrieb von dafür bestimmten Stallgehäusen bzw. von Lebensmitteln aus artgerechter Tierhaltung zu fördern. Für die Beschränkung der [X.] auf ein derart enges Dienstleistungs- bzw. Warensegment oder für die Herausstellung eines solchen Angebots einer Werbeagentur ist jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich.
Entsprechendes gilt für die weiteren Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen“ und „Büroarbeiten“. Es liegt fern, dass das Anmeldezeichen zur näheren inhaltlichen Bestimmung dieser kaufmännischen bzw. administrativen Tätigkeiten herangezogen wird. Hierfür kommen auch im Zusammenhang mit den eben genannten Dienstleistungen regelmäßig nur Branchenangaben, wie Automobil- oder Textilindustrie, ernsthaft in Betracht, da das Angebot derartiger Dienstleister regelmäßig auf bestimmte Geschäftsfelder und nicht auf die Herstellung oder den Einsatz spezieller Einzelgegenstände ausgerichtet ist. Einen solchen und nicht einen Wirtschafts- oder Geschäftszweig in seiner Gesamtheit bezeichnet die Wortfolge „Freilauf-[X.]“ jedoch.
2. Aus vorgenannten Gründen ist das Anmeldezeichen auch nicht als unmittelbar beschreibende freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] anzusehen.
Weitere Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich, so dass der Beschwerde im noch verfahrensgegenständlichen Umfang stattzugeben war.
Meta
30.04.2019
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.04.2019, Az. 28 W (pat) 5/19 (REWIS RS 2019, 7751)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 7751
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