Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.10.2012, Az. XI B 48/12

11. Senat | REWIS RS 2012, 1958

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Gegenstand

Rechtskraftwirkung


Leitsatz

1. NV: Die Wirkung der materiellen Rechtskraft besteht nach § 110 Abs. 1 FGO im Falle einer Beiladung darin, dass der Beigeladene als Beteiligter an die rechtskräftige Entscheidung soweit gebunden ist, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist .

2. NV: Es kommt für die Bindungswirkung auf den vom FG seiner Entscheidung tatsächlich zugrunde gelegten Sachverhalt und auf die hierzu angestellten rechtlichen Erwägungen an .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Inhaber des [X.] in [X.] Gegenstand des Unternehmens war im Wesentlichen das Herstellen und Verlegen von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. Er war auch Herausgeber des [X.] "S".

2

[X.] veräußerte der Kläger die Verlagsrechte "S" mit Anzeigenkunden und Druckunterlagen an die [X.].

3

[X.]it Urteil vom 25. November 2010  6 K 2114/08 hat das Finanzgericht ([X.]) eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zwischen dem Kläger und [X.] verneint und der Klage der [X.] gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs im Umsatzsteuerbescheid für 2004 stattgegeben. Das [X.] hatte den Kläger zum Verfahren 6 K 2114/08 beigeladen. Das Urteil ist rechtskräftig und in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 746 veröffentlicht.

4

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) zog mit dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung für das [X.] geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 10. [X.]ärz 2011 die Konsequenzen aus dem Urteil.

5

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das [X.] wies die Klage gegen den [X.] für 2007 vom 10. [X.]ärz 2011 im Wesentlichen mit der Begründung ab, mit rechtskräftigem Urteil vom 25. November 2010  6 K 2114/08 sei bereits über den Streitgegenstand entschieden worden. Der Kläger sei als Beigeladener Beteiligter dieses Verfahrens gewesen. Rechtskräftige Urteile seien gemäß § 110 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bindend, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden sei. Streitgegenstand des Urteils vom 25. November 2010  6 K 2114/08 sei nicht lediglich der Umsatzsteuerbescheid der [X.] für das [X.] gewesen, sondern der diesem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegende streitige Lebenssachverhalt, die steuerliche Beurteilung des Verkaufs der Kundenliste. Darüber hinaus sei die Korrektur zutreffend im Veranlagungszeitraum 2007 erfolgt.

6

[X.]it seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das [X.] rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 [X.]O, da es die Prüfung und Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts unterlassen habe. Das [X.] verkenne § 110 [X.]O, da der Sachverhalt, über den das [X.] vorliegend zu entscheiden gehabt habe, nicht Streitgegenstand des Verfahrens 6 K 2114/08 gewesen sei. Streitgegenstand des Verfahrens 6 K 2114/08 sei der gegen [X.] ergangene Umsatzsteuerbescheid für 2004 gewesen. Durch das Urteil vom 25. November 2010 sei lediglich über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids entschieden worden und nicht über einzelne Besteuerungsmerkmale --wie hier über das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG)--.

7

Der Kläger rügt ferner einen Verstoß gegen § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 [X.]O, weil das [X.] Beweisanträge in Bezug auf das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung übergangen habe.

8

Das [X.] hält die Beschwerde für unzulässig.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unbegründet. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

1. Das [X.] hat nicht gegen § 96 Abs. 1 [X.]O verstoßen, indem es die Prüfung und Würdigung des Vorbringens des [X.] zum Vorliegen einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG unterlassen hat. Denn das [X.] hat zutreffend angenommen, dass diese Rechtsfrage bereits durch das Urteil vom 25. November 2010  6 K 2114/08 mit Bindungswirkung gegenüber der Klägerin (§ 110 [X.]O) entschieden war.

Die Wirkung der materiellen Rechtskraft besteht nach § 110 Abs. 1 [X.]O darin, dass die Beteiligten an die rechtskräftige Entscheidung soweit gebunden sind, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Der Streitgegenstand wird durch den [X.] und den Klagegrund bestimmt, also durch den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch und durch den ihm zugrunde liegenden, d.h. zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt (Lange in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 110 [X.]O Rz 48 und 35 f.). Es kommt demnach für die Bindungswirkung auf den vom [X.] seiner Entscheidung tatsächlich zugrunde gelegten Sachverhalt und auf die hierzu angestellten rechtlichen Erwägungen an (vgl. z.B. Urteile des [X.] vom 21. November 1989 VII R 3/88, [X.] 1990, 650; vom 26. November 1998 IV R 66/97, [X.] 1999, 788; Lange in [X.], § 110 [X.]O Rz 48, 54, 62, m.w.N.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 110 [X.]O Rz 10, 16, m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des [X.] wurde daher in dem die Geschäftsveräußerung im Ganzen verneinenden, rechtskräftigen Urteil vom 25. November 2010  6 K 2114/08, in dem er als Beigeladener Beteiligter war, auch über die steuerliche Behandlung des Verkaufs der Kundenliste bindend entschieden.

2. Daraus folgt, dass der ferner gerügte Verfahrensfehler einer mangelhaften Sachaufklärung durch Übergehen von Beweisanträgen (§ 76 Abs. 1 [X.]O) ebenfalls nicht gegeben ist.

Denn diese Beweisanträge bezogen sich auf das Vorliegen einer --vom [X.] nicht mehr zu prüfenden-- Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG.

Meta

XI B 48/12

25.10.2012

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 3. April 2012, Az: 6 K 1998/11, Urteil

§ 110 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 1 Abs 1a UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.10.2012, Az. XI B 48/12 (REWIS RS 2012, 1958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1958

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