Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2012, Az. XII ZR 94/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5031

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 94/10
Verkündet am:

4.
Juli 2012

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO §
185 Nr.
1
a)
Im Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet werden, wenn die begünstigte [X.] alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um den Aufenthalt des Zu-stellungsadressaten zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen ge-genüber dem Gericht dargelegt hat.
b)
Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt und dem Zustel-lungspostamt des letzten Wohnsitzes des Zustellungsadressaten genügt hierfür in der Regel nicht.
[X.], Urteil vom 4. Juli 2012 -
XII ZR 94/10 -
LG [X.]

[X.]
-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4.
Juli 2012
durch den Vorsitzenden
Richter
Dose
und die Richter
Schilling, Dr.
Günter,
Dr.
Nedden-Boeger
und Dr.
Botur
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der
6.
Zivilkammer
des [X.]s [X.]
vom 14.
Mai
2010
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung

auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
-
an das [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger
verlangt nach der Kündigung eines [X.] von der
[X.]
die Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen.
Der Kläger vermietete
im August 2002 ein in seinem
Eigentum stehen-des
Appartement
an die Beklagte zur Nutzung als Wohnraum.
Beim Abschluss des schriftlichen [X.] wurde der Kläger durch die Streithelferin der Beklagten
(nachfolgend: Streithelferin)
vertreten, die
mit der Verwaltung der Wohnung beauftragt war. Gleichzeitig mietete die Beklagte in dem Gebäude zwei angrenzende Wohnungen anderer Eigentümer an, wobei diese
beim Ver-tragsschluss ebenfalls von der Streithelferin vertreten wurden. Die drei Woh-nungen waren
durch verschiedene bauliche Maßnahmen, insbesondere durch 1
2
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3
-

den
Einbau einer gemeinsamen Eingangstür,
zu einer räumlichen Einheit [X.], in der die Beklagte ein
Bordell
betreibt.

Nachdem der Kläger Kenntnis von der tatsächlichen Nutzung des [X.] als Bordellbetrieb erfahren hatte, kündigte er im August 2008 das Miet-verhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde als Einschreiben mit Rück-schein an die Adresse der Mietwohnung versandt und konnte der Beklagten dort auch zugestellt werden.
Nachdem die
Räumungsklage der Beklagten unter dieser Adresse nicht zugestellt werden
konnte, hat
das Amtsgericht auf Antrag des [X.]
die öf-fentliche Zustellung der Klage angeordnet und nach Ablauf der gesetzten [X.] im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten ebenfalls durch öf-fentliche Bekanntmachung am 2.
März 2009 zugestellt
worden.
Am 20. Mai 2009 hat die Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt
und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt.
Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und den Einspruch wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Auf die Berufung der Beklagten
hat das [X.] das Versäumnisurteil aufgehoben und die
Klage abgewiesen. Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
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5
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-
4
-

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung des Rechtstreits an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt,
das Amtsgericht habe zu Unrecht den Einspruch der Beklagten
gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils wirke nicht gegen die Beklagte, so dass ihr Einspruch nicht verfristet sei. Die Zustel-lung durch öffentliche Bekanntmachung setze voraus, dass der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und daher die Zustellung nicht möglich sei. An die Feststellung dieser Voraussetzungen seien durchweg hohe Anforderungen
zu stellen, um das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Eine
[X.], die eine öffentli-che Zustellung beantrage, habe daher darzutun
und nachzuweisen, dass sie das Erforderliche und Mögliche zur Prüfung des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsadressaten getan habe.
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Klä-ger habe lediglich eine Nachfrage beim Einwohnermeldeamt sowie eine An-schriftenprüfung durch
die
Deutsche Post AG veranlasst. Ihm seien
jedoch wei-tere Nachforschungen unschwer möglich gewesen. So habe er bei der Streit-helferin als Verwalterin der Wohnung nachfragen können, ob die Beklagte vor Ort aufhältlich
sei. Solche Nachforschungen oder auch nur ein Anruf bei dem Bordell hätten zweifellos zur Klärung der Aufenthaltsfrage geführt.
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5
-

Somit hätten die Voraussetzungen einer
öffentlichen
Bekanntmachung
für das Amtsgericht erkennbar
nicht vorgelegen.
Die Zustellung sei zwar grund-sätzlich wirksam;
Rechtsmittelfristen würden durch sie jedoch
nicht in Gang ge-setzt. Daher sei der
Einspruch der Beklagten nicht verfristet gewesen. Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sei nicht erforderlich gewe-sen.
Der Kläger könne allerdings nicht die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen, weil er den Mietvertrag nicht ohne die Mitwirkung der Vermieter der beiden anderen Wohnungen habe
kündigen können.
Da die drei Wohnungen baulich zu einer Einheit verbunden gewesen seien, die von der Beklagten insgesamt gewerblich genutzt werde, bestehe auf
Vermieterseite eine
Bruchteilsgemeinschaft gemäß §
741 BGB.
Grundsätzlich sei bei einer Mehrheit von Vermietern,
die untereinander durch das Miteigentum an dem Mietgegenstand verbunden seien, davon [X.], dass eine [X.] im Sinne von §
741 BGB vorliege. Die Kün-digung sei in einem solchen Fall wegen der Einheitlichkeit des Mietverhältnis-ses von allen [X.]ern zu erklären. Ein solcher Fall sei vorliegend ge-geben. Die Beklagte habe zwar drei [X.] mit verschiedenen Eigentümern, die jeweils
durch die Streithelferin
vertreten worden seien,
abge-schlossen.
Diese [X.] seien jedoch als [X.] gemäß §
117 Abs.
1 BGB unwirksam. Tatsächlich sei von der Beklagten und der Streithelferin als Vertreterin der Eigentümer
der Abschluss eines gewerbli-chen [X.] für ein einheitliches Objekt, bestehend
aus den drei Woh-nungen, beabsichtigt
gewesen. Dies ergebe sich aus den bei dem [X.] Ortstermin getroffenen Feststellungen. Die drei Wohnungen seien durch bauliche Veränderungen zu einer
Einheit verbunden gewesen. Schon vor der 10
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6
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Anmietung der Wohnungen durch die Beklagte
sei
in den gesamten [X.] ein
"Studio"
betrieben
worden. Aus Sicht der Streithelferin und der [X.] habe daher beim Vertragsschluss die Vorstellung bestanden, dass das
Objekt als Einheit angemietet werde und auch nur einheitlich
gekündigt werden könne. Dieses Vorstellungsbild
der Streithelferin müsse
sich der Kläger nach §
166 Abs.
1 BGB zurechnen lassen. Die Voraussetzungen für ein
kollusives Zusammenwirken der Beklagten und der Streithelferin zum Nachteil des [X.] seien nicht erfüllt.

II.
Diese
Ausführungen halten den Angriffen
der Revision
nicht in allen Punkten
stand.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Sachentscheidung über die mit dem Einspruch erhobenen Einwände der
Beklagten getroffen, ohne über den
Wiedereinsetzungsantrag
der
Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu entscheiden. Denn das am 2.
März 2009
öffentlich [X.] Versäumnisurteil, gegen das die
Beklagte erst am 20.
Mai 2009 Einspruch eingelegt hat, war nicht rechtskräftig geworden. Durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils wurde
die Einspruchsfrist (§
339 Abs.
2 ZPO) nicht in Gang gesetzt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§
185
Nr.
1 ZPO) für eine öffentliche Zustellung erkennbar nicht vorgelegen haben
(vgl. [X.]Z 149, 311 =
NJW 2002, 827, 830).
a) Nach §
185 Nr.
1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekannt-machung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich 14
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7
-

ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das [X.], sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten
nicht kennt
([X.]Z 149, 311 =
NJW 2002, 827, 828). Dabei ist es zunächst
Sa-che der [X.], die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des [X.] zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Dies gilt auch, wenn die Zustellung von Amts wegen vorzu-nehmen ist ([X.] 3.
Aufl. §
185 Rn.
6).
b) In welchem Umfang die [X.] Nachforschungen zum
Aufenthalt des Zustellungsadressaten anzustellen hat, wird in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings unterschiedlich beurteilt.
Vereinzelt
wird es für ausreichend angese-hen, wenn die [X.] ergebnislos beim Einwohnermeldeamt und dem Zustel-lungspostamt des letzten Wohnsitzes
des Zustellungsadressaten angefragt
hat
(vgl.
[X.], 1148
f.; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 33.
Aufl. §
185 Rn.
7). Wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs sind jedoch an die Feststellung, dass der Aufenthalt
des Zustellungsadressaten unbekannt ist, im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (vgl. [X.] Urteil vom 14.
Februar 2003

IXa
ZB
56/03
-
NJW 2003, 1530
f. unter ausdrücklicher Abgrenzung zum Voll-streckungsverfahren; vgl. auch [X.]/[X.] 29.
Aufl. §
185 Rn.
2; Dorn-höfer in [X.] ZPO [Stand: April 2012] §
185 Rn.
2).
Die überwiegende Auf-fassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum verlangt deshalb
zu Recht, dass die begünstigte [X.] alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren
Nachforschungen anstellt, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten
zu ermitteln. Die begünstigte [X.] ist
daher beispielsweise auch gehalten, durch persönliche
Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber,
bei dem letzten
[X.]
oder bei
Hausgenossen
und
Verwandten
des Zustellungsadressaten
dessen Aufenthalt zu ermitteln (vgl. [X.] Köln
Urteil vom 16.
Februar 2011
17
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-

-
11
U
183/10
-
juris Rn.
8;
[X.] [X.] 1999, 1402; [X.] Zweibrücken
FamRZ 1983, 630; [X.] 3.
Aufl. §
185 Rn.
2; Zöl-ler/[X.] 29.
Aufl. §
185 Rn.
2; Musielak/[X.] ZPO 9.
Aufl. §
185 Rn.
2). Die vorgenommenen Nachforschungen und deren Ergebnis muss die begünstigte [X.] gegenüber dem Gericht darlegen. Hat das Gericht Zweifel
an der Darstellung der [X.], ist es, sofern die Zustellung von Amts wegen vorzu-nehmen ist, auch
zu eigenen
Überprüfungen verpflichtet
([X.] 3.
Aufl. §
185 Rn.
7).
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage durfte sich das Amtsgericht für die Anordnung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils nicht mit den vom Kläger vorgelegten Unterlagen begnügen
und hätte die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils ablehnen müssen. Das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass dem Kläger
weitere geeignete Maßnahmen zur Er-mittlung des Aufenthaltsorts
der Beklagten zur Verfügung standen, die er unge-nutzt ließ. Naheliegend wäre gewesen, dass sich der Kläger
zunächst mit der Streithelferin als Verwalterin der Eigentumswohnanlage
in Verbindung setzt und dort nachfragt, ob ihr der Aufenthalt der Beklagten bekannt ist. Da dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bekannt war, dass die Beklagte in der
Wohnung ein Bordell
betreibt, war ihm auch zuzumuten, sich unmittelbar telefo-nisch oder schriftlich an das in der Wohnung betriebene Bordell zu wenden, um dort Erkenntnisse über den Aufenthaltsort der Beklagten zu erhalten.
Dazu [X.] auch deshalb Anlass, weil dem Kläger bekannt war, dass zuvor die Kün-digung des [X.] unter dieser Anschrift an die Beklagte zugestellt wer-den konnte.
d) Eine unter Verstoß gegen §
185 ZPO angeordnete öffentliche Zustel-lung löst nach der Rechtsprechung des [X.] die Zustellungsfik-tion des §
188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf ([X.]Z 149, 18
19
-
9
-

311, 321
=
NJW 2002, 827, 830; [X.] Urteil vom 6.
Oktober 2006

V
ZR
282/05
-
NJW 2007, 303 Rn.
12). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öf-fentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte [X.] werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war ([X.]Z 149, 311, 323
=
NJW 2002, 827, 830). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht, kommt das Verfahren nicht zum Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer [X.] bedarf
([X.]Z 149, 311, 322
=
NJW 2002, 827, 831;
[X.] Urteil vom 6.
Oktober 2006 -
V
ZR
282/05
-
NJW 2007, 303 Rn.
12).
2. Soweit das Berufungsgericht dagegen die vom Kläger erklärte Kündi-gung mit der Begründung für unwirksam hält, dieser bilde zusammen
mit den Eigentümern der beiden anderen Wohnungen
eine Bruchteilsgemeinschaft und habe
daher die Kündigung des Mietverhältnisses nicht allein
erklären können, sind die Erwägungen nicht frei von Rechtsirrtum.
Die vom Berufungsgericht ge-troffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass zwischen dem Kläger und den Eigentümern der beiden anderen Wohnungen eine Bruchteilsgemeinschaft besteht, nicht.
a) Zwar geht das
Berufungsgericht im Ansatz zutreffend
davon aus, dass eine Mehrheit von Vermietern, die Miteigentümer des vermieteten Gegenstan-des sind, eine Bruchteilsgemeinschaft nach §
741 BGB bilden, wenn sie keinen weiteren gemeinsamen Zweck verfolgen,
ihr Interesse sich mithin allein am [X.] an dem vermieteten Gegenstand erschöpft (vgl. [X.] Mietrecht 10.
Aufl. vor §
535 BGB Rn.
269).
Dass an den Mietwohnungen Miteigentum der drei Vermieter besteht, hat das Berufungsgericht nicht [X.]. Es
führt in der angegriffenen Entscheidung vielmehr
selbst aus, dass die an die Beklagte vermieteten Wohnungen jeweils im Alleineigentum der [X.] stehen.
Da die Eigentumsverhältnisse an den Wohnungen weder
durch die
20
21
-
10
-

rein
tatsächlichen baulichen Veränderungen noch durch die Vermietung der drei Wohnungen an dieselbe Mieterin verändert werden, kann unter diesem Ge-sichtspunkt nicht auf das Vorliegen einer Bruchteilsgemeinschaft geschlossen werden.
b) Eine Bruchteilsgemeinschaft kann jedoch
auch [X.] ([X.]/Sprau BGB 71.
Aufl. §
741 Rn.
2). Dies ist der Fall, wenn ein Recht durch Rechtsgeschäft als gemeinschaftliches begründet wird ([X.]/K.
Schmidt 5.
Aufl. §
741 Rn.
30). Deshalb führt die rechts-geschäftliche Begründung einer gemeinschaftlichen Forderung zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft, wenn die Beteiligten keinen weiteren gemeinsa-men Zweck verfolgen ([X.]/K.
Schmidt 5.
Aufl. §
741 Rn.
30). Ob eine rechtsgeschäftlich begründete Bruchteilsgemeinschaft nur an einzelnen Rechten und Forderungen oder auch an einem Rechtsverhältnis -
z.B.
einem Mietverhältnis
-
bestehen kann, ist allerdings umstritten (vgl. [X.]/K.
Schmidt
5.
Aufl. §
741 Rn.
18 mwN).
Diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben.
c) Voraussetzung für die rechtsgeschäftliche Begründung einer Bruch-teilsgemeinschaft ist
stets, dass die Beteiligten gemeinsam gehandelt haben oder wirksam vertreten wurden ([X.] in [X.]/BGB [Stand: 1.
Mai 2012] §
741 Rn.
7).
Hierzu verhält sich das Berufungsurteil nicht. Das Berufungsge-richt hat die Frage der wirksamen Vertretung des [X.] nur unter dem Ge-sichtspunkt des Vollmachtsmissbrauchs behandelt und einen solchen verneint, da ein
Zusammenwirken der Beklagten und der Streithelferin zum Nachteil des [X.] nicht erkennbar sei.
Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, die Streithelferin habe als Stellvertreterin des [X.] einen einheitlichen Mietver-trag über alle drei Wohnungen abgeschlossen, hätte das Berufungsgericht [X.] prüfen müssen, ob die Streithelferin beim Abschluss des [X.] 22
23
-
11
-

die Grenzen einer ihr erteilten Vollmacht überschritten und damit insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht

177 BGB) gehandelt hat.
aa) Ein Vollmachtsmissbrauch liegt vor, wenn sich ein
Vertreter bei sei-nem rechtsgeschäftlichen Handeln im Außenverhältnis zwar im Rahmen der ihm erteilten Vertretungsmacht
bewegt, dabei
jedoch nicht die ihm im Innenver-hältnis zum Vertretenen für ihre Ausübung gezogenen Grenzen beachtet ([X.]/[X.] 6.
Aufl. §
164 Rn.
106). Die Prüfung eines Voll-machtsmissbrauchs setzt daher voraus, dass das abgeschlossene Rechtsge-schäft grundsätzlich
von
der erteilten Vollmacht erfasst wird. Überschreitet ein Vertreter dagegen die ihm im Außenverhältnis gesetzten Grenzen der erteilten Vollmacht, handelt er insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht und die Wirksamkeit des
Rechtsgeschäfts
hängt von der Genehmigung durch den [X.] ab (§
177 Abs.
1 BGB).
bb)
Im vorliegenden Fall war die Streithelferin vom
Kläger mit der Verwal-tung seiner Eigentumswohnung beauftragt. Inwieweit sie in dieser Funktion überhaupt berechtigt war, für den Kläger Mietverträge abzuschließen, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Das Berufungsgericht geht zwar offensichtlich von der Annahme aus, dass die Streithelferin vom Kläger
bevoll-mächtigt war, für eine Vermietung der Wohnung Sorge zu tragen und in seinem Namen entsprechende Mietverträge abzuschließen. Aber auch dann kann nicht ohne genauere Prüfung davon ausgegangen werden, dass die Streithelferin zu
einer Vermietung der Wohnung zur gewerblichen
Nutzung -
gar zur Nutzung als Bordell
-
oder dazu bevollmächtigt war, Verträge abzuschließen, die den Kläger
zu einem Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft werden lassen.
cc) Die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft hätte nicht nur zur Folge, dass der Kläger den Mietvertrag ohne die Mitwirkung der beiden anderen Woh-24
25
26
-
12
-

nungseigentümer nicht kündigen könnte (vgl. hierzu [X.]surteil vom 20.
Ok-tober 2010 -
XII
ZR
25/09
-
NJW 2011, 61 Rn.
20 mwN).
Der Kläger würde auch in anderen Belangen erheblich in seinen Rechten beschränkt. Insbesondere könnte der Kläger von der Beklagten nicht mehr unmittelbar die Zahlung der Miete fordern. Der Grundsatz
der gemeinsamen Verwaltung (§§
744, 745 BGB) schließt die Anwendung des §
420 BGB auf Forderungen der [X.] gegen einen Mieter aus; die Forderungen sind auf eine im Rechtssinne unteil-bare Leistung (§
432 BGB) gerichtet ([X.] Urteil vom 28.
Mai 2005

VIII
ZR
399/03
-
NJW 2005, 3781, 3782). Dem
Kläger stünde
daher nur ein Anspruch auf einen entsprechenden Teil des Ertrages aus dem gesamten Miet-verhältnis zu, der sich ausschließlich gegen die anderen Teilhaber
richtet
(vgl. [X.] Urteil vom 29.
Januar 1969 -
VIII
ZR
20/67
-
NJW 1969, 839).
Auch sons-tige Verwaltungsmaßnahmen wie Reparaturarbeiten, Modernisierungsmaßnah-men und ähnliches wären gemäß §§
744, 745 BGB ohne die Mitwirkung der beiden anderen Wohnungseigentümer nicht mehr möglich. Zudem wäre der Kläger gemäß §
748 BGB entsprechend seinem Anteil an den Lasten und Kos-ten beteiligt, die durch die Nutzung und Verwaltung der beiden anderen Woh-nungen anfallen.
d) Das Berufungsgericht hat zum Umfang der Vollmacht der Streithelferin
keine
Feststellungen getroffen. Die bei dem im Berufungsverfahren
durchge-führten Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse über den tatsächlichen baulichen Zustand der drei Wohnungen lassen keine zwingenden
Rückschlüsse auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen oder den Umfang der der Streithelferin erteilten Vollmacht zu. Die von der Beklagten beabsichtigte Nutzung der Räum-lichkeiten zum Betrieb eines Bordells verlangt auch nicht notwendig die An-nahme eines einheitlichen Mietverhältnisses mit allen drei Wohnungseigentü-mern. Dies mag zwar für die Beklagte vorteilhaft
und auch von der Streithelferin 27
-
13
-

intendiert worden sein. Feststellungen, inwieweit die Vollmacht der Streithelferin reicht, werden hierdurch jedoch nicht entbehrlich.
3. Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Auf die Revision ist es aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil weitere Feststellungen, insbesondere zum Umfang der der Streithelferin erteilten Vollmacht, zu treffen sind. Das Verfahren ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.07.2009 -
16 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 14.05.2010 -
6 S 317/09 -

28

Meta

XII ZR 94/10

04.07.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2012, Az. XII ZR 94/10 (REWIS RS 2012, 5031)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5031

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZR 94/10

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