Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.02.2016, Az. V R 60/13

5. Senat | REWIS RS 2016, 15958

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Gegenstand

Steuerfreiheit der Beteiligungserträge gemeinnütziger Körperschaften aus gewerblich geprägten Personengesellschaften


Leitsatz

Beteiligt sich eine gemeinnützige Stiftung an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft, unterhält sie auch dann keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn die Personengesellschaft zuvor originär gewerblich tätig war (Fortsetzung des BFH-Urteils vom 25. Mai 2011 I R 60/10, BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858) .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Oktober 2013  10 K 158/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die [X.]eteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer gewerblich geprägten [X.] zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine als gemeinnützig anerkannte rechtsfähige Stiftung, die 1990 von den Eheleuten [X.]. mit einem Grundstockvermögen von 100.000 DM gegründet worden war. Stiftungszwecke sind die Förderung des Tierschutzes, des Sports und des Umweltschutzes. Nach dem Tode der Frau [X.]. erbte die Klägerin deren Kommanditanteil (100 %) an der [X.]-[X.] ([X.]) sowie alle [X.]nteile an der Komplementär-GmbH.

3

Die [X.] betrieb ursprünglich einen [X.] mit Schuhgeschäften in [X.], [X.] und [X.] Seit 1986 nutzte die [X.] ihr [X.]etriebsgrundstück in [X.] nicht mehr für [X.], sondern vermietete dieses Wohn- und Geschäftshaus an einen [X.]. Zum 30. Juni 2006 beendete die [X.] ihre Tätigkeit als Schuhwareneinzelhändler und veräußerte alle ihre Filialen. Im [X.]etriebsvermögen verblieb lediglich das Wohn- und Geschäftshaus in [X.]. Dieses Gebäude wurde umgebaut und danach eine (ehemalige) Wohnung als [X.]üroraum für die [X.] und die Klägerin genutzt. Die übrigen Räumlichkeiten vermietet die [X.] an gewerbliche Mieter oder Wohnungsmieter. Weitere wirtschaftliche [X.]etätigungen übt die [X.] seitdem nicht aus.

4

Gegenüber dem [X.]eklagten und Revisionskläger (Finanzamt --F[X.]--) deklarierte die [X.] die Veräußerung der Schuhgeschäfte im Jahre 2006 als Teilbetriebsveräußerung i.S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dem folgte das F[X.], da es sich nach übereinstimmender [X.]nsicht der [X.]eteiligten bei dem Grundstück in [X.] im Jahr 2006 nicht (mehr) um eine wesentliche [X.]etriebsgrundlage des [X.]s gehandelt habe. Ebenso gewährte das F[X.] der [X.] für die Folgejahre die erweiterte Kürzung für [X.] nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 Gewerbesteuergesetz.

5

Die Klägerin behandelte ihre [X.]eteiligung an der [X.] seit 2006 zunächst als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser [X.]etrachtung schloss sich das F[X.] an und erfasste im Streitjahr (2011) als [X.]eteiligungsergebnis einen Gewinn von 101.082 €. Dementsprechend setzte das F[X.] die Körperschaftsteuer für das Streitjahr in Höhe von 14.412 € fest. Dagegen wandte sich die Klägerin infolge des Urteils des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) vom 25. Mai 2011 I R 60/10 ([X.]FHE 234, 59, [X.]St[X.]l II 2011, 858) mit ihrem Einspruch und machte die Steuerfreiheit der [X.]eteiligungseinkünfte geltend.

6

Die Klage war erfolgreich: Das Finanzgericht (FG) hob in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2014, 111 veröffentlichten Urteil die Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr auf. Die Klägerin sei durch § 5 [X.]bs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres ([X.]) von der Steuer befreit. Ihre [X.]eteiligung an der gewerblich nach § 15 [X.]bs. 3 Nr. 2 EStG geprägten [X.] führe nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 der [X.]bgabenordnung ([X.]), weil es sich dabei der Sache nach um Vermögensverwaltung handele. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die [X.] zuvor als Schuhhändlerin originär gewerbliche Einkünfte erzielt habe.

7

Hiergegen richtet sich die Revision des F[X.]: Die ursprünglich originär gewerbliche Tätigkeit der [X.] sei bis zur endgültigen [X.]uflösung der im [X.]etriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven fortgeführt worden. Die [X.]eteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer zuvor gewerblich tätigen Personengesellschaft müsse solange dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden, bis die während der gewerblichen Tätigkeit gebildeten stillen Reserven aufgedeckt und der [X.]esteuerung zugeführt würden.

8

Das F[X.] beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die fiktionalen gewerblichen Einkünfte auf [X.] der [X.] seien auf [X.] des gemeinnützigen Gesellschafters --der [X.] aufgrund der ausschließlich vermögensverwaltenden Tätigkeit der [X.] nicht von § 14 [X.] erfasst. Überdies könne auch eine gewerblich tätige Gesellschaft ein [X.]etriebsgrundstück einer gemeinnützigen Stiftung zum [X.]uchwert zuwenden.

Entscheidungsgründe

I[X.] Die Revision ist als unbegründet nach § 126 [X.]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zutreffend keine Körperschaftsteuer für das Streitjahr festgesetzt. Denn die Klägerin ist gemäß § 5 [X.]bs. 1 Nr. 9 [X.] von der Körperschaftsteuer befreit.

Die Befreiung ist nicht nach § 5 [X.]bs. 1 Nr. 9 Satz 2 [X.] ausgeschlossen. Die Klägerin unterhält mit ihrer Beteiligung an der [X.] keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

1. Nach § 14 [X.]O ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die [X.]bsicht, Gewinn zu erzielen, ist ebenso wenig erforderlich (§ 14 Satz [X.]) wie eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

Einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet in der Regel, wer als steuerbefreite Körperschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG erzielt. Dazu zählt auch die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (§ 15 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Beteiligt sich eine gemeinnützige Stiftung --wie hier-- indes an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft (§ 15 [X.]bs. 3 Nr. 2 EStG), liegt kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (dazu und zum vorstehenden [X.]-Urteil in [X.], 59, [X.] 2011, 858, m.w.N.).

Dieser Rechtsprechung des [X.] Senats des [X.] folgt der erkennende Senat (so auch die einhellige [X.]uffassung im Schrifttum, vgl. [X.] in Gosch [X.], 3. [X.]ufl., § 5 Rz 43; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 5 Rz 25; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 5 [X.] Rz 178; [X.]/ von [X.], § 5 [X.] Rz 188). Sie ergibt sich aus dem Zweck der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe, die aus Gründen der [X.] von der Steuerbefreiung ausgenommen sind. Vermögensverwaltenden Tätigkeiten --auch solchen, die [X.] der in § 15 [X.]bs. 3 Nr. 2 EStG enthaltenen Fiktion als gewerblich gelten-- misst § 14 Satz [X.] aber keine Bedeutung für die [X.] zu (so [X.]-Urteil in [X.], 59, [X.] 2011, 858, Rz 12, m.w.N.).

2. Die Klägerin ist als steuerbefreite Stiftung an der [X.] beteiligt, die lediglich aufgrund von § 15 [X.]bs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt.

Sie übt keine Tätigkeit i.S. des § 15 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus, indem sie ihr früheres Betriebsgrundstück in [X.] weiterhin verpachtet. [X.]llerdings kann seinen Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen fortführen, wer ihn verpachtet. Diese sog. [X.] sind nicht nur anzuwenden, wenn der Betrieb im Ganzen als geschlossener Organismus verpachtet wird; sie gelten auch dann, wenn zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet werden. Indes führt die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen, dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet sind (vgl. eingehend dazu [X.]-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, [X.]E 225, 334, [X.] 2009, 902, Rz 19 ff., m.w.N.; aus dem Schrifttum [X.]/ [X.], EStG, § 16 Rz 443 ff., 448, m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung nicht vor: Die wesentlichen [X.]n des Schuheinzelhandels, die von der [X.] betriebenen Filialen, wurden allesamt veräußert. Lediglich das Grundstück in [X.] wurde von der [X.] weiterhin durch Verpachtung genutzt. Es diente aber bereits seit 1986 nicht mehr dem Einzelhandel, sondern wurde als Wohn- und Geschäftshaus an Dritte vermietet. Es bildete bei dem Verkauf der Filialen und der damit verbundenen Einstellung des [X.] mithin keine wesentliche [X.]. Dies entspricht dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten. Damit ist die [X.] mit der Verpachtung nicht originär gewerblich (§ 15 [X.]bs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 15 [X.]bs. 1 Nr. 2 EStG), sondern vermögensverwaltend tätig.

Die [X.] erfüllt auch die personengebundenen Voraussetzungen des § 15 [X.]bs. 3 Nr. 2 EStG. Bei ihr ist --was sich aus den vom [X.] beigezogenen Steuerakten der [X.] eindeutig ergibt-- ausschließlich die Komplementär-GmbH persönlich haftende Gesellschafterin.

3. Begründet die Beteiligung der Klägerin an der [X.] mithin keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 [X.]O, so ändert sich daran entgegen der [X.]uffassung des F[X.] nichts, soweit die gewerblich geprägte Personengesellschaft zuvor --wie hier die [X.] bis [X.] (originär) gewerblich tätig war. Daraus folgt nicht, die [X.] einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb so lange zuzurechnen und zu besteuern, bis die während der gewerblichen Tätigkeit der [X.] gebildeten stillen Reserven des Betriebsvermögens aufgedeckt und der Besteuerung zugeführt sind. [X.]bgesehen davon, dass für eine derartige Besteuerung nicht aufgedeckter stiller Reserven eine Rechtsgrundlage fehlt, ist auch eine [X.] nicht erkennbar. Die [X.]rgumentation des F[X.] zielt darauf ab, dass die stillen Reserven im früheren Betriebsgrundstück nicht unversteuert bleiben dürften. Dies sei aber zu befürchten, da die Erträge der Klägerin auch aus der Veräußerung ihrer Beteiligung an der [X.] steuerfrei seien.

Diese Steuerfreiheit ist aber dem Gesetz inhärent. Wie die Revisionserwiderung zutreffend hervorhebt, hätte nämlich auch eine gewerblich tätige [X.] ihr im Betriebsvermögen gehaltenes Grundstück --ebenso im Rahmen einer Betriebsaufgabe (so [X.] 16 (2) Satz 7)-- zum Buchwert entnehmen und auf eine nach § 5 [X.]bs. 1 Nr. 9 [X.] begünstigte Körperschaft zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke übertragen können, § 6 [X.]bs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG. Durch dieses sog. [X.] gelingt eine vom Gesetz erlaubte Verlagerung der stillen Reserven in den steuerfreien Bereich genauso wie im Streitfall. In beiden Fällen wird "die wirtschaftliche Grundlage der gemeinnützigen ... [X.]" erweitert (vgl. dazu BTDrucks V/3890, S. 20; eingehend [X.], Entnahme zum Buchwert bei unentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung, [X.] 2008, 785 ff.; [X.]/[X.], § 6 EStG Rz 840 f.; [X.] in Kirchhof, EStG, 14. [X.]ufl., § 6 Rz 175; [X.]/[X.], EStG, 34. [X.]ufl., § 6 Rz 541).

4. [X.] folgt aus § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

V R 60/13

18.02.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 10. Oktober 2013, Az: 10 K 158/13, Urteil

§ 14 AO, § 6 Abs 1 Nr 4 S 4 EStG 2009, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 15 Abs 3 Nr 2 EStG 2009, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002, KStG VZ 2011, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.02.2016, Az. V R 60/13 (REWIS RS 2016, 15958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15958

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