Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2017, Az. 3 StR 451/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12933

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:040417B3STR451.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 451/16
vom
4. April 2017
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am
4. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28.
April 2016

a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist;

b)
im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehöri-gen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1
-
3
-
1. Nach den getroffenen Feststellungen kamen der Angeklagte und der Mitangeklagte St.

nach einer vorangegangenen körperlichen Auseinander-setzung, bei der sie unterlegen waren, gemeinsam mit dem danach zu ihnen gestoßenen Zeugen V.

überein, ihre Wut abzureagieren und als "Kampfge-meinschaft"
die nächste Person, die sich ihnen in den Weg stellen werde, kör-perlich zu misshandeln. Zu diesem Zweck bewaffnete sich der Angeklagte mit einer Eisenstange. Mit dieser schlug er gerade gegen eine Straßenlaterne, als der Nebenkläger F.

auf ihn zukam. Unvermittelt schlug der Angeklagte diesem mit der Eisenstange so wuchtig auf den Kopf, dass er bewusstlos zu-sammenbrach. Ein herbeigeeilter Zeuge drängte den Angeklagten vom Opfer weg und konnte ihn so in einen Klammergriff nehmen, dass dieser die Eisen-stange fallen ließ und sich nicht mehr an dem weiteren Geschehen beteiligen konnte. Währenddessen wirkten St.

und V.

mit Schlägen und Tritten auf den am Boden liegenden Nebenkläger und schließlich auch auf die [X.] Zeugen K.

P.

und S.

ein, die dem Nebenkläger helfen wollten. St.

bedrohte im weiteren Verlauf den Zeugen S.

mit einem Klappmesser, von dem der Angeklagte nichts wusste, und fügte damit dem [X.]

, den er in einen Würgegriff nahm und zu Boden brachte, bei dem Gerangel eine Schnittwunde am Zeigefinger der rechten Hand zu.
Durch den potentiell lebensgefährlichen Schlag mit der Eisenstange erlitt der Nebenkläger eine Schädelprellung und eine Hautabschürfung oberhalb der [X.]; die ebenfalls potentiell lebensgefährlichen Fußtritte mit beschuhten
Füßen gegen den Kopf des bewusstlosen [X.] führten unter anderem zu einem Bruch seines linken Unterkiefers. Die Zeugen K.

P.

und
S.

erlitten Schmerzen infolge
der Tritte und Schläge; der Zeuge S.

ging nach einem Schlag in das Gesicht zu Boden und verletzte sich dabei den Ellenbogen.
2
3
-
4
-
Das [X.] hat dieses Geschehen als gemeinschaftliche gefährli-che Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr.
2, 4 und 5 [X.] gewertet und dem Angeklagten alle Verletzungshandlun-gen seiner Begleiter -
mit Ausnahme der durch den Einsatz des Messers verur-sachten -
gemäß § 25 Abs. 2 [X.] mit der Erwägung zugerechnet, dass ihm das weitere Mitwirken nach dem Schlag mit der Eisenstange allein durch das Einschreiten des Zeugen Ka.

P.

unmöglich gemacht wurde.
2. a) Soweit der Angeklagte mit der Eisenstange und seine Begleiter mit Tritten und Schlägen auf den Nebenkläger F.

einwirkten, hat das [X.] das Geschehen zutreffend als gemeinschaftliche gefährliche Körperverlet-zung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, § 25 Abs. 2 [X.]) bewertet.
b) Die Zurechnung der von St.

und V.

verursachten Verletzungen der Zeugen K.

P.

, S.

und B.

hält jedoch rechtlicher Prü-fung nicht stand;
insoweit ist die Annahme der Mittäterschaft des Angeklagten und auch diejenige gemeinschaftlicher Begehungsweise im Sinne des §
224 Abs.
1
Nr.
4 [X.] rechtsfehlerhaft.
aa) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 [X.] setzt einen gemein-samen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objek-tiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von de-nen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die [X.] fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs-
oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung 4
5
6
7
-
5
-
aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter auf-grund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 15. Januar 1991 -
5 [X.], [X.]St 37, 289, 291 mwN; vom 17. Oktober 2002 -
3 [X.], [X.], 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 -
1 [X.], [X.], 25, 26).
bb) Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlicher Beteiligung des Angeklagten an den Verletzungshandlungen zum Nachteil der Zeugen K.

P.

, S.

und B.

durchgreifenden rechtlichen Be-denken. Diese Handlungen waren weder von dem mit dem Angeklagten ge-fassten gemeinsamen [X.] umfasst, noch leistete der Angeklagte vor oder während der Tatausführung einen objektiven Beitrag, der in (mit-)bestimmender Weise auf dieses Geschehen Einfluss nahm. Er wurde nach den [X.] schon vor dem Eintritt der Zeugen in das Geschehen abgedrängt und so fixiert, dass er dessen
weiteren Verlauf nicht mehr beeinflussen konnte; irgend-eine Interaktion des abgedrängten Angeklagten mit seinen Begleitern während der
folgenden Tätlichkeiten
hat das [X.] nicht festgestellt. Allein der bloße Wille des Angeklagten, seinen Freunden im weiteren Kampfgeschehen beizustehen, den er infolge des Klammergriffs des Zeugen Ka.

P.

nicht umsetzen konnte, kann seine Mittäterschaft nicht begründen. Die ge-troffenen Feststellungen tragen auch die
Annahme einer bloßen Förderung im Sinne des § 27 [X.] nicht, die grundsätzlich für eine gemeinschaftliche [X.]
-
6
-
gehung nach §
224 Abs.
1 Nr.
4 [X.] ausreichen könnte (S/[X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
224 Rn.
11a mwN).

c) Da auszuschließen ist, dass ein neuer Tatrichter weitere Feststellun-gen treffen könnte, aus denen sich eine Beteiligung des Angeklagten an den Taten zum Nachteil der Zeugen
K.

P.

, S.

und B.

ergeben würde, ändert der [X.] den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab.
3. [X.] kann keinen Bestand haben. Da das [X.] den Angriff gegen mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter und die Verletzung von vier Personen strafschärfend gewertet hat, kann der [X.] nicht aus-schließen, dass es bei zutreffender Würdigung auf eine geringere Strafe er-kannt hätte.
Indes sind die zugehörigen Feststellungen von dem dargelegten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können daher bestehen bleiben (§
353 Abs.
2 StPO).
Becker

[X.] Gericke

Tiemann Hoch
9
10

Meta

3 StR 451/16

04.04.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2017, Az. 3 StR 451/16 (REWIS RS 2017, 12933)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12933

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