Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2014, Az. I ZR 16/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 942

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 16/14
vom

27.
November
2014

in dem Rechtsstreit

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Der [X.]
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat am 27.
November
2014 durch [X.]
Dr.
[X.], die Richter Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Koch, Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4.
Zivilsenats des [X.] vom 28.
November 2013 wird auf Kosten der [X.].

Der Streitwert wird auf 75.000

Gründe:

[X.] Die Parteien produzieren und vertreiben Kondome.

Die Beklagte bezieht aus dem Ausland entsprechend geformte Erzeug-nisse aus Naturkautschuklatex. In ihrem [X.] Werk werden die Produkte

sofern sie als "feuchte Kondome" vertrieben werden sollen, nach der Befeuch-tung
-
einzeln in Folien eingeschweißt, die Folien mit den vorgeschriebenen Kennzeichnungen versehen und die Siegelpackungen zusammen mit Ge-brauchsanweisungen in Faltschachteln verpackt und versiegelt. Ferner erfolgt im [X.] Prüflabor der Beklagten eine chargenmäßige Qualitätskontrolle 1
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der Produkte nach [X.] [X.], bei der stichprobenartig ausge-wählte Produkte unter anderem auf ihre Dichtigkeit und Reißfestigkeit überprüft werden.

Die Beklagte bewirbt ihre Produkte im [X.] mit der siegelartig [X.] Angabe "[X.] -
Made in [X.]".

Die Klägerin sieht in dieser Angabe eine Irreführung über den Produkti-onsort der Erzeugnisse. Sie hat gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung erwirkt. Mit der vorliegenden Hauptsacheklage hat
sie die Beklagte auf Unter-lassung der Bewerbung ihrer Kondome mit der Angabe "[X.] -
Made in [X.]" und auf Ersatz der Kosten für das anwaltliche [X.] in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat eingewandt, ihre Produkte würden erst durch die Siege-lung und Qualitätskontrolle in [X.] als Kondome verkehrsfähig.

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen,
die Angabe "[X.] -
Made in [X.]" sei irreführend, weil sie dem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck vermittle, die Produkte seien in [X.] hergestellt worden. Tatsächlich würden die Kondome erst nach ihrer Fertigung im Ausland in das
deutsche Werk der Beklagten ausgelie-fert, wo nur noch eine Kontrolle stattfinde, ob die Produkte die für die [X.] des Verbrauchers maßgeblichen qualitativen Sicherheitskriterien aufwiesen.

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Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der angestrebten Revision möchte sie die Abweisung der Klage erreichen.

I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordert (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO).

1. Die
Beschwerde macht geltend, die Annahme des
Berufungsgerichts, der nach der Verkehrsauffassung entscheidende [X.] finde nicht in [X.] statt, beruhe auf in sich widersprüchlichen Erwägungen und sei wegen Verstoßes gegen die Denkgesetze objektiv willkürlich (Art.
3 Abs.
1 GG). Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Verkehr
aufgrund der Angabe "[X.] -
Made in [X.]" erwarte, der für die wertbestimmenden Eigenschaften der Produkte maßgebliche Herstellungsvor-gang erfolge
in [X.], und in dieser Erwartung enttäuscht werde. Diese Ausführungen ließen sich nicht mit seiner Annahme in Einklang bringen, der Schutz vor übertragbaren Krankheiten und Schwangerschaften, die für den Verkehr beim Erwerb von Kondomen im Vordergrund stehe, werde durch die im [X.] Werk
der Beklagten erfolgende Verpackung, Versiegelung und [X.] gesichert. Diese Rüge bleibt erfolglos.

a) Das Berufungsgericht ist bei seiner Annahme einer Irreführung des Verbrauchers nicht davon ausgegangen,
dass die streitgegenständliche
Anga-be "[X.]
-
Made in [X.]" aus Sicht des Verkehrs die allgemeine Ga-rantie beinhaltet, die Einhaltung der für den Verbraucher wesentlichen Sicher-heitskriterien werde durch Geschäftsvorgänge in [X.] gewährleistet. Stattdessen
hat es angenommen, der Verkehr entnehme der streitgegenständ-7
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lichen Angabe, dass die für die Herstellung eines Kondoms maßgeblichen Pro-duktionsschritte in [X.]
stattfänden. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Verbraucher die Werbeaussage
auf das Produkt als solches beziehe. Soweit
das Berufungsgericht als wesentliche Qualitätsmerkmale des [X.] angesehen hat, hat es angenommen, dass sich schon anhand des vollständig im Ausland statt-findenden Herstellungsprozesses und nicht erst durch die in [X.] erfol-gende, nicht mehr zum Fertigungsprozess gehörende
nachträgliche Kontrolle entscheide, ob das Kondom die erforderliche Dichtigkeit und Reißfestigkeit auf-weise.

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde nicht widersprüchlich. Das Berufungsgericht hat die im Ausland hergestellten
Waren als Endprodukte bewertet, die nach ihrer Fertigung im [X.] Werk der Beklagten nur noch verpackt, versiegelt
und einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Verpackung, Versiegelung und Kontrolle nach den Vorgaben
des Me-dizinproduktegesetzes Voraussetzungen
dafür
sind, dass die Kondome in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Das Berufungsgericht hat jedoch
zwischen der
Fertigung der
Kondome
als solcher
und der Herstellung ihrer Verkehrsfä-higkeit differenziert. Da
sich nach seiner Beurteilung die Angabe "Made in Ger-many" auf den tatsächlichen [X.] bezieht, hat es zu Recht als entscheidungserheblich angesehen, dass die maßgeblichen Produktionsschritte nicht im Inland, sondern im Ausland stattfinden.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde führt an, der Rechtsstreit werfe die rechtsgrundsätzliche Frage auf,

nach welchen Kriterien die Zulässigkeit der Bezeichnung "Made in [X.]" für Erzeugnisse, die nicht ausschließlich in [X.] hergestellt worden sind, zu beurteilen ist, insbesondere bei technischen Geräten wie Medizinpro-11
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dukten, bei denen die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben für die Verkehrsfähigkeit erforderlich ist.

Dieses Vorbringen erfordert nicht die Zulassung der Revision, weil die von der Beschwerde angesprochene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig
ist.

a) Für die Beurteilung, welcher Aussagegehalt einer Herkunftsangabe wie "Made in [X.]" aus Sicht des Verkehrs zukommt, hat die [X.] entwickelt, die auch im Schrifttum herangezogen werden und an denen sich das Berufungsgericht orientiert hat.

aa) Da der Verkehr das Phänomen der internationalen Arbeitsteilung kennt, erwartet er im Allgemeinen nicht, dass alle Produktionsvorgänge am [X.] Ort stattfinden ([X.], [X.] 1996, 53, 54; [X.].[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
5 Rn.
548; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
73 Rn.
35). Er weiß allerdings, dass industriell gefertig-te Erzeugnisse ihre Qualität und charakteristischen Eigenschaften in aller Regel allein oder jedenfalls ganz überwiegend der Güte und Art ihrer Verarbeitung verdanken. Bei einem Industrieprodukt bezieht der Verkehr eine Herkunftsan-gabe deshalb grundsätzlich auf denjenigen Ort der Herstellung der Ware, an dem das [X.] seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und charakteristischen Eigenschaften erhält ([X.].[X.]/[X.] aaO §
5 Rn.
548; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6.
Aufl., §
5 Rn.
381; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3.
Aufl., §
127 [X.] Rn.
9
f.).

Danach ist es
für die Richtigkeit der Angabe
"Made in [X.]"
notwen-dig, aber auch ausreichend, dass die Leistungen
in [X.] erbracht [X.] sind, durch die das zu produzierende [X.] seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile oder 13
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wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhält (vgl. [X.], Urteil vom 23.
März 1973 -
I
ZR
33/72, [X.] 1973, 594, 595 = [X.], 407 -
Ski-Sicherheitsbindung; [X.], [X.] 1991, 690
-
Werbung mit West-[X.]; [X.], [X.] 1996, 53, 54; [X.], [X.], 939, 940 -
Produziert in [X.]; [X.], [X.], 1082 Rn.
15 -
Schmiedekolben "Made in [X.]").

Die vorgenannten Beurteilungsgrundsätze werden auch im wettbewerbs-rechtlichen Schrifttum als maßgeblich angesehen
(vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 32.
Aufl., §
5 Rn.
4.84; [X.] in Harte/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
5 Abschn.
C Rn.
213; [X.] in Götting/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
5 Rn.
1.65; [X.].[X.]/[X.] aaO §
5 Rn.
548; [X.] in [X.]/[X.] aaO §
5 Rn.
381; MünchKomm.[X.]/Busche, 2.
Aufl., §
5 Rn.
683; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
73 Rn.
35; [X.], [X.]-Prax 2011, 280).

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht ange-nommen, die aus Sicht
des Verbrauchers wesentlichen Eigenschaften der Dich-tigkeit und Reißfestigkeit eines Kondoms
bildeten sich während der Fertigung des Produkts im Ausland heraus. Die Chargenprüfungen im [X.] Werk der Beklagten dienten nicht der
Schaffung dieser Eigenschaften, sondern der nachträglichen Kontrolle auf ihr Vorhandensein. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Für die Frage, ob ein Produkt die Angabe "Made in [X.]" verdient, wird im Schrifttum allerdings teilweise abweichend die Regelung in Art.
24 der Verordnung ([X.]) 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften zum zollrechtlichen Ursprung einer in mehreren Ländern hergestellten Ware herangezogen, wonach Ursprungsland dasjenige Land ist, in dem die Ware der 17
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letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be-
oder Verarbeitung unterzogen worden ist (vgl. [X.], [X.]-Prax 2011, 291, 292; [X.], [X.] 2013, 576, 581; [X.], [X.]-Prax 2014, 440; [X.]/[X.], [X.] Int. 2014, 321, 332). Teilweise wird auch der
Anteil der im jeweiligen Land erfol-genden Wertschöpfung berücksichtigt (vgl. [X.], [X.] 2007, 921, 924
f.).
Solchen Maßstäben kann jedoch keine entscheidende Bedeutung für den Irre-führungscharakter der Angabe "Made in [X.]" zukommen, weil dafür auf das Begriffsverständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen ist (vgl. [X.], [X.], 939, 940 -
Produziert in [X.]; [X.], [X.], 1082 Rn.
16 -
Schmiedekolben "Made in [X.]"; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
73 Rn.
35;
[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
127 [X.] Rn.
10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11.
Aufl.,
§
127 Rn.
7). Die vorgenannten Kriterien sind deshalb in
der Rechtsprechung -
und mit Recht auch vom Berufungsgericht
-
nicht als ausschlaggebend erach-tet worden.

c) Vereinzelt wird die Angabe "Made in [X.]" wegen der damit regel-mäßig verbundenen [X.] an die
Qualität und Zuverlässigkeit
des beworbenen Produkts
(vgl. [X.], Urteil vom 26.
April 1974 -
I
ZR
19/73, [X.] 1974, 665, 666 = [X.], 487 -
[X.]; [X.], [X.] 1991, 690
-
Werbung mit West-[X.]; [X.], [X.] 2007, 921, 922)
als Garantie der Einhaltung [X.] Qualitätsstandards, etwa durch die [X.] oder [X.]
Produktsicher-heitsvorschriften, angesehen [X.]/Sieger, [X.]-Prax 2013, 57, 58). Auch die Nichtzulassungsbeschwerde vertritt die Ansicht, angesichts der für den Verbraucher maßgeblichen Qualitätsaussage und Produktverantwortung erwarte er von einem
Produkt "Made in [X.]", dass der damit werbende Unternehmer nach inländischen Maßstäben die Qualität sichere und dafür ein-stehe.

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Eine solche Deutung entfernt sich allerdings vom Wortsinn der Wendung r Bewertung des Berufungsgerichts vom Verkehr als geläufiger Anglizismus für

auf den Fertigungsprozess in [X.] hinweist. Die tatrichterliche Beurtei-lung der Verkehrsauffassung ist weder erfahrungswidrig noch sonst rechtsfeh-lerhaft. Sie entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, die in der Angabe "Made in [X.]" einen Hinweis auf die mit der Warenfertigung zusammen-hängenden Produktionsschritte sieht
(vgl. [X.], [X.] 1996, 53, 54; [X.], [X.], 939, 940
-
Produziert in [X.]; [X.], [X.], 1082, 1084
-
Schmiedekolben "Made in [X.]").

3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 ZPO abgesehen.

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II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]
Schaffert
Koch

Löffler
Schwonke

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.04.2013 -
15 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 28.11.2013 -
I-4 [X.] -

23

Meta

I ZR 16/14

27.11.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2014, Az. I ZR 16/14 (REWIS RS 2014, 942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 942

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 16/14

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