Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.2023, Az. 9 AZR 330/22

9. Senat | REWIS RS 2023, 4768

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Tenor

1. Die Revisionen der Parteien gegen das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2022 - 8 [X.] 869/21 - werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu zwei Dritteln, die Klägerin zu einem Drittel zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit im Blockmodell ein Anspruch auf Zahlung der einmaligen Corona-[X.]onderzahlung für das Jahr 2020 zusteht.

2

Die Beklagte, eine Gebietskörperschaft in [X.], beschäftigt die am 5. Mai 1955 geborene Klägerin seit dem 1. Oktober 1972 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit iHv. zuletzt 39 [X.]tunden als Angestellte. Auf das Arbeitsverhältnis fanden [X.] die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst Anwendung. Die Klägerin war in der Vergütungsgruppe [X.] 14 der Anlage C zum [X.]-[X.]uE eingruppiert. Dies entspricht [X.] 9c der Anlage A zum [X.]-V.

3

In einem Altersteilzeitarbeitsvertrag verständigten sich die Parteien darauf, das Arbeitsverhältnis vom 1. Dezember 2019 bis zum 31. Jan[X.]r 2021 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1. Dezember 2019 bis zum 30. Juni 2020 und einer Freistellungsphase vom 1. Juli 2020 bis 31. Jan[X.]r 2021 fortzuführen. Unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit sollte das Arbeitsentgelt fortlaufend nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 TV [X.] gezahlt werden.

4

Der zwischen der [X.] und [X.] geschlossene Tarifvertrag zu flexiblen Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte (TV [X.]) vom 27. Febr[X.]r 2010 idF vom 25. Oktober 2020 regelt [X.].:

        

§ 7   

        

Entgelt und Aufstockungsleistungen

        

…       

        
        

(2)     

Beschäftigte erhalten während der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell (§ 6 Abs. 3 [X.]atz 1 Buchst. b) das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts, das sie jeweils erhalten würden, wenn sie mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 6 Abs. 2 [X.]atz 2) weitergearbeitet hätten; die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben (§ 7b [X.]GB IV) und wird in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt. Das Wertguthaben erhöht sich bei allgemeinen Tariferhöhungen in der von den Tarifvertragsparteien jeweils festzulegenden Höhe.

                 

…“    

5

Am 25. Oktober 2020 schlossen [X.]. der [X.] und [X.] den Tarifvertrag über eine einmalige Corona-[X.]onderzahlung (TV Corona-[X.]onderzahlung), in dem es [X.]. heißt:

        

§ 2   

        

Einmalige Corona-[X.]onderzahlung

        

(1)     

Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten eine einmalige Corona-[X.]onderzahlung spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 ausgezahlt, wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2020 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Oktober 2020 Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

                 

Protokollerklärungen zu Absatz 1:

                 

1.    

Die einmalige Corona-[X.]onderzahlung wird zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt gewährt. Es handelt sich um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die [X.] im [X.]inne des § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes.

                 

2.    

Anspruch auf Entgelt im [X.]inne des Absatzes 1 sind auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus Anlass der in § 21 [X.]atz 1 TVöD … genannten Ereignisse und der Anspruch auf [X.] (§ 22 Absatz 2 und 3 TVöD …), auch wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des [X.]ozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird. Einem Anspruch auf Entgelt gleichgestellt ist der Bezug von Krankengeld nach § 45 [X.]GB V oder entsprechender gesetzlicher Leistungen, Kurzarbeitergeld und der Bezug von Mutterschaftsgeld nach § 19 Mu[X.]chG.

                 

…       

        
        

(2)     

Die Höhe der einmaligen Corona-[X.]onderzahlung beträgt

                          

- …     

                          

- für die [X.]n 9a bis 12: 400,00 Euro

                          

- für die [X.]n 13 bis 15: 300,00 Euro

                 

… § 24 Absatz 2 TVöD ... gelten entsprechend. Maßgeblich sind die jeweiligen Verhältnisse am 1. Oktober 2020.“

6

Mit [X.]chreiben vom 14. Jan[X.]r 2021 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, ihr die Corona-[X.]onderzahlung zu gewähren.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die tariflichen Voraussetzungen, an die § 2 TV Corona-[X.]onderzahlung die Zahlung der Corona-[X.]onderzahlung knüpfe, lägen vor, weil sie am 1. Oktober 2020 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden und mit der Vergütung während der Arbeitsphase des [X.] im maßgeblichen Zeitraum zwischen 1. März 2020 und 30. [X.]eptember 2020 Entgelt im [X.]inne des § 2 Abs. 1 TV Corona-[X.]onderzahlung bezogen habe.

8

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Jan[X.]r 2021 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die vorrangige Regelung in § 7 Abs. 2 TV [X.] schließe die Entstehung neuer [X.] in der Freistellungsphase dem Grunde nach aus. Es bestehe lediglich ein Anspruch auf Auszahlung des in der Arbeitsphase verdienten und durch Tariferhöhungen dynamisierten Wertguthabens.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und der Klage iHv. 200,00 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, die Beklagte mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Parteien sind nicht begründet.

I. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin einen Betrag [X.]. 200,00 [X.] nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2021 zu zahlen. Die zulässige Klage ist insoweit begründet.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden [X.] die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]/[X.]) sowie die zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dazu zählt der TV [X.].

2. Arbeitnehmer, die sich - wie die Klägerin - zu dem in § 2 Abs. 1 TV [X.] festgelegten Stichtag am 1. Oktober 2020 in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit befanden, können die [X.] beanspruchen. Dies ergibt die gebotene Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die [X.]Rspr., zB [X.] 16. November 2022 - 10 [X.] - Rn. 13; 13. Oktober 2021 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN).

a) Für dieses Auslegungsergebnis spricht bereits der Wortlaut der Tarifnorm. Nach § 2 Abs. 1 TV [X.] erhalten Personen, deren Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2020 bestand, spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 eine einmalige [X.], wenn sie an mindestens einem Tag zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober 2020 Anspruch auf Entgelt hatten. Danach hängt die [X.] allein vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum maßgeblichen Stichtag und eines Entgeltanspruchs an einem Tag im Referenzzeitraum ab. Der [X.] bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die [X.] Beschäftigten vorbehalten sein soll, die - anders als Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell - eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht haben und dabei durch die [X.] bedingten Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt waren.

b) Die Tarifsystematik führt gegenüber dem Wortlaut zu keinem anderen Ergebnis.

aa) Die unter Nr. 2 der Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 TV [X.] geregelten Ausnahmen von den allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV [X.] verdeutlichen, dass die [X.] nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung abhängt, sondern nur von einem (gegebenenfalls fingierten) Entgeltanspruch. Nach Nr. 2 der Protokollerklärung haben selbst Beschäftigte, die durchgehend Krankengeld bezogen, sich in Kurzarbeit (Null) befanden oder lediglich Anspruch auf Entgelt für einen Tag im Bezugszeitraum hatten, Anspruch auf die ungekürzte [X.]. Lediglich die Berechnung der [X.] richtet sich nach der arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit (§ 2 Abs. 2 Satz 4 TV [X.] iVm. § 24 Abs. 2 [X.]/[X.]).

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt § 7 Abs. 2 TV [X.] zu keinem abweichenden Verständnis. Die Tarifnorm bestimmt, dass Beschäftigte während der Arbeitsphase des [X.] im Blockmodell das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts erhalten, das sie jeweils erhalten würden, wenn sie mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit weitergearbeitet hätten; die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben (§ 7b [X.]) und wird in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt. In den Teilzeitquotienten der Freistellungsphase fließen ausnahmslos alle in der Aktivphase verdienten Entgeltbestandteile. § 7 Abs. 2 TV [X.] regelt damit lediglich die [X.] für das in der Aktivphase angesammelte Wertguthaben, ohne das Entstehen zukünftiger, im [X.]punkt des Abschlusses des [X.] noch nicht absehbarer Vergütungsansprüche für die Altersteilzeit auszuschließen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht gehindert, für Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell zusätzlich zum Wertguthaben Leistungen vorzusehen, die - wie vorliegend die einmalige [X.] - unabhängig von einer bestimmten Arbeitsleistung gewährt werden.

c) Die Auslegung des § 2 Abs. 1 TV [X.], dass Beschäftigte in der Freistellungsphase der Altersteilzeit Anspruch auf die [X.] haben, entspricht dem [X.]. Nr. 1 Satz 2 der Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 TV [X.] definiert die vom Arbeitgeber geschuldete Leistung als „Beihilfe bzw. Unterstützung“ im Sinne des § 3 Nr. 11a EStG zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die [X.]. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder hatte das [X.] mit Schreiben vom 9. April 2020 (BStBl. I S. 503) mitgeteilt, während der [X.] in der [X.] vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 könnten zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag [X.]. 1.500,00 [X.] steuerfrei nach § 3 Nr. 11 EStG in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährt werden. Aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der [X.] ([X.]) vom 19. Juni 2020 ([X.] 1385) stellte der Gesetzgeber diese Rechtsauffassung im Interesse umfassender Rechtssicherheit durch § 3 Nr. 11a EStG klar ([X.]. 19/19601 S. 33). Die Anknüpfung an die steuerliche Bestimmung spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht von einer besonderen Belastung aufgrund geleisteter Arbeit abhängig gemacht haben, sondern die finanziellen Belastungen aufgrund der [X.] unabhängig von einer Arbeitsleistung abmildern wollten. Beihilfen nach § 3 Nr. 11 EStG werden als uneigennützige Unterstützungsleistungen ([X.] 5. November 2014 - [X.] - Rn. 27) unabhängig von einem entgeltlichen Austauschgeschäft gezahlt ([X.] 14. Juli 2020 - [X.]/18 - Rn. 18). Es liegt nahe, dass die Uneigennützigkeit auch Voraussetzung für die Steuerprivilegierung von arbeitgeberseitigen Beihilfen und Unterstützungsleistungen nach § 3 Nr. 11a EStG ist (so auch [X.]/[X.] EStG 41. Aufl. § 3 Rn. 48), auf die die Tarifvertragsparteien ausdrücklich verwiesen haben.

3. Danach erfüllt die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV [X.]. Zwischen den Parteien bestand am 1. Oktober 2020 ein (Altersteilzeit-)Arbeitsverhältnis. Die Klägerin hatte im [X.]raum zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober 2020 an (mehr als nur) einem Tag Anspruch auf Entgeltzahlung.

4. Der Anspruch der Klägerin auf die [X.] besteht [X.]. 200,00 [X.].

a) Die [X.] beträgt für Vollzeitbeschäftigte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TV [X.] für die Entgeltgruppen 9a bis 12 400,00 [X.]. Für Teilzeitbeschäftigte ordnet § 2 Abs. 2 Satz 4 TV [X.] die entsprechende Anwendung von § 24 Abs. 2 [X.]/[X.] an. Danach erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht, soweit tariflich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Für die Berechnung der Anspruchshöhe sind die jeweiligen Verhältnisse am 1. Oktober 2020 maßgeblich (§ 2 Abs. 2 Satz 5 TV [X.]).

b) Die Klägerin, die in einem (Alters-)Teilzeitarbeitsverhältnis steht, hat danach Anspruch auf eine [X.] [X.]. 200,00 [X.] [X.] des vollen Anspruchs). Unter Zugrundelegung der nach § 2 Abs. 2 Satz 5 TV [X.] maßgebenden „jeweiligen Verhältnisse“ am Stichtag des 1. Oktober 2020 betrug die individuell vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit der Klägerin 19,5 Wochenstunden. Im Blockmodell des [X.] wird - wie im [X.] - die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des [X.] während des gesamten [X.] um die Hälfte verringert ([X.] 16. November 2010 - 9 [X.] - Rn. 31).

5. Der Zinsanspruch folgt aus den gesetzlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB).

II. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin einen 200,00 [X.] übersteigenden Betrag nebst anteiliger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2021 zu zahlen. Insoweit ist die Klage nicht begründet. Die in § 2 Abs. 2 Satz 4 TV [X.] angeordnete Berechnung der Anspruchshöhe entsprechend dem [X.] steht im Einklang mit § 4 Abs. 1 [X.].

1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

a) Die Norm des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] konkretisiert das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] für den Bereich des Entgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten Leistung ([X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 47 mwN, [X.]E 165, 1). § 4 Abs. 1 [X.] verbietet eine Abweichung vom [X.] zum Nachteil [X.], wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Eine Gleichbehandlung [X.] bei der Vergütung entsprechend dem [X.] des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] schließt jedoch eine sonstige Benachteiligung nicht aus ([X.] 14. Dezember 2011 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 140, 148). Insbesondere bei Leistungen, bei denen der [X.] nicht im Vordergrund steht, können - abhängig vom [X.] - Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte Ansprüche in gleicher Höhe haben (vgl. zu einer als Anerkennung der Betriebstreue geleisteten [X.] [X.] 22. Mai 1996 - 10 [X.] - zu II 3 der Gründe). Eine schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten ist aber sachlich gerechtfertigt, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von [X.] und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich an dem mit der Leistung verfolgten Zweck zu orientieren ([X.] 29. Januar 2020 - 4 [X.] - Rn. 28, [X.]E 169, 351).

b) Als selbständige Grundrechtsträger können die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung den [X.] einer tariflichen Leistung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie bestimmen ([X.] 29. September 2020 - 9 [X.] - Rn. 47, [X.]E 172, 313; 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 34, [X.]E 165, 1). Neben einer [X.] über die tatsächlichen Gegebenheiten, betroffenen Interessen und Regelungsfolgen verfügen sie dazu über einen weiten inhaltlichen Gestaltungsspielraum, der sie nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht ([X.] 23. Februar 2021 - 3 [X.] - Rn. 40, [X.]E 174, 116; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 19 mwN). Da die in § 4 Abs. 1 [X.] geregelten Diskriminierungsverbote nach § 22 [X.] nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehen, darf der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht dazu führen, das Verbot der Diskriminierung in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer auszuhöhlen ([X.] 22. Oktober 2019 - 9 [X.] - Rn. 33 ff.).

2. Nach diesen Grundsätzen verstößt die der Arbeitszeit entsprechende Berechnung nach § 2 Abs. 2 Satz 4 TV [X.] iVm. § 24 Abs. 2 [X.]/[X.] nicht gegen § 4 Abs. 1 [X.]. Sie entspricht dem Prinzip des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten die [X.] im Umfang des Anteils ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter. Die tarifvertragliche Regelung steht auch im Einklang mit § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Für die der Arbeitszeit entsprechende Berechnung besteht ein sachlich vertretbarer Grund. Der tarifvertragliche Zweck, mit der einmaligen [X.] allen Beschäftigten unter der Voraussetzung eines zum Stichtag bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie eines Entgeltanspruchs im Referenzzeitraum einen anlassbezogenen, an das individuelle Arbeitsentgelt angepassten Zuschuss zum individuellen Arbeitsentgelt zu gewähren, steht einer quantitativen Differenzierung nicht entgegen. Es ist nicht sachfremd, dass die Tarifvertragsparteien den Umfang der Beteiligung des Arbeitgebers an den allgemeinen [X.] an die der individuell vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden Vergütung anknüpfen, aus der die Beschäftigten ihre Aufwendungen erfahrungsgemäß decken.

3. Die Klägerin hat danach lediglich Anspruch auf eine [X.] [X.]. 200,00 [X.]. Eine höhere Sonderzahlung ginge über den Umfang hinaus, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu zwei Dritteln, die Klägerin zu einem Drittel zu tragen. Diese Kostenquote entspricht ihrem Unterliegen in der Revisionsinstanz.

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    Suckow    

        

        

        

    Vogg    

        

    Pielenz    

                 

Meta

9 AZR 330/22

28.03.2023

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Essen, 30. August 2021, Az: 6 Ca 1028/21, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.2023, Az. 9 AZR 330/22 (REWIS RS 2023, 4768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4768

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