Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2023, Az. 9 AZR 38/23

9. Senat | REWIS RS 2023, 9824

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Gegenstand

Arbeitnehmerähnliche Person - Tariflicher Ausgleich wegen Minderung der Gesamtvergütung - Auslegung


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. November 2022 - 4 [X.]/22 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der [X.] einen tarifvertraglichen Ausgleich wegen der Minderung seiner Gesamtvergütung im [X.].

2

Der Kläger ist bei der [X.], einer Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts, seit dem 1. Januar 1987 als freier Mitarbeiter beschäftigt und bezieht von dieser mehr als die Hälfte seines Gesamtentgelts. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien finden [X.] ua. der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im [X.] vom 18. Juni 1978 idF vom 18. Juni 1982 ([X.]) und der [X.] für arbeitnehmerähnliche Personen im [X.] vom 9. Juni 1978 idF vom 12. August 2013 ([X.]) Anwendung. Der [X.] enthält ua. folgende Regelungen:

        

1.    

Geltungsbereich

        

1.1     

Dieser Tarifvertrag gilt für arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 12a [X.]

        

1.1.1 

für die zwischen ihnen und dem [X.] durch Dienst- oder Werkverträge begründeten Rechtsverhältnisse,

        

…       

        
        

1.2     

Er regelt mit seinen Durchführungs-Tarifverträgen Mindestbedingungen, die für diese Mitarbeiter wegen ihrer Dauerrechtsbeziehung zum [X.] unter den Voraussetzungen der nachstehenden Abschnitte 2 und 3 gelten.

        

…       

        
        

2.    

Wirtschaftliche Abhängigkeit

                 

Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er … beim [X.] … mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto und ohne gesonderte Unkostenerstattung) in den letzten sechs Monaten vor Geltendmachung eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag … bezogen hat. …

        

3.    

Soziale Schutzbedürftigkeit

        

3.1     

Die [X.] Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er in dem [X.] von sechs Monaten gemäß Abschnitt 2 mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubs- und Krankheitstage) für den [X.] … aufgrund vertraglicher Verpflichtung tätig war.

        

…       

        
        

5.    

Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit

        

…       

        
        

5.2.1 

…       

                 

Die Mitteilungsfrist beträgt einen Monat. Für weitere unmittelbar anschließende Beschäftigungsjahre beträgt die Frist

                 

…       

                 

12 Monate nach 10 Beschäftigungsjahren

                 

…       

                 

Eine wesentliche Einschränkung der Tätigkeit liegt dann vor, wenn hierdurch die Gesamtvergütung beim [X.] in einem Beschäftigungsjahr um mehr als 25 % gemindert wird. Bei Mitarbeitern, die mehr als die Hälfte ihres Gesamtentgelts allein vom [X.] beziehen, liegt eine wesentliche Einschränkung der Tätigkeit bereits dann vor, wenn die Gesamtvergütung beim [X.] gegenüber dem vorausgehenden Beschäftigungsjahr um mehr als 10 % gemindert wird. Dies wird am Ende eines Beschäftigungsjahres festgestellt. Hierzu ist ein Antrag des Mitarbeiters erforderlich, sofern nicht der [X.] die Einschränkung mitgeteilt hat. Die Gesamtvergütung des Vorjahres berechnet sich aus den erzielten Honoraren zuzüglich einer inzwischen erfolgten tariflichen Honorarerhöhung.

        

…       

        
        

5.4     

Wird gemäß Abschnitt 5.2.1, dritter Absatz, eine Minderung der Gesamtvergütung festgestellt, erhält der Mitarbeiter für die Dauer der im zweiten Absatz genannten Fristen einen anteiligen Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen der Gesamtvergütung des letzten Beschäftigungsjahres und der um 25 % bzw. 10 % verminderten Gesamtvergütung beim [X.] im vorletzten Beschäftigungsjahr. Die Gesamtvergütung des vorletzten Beschäftigungsjahres berechnet sich aus den erzielten Honoraren zuzüglich einer im letzten Beschäftigungsjahr erfolgten tariflichen Honorarerhöhung.“

3

Der [X.] sieht ua. folgende Regelungen vor:

        

1.    

Urlaubsanspruch

        

1.1     

Die unter Abschnitt 1 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen im [X.] fallenden Mitarbeiter des [X.]s … haben Anspruch auf einen bezahlten Urlaub, wenn sie die Voraussetzungen der Abschnitte 2 und 3 des Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen des [X.]s allein beim [X.] erfüllen.

        

…       

        
        

3.    

Urlaubsvergütung

        

3.1     

Der Mitarbeiter erhält vom [X.] unverzüglich nach Antragsbewilligung eine Urlaubsvergütung für die Urlaubstage, die ihm nach Abschnitt 2.1 dieses Tarifvertrags zustehen. …“

4

[X.] nahm der Kläger an einer einwöchigen Fortbildungsveranstaltung nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung [X.] vom 6. November 1984 ([X.]) teil und bezog für diese [X.] Arbeitsentgelt iHv. 1.044,50 [X.].

5

Auf seinen Antrag vom 3. März 2021 zahlte die Beklagte dem Kläger nach Abschnitt 5.4 Satz 1 [X.] einen Ausgleich für die Verringerung seiner Vergütung im [X.] iHv. 2.078,70 [X.] brutto. Diesen Betrag berechnete sie auf Grundlage einer im Jahr 2019 vom Kläger erzielten Gesamtvergütung iHv. 56.384,92 [X.] (53.956,86 [X.] zuzüglich einer tariflichen [X.] iHv. 2.428,06 [X.]). In diesen Betrag rechnete sie das Arbeitsentgelt für die Fortbildungsveranstaltung nicht ein. Für das [X.] setzte die Beklagte eine Gesamtvergütung iHv. 48.667,73 [X.] an.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung des geschuldeten Ausgleichs sei das für die Fortbildungsveranstaltung gezahlte Arbeitsentgelt als „Honorar“ iSd. Abschnitt 5.2.1 und 5.4 [X.] zu berücksichtigen.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, 982,35 [X.] brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1. April 2021 an ihn zu zahlen.

8

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die [X.] ist gemäß Abschnitt 5.4 Satz 1 [X.] verpflichtet, an den Kläger 982,35 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Das Arbeitsentgelt, das die [X.] nach § 7 Satz 1 [X.] an den Kläger für die [X.] gezahlt hat, ist Teil der „Gesamtvergütung“ iSd. Abschnitt 5.4 Satz 2 [X.]. Es ist deshalb bei der Berechnung des [X.] gemäß Abschnitt 5.4 Satz 1 [X.] zu berücksichtigen.

1. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen, an die Abschnitt 5.4 Satz 1 [X.] den Anspruch eines Mitarbeiters auf Zahlung eines [X.] knüpft, im Streitfall vorliegen.

a) Wird auf Antrag eines Mitarbeiters, der [X.] [X.] tätig war, eine wesentliche Einschränkung der Tätigkeit festgestellt (Abschnitt 5.2.1 Absatz 3 Satz 3 [X.]), erhält er gemäß Abschnitt 5.4 Satz 1 [X.] für die Dauer eines Jahres (Abschnitt 5.2.1 Absatz 2 Satz 1 [X.]) einen anteiligen Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen der Gesamtvergütung des letzten Beschäftigungsjahrs und der um [X.] verminderten Gesamtvergütung im vorletzten Beschäftigungsjahr, wenn er mehr als die Hälfte seines Gesamtentgelts allein von der [X.] bezieht (Abschnitt 5.2.1 Absatz 3 Satz 2 [X.]). Die Gesamtvergütung des vorletzten Beschäftigungsjahrs berechnet sich gemäß Abschnitt 5.4 Satz 2 [X.] aus den erzielten Honoraren zuzüglich einer im letzten Beschäftigungsjahr erfolgten tariflichen [X.]. Anspruchsberechtigt sind arbeitnehmerähnliche Personen iSv. Abschnitt 1 [X.], die nach Abschnitt 2 Satz 1 [X.] wirtschaftlich abhängig und nach Abschnitt 3.1 [X.] sozial schutzbedürftig sind. Die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Mitarbeiters ist gegeben, wenn er bei der [X.] mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte in den letzten sechs Monaten vor Geltendmachung eines tariflichen Anspruchs bezogen hat. Sozial schutzbedürftig ist ein Mitarbeiter, wenn er in dem [X.] von sechs Monaten gemäß Abschnitt 2 [X.] mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubs- und Krankheitstage) für die [X.] aufgrund vertraglicher Verpflichtung tätig war.

b) Nach diesen Bestimmungen hat der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf die Zahlung eines Ausgleichs für die Minderung seiner Gesamtvergütung.

aa) Der Kläger, der seit dem 1. Januar 1987 als freier Mitarbeiter für die [X.] tätig ist und von ihr mehr als die Hälfte seines erwerbsmäßigen Gesamtentgelts erhält, fällt als arbeitnehmerähnliche Person iSd. § 12a [X.] in den persönlichen Geltungsbereich des [X.] (Abschnitt 1 [X.]).

bb) [X.] lag eine wesentliche Einschränkung der Tätigkeit des [X.] vor. Die Gesamtvergütung, die der Kläger im [X.] von der [X.] bezog, lag - unabhängig davon, ob das Entgelt für die Dauer der Weiterbildung zu den Honoraren iSd. Abschnitts 5.2.1 Absatz 3 Satz 5 [X.] zählt - um mehr als [X.] unter der Gesamtvergütung des Jahres 2019. Ohne Berücksichtigung dieses Betrags belief sich die Bruttogesamtvergütung im [X.] auf 56.384,92 Euro. Im Folgejahr lag die Vergütung bei lediglich insgesamt 48.667,73 Euro brutto.

2. Die Annahme des [X.]s, der gegen die [X.] gerichtete Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für den Zeitraum, in dem der Kläger im Jahr 2019 an der Weiterbildungsmaßnahme teilnahm, ergebe sich aus § 7 Satz 1 [X.] iVm. § 2 [X.], ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. § 7 Satz 1 [X.] enthält eine dynamische Verweisung auf das Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen vom 2. August 1951 ([X.]I S. 479) idF des [X.] vom 18. Dezember 1975 ([X.]I S. 3091; im Folgenden FeiertLohnzG). Dieses Gesetz ist durch das Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall vom 28. Mai 1994 ([X.]I S. 1065; [X.]) mit Wirkung zum 1. Juni 1994 abgelöst worden (Einzelheiten bei [X.] [X.] 9. Aufl. Einleitung Rn. 9).

a) Die Arbeitnehmerweiterbildung wird in [X.] gemäß § 1 Abs. 1 [X.] durch Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung in anerkannten Bildungsveranstaltungen bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts realisiert. Die Entgeltfortzahlung ist gemäß § 7 Satz 1 [X.] entsprechend den Bestimmungen des FeiertLohnzG in der jeweils geltenden Fassung vorzunehmen. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des [X.] am 1. Januar 1985 (§ 13 [X.]) lautete § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertLohnzG wie folgt: „Für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, ist vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern der Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten.“

b) § 7 Satz 1 [X.] enthält keine statische Verweisung auf das außer [X.] getretene FeiertLohnzG, sondern eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Vorschriften über die Fortzahlung von Entgelt an Feiertagen. § 1 [X.] gewährt einem nach § 2 [X.] anspruchsberechtigten Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub zum Zwecke der Weiterbildung „bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts“ (vgl. [X.] 24. Oktober 2000 - 9 [X.] - zu [X.] b der [X.]). § 7 Satz 1 [X.] bezweckt, den Arbeitnehmer vergütungsrechtlich so zu stellen, als wäre er im [X.] aufgrund eines gesetzlichen Feiertags von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden gewesen. Seit Inkrafttreten des [X.] am 1. Juni 1994 folgt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung an Feiertagen nicht mehr aus § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertLohnzG, sondern allein aus § 2 [X.].

3. Die Zahlung der [X.] für den Zeitraum, für den der Kläger Bildungsurlaub nach den Vorschriften des [X.] in Anspruch nahm, ist Honorar iSv. Abschnitt 5.4 Satz 2 [X.] und deshalb bei der Berechnung des [X.] zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmungen des [X.] (vgl. zu den für Tarifverträge geltenden Auslegungsgrundsätzen [X.] 19. Juni 2018 - 9 [X.] - Rn. 17).

a) Bereits der Wortlaut des Abschnitts 5.4 Satz 2 [X.] legt nahe, dass das Arbeitsentgelt, welches der Arbeitgeber nach § 7 Satz 1 [X.] iVm. § 2 [X.] Anspruchsberechtigten iSd. § 2 [X.] schuldet, zu den in das Gesamtentgelt einzubeziehenden Honoraren zählt. Der Begriff „Honorar“ bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch ua. die Bezahlung, die Angehörige der freien Berufe für einzelne Leistungen erhalten. Synonyme sind die Begriffe Bezahlung, Gage, Vergütung ([X.] Stichwort „Honorar“, Abruf Oktober 2023). Diesen Begriffen gleichgeordnet ist der „gesetzliche Entgeltanspruch“ ([X.] 24. Oktober 1995 - 9 [X.] - zu II 1 der Gründe), der gemäß § 2 [X.] sowohl Arbeitnehmern als auch arbeitnehmerähnlichen Personen zusteht.

b) Der systematische Zusammenhang, in dem die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen den Begriff „Honorar“ verwenden, bestätigt das im Wortlaut angelegte Verständnis.

aa) Abschnitt 5.4 Satz 2 [X.] beschreibt die „Gesamtvergütung“ des Mitarbeiters, auf deren Grundlage die Höhe des [X.] zu berechnen ist, als Summe der „erzielten Honorare zuzüglich einer im letzten Beschäftigungsjahr erfolgten tariflichen [X.]“. Wenn die Parteien die Summe der Einzelposten nicht als „Gesamthonorar“, sondern als „Gesamtvergütung“ bezeichnen, spricht vieles dafür, dass sie beiden Begriffen - wie der allgemeine Sprachgebrauch - denselben Bedeutungsgehalt zumessen.

bb) Dasselbe gilt für Abschnitt 5.2.1 Absatz 3 Satz 5 [X.]. [X.] kennzeichnet die „Gesamtvergütung“ des Mitarbeiters, die als Vergleichsparameter für die „wesentliche Einschränkung der ... Gesamtvergütung“ (Abschnitt 5.2.1 Absatz 3 Satz 1 [X.]) dient, in inhaltlicher Übereinstimmung mit Abschnitt 5.4 Satz 2 [X.] als Summe der „erzielten Honorare zuzüglich einer inzwischen erfolgten tariflichen [X.]“.

cc) Für das Auslegungsergebnis, zu dem das [X.] gelangt ist, spricht auch der Klammerzusatz unter Abschnitt 3.1 [X.] („einschließlich Urlaubs- und Krankheitstage“). Er zeigt, dass die Tarifvertragsparteien Leistungen im Rahmen des [X.] nicht allein von tatsächlich erbrachten Tätigkeiten der arbeitnehmerähnlichen Person abhängig machen wollten. Sowohl während des Urlaubs als auch im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erhält der freie Mitarbeiter Zahlungen von der [X.], ohne hierfür eine Gegenleistung zu erbringen.

dd) Den tariflichen Regelungen zum Urlaub im [X.] liegt dasselbe begriffliche Verständnis zugrunde. Diese finden sich zwar nicht in demselben Tarifvertrag, dem [X.], wurden aber von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart. Beide [X.] stammen ursprünglich aus den 1970er Jahren und wurden durch den „Tarifvertrag zur Harmonisierung bestehender tarifvertraglicher Vorschriften für freie Mitarbeiter an beiden Standorten des [X.]“ vom 22. September/7. November/8. Oktober 1995 ua. von der [X.] und der damaligen [X.] unterzeichnet. Nach Abschnitt 3 Satz 1 [X.] erhält der Mitarbeiter für den Zeitraum, in dem er Urlaub in Anspruch nimmt, eine „Urlaubsvergütung“. Diese Zahlung berücksichtigt die [X.] bei der Berechnung des [X.] richtigerweise unabhängig davon, dass der [X.] einer arbeitnehmerähnlichen Person seinem Wortlaut zufolge einen Anspruch auf „Vergütung“ und nicht einen Anspruch auf „Honorar“ einräumt.

ee) Soweit die [X.] auf den [X.] mit dem „[X.] gemäß Vergütungs-TV für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ verweist, ergibt sich daraus nichts anderes. Auch in diesem Tarifvertrag werden die Begriffe „Honorar“ und „Vergütung“ synonym verwendet. Bereits in den Vorbemerkungen stellen die Tarifvertragsparteien unter „1. Allgemeines“ klar, der „Honorarrahmen“ habe die rechtliche Qualität eines „Vergütungstarifvertrages“.

c) Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen in Abschnitt 5.4 [X.] lassen keinen Zweifel zu, dass auch Arbeitsentgelte für Zeiten der Freistellung zwecks Weiterbildung unter den Tarifbegriff „erzielte Honorare“ fallen. Abschnitt 5.4 [X.] dient dem Einkommensschutz und damit der finanziellen Absicherung der Mitarbeiter der [X.], die - in dieser Hinsicht vergleichbar einem Arbeitnehmer - wirtschaftlich abhängig (Abschnitt 2 [X.]) und sozial schutzbedürftig (Abschnitt 3 [X.]) sind, aber nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, sondern aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen - teilweise über viele Jahre (vgl. Abschnitt 5.2.1 Absatz 2 Satz 2 [X.]) - für die [X.] tätig sind. Als [X.] bzw. Bestellerin eines Werks hat es die [X.] in der Hand, den Umfang der Tätigkeit einseitig zu reduzieren. Um die finanziellen Verluste von Mitarbeitern, deren Tätigkeit wesentlich, dh. um mindestens zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr, eingeschränkt wird, abzumildern, haben diese Anspruch auf einen Ausgleich, der ihre vormalige Vergütung für einen Zeitraum von zwei Monaten bis zu einem Jahr in Höhe von [X.] sichert. Wollte man Zeiten, in denen der Mitarbeiter keine Tätigkeit für die [X.] entfaltet (Krankheit, Erholungsurlaub, Urlaub zu Weiterbildungszwecken, …), aus der Berechnung des [X.] ausnehmen, könnte der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, seinen Lebensstandard für eine Übergangszeit zu halten. Vielmehr würde für den Mitarbeiter ein finanzieller Anreiz geschaffen, gesetzliche oder tarifliche Rechte, die Vergütungsansprüche unabhängig von der Tätigkeit zur Folge haben, nicht in Anspruch zu nehmen, um die tarifliche Verdienstsicherung nicht abzusenken. Es ist nicht erkennbar, dass dies von den Tarifvertragsparteien gewollt ist.

d) Der Einwand der Revision, die Auslegung des [X.]s habe zur Folge, dass Beträge in die Ausgleichsberechnung einzustellen seien, deren Entstehen unabhängig von einer Beauftragung der arbeitnehmerähnlichen Person sie nicht beeinflussen könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie ist unmittelbare Folge davon, dass die auf Zahlung von Entgelt gerichteten Ansprüche eines freien Mitarbeiters nicht in jedem Fall von einer Gegenleistung abhängen. Die Auswirkungen von Zahlungen ohne Gegenleistung können ambivalent sein. Es hängt von den jeweiligen Umständen ab, ob die Inanspruchnahme einer Weiterbildung iSd. § 1 Abs. 1 [X.] zu einer Erhöhung oder Minderung von Ausgleichsansprüchen führt. Besucht der Arbeitnehmer im [X.], also dem Jahr, das dem Jahr, für das er einen Ausgleich begehrt, vorausgeht, eine Weiterbildungsveranstaltung, kann dies - wie im Streitfall - dazu führen, dass ihm ein höherer Ausgleichsbetrag zusteht, weil der Vergleichsbetrag durch die Zahlungen nach § 7 Satz 1 [X.] iVm. § 2 [X.] erhöht ist. Umgekehrt kann eine Berücksichtigung der Zahlungen nach § 7 Satz 1 [X.] iVm. § 2 [X.] dazu führen, dass einem Mitarbeiter, dem die [X.] im Vergleich zum Vorjahr weniger Aufträge erteilt, einen geringeren Ausgleich beanspruchen kann, weil er in dem Jahr, für das er einen Ausgleich begehrt, infolge seiner Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme Entgelt nach § 7 Satz 1 [X.] iVm. § 2 [X.] erhalten hat.

4. Danach kann der Kläger für das [X.] einen [X.] iHv. 3.061,05 Euro verlangen. Auf Grundlage der von dem Kläger im [X.] bezogenen Vergütung iHv. 53.956,86 Euro zuzüglich des Betrags nach § 7 Satz 1 [X.] iVm. § 2 [X.] iHv. 1.044,50 Euro und einer tariflichen [X.] iHv. 2.475,06 Euro (4,5 vH auf die Summe aus 53.956,86 Euro und 1.044,50 Euro) ergibt sich der Vergleichsbetrag iHv. 57.476,42 Euro, der zu [X.] (51.728,78 Euro) in die Berechnung des [X.] einfließt (Abschnitt 5.4 Satz 1 [X.]). Abzüglich der für das [X.] gezahlten Vergütung ergibt sich der Ausgleichsanspruch iHv. 3.061,05 Euro (51.728,78 Euro minus 48.667,73 Euro). Nach Abzug des von der [X.] bereits gezahlten Betrags iHv. 2.078,70 Euro (§ 361 Abs. 1 BGB) steht dem Kläger noch der klageweise geltend gemachte Betrag iHv. 982,35 Euro brutto zu.

II. Der Zinsanspruch aus den gesetzlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB) beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. April 2021.

III. Die [X.] hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    Suckow    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Hampel    

                 

Meta

9 AZR 38/23

17.10.2023

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 21. Dezember 2021, Az: 5 Ca 3739/21, Urteil

§ 7 S 1 ArbWeitBiG NW, § 2 EntgFG, § 1 TVG, § 1 Abs 1 ArbWeitBiG NW

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2023, Az. 9 AZR 38/23 (REWIS RS 2023, 9824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9824

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