Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2004, Az. 4 StR 293/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1866

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[X.] vom 24. August 2004 in der Strafsache gegen

1. 2. 3.

wegen schweren Raubes u. a.
- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 24. August 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Dezember 2003 in den [X.] aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.]. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten [X.]wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis ebenfalls zu fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten [X.]
wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu fünf Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die [X.] sachlichen Rechts; der Angeklagte [X.] beanstandet zudem das [X.]. - 3 - Die Rechtsmittel führen auf die Sachrügen zur Aufhebung der Strafaus-sprüche; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Begründung, mit welcher die [X.] im Rahmen der Strafzu-messung das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Den Urteilsfeststellungen ist folgender Verfahrensgang zu entnehmen: Die Angeklagten erlangten am 30. Mai 2001, dem Tattag, bzw. am 26./27. Juni 2001 Kenntnis von dem gegen sie in diesem Verfahren erhobenen Tatvorwurf ([X.]). Am 25. Oktober 2001 erhob die Staatsanwaltschaft [X.], bei der das Ermittlungsverfahren damals geführt wurde, wegen gemein-schaftlich begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körper-verletzung Anklage gegen die drei Angeklagten sowie gegen den gesondert verfolgten [X.]. zum [X.] Siegen. Nachdem dieses Land-gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen [X.]. am 14. November 2001 abgelehnt hatte, wurde - ersichtlich nach Rücknahme der [X.] im übrigen - das Verfahren gegen die mittlerweile aus mehrmonatiger Untersuchungshaft entlassenen Angeklagten an die "nunmehr zuständige" Staatsanwaltschaft [X.] abgegeben. Diese erhob am 7. Januar 2002 we-gen des selben [X.] Anklage zum [X.] [X.]. Am 17. Januar 2002 leitete der Vorsitzende der [X.] die Anklage mit den Akten an die Staatsanwaltschaft zurück unter Hinweis auf eine "unzureichende Würdigung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen". Am 14. April 2003 erhob die Staatsanwaltschaft in dieser Sache eine neue Anklage zum Landge-richt [X.], wobei sie die Tatbeteiligung des Angeklagten [X.] abweichend würdigte, bezüglich der beiden anderen [X.] - klagten jedoch am ursprünglichen Tatvorwurf festhielt ([X.]). Zwischen Rückgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft im Januar 2002 und der [X.] der neuen Anklageschrift im April 2003 sind nach den Darlegungen im Urteil mit Ausnahme der Überarbeitung der Anklageschrift keine das Verfahren fördernden Maßnahmen seitens der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts er-griffen worden ([X.]). Entgegen der Auffassung des [X.]s ([X.]/79) stellt die zwi-schen der Rückgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft [X.] und der Einreichung der neuen Anklageschrift liegende [X.] eine im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] bei der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigende unangemessene Verzögerung des Verfahrens dar. Die in diesem [X.]raum ausschließlich erfolgte Überarbeitung der Anklageschrift [X.] den Stillstand des Verfahrens für die Dauer von einem Jahr und drei [X.] nicht zu rechtfertigen. Soweit die [X.] darauf hinweist, die Staatsanwaltschaft sei während dieses [X.]raums mit der Bearbeitung anderer, insbesondere vordringlicherer Haftsachen befaßt gewesen, verkennt sie, daß nach ständiger Rechtsprechung - unabhängig davon, ob ein Verfahren gegen einen inhaftierten oder einen nicht inhaftierten Angeklagten geführt wird (vgl. [X.], 384) - lediglich ein vorübergehender Engpaß in der [X.] der Strafverfolgungsorgane nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] führt (vgl. [X.], 452; [X.], 506; EGMR NJW 1984, 2749, 2750). Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Soweit die [X.] darauf abstellt, die vorübergehende Untätigkeit führe jedenfalls im Hinblick auf die wegen der Schwere der Tatvorwürfe insge-samt angemessene Gesamtdauer des Verfahrens nicht zu einem Verstoß ge-- 5 - gen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], läßt sie bei der gebotenen Gesamtwürdigung (vgl. [X.], 384 m.w.[X.]) außer acht, daß nach dem im Urteil darge-stellten Verfahrensgang die Ermittlungen bereits im [X.]punkt der Erhebung der ersten Anklage durch die Staatsanwaltschaft Siegen am 25. Oktober 2001 - mithin schon ca. fünf Monate nach Begehung der Tat - abgeschlossen waren. Sie läßt ferner unberücksichtigt, daß auch der [X.] der [X.] zu einer Verfahrensverzögerung führte, die nicht von den Angeklagten zu vertreten war. Hieran gemessen verletzt die festgestellte, allein von den Justizorganen zu vertretende Untätigkeit von jedenfalls einem Jahr und drei Monaten das Recht der Angeklagten auf Verhandlung und Entschei-dung des Verfahrens binnen angemessener Frist. Das [X.] hat zwar zugunsten der Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt, daß zwischen Tat und erstinstanzlichem Urteil zwei Jahre und sieben Monate verstrichen sind, die Angeklagten sich nach ih-rer Haftentlassung im wesentlichen wieder sozial integriert haben und die [X.] [X.] und [X.] überdies durch Meldeauflagen im [X.] belastet waren. Gleichwohl kann der [X.] nicht ausschließen, daß sich die rechtsfehlerhafte Ablehnung einer rechtsstaatswidrigen [X.]sverzögerung bei der Strafzumessung zu Lasten der Angeklagten ausge-wirkt hat. Der neue Tatrichter wird diesem Umstand durch eine spezielle Straf-zumessung Rechnung zu tragen haben, in der das Maß der hierfür zugebillig-ten Kompensation bestimmt wird (vgl. BGHSt 45, 308, 309). - 6 - Da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt, können die der Strafzumessung zugrunde liegenden, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellun-gen aufrecht erhalten werden. Ergänzende Feststellungen sind, soweit sie den bisherigen Feststellungen nicht zuwider laufen, zulässig. Tepperwien

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4 StR 293/04

24.08.2004

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2004, Az. 4 StR 293/04 (REWIS RS 2004, 1866)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1866

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