Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2016, Az. I R 29/15

1. Senat | REWIS RS 2016, 5072

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Hinzurechnung von nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG - Freistellung nach nationalem Recht und nach Abkommensrecht)


Leitsatz

1. NV: Das sog. nationale Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG einerseits und das sog. abkommensrechtliche Schachtelprivileg andererseits stehen im Ausgangspunkt selbständig nebeneinander und schließen einander nicht aus (vgl. Senatsrechtsprechung). Die (Tatbestands-)Konkurrenz beider Regelungen ist regelmäßig zu Lasten des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs aufzulösen.

2. NV: Die Frage, ob die Hinzurechnung von nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG zu unterbleiben hat, weil die von den ausländischen (hier: chinesischen und türkischen) Kapitalgesellschaften gezahlten Dividenden (auch) nach dem sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivileg von der Besteuerung auszunehmen sind, mithin § 8b KStG verdrängt wird und damit auch dessen Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt, ist daher zu verneinen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 24. März 2015  1 K 1162/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist mit 100 v.H. an einer [X.] sowie mit knapp 85 v.H. an einer [X.] Kapitalgesellschaft beteiligt. Aus den Beteiligungen bezog die Klägerin in den Streitjahren (2009 bis 2011) Dividenden, die sie in ihren Steuererklärungen als nach den Bestimmungen der einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ([X.]) steuerfreie ausländische Einkünfte behandelte.

2

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) dem zunächst für die Streitjahre 2009 und 2010 gefolgt war und entsprechende [X.] unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hatte, wich er im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 von der Erklärung ab und berücksichtigte 5 v.H. der jeweiligen Dividenden gemäß § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([X.]) einkommenserhöhend als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Entsprechend änderte er auch die [X.] für 2009 und 2010 ab.

3

Die Klägerin war dagegen weiterhin der Auffassung, dass die Dividenden zu 100 v.H. von der [X.] Besteuerung auszunehmen seien. Dies ergebe sich aus dem jeweiligen [X.]; § 8b Abs. 5 [X.] komme insoweit nicht zur Anwendung. Die gegen die streitgegenständlichen Bescheide gerichtete Klage blieb erfolglos, das Finanzgericht ([X.]) des [X.] wies sie mit Urteil vom 24. März 2015  1 K 1162/13 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1850) als unbegründet ab.

4

Ihre Revision stützt die Klägerin auf eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das [X.]-Urteil aufzuheben und die [X.] für 2009 bis 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass § 8b Abs. 5 [X.] nicht auf Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften erzielt werden, angewandt wird.

5

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

6

Der Senatsvorsitzende hat durch Verfügung vom 10. August 2016 auf das Ergebnis einer Beratung in der Sache und auf § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) hingewiesen. Die Beteiligten haben diesem Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass von den nach § 8b Abs. 1 [X.] bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz gebliebenen Gewinnanteilen aus Anteilen an ausländischen (hier: [X.] und [X.]) Kapitalgesellschaften 5 v.H. als Ausgaben gelten, die nach § 8b Abs. 5 [X.] nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.

8

1. Nach § 8b Abs. 1 [X.] bleiben Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft außer Ansatz. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht, ob diese Bezüge von inländischen oder ausländischen Körperschaften geleistet werden. Voraussetzung ist lediglich, dass es sich um solche i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG handelt. Damit gilt § 8b Abs. 1 [X.] auch für Gewinnausschüttungen ausländischer Gesellschaften an inländische Körperschaften. Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich bei Anwendung des sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs. Nach Maßgabe von Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 3 des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 10. Juni 1985 ([X.] 1986, 447, [X.] 1986, 330) --[X.]-- (i.V.m. dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 6. Februar 1986, [X.] 1986, 446, [X.] 1986, 329) sowie von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 16. April 1985 ([X.] 1989, 867, [X.] 1989, 472) --[X.] 1985-- (i.V.m. dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 27. November 1989, [X.] 1989, 866, [X.] 1989, 471) bzw. --für das Streitjahr [X.]. 22 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 19. September 2011 ([X.] 2012, 527, [X.] 2013, 374) --[X.] 2011-- (i.V.m. dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 24. Mai 2012, [X.] 2012, 526, [X.] 2013, 373) werden "Dividenden" bzw. "Einkünfte aus Dividenden" bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Vorschrift von der Bemessungsgrundlage der [X.] Steuer ausgenommen.

9

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist somit die Frage, ob die Hinzurechnung von nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 [X.] zu unterbleiben hat, weil die von den ausländischen Kapitalgesellschaften gezahlten Dividenden (auch) nach dem sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivileg von der Besteuerung auszunehmen sind, mithin § 8b [X.] verdrängt wird und damit auch dessen Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt. Dies ist indes zu verneinen.

a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 14. Januar 2009 I R 47/08 ([X.], 126, [X.]I 2011, 131) und vom 23. Juni 2010 I R 71/09 ([X.], 177, [X.]I 2011, 129) entschieden hat, stehen das sog. nationale Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 [X.] einerseits und das sog. abkommensrechtliche Schachtelprivileg andererseits im Ausgangspunkt selbständig nebeneinander und schließen einander nicht aus. Gleichwohl läuft die abkommensrechtliche Freistellung in ihrer Wirkung gemeinhin leer. Denn zum einen stellt § 8b Abs. 1 [X.] im Grundsatz keine Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse (erst ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ergibt sich aus Abs. 4 der Vorschrift die Steuerpflicht für Bezüge aus sog. Streubesitzbeteiligungen), während das abkommensrechtliche Schachtelprivileg in aller Regel einschränkende tatbestandliche Voraussetzungen, im Falle des [X.] sowie des [X.] 1985 eine Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. des Kapitals bzw. der stimmberechtigten Anteile, im Falle des [X.] 2011 neben weiteren einschränkenden Voraussetzungen eine Mindestbeteiligungsquote von 25 v.H. des Kapitals, enthält. Zum anderen gelangt das abkommensrechtliche Schachtelprivileg regelungssystematisch nur dann zur Anwendung, wenn sich die nämliche Rechtsfolge der "Freistellung" nicht bereits aus nationalem Recht ergibt. Die ([X.] beider Regelungen ist somit regelmäßig zu Lasten des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs aufzulösen ([X.], [X.], 3. Aufl., § 8b Rz 40; derselbe in [X.] [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für [X.], 2010, S. 63, 86; [X.] in [X.]/Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 8b [X.] Rz 70; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 8b Rz 78 f.; [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b Rz 19; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], § 8b Rz 77, 181; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], § 8b [X.] Rz 30; Bruschke, [X.] 2012, 813; a.[X.], Internationales Steuerrecht 2009, 473, 477 --unter Berufung auf einen Grundsatz der "völkerrechtsfreundlichen" [X.]; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2011, 593, 595).

b) In diesem Sinne ist auch im Streitfall zu entscheiden. Die an die Klägerin ausgeschütteten Gewinnanteile aus den Beteiligungen an der [X.] und der [X.] Kapitalgesellschaft sind bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb gemäß § 8b Abs. 1 [X.] außer Ansatz geblieben. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen sind --was unter den Beteiligten unstreitig ist-- erfüllt.

c) Ausführungen des Senats zu der --von der Revision (weiter) aufgeworfenen-- Frage, ob die Hinzurechnung von nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 [X.] auch zu erfolgen hat, wenn die unilaterale Freistellung nach § 8b Abs. 1 [X.] vom bilateralen [X.] verdrängt würde, erübrigen sich demnach im Streitfall (vgl. hierzu aber bereits Senatsurteil vom 29. August 2012 I R 7/12, [X.], 45, [X.]I 2013, 89, zur vergleichbaren Rechtslage nach § 8b Abs. 7 [X.] i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 29/15

22.09.2016

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 24. März 2015, Az: 1 K 1162/13, Urteil

§ 8b Abs 1 KStG 2002, Art 24 Abs 2 Buchst a S 3 DBA CHN, Art 23 Abs 1 Buchst a S 2 DBA TUR, Art 22 Abs 2 Buchst a S 2 DBA TUR 2011, KStG VZ 2009, KStG VZ 2010, KStG VZ 2011, § 8b Abs 5 KStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2016, Az. I R 29/15 (REWIS RS 2016, 5072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5072

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 71/09 (Bundesfinanzhof)

Keine Hinzurechnung der Gewinnausschüttung einer polnischen Kapitalgesellschaft gemäß § 8 Nr. 5 GewStG 2002


I R 72/16 (Bundesfinanzhof)

Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung


I R 7/12 (Bundesfinanzhof)

Vorrang der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit und damit keine Drittstaatenwirkung bei gesetzlicher qualifizierter Mindestbeteiligungsquote von …


I R 6, 8/11, I R 6/11, I R 8/11 (Bundesfinanzhof)

Schachtelprivileg für brasilianische Eigenkapitalverzinsung als Dividende


I R 39/14 (Bundesfinanzhof)

Volle "Schachtelprivilegierung" im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis infolge sog. Bruttomethode


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.