Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.09.2022, Az. 1 WB 8/22

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2022, 5879

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Gegenstand

Zur Gewährung von Betreuungsurlaub für Soldaten


Leitsatz

1. Soldatinnen und Soldaten kann Betreuungsurlaub nicht rückwirkend gewährt werden.

2. Eine Verlängerung des Betreuungsurlaubs über die Dauer von drei Jahren hinaus kann nicht gleichzeitig oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Erstbewilligung beantragt werden.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antragstellerin geht es um die Bewilligung von weiterem [X.].

2

Die ... geborene Antragstellerin ist [X.]; ihre Dienstzeit endet voraussichtlich zum 30. September 2038. Sie ist Fachärztin für Augenheilkunde und wurde zuletzt im März 2015 zum Oberfeldarzt befördert. Für die [X.] vom 25. August 2020 bis 24. August 2021 war ihr Elternzeit unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge gewährt worden.

3

Mit Schreiben vom 24. Mai 2021 beantragte sie für die Betreuung ihres 2014 geborenen [X.] für die [X.] vom 25. August 2021 bis 25. August 2027 sowie mit Schreiben vom 19. Juli 2021 [X.] für die [X.] vom 25. August 2021 bis 31. Juli 2025. Weil die Bearbeitung dieser Anträge für die Dauer eines parallel laufenden Dienstunfähigkeitsverfahrens ausgesetzt wurde, erhob sie mit Schreiben vom 21. Juli 2021 Untätigkeitsbeschwerde.

4

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 1 W-VR 14.21 - hat der Senat das [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin auf ihre Anträge vom 24. Mai 2021 und 19. Juli 2021 vorläufig bis zu einer [X.] oder rechtskräftigen Entscheidung über ihre Untätigkeitsbeschwerde vom 21. Juli 2021 [X.] zu gewähren.

5

Daraufhin bewilligte das [X.] der Antragstellerin mit Bescheid vom 11. Oktober 2021 vorläufig [X.] unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge für die [X.] vom 7. Oktober 2021 bis zu einer [X.] oder rechtskräftigen Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde.

6

Unter dem 15. Oktober 2021 beantragte die Antragstellerin außerdem, das [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr über den mit dem Bescheid vom 11. Oktober 2021 bewilligten [X.] hinaus vorläufig weiteren [X.] für den Gesamtzeitraum 25. August 2021 bis 25. August 2027 zu gewähren. Diesen Antrag lehnte der Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 1 W-VR 19.21 - ab.

7

Mit weiterem Bescheid vom 9. Dezember 2021 gewährte das [X.] der Antragstellerin für die [X.] vom 7. Oktober 2021 bis zum 8. Oktober 2024 [X.] gemäß § 28 Abs. 5 [X.].

8

Mit Bescheid vom 5. Januar 2022 gab das [X.] der Untätigkeitsbeschwerde der Antragstellerin vom 21. Juli 2021 insoweit statt, als die Gewährung von [X.] für die [X.] vom 7. Oktober 2021 bis zum 8. Oktober 2024 zunächst unterblieben sei, und wies die Beschwerde im Übrigen zurück. Zu Letzterem verwies es darauf, dass eine rückwirkende Gewährung von [X.] ab dem 25. August 2021 nicht zulässig sei. Im Übrigen sei die gesetzliche Höchstdauer von drei Jahren ausgeschöpft worden.

9

Bereits mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 hat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre Untätigkeitsbeschwerde vom 21. Juli 2021 und eine weitere Untätigkeitsbeschwerde vom 8. September 2021 wegen des Antrags auf [X.] die Entscheidung des [X.] beantragt. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, dass sie den [X.] für die [X.] vom 25. August 2021 bis 25. August 2027 rechtzeitig beantragt habe. Einer rückwirkenden Genehmigung stehe nichts entgegen. Allenfalls gehe es um die Rückzahlung von Bezügen oder Elternzeitgeld. Außerdem beanstande sie einen Befehl ihres Disziplinarvorgesetzten vom 30. September 2021, mit dem ihre "Zwangseinweisung in das [X.] ..." befohlen werde.

Die Antragstellerin beantragt,

den [X.] ab dem 25. August 2021 bis zum 25. August 2027 zu genehmigen sowie

den rechtswidrigen Befehl vom 30. September 2021 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Soweit der Antrag den Befehl vom 30. September 2021 zur militärärztlichen Begutachtung der Antragstellerin betreffe, sei bereits ein Hauptsacheverfahren beim [X.] Süd ([X.].: [X.] BLa 1/22) anhängig. Soweit es um die Bewilligung von [X.] gehe, sei der zwischenzeitlich ergangene Beschwerdebescheid vom 5. Januar 2022 in das Verfahren einzubeziehen. Der zusätzlichen Gewährung von [X.] für die [X.] vom 25. August 2021 bis 6. Oktober 2021 stehe entgegen, dass eine rückwirkende Bewilligung von [X.] unzulässig sei. Auch wenn die Antragstellerin seit dem 24. August 2020 von ihren Dienstpflichten entbunden gewesen sei, habe eine rechtliche Lage bestanden, die sich von einer Beurlaubung gemäß § 28 Abs. 5 [X.] unterscheide. Eine rückwirkende Gewährung würde nachträglich einen Zustand fingieren, welcher rechtlich und faktisch nicht vorgelegen habe. So habe sich die Antragstellerin beispielsweise vom 31. August 2021 bis 5. September 2021 sowie vom 10. September 2021 bis 15. September 2021 im Erholungsurlaub befunden. Eine rückwirkende Gewährung von [X.] für den gewünschten [X.]raum würde zu einer "Überlagerung" der Urlaubszeiträume führen. Die Entscheidung des [X.], der Antragstellerin ab dem 7. Oktober 2021, also ab dem Datum des Beschlusses des [X.] im Verfahren [X.] 14.21, [X.] zu gewähren, sei deshalb sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen könne [X.] nur bis zur Dauer von drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung gewährt werden. Die von der Antragstellerin gewünschte [X.] bis zum 25. August 2027 gehe über die vorerst möglichen drei Jahre hinaus und sei deshalb unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakte des [X.] und die Gerichtsakten der abgeschlossenen Verfahren [X.] 14.21 und [X.] 19.21 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet, der gesetzlichen Regel entsprechend, ohne die von der Antragstellerin beantragte mündliche Verhandlung, weil er diese nicht für erforderlich hält (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 3 [X.]O). Der vorliegende Fall wirft nur Rechts- oder Tatsachenfragen auf, die sich unter Heranziehung der Akten und der schriftlichen Erklärungen der Beteiligten angemessen lösen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 5 [X.] 1.21 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 223 Rn. 12, [X.], Urteil vom 12. November 2002 - Nr. 28394/95, [X.]/[X.] - Rn. 37 und [X.], Urteil vom 26. Juli 2017 - [X.]/16 [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 47). Insofern liegen Umstände vor, die ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gestatten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2021 - 2 [X.] 2.21 - BVerwGE 173, 290 Rn. 13 und [X.], Urteil vom 28. Mai 2020 - Nr. 17895/14, [X.]/[X.] - FamRZ 2021, 382 <384 f.>).

2. Der Antrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin beantragt, den Befehl vom 30. September 2021 zur militärärztlichen Begutachtung aufzuheben, weil diesbezüglich bereits ein Hauptsacheverfahren beim [X.] Süd ([X.].: [X.] BLa 1/22) anhängig ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG).

3. Der Antrag ist unbegründet, soweit die Antragstellerin die Gewährung von [X.] für den Gesamtzeitraum vom 25. August 2021 bis zum 25. August 2027 begehrt.

Einer Berufssoldatin, die - wie die Antragstellerin - ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreut, kann auf Antrag unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge mit Ausnahme der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung ([X.] bis zur Dauer von drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung auf längstens 15 Jahre gewährt werden (§ 28 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SG). Das [X.] hat der Antragstellerin mit Bescheid vom 9. Dezember 2021 einen solchen [X.] für die [X.] vom 7. Oktober 2021 bis zum 8. Oktober 2024 gewährt.

Die Antragstellerin möchte im vorliegenden Verfahren an diesem bereits gewährten [X.] nichts ändern. Vielmehr möchte sie den [X.] vorgängig um die [X.] vom 25. August 2021 bis 6. Oktober 2021 und anschließend um die [X.] vom 9. Oktober 2024 bis 25. August 2027 zu einem Gesamtzeitraum vom 25. August 2021 bis zum 25. August 2027 erweitern. Dieses Begehren bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil das [X.] die maximale Dauer einer Erstbewilligung von [X.] mit dem Bescheid vom 9. Dezember 2021 vollständig ausgeschöpft hat.

Unabhängig davon kommt eine Gewährung für den [X.]raum vom 25. August 2021 bis 6. Oktober 2021 auch deshalb nicht in Betracht, weil die Bewilligung von [X.] für die Vergangenheit grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. für die Elternzeit ebenso BVerwG, Beschlüsse vom 21. Mai 2015 - 1 [X.] - BVerwGE 152, 144 Leitsatz und Rn. 22 ff. sowie vom 23. Februar 2017 - 1 [X.] 1.16 - juris Rn. 30; ebenso für den rückwirkenden Widerruf von [X.] BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1996 - 1 [X.] 94.95 - [X.] 236.1 § 28 SG Nr. 2 S. 1). Die Tatsache, dass sich ein Soldat in einem bestimmten zurückliegenden [X.]raum im Dienst befunden hat, kann nicht mehr rückwirkend verändert werden. Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Person - wie hier die Antragstellerin - in diesem [X.]raum von ihren Dienstpflichten entbunden war oder sich zeitweise im Erholungsurlaub befand; auch diese beiden Maßnahmen setzen eine laufende Dienstleistungsverpflichtung voraus. Gegen die Zulässigkeit einer rückwirkenden Bewilligung von [X.] spricht auch, dass der Zweck der Urlaubsbewilligung, nämlich die tatsächliche Betreuung eines minderjährigen Kindes durch den beurlaubten Soldaten zu ermöglichen oder zu erleichtern, hierdurch nicht mehr gefördert werden kann; die faktische Betreuungssituation lässt sich für die Vergangenheit nicht mehr ändern. Es widerspräche der [X.] und familienpolitischen Zwecksetzung des § 28 Abs. 5 SG, wenn die Bewilligung von [X.] zur beliebigen "Umbuchung" von Dienstzeiten instrumentalisiert werden könnte.

Der Antrag bleibt schließlich auch dann ohne Erfolg, wenn man das mit der Beschwerde weiterverfolgte Begehren für die [X.] ab dem 25. August 2024 als Antrag auf Verlängerung des bewilligten Drei-Jahres-[X.]raums versteht. Aus der Konzeption des Gesetzes ("Urlaub bis zur Dauer von drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung auf längstens 15 Jahre") ist ersichtlich, dass eine grundsätzliche und nur ausnahmsweise widerrufbare (siehe § 28 Abs. 5 Satz 3 SG) Bindung an die Freistellung vom Dienst zunächst nur für maximal drei Jahre eintreten soll. Eine Verlängerung des [X.]s kann demzufolge nicht - wie hier - gleichzeitig oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Erstbewilligung, sondern erst dann beantragt werden, wenn die dienstlichen und persönlichen Belange hinreichend absehbar sind, die für die Ermessensentscheidung über die [X.] maßgeblich sind. Auf diese Möglichkeit, zu einem späteren [X.]punkt eine Verlängerung zu beantragen, hat das [X.] die Antragstellerin in dem Beschwerdebescheid zutreffend hingewiesen.

4. Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 10. März 2022 gestellten Beweisanträge werden abgelehnt, weil die dort unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung ohne Bedeutung sind (§ 18 Abs. 2 Satz 2 [X.]O i. V. m. § 106 [X.] und § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO).

Meta

1 WB 8/22

29.09.2022

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 28 Abs 5 SG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.09.2022, Az. 1 WB 8/22 (REWIS RS 2022, 5879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5879

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