Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.08.2020, Az. 1 C 28/19

1. Senat | REWIS RS 2020, 4140

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Gegenstand

Zustellungsfiktion bei erfolgloser Zustellung einer Asylablehnung an eine von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift


Leitsatz

1. Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG knüpft an eine der zustellenden Behörde von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilte Anschrift des Ausländers an; nicht erforderlich ist, dass diese Anschrift auch noch im Zeitpunkt des Zustellversuchs aktuell ist.

2. Im Ausländerzentralregister gespeicherte Angaben sind dem Bundesamt als Asylbehörde nicht im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG mitgeteilt.

3. Der Hinweis in einer Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage "in deutscher Sprache abgefasst" sein muss, macht diese nicht unrichtig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 94).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 8. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein [X.] Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags.

2

Der Kläger stellte Ende 2013 beim [X.] ([X.]) einen Asylantrag. Dabei wurde er auf die [X.] des § 10 Abs. 1 und 2 [X.] hingewiesen. In der Folgezeit zog er mehrfach um, ohne dies jeweils dem [X.] mitzuteilen. Im Februar 2015 teilte die Ausländerbehörde dem [X.] die seinerzeit aktuelle Anschrift des [X.] mit. Unter dieser Anschrift konnten ihm im Mai 2016 weder eine Ladung zur persönlichen Anhörung noch eine Fristsetzung zur schriftlichen Stellungnahme tatsächlich zugestellt werden.

3

Mit Bescheid vom 2. August 2016 lehnte das [X.] den Antrag des [X.] auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab. Zugleich lehnte es den Antrag auf subsidiären Schutz ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 [X.] nicht vorliegen, drohte dem Kläger die Abschiebung nach [X.] an, falls er das [X.] nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung verlasse, und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 [X.] auf 30 Monate ab dem [X.]. Auch dieser - der Post am 5. August 2016 zum Zwecke der Zustellung übergebene - Bescheid konnte unter der von der Ausländerbehörde mitgeteilten Anschrift tatsächlich nicht zugestellt werden, weil der Kläger dort seit April 2015 nicht mehr wohnte.

4

Die 2017 vom Kläger gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die - im Hauptantrag (nur noch) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete - Berufung des [X.] mit Beschluss vom 8. Juli 2019 zurückgewiesen. Die einwöchige Klagefrist habe nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] mit der Übergabe des Bescheids zur Post zu laufen begonnen. Die Verpflichtung, dem [X.] jeden Wohnungswechsel anzuzeigen, bestehe auch dann, wenn die letzte bekannte Anschrift von einer öffentlichen Stelle - hier der Ausländerbehörde - mitgeteilt worden sei und der Schutzsuchende danach erneut umziehe. Eine neue Anschrift sei dem [X.] nicht bekannt gewesen; zu weiteren Ermittlungen sei es nicht verpflichtet. Das [X.] von 2016 habe an dieser Rechtslage nichts geändert. Bei der seitdem im [X.] zu speichernden Anschrift eines Asylbewerbers handele es sich nicht um eine von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.], da das [X.] zwischen dem [X.] als "Asyl-" und als "Registerbehörde" unterscheide. Die [X.] des § 10 Abs. 2 [X.] unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, verstoße nicht gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und sei auch dann mit Art. 13 Abs. 2 RL 2013/32/[X.] vereinbar, wenn dem [X.] die letzte Anschrift nicht vom Kläger, sondern von einer öffentlichen Stelle mitgeteilt worden sei. Den [X.]en in § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] lägen vergleichbare Sachverhalte zugrunde und sie verfolgten identische Zwecke. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung sei nicht zu beanstanden.

5

Der Kläger macht mit der Revision geltend, § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] verstoße gegen Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/[X.] und gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie - mangels inhaltlicher Prüfung - gegen das [X.]. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/[X.] müsse ein Schutzsuchender nicht Zustellungen an eine Adresse gegen sich gelten lassen, die von [X.], etwa öffentlichen Stellen, mitgeteilt worden sei. Bei positiver Kenntnis der Behörde, dass ein Antragsteller nicht mehr unter der zuletzt mitgeteilten Anschrift aufhältig sei, dürfe an diese nicht weiter zugestellt werden. Bei Zustellung an eine durch eine öffentliche Stelle mitgeteilte Anschrift müsse diese im Zeitpunkt des Zustellversuchs zutreffen.

6

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass die Klage mangels rechtzeitiger Klageerhebung unzulässig ist. Der angegriffene Bescheid gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] mit der Übergabe zur Post am 5. August 2016 als zugestellt (1.). Das [X.] musste trotz bestehender Zweifel hinsichtlich der Erreichbarkeit des [X.] unter der letzten mitgeteilten Anschrift keine Nachforschungen betreiben, insbesondere bedurfte es keiner Einholung einer Auskunft aus dem [X.] zur aktuellen Anschrift des [X.] (2.). Die gesetzliche [X.] ist verfassungsgemäß (3.) und überschreitet nicht den Rahmen der den Mitgliedstaaten in Art. 13 der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, [X.]. [X.]) - [X.] 2013/32/[X.] - eingeräumten Handlungsmöglichkeiten (4.). Die mit der Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Mitteilung jedes Wohnungswechsels verbundenen gesetzlichen Konsequenzen führen weder zu einer Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (5.) noch verstoßen sie gegen das [X.] (6.). Der Einholung einer Vorabentscheidung durch den [X.] ([X.]) bedarf es nicht (7.). Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung entsprach den gesetzlichen Anforderungen (8.). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor (9.).

8

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Klage unzulässig ist, weil der Kläger nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung des angegriffenen Bescheids Klage erhoben hat (§ 74 Abs. 1 [X.]. § 36 Abs. 3 Satz 1 und § 10 [X.]).

9

1. [X.] vom 2. August 2016 gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] mit der am 5. August 2016 erfolgten Übergabe an die Post zum Zwecke der Zustellung an den Kläger als zugestellt.

1.1 § 10 [X.] begründet besondere Vorsorge- und Mitwirkungsobliegenheiten, bei deren Verletzung der Ausländer mit für ihn nachteiligen rechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Nach § 10 Abs. 1 [X.] hat er während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des [X.]s, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er diesen Stellen jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen. Verletzt der Ausländer diese - ihm in seinem eigenen Interesse an einer zügigen Bearbeitung seines Asylantrags auferlegte - Obliegenheit, muss er damit rechnen und über die Regelungen in § 10 Abs. 2 [X.] hinnehmen, dass ihn Mitteilungen im Asylverfahren nicht erreichen, ohne dass er sich hierauf berufen kann. Insbesondere muss er nach § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.] Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist (Satz 2). Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt (Satz 4). Diese [X.]en dienen der Vermeidung von Verzögerungen im Asylverfahren und der Behebung von [X.] bei unbekanntem Aufenthalt des Ausländers ([X.]. 9/875 S. 18 zur Vorgängerregelung in § 12 AsylVfG 1982).

Diese Obliegenheit, dem [X.] spätere Anschriftenänderungen unverzüglich mitzuteilen, besteht auch dann, wenn dem [X.] die zuletzt bekannte Anschrift nicht vom Ausländer, sondern von einer öffentlichen Stelle - hier im Februar 2015 von der zuständigen Ausländerbehörde - mitgeteilt worden ist und der Ausländer danach erneut umzieht. Allerdings muss die Mitteilung durch eine öffentliche Stelle zutreffend sein, weil der Ausländer nicht das Risiko der Unrichtigkeit einer nicht von ihm stammenden und ihm regelmäßig nicht bekannten Mitteilung über seine Anschrift trägt (s.a. [X.]. 12/4450 S. 16). Damit kommt § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Anwendung, wenn der Ausländer bei Zugang der Mitteilung unter der mitgeteilten Anschrift wohnte. Was gilt, wenn der Ausländer vor Zugang der Mitteilung erneut umgezogen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Nicht erforderlich ist jedenfalls, dass die von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift auch noch im Zeitpunkt des [X.] aktuell ist. Andernfalls verlöre die [X.] des § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] ihren Sinn und Zweck.

Die gegenteilige und allein mit dem im Präsens formulierten Wortlaut ("wohnt" bzw. "zu wohnen verpflichtet ist") begründete Auffassung, wonach es für die Richtigkeit der Mitteilung auf den Zeitpunkt des Zustellungsversuchs ankomme (so [X.], Urteil vom 14. Dezember 2010 - 10 K 1890/10.A - juris Rn. 26 ff.), überzeugt nicht. Die Wahl des Präsens streitet keineswegs eindeutig oder auch nur überwiegend dafür, dass ein Ausländer, dem ein Schriftstück zugestellt werden soll, auch (noch) zum Zeitpunkt der Zustellung unter der von einer öffentlichen Stelle (zutreffend) mitgeteilten Anschrift wohnen oder verpflichtet sein muss, dort zu wohnen. Unter Berücksichtigung des natürlichen Sprachgebrauchs und der ausdrücklichen Anknüpfung an die "letzte bekannte" Anschrift dient die im Präsens gefasste Formulierung vor allem der abstrakten Umschreibung des Ortes, an den in einem Asylverfahren zuzustellen ist und auf den sich folglich die Mitteilung beziehen muss. Systematisch steht dieses Verständnis mit der sich aus § 10 Abs. 1 [X.] ergebenden Obliegenheit des Ausländers im Einklang, Vorsorge für seine Erreichbarkeit zu treffen; diese wird durch § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht berührt ([X.]. 12/4450 S. 16). Nach der gegenteiligen Auffassung wäre im Falle einer nicht vom Ausländer selbst mitgeteilten, sondern (nur) durch eine öffentliche Stelle bekannt gewordenen Anschriftenänderung jede erneute Obliegenheitsverletzung anlässlich weiterer Wohnungswechsel nicht mit rechtlichen Nachteilen verbunden. Denn das [X.] müsste an die letzte ihm bekannte Anschrift zustellen. Eine [X.] unter dieser Anschrift würde indes daran scheitern, dass sie dem [X.] nicht vom Ausländer mitgeteilt worden ist. Damit bliebe nur die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung, die nach der ratio legis des § 10 [X.] gerade vermieden werden soll.

1.2 Nach diesen Grundsätzen muss der Kläger die Zustellung des Bescheides vom 2. August 2016 gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Satz 2 [X.] gegen sich gelten lassen. Er hatte im Zeitpunkt des erfolglosen Zustellungsversuchs im August 2016 für sein Asylverfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt. Bei Antragstellung im November 2013 hat er beim [X.] zwar seine damalige Anschrift angegeben. Er hat es aber versäumt, dem [X.] spätere Anschriftenänderungen (unverzüglich) mitzuteilen. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger bei Zugang der Mitteilung unter der durch die Ausländerbehörde mitgeteilten Anschrift auch gewohnt.

2. Auch wenn das [X.] hier aufgrund der tatsächlichen Nichtzustellbarkeit früherer Schreiben damit rechnen musste, dass der Kläger unter der letzten bekannten Anschrift nicht mehr erreichbar war, musste es vor Zustellung seines Bescheids im August 2016 keine Nachforschungen zum aktuellen Aufenthaltsort betreiben, insbesondere musste es keine Auskunft aus dem [X.] einholen.

a) Möglicherweise im [X.] gespeicherte Angaben zur seinerzeitigen Anschrift des [X.] waren dem [X.] als [X.] nicht i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] mitgeteilt. Das [X.] ([X.]) wird vom [X.] als Registerbehörde geführt (§ 1 Abs. 1 [X.]G). In ihm werden seit dem Inkrafttreten des [X.] und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz - DatAusVerbG -) vom 2. Februar 2016 ([X.]) am 5. Februar 2016 bei [X.] auch Angaben zur Anschrift im [X.] gespeichert (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 6 [X.]G). Dies dient nach der Gesetzesbegründung der Erleichterung (kurzfristiger) Kontaktaufnahmen ([X.]. 18/7043 [X.]). Dass der Gesetzgeber bei [X.] mit der Speicherung von Angaben zur Anschrift im [X.] darüber hinaus auch in Bezug auf die gesetzlichen Zustellungsregelungen in § 10 [X.] etwas ändern wollte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.

Etwa im [X.] gespeicherte Informationen zu dem Ausländer sind dem [X.] nicht als positives Wissen zuzurechnen und gelten auch sonst nicht als an dieses übermittelt. Dagegen spricht vor allem, dass das [X.]-Gesetz ausdrücklich zwischen dem [X.] als "Register-" und als "[X.]" differenziert. Als [X.] ist das [X.] zur Übermittlung von Daten an die Registerbehörde verpflichtet (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.]G). Im umgekehrten Fall - der Übermittlung von Daten aus dem Register an die [X.] - bedarf es - wie bei der Übermittlung an jede andere öffentliche Stelle - eines ausdrücklichen Übermittlungsersuchens (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 [X.]G) und ist die Übermittlung nur unter den Voraussetzungen der §§ 10 ff. [X.]G zulässig. Auch zum Abruf von Daten im automatisierten Verfahren bedarf das [X.] als [X.] - wie andere öffentliche Stellen - einer ausdrücklichen Zulassung (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 [X.]G). Damit behandelt das [X.]-Gesetz das [X.] in seiner Funktion als [X.] wie eine andere öffentliche Stelle. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewollte Aufteilung des [X.]s in zwei funktional eigenständig handelnde Behörden lässt das [X.] (Urteil vom 22. Februar 2017 - 4 K 38/17.A - juris Rn. 36 ff.) unberücksichtigt, nach dessen Auffassung alle in den Machtbereich des [X.]s gelangten Daten als "behördenbekannt" gelten. Differenziert der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen dem [X.] als Registerbehörde und als [X.], kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von anderen Stellen an das [X.] übermittelten Daten zugleich gegenüber der [X.] als i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] mitgeteilt gelten. Eine generelle Zurechnung der gespeicherten Daten lässt sich angesichts der dem Datenschutz dienenden funktionalen Trennung von Register- und [X.] auch nicht unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens oder des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben rechtfertigen.

b) Als [X.] war das [X.] im August 2016 auch nicht zur Einholung einer Auskunft aus dem [X.] verpflichtet. Dies gilt ungeachtet der sich aus der tatsächlichen Nichtzustellbarkeit früherer Schreiben ergebenden Zweifel an der fortbestehenden Aktualität der letzten bekannten Anschrift des [X.]. Die Vorschriften über die fingierte Zustellung verfolgen aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung gerade den Zweck, im Asylverfahren Behörden und Gerichte von eigenen Ermittlungen zu entbinden, wenn der Ausländer seine Obliegenheiten zur Vorsorge und Mitwirkung an seiner steten Erreichbarkeit verletzt. Dies gilt auch mit Blick auf die gravierenden Konsequenzen einer [X.] für den Schutzsuchenden, jedenfalls solange - wie hier im Frühjahr 2016 - ein Abgleich mit dem [X.] keine Gewähr für eine zuverlässige Ermittlung der aktuellen Anschrift bietet.

Etwaige sich aus den [X.]en des § 10 Abs. 2 [X.] ergebende Härten hat der Gesetzgeber im Übrigen dadurch gemildert, dass ein Asylantrag nach § 33 Abs. 1 [X.] als zurückgenommen gilt, wenn der Ausländer das Verfahren nicht weiterbetreibt. Dies wird kraft Gesetzes (u.a.) vermutet, wenn der Ausländer einer Aufforderung zur Anhörung nicht nachgekommen oder untergetaucht ist (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]). Die zwingende Folge der fingierten Antragsrücknahme begründet eine Pflicht zur Einstellung des Verfahrens mit der Möglichkeit einer Wiederaufnahme unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 [X.]. [X.] setzt allerdings eine den Anforderungen des § 33 Abs. 4 [X.] entsprechende Belehrung des Ausländers voraus (BVerwG, Urteil vom 15. April 2019 - 1 C 46.18 - [X.] 402.251 § 33 [X.] Nr. 1), an der es hier fehlte, weil der Kläger ausweislich der ihm nach der Akte des [X.]s bei Antragstellung - im Einklang mit der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage - ausgehändigten "Wichtige[n] Mitteilung - Belehrung für [X.] über Mitwirkungspflichten und - Allgemeine Verfahrenshinweise" nur allgemein darauf hingewiesen worden ist, dass die Unterlassung der Mitteilung über einen Wohnungswechsel zur Folge haben "könne", dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte.

3. Gegen die [X.]en des § 10 Abs. 2 [X.] ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern, wenn der Betroffene über sie in qualifizierter Weise belehrt worden ist (vgl. [X.], [X.] vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - [X.] 1994, 324 = juris Rn. 19 ff. zu den [X.] in § 17 Abs. 5 AsylVfG 1982 und § 10 Abs. 7 AsylVfG 1993). Dies ist hier geschehen. Der Kläger ist bei Antragstellung auf die in § 10 Abs. 1 [X.] normierte Obliegenheit zur Angabe jeder Anschriftenänderung und die in § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] geregelten [X.]en schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hingewiesen worden (§ 10 Abs. 7 [X.]). Die ihm in [X.] ausgehändigte "Wichtige Mitteilung - Belehrung für [X.] über Mitwirkungspflichten und - Allgemeine Verfahrenshinweise" trägt insoweit den Besonderheiten des [X.]. Insbesondere gibt sie nicht lediglich den Wortlaut des § 10 [X.] wieder, sondern führt dem Kläger in einer ihm geläufigen Sprache durch eine verständliche Erläuterung mit der gebotenen Deutlichkeit vor Augen, welche Obliegenheiten ihn im Einzelnen treffen und welche Folgen deren Nichtbeachtung haben können (zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine qualifizierte Belehrung vgl. [X.], [X.] vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - [X.] 1994, 324 = juris Rn. 20 - 22).

4. Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.], nach der ein Asylbewerber Zustellversuche des [X.]s unter der letzten bekannten Anschrift auch dann gegen sich gelten lassen muss, wenn diese dem [X.] durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist, verstößt nicht gegen Art. 13 [X.] 2013/32/[X.].

a) In zeitlicher Hinsicht findet hier über § 77 Abs. 1 [X.] Art. 13 [X.] 2013/32/[X.] und nicht die - weitgehend wortgleiche - ([X.] in Art. 11 [X.] 2005/85/EG Anwendung. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Asylantrag bereits 2013 gestellt hat. Denn mit der Übergangsregelung in Art. 52 Abs. 1 [X.] 2013/32/[X.] hat der Unionsgesetzgeber es den Mitgliedstaaten, die dies wünschten, gestattet, die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften mit sofortiger Wirkung auch auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden ([X.], Urteile vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 [[X.]:[X.]:C:2018:584], [X.] - Rn. 72 und vom 19. März 2019 - [X.]/17 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] u.a. - Rn. 64). Besondere Umstände, die im vorliegenden Verfahren der Anwendung des Art. 13 [X.] 2013/32/[X.] auf den 2013 gestellten Asylantrag entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

b) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2013/32/[X.] können die Mitgliedstaaten den Antragstellern - neben der Verpflichtung zur Zusammenarbeit nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 - weitere Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auferlegen, sofern diese Verpflichtungen für die Bearbeitung des Antrags erforderlich sind. Insbesondere können sie nach der [X.] Sprachfassung des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c [X.] 2013/32/[X.] festlegen, dass die Antragsteller verpflichtet sind, so rasch wie möglich die zuständigen Behörden über ihren jeweiligen Aufenthaltsort oder ihre Anschrift sowie sämtliche diesbezüglichen Änderungen zu unterrichten (Satz 1); außerdem können sie festlegen, dass der Antragsteller an dem von ihm mitgeteilten letzten Aufenthaltsort erfolgte - bzw. an die mitgeteilte letzte Anschrift gerichtete - Mitteilungen gegen sich gelten lassen muss (Satz 2). Ungeachtet des nicht einheitlichen Wortlauts der den Mitgliedstaaten durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. c [X.] 2013/32/[X.] in den verschiedenen Sprachfassungen explizit eröffneten Handlungsmöglichkeiten enthält die Vorschrift jedenfalls keine abschließende Aufzählung (aa). Auch unter Berücksichtigung des Kontextes der Norm und der Ziele, die mit Art. 13 [X.] 2013/32/[X.] verfolgt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten eine Zustellung unter der letzten mitgeteilten Anschrift nicht auch dann fingieren dürfen, wenn diese nicht vom Antragsteller selbst, sondern von einer öffentlichen Stelle mitgeteilt worden ist ([X.]). Dies widerspricht nicht dem Grundsatz des "effet utile" (cc).

aa) Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 [X.] 2013/32/[X.] ist wenig ergiebig, zumal er in den verschiedenen Sprachfassungen nicht einheitlich ist. Die [X.] Fassung knüpft zunächst an den vom Antragsteller mitgeteilten letzten Aufenthaltsort an, lässt nach dem in [X.] eingefügten Zusatz "bzw. an die mitgeteilte letzte Anschrift gerichtete" aber auch eine Auslegung zu, die eine [X.] auch bei einer Anschriftenmitteilung durch Dritte erlaubt. Die anderen Sprachfassungen enthalten offenbar keinen derartigen Zusatz. Die [X.] und die [X.] Fassung sprechen nur vom letzten Aufenthaltsort oder der letzten Anschrift, die der Antragsteller mitgeteilt hat, während andere Sprachfassungen, etwa die [X.], keinen Bezug zu einem bestimmten Urheber der Mitteilung herstellen. Ungeachtet dieser sprachlichen Unterschiede wird durch die einleitende Verwendung des - soweit ersichtlich auch in den anderen Sprachfassungen aufgenommenen - Wortes "insbesondere" in Art. 13 Abs. 2 [X.] 2013/32/[X.] auch jeweils für die exemplarisch benannten Mitwirkungsobliegenheiten indes klargestellt, dass die Vorschrift jedenfalls keine abschließende Aufzählung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeiten enthält. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine dort nicht explizit aufgeführte oder die Modifikation einer aufgeführten Handlungsmöglichkeit schon allein deshalb unionsrechtswidrig ist. Für einen Bezug des Wortes "insbesondere" allein auf die Typen von Verpflichtungen, nicht aber deren konkretisierende Ausgestaltung fehlt jeder Anhalt. Entgegen der Auffassung der Revision kann weder der Überschrift der Norm ("Verpflichtungen der Antragsteller") noch der Stellung des Wortes "insbesondere" zu Beginn der Aufzählung in Art. 13 Abs. 2 [X.] 2013/32/[X.] entnommen werden, dass die Mitgliedstaaten Antragstellern zwar vergleichbare andere Verpflichtungen auferlegen, einen Mehrfachverstoß gegen die Verpflichtung zur umgehenden Unterrichtung der zuständigen Behörden über jeden Wechsel des Aufenthaltsorts oder der Anschrift aber nicht mit einer in der konkreten Ausgestaltung an diesen Verstoß angepassten [X.] verknüpfen dürfen.

[X.]) Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ([X.], Urteil vom 20. Dezember 2017 - [X.]/16 und [X.]/16 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 31). Auch danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten eine Zustellung an die letzte mitgeteilte Anschrift nur fingieren dürfen, wenn diese vom Antragsteller selbst mitgeteilt worden ist. Art. 13 Abs. 2 Buchst. c [X.] 2013/32/[X.] ist im Zusammenhang mit Art. 13 Abs. 1 zu sehen, der allgemein regelt, welche Verpflichtungen zur Zusammenarbeit den Antragstellern aufzuerlegen sind bzw. auferlegt werden können. Im Einklang hiermit werden in Art. 13 Abs. 2 beispielhaft Mitwirkungsverpflichtungen aufgeführt, die die Mitgliedstaaten den Antragstellern "insbesondere" auferlegen können. Die nach Buchstabe c ausdrücklich zulässige Verpflichtung, den zuständigen Behörden den jeweiligen Aufenthaltsort oder die jeweilige Anschrift mitzuteilen und diese über alle Änderungen des Aufenthaltsortes oder der Anschrift zu unterrichten, ist sowohl nach der Richtlinie als auch nach § 10 [X.] Ausgangspunkt für jedwede [X.]. Auch in den von § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] erfassten Fällen kann - unter der nach den vorstehenden Ausführungen zu beachtenden Voraussetzung, dass die öffentliche Stelle eine zutreffende Anschrift mitgeteilt hat - das tatsächliche Scheitern einer Zustellung nur darauf beruhen, dass der Antragsteller entweder keine hinreichenden Vorkehrungen für den Empfang behördlicher Sendungen an seiner tatsächlichen Wohnanschrift getroffen oder den Behörden auch einen (weiteren) Wohnungswechsel nicht mitgeteilt hat. In beiden Fällen ist das tatsächliche Scheitern der Zustellung allein auf einen (neuerlichen) Verstoß des Asylbewerbers gegen die im Einklang mit Art. 13 [X.] 2013/32/[X.] stehenden Mitwirkungsobliegenheiten nach § 10 Abs. 1 [X.] zurückzuführen, ohne dass [X.] ein qualitativer Unterschied zu dem ausdrücklich in der Richtlinie angesprochenen Fall besteht, dass die Zustellung an eine durch den Antragsteller selbst mitgeteilte Anschrift nicht möglich ist. Auch der Kontext der Regelung und die mit der [X.] bezweckten Konsequenzen für den Antragsteller stehen demnach einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die [X.] auf eine von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilte Anschrift erstreckt.

cc) Diese Auslegung widerspricht nicht dem Grundsatz des "effet utile". Sie wahrt die Wirksamkeit der den Mitgliedstaaten in Art. 13 Abs. 1 vorgegebenen und in Art. 13 Abs. 2 [X.] 2013/32/[X.] beispielhaft erläuterten Verpflichtung der Antragsteller zur Mitwirkung und erhöht zugleich im Interesse der Antragsteller die Wahrscheinlichkeit, dass Zustellungen diese auch tatsächlich erreichen. Die Mitgliedstaaten können die Antragsteller insbesondere verpflichten, jede Änderung des Aufenthaltsorts oder der Anschrift so rasch wie möglich den zuständigen Behörden mitzuteilen, und dürfen dies mit einer [X.] verbinden. Die Erstreckung der [X.] in § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf eine von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilte Anschrift begründet für den Antragsteller, der seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist, in der Sache jedenfalls keine weitergehende Belastung. Da die von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift - nach den vorstehenden Ausführungen - zutreffend sein muss, macht nach einer derartigen Mitteilung eine Zustellung an eine vom Antragsteller zu einem früheren Zeitpunkt angegebene, inzwischen aber offenkundig nicht mehr zutreffende Anschrift keinen Sinn. Statt in diesen Fällen sehenden Auges eine - im Fall des (zu erwartenden) tatsächlichen Scheiterns mit einer [X.] verbundene - Zustellung an eine ersichtlich überholte Anschrift zu versuchen, wird der Antragsteller über § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] im Falle einer von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschriftenänderung so gestellt, als wenn er diese Anschriftenänderung der zustellenden Behörde selbst mitgeteilt hätte. Eine derartige Besserstellung ist nach der [X.] des Art. 5 [X.] 2013/32/[X.] unproblematisch, zumal Art. 13 Abs. 2 [X.] 2013/32/[X.] den Mitgliedstaaten ohnehin einen Handlungsspielraum belässt. Die im nationalen Recht vorgeschriebene Berücksichtigung auch einer von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschrift, enthebt den Antragsteller aber nicht von der (fortbestehenden) Obliegenheit, jede weitere Anschriftenänderung anzuzeigen. Andernfalls stünden gerade die Antragsteller besser, die besonders beharrlich gegen ihre Mitwirkungsobliegenheiten verstoßen, da bei ihnen nach Mitteilung einer Anschriftenänderung durch eine öffentliche Stelle die [X.] nicht (mehr) griffe, bis sie selbst eine neue Anschrift mitteilen. Zieht der Antragsteller nach einer nicht von ihm selbst, aber von einer öffentlichen Stelle zutreffend mitgeteilten Anschriftenänderung erneut um, muss er daher auch Zustellungsversuche unter der von der öffentlichen Stelle mitgeteilten Anschrift gegen sich gelten lassen.

5. Die gesetzlichen [X.]en in § 10 Abs. 2 [X.] verstoßen nicht gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 46 [X.] 2013/32/[X.] und Art. 47 GRC. Die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs bezieht sich auf die umfassende gerichtliche Überprüfung der normativ vorgegebenen Grenzen behördlichen Handelns (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 Rn. 21). Hierzu enthält Art. 46 Abs. 4 [X.] 2013/32/[X.] die Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten angemessene Fristen und sonstige Vorschriften festlegen, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann (Satz 1); die Fristen dürfen die Wahrnehmung dieses Rechts weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren (Satz 2). Das Verbot einer in Art. 13 Abs. 2 Buchst. c [X.] 2013/32/[X.] ausdrücklich zugelassenen [X.] folgt hieraus nicht. Weitergehende Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens ergeben sich auch nicht aus Art. 47 GRC.

Gilt eine einer gerichtlichen Überprüfung zugängliche Entscheidung kraft Gesetzes als zugestellt, führt dies nicht zu einer Verkürzung der Rechtsbehelfsfrist, sondern handelt es sich - und dies auch nur mittelbar - um eine Regelung, die den Beginn der Rechtsbehelfsfrist betrifft. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wird hierdurch zwar de facto erschwert, weil die Klagefrist in aller Regel ohne Kenntnis des Betroffenen zu laufen beginnt. Die mit den [X.]en in § 10 Abs. 2 [X.] verbundenen Konsequenzen der zurechenbaren Verletzung der für den Schutzsuchenden zumutbaren und ohne Weiteres zu erfüllenden Mitwirkungsobliegenheit, seine stete Erreichbarkeit zu gewährleisten, führt aber nicht zu einer übermäßigen Erschwerung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Denn der Antragsteller ist bei Antragstellung schriftlich und gegen [X.] auf die [X.] hinzuweisen (§ 10 Abs. 7 [X.]). Damit hat er es selbst in der Hand, das Eingreifen der [X.] zu verhindern, indem er entweder einen Bevollmächtigten bestellt oder einen Empfangsberechtigten benennt oder entsprechend der in § 10 Abs. 1 [X.] normierten Mitwirkungsobliegenheit den dort aufgeführten Behörden jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzeigt. Zudem ist ihm bei unverschuldeter Versäumung der Klagefrist unter den Voraussetzungen des § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - [X.] 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 32).

6. Die [X.]en des § 10 Abs. 2 [X.] verstoßen auch nicht gegen das asyl- und das menschenrechtliche [X.] nach Art. 18 und 19 Abs. 2 GRC und Art. 3 [X.]. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, einem Schutzsuchenden in Bezug auf seine stete Erreichbarkeit während eines Asylverfahrens eine zumutbare und ohne Weiteres erfüllbare Mitwirkungsobliegenheit aufzuerlegen und eine zurechenbare Verletzung dieser Obliegenheit mit nachteiligen Konsequenzen - hier in Gestalt einer die Klagefrist in Lauf setzenden [X.] mit der Möglichkeit der Wiedereinsetzung bei unverschuldeter Versäumung der Klagefrist - zu belegen. Dies gilt auch in Fällen, in denen das [X.] - wie hier - mangels Mitwirkung des Schutzsuchenden über den Asylantrag und die Gewährung von [X.] im Rahmen einer Sachprüfung nach Aktenlage entschieden hat, selbst wenn diese Entscheidungen in der Sache angreifbar sein sollten.

7. Der Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] gemäß Art. 267 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] in der Fassung von 2008 ([X.]. [X.]) - A[X.]V - zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts bedarf es nicht. Nach den vorstehenden Ausführungen wirft der Rechtsstreit - insbesondere in Bezug auf Art. 13 Abs. 2 Buchst. c [X.] 2013/32/[X.] und dessen unterschiedliche Sprachfassungen - weder eine unionsrechtliche Zweifelsfrage auf noch besteht zumindest ein unionsrechtlicher Klarstellungsbedarf.

8. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung die in § 58 Abs. 1 VwGO aufgeführten Angaben zutreffend wiedergibt. Nach dieser Vorschrift beginnt die Klagefrist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur, wenn ihr eine der in § 58 Abs. 1 VwGO aufgeführten Angaben fehlt, sondern auch dann, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch davon abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - [X.] 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 15 m.w.[X.]). Dabei ist darauf abzustellen, wie ein der [X.] Sprache mächtiger Empfänger die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - [X.] 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 15).

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Zusatz in der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage "in [X.]r Sprache abgefasst" sein muss, die Belehrung nicht unrichtig macht (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - [X.] 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 14). Dies gilt nicht nur in Bezug auf eine zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mögliche Klageerhebung, sondern auch für die Möglichkeit der Einreichung einer Klage durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich hierbei um eine neue Form der Klageerhebung oder lediglich um eine weitere Möglichkeit zur Übermittlung eines schriftlichen Dokuments und damit um einen Unterfall der Schriftform handelt. Denn auch bei einer - im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Verwendung (August 2016) - möglichen Klageerhebung im elektronischen Rechtsverkehr muss das in die elektronische Poststelle des jeweiligen Gerichts zu übertragende elektronische Dokument in [X.]r Sprache übermittelt werden. Von daher bezieht sich der Begriff "abfassen" nicht zwingend auf ein Schriftstück im herkömmlichen Sinne, sondern umfasst auch diesem kraft Gesetzes gleichgestellte elektronische Dokumente.

b) Die Belehrung war - im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Verwendung - auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie - losgelöst vom Begriff des "[X.]" - keinen Hinweis auf den durch § 55a VwGO in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [X.]. der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im [X.] ([X.]) vom 27. Dezember 2006 (GVBl. 2006, S. 1183), in der Fassung der [X.] vom 9. Dezember 2009 (GVBl. 2009, S. 881), eröffneten elektronischen Rechtsverkehr enthielt. Danach bestand beim [X.] seit dem 1. Januar 2010 die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2010 - [X.] 106.09 - juris Rn. 6). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob mit § 55a VwGO a.F. eine neue Form zur Einlegung einer Klage oder lediglich ein elektronischer Zugang für schriftliche Dokumente eröffnet worden ist. Denn eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs gehört nicht zu den zwingenden Angaben. Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung - wie hier - keine Angaben über die möglichen Formen der Klageerhebung, ist dies unschädlich (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6.18 - [X.] 310 § 58 VwGO Nr. 94 Rn. 13). Dies gilt nicht nur für die Möglichkeit der Klageerhebung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern gleichermaßen für andere mögliche Formen der Klageerhebung.

c) Die Rechtsbehelfsbelehrung war schließlich auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie zwar zutreffend über die Beklagte und deren Vertretung belehrte, nicht aber darauf hinwies, dass zur Bezeichnung der Beklagten nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Angabe der Behörde genügt, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Denn auch hierbei handelt es sich nicht um eine nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingende Angabe.

9. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO wegen Versäumung der Klagefrist liegen nicht vor. Der Kläger hat weder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch hat er - was auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen erforderlich wäre - innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO vorgetragen und im weiteren Verfahren glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet an der Einhaltung der Frist gehindert war.

10. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 [X.]. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

Meta

1 C 28/19

20.08.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 8. Juli 2019, Az: OVG 3 B 18.18, Beschluss

Art 267 AEUV, § 1 Abs 1 AZRG, § 15 Abs 1 Nr 1 AZRG, § 2 Abs 2 Nr 1 AZRG, § 22 Abs 1 Nr 2 AZRG, § 3 Abs 2 Nr 6 AZRG, § 6 Abs 1 Nr 3 AZRG, § 10 Abs 7 AsylVfG 1992, § 10 Abs 1 AsylVfG 1992, § 10 Abs 2 AsylVfG 1992, § 10 Abs 2 S 2 AsylVfG 1992, § 33 AsylVfG 1992, § 36 Abs 3 AsylVfG 1992, § 74 Abs 1 AsylVfG 1992, § 77 Abs 1 AsylVfG 1992, Art 18 EUGrdRCh, Art 19 Abs 2 EUGrdRCh, Art 47 EUGrdRCh, Art 13 Abs 1 EURL 32/2013, Art 2 Buchst c EURL 32/2013, Art 46 EURL 32/2013, Art 5 EURL 32/2013, Art 52 Abs 1 EURL 32/2013, Art 3 MRK, § 55a VwGO, § 58 Abs 1 VwGO, § 60 VwGO, § 78 Abs 1 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.08.2020, Az. 1 C 28/19 (REWIS RS 2020, 4140)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4140

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

22 K 3343/22.A

3 Kart 447/18

Zitiert

4 K 38/17

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