Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2019, Az. 4 StR 200/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2258

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:241019B4STR200.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 200/19

vom
24. Oktober
2019
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2019
gemäß §
349 Abs.
2 und 4,
§
354 Abs. 1 StPO analog einstimmig
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 19.
November 2018
a)

im [X.] mit den zugehörigen [X.] aufgehoben;
b)
im Ausspruch über die Einziehung dahingehend [X.], dass neben der Speicherkarte [X.] lediglich die Festplatte des sichergestellten Laptops [X.] eingezogen wird.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger, an eine andere Jugendkammer des Land-gerichts zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schrif-ten in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 130 Fällen, da-von in zwei Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften in vier Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Zudem hat es die Einziehung einer Speicherkarte und eines Notebooks angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte [X.] des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch.
2.
Das Urteil weist im Schuld-
und Strafausspruch keinen den [X.]n [X.] Rechtsfehler auf (§
349 Abs.
2 StPO).
3.
Indes hat die auf §
66 Abs.
2
i.V.m.
Abs.
1 Nr.
4 StGB gestützte An-ordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kei-nen Bestand, weil das [X.] zulässiges Verteidigungsverhalten
des An-geklagten
zur Begründung eines Hanges
des Angeklagten zur Begehung
er-heblicher
Straftaten sowie zur Begründung seiner Gefährlichkeit
für die Allge-meinheit herangezogen hat.
1
2
3
4
-
4
-
a)
[X.] hat das Vorliegen eines Hanges
im Sinne des §
66 Abs.
1 Nr.
4 StGB einerseits auf die
Dauer der [X.] von zwei Jahren und deren Umfang
gestützt.
Andererseits hat sie die Annahme eines Hanges
und die Gefährlichkeit des Angeklagten
maßgeblich
damit begründet, der [X.] sei nicht
in der Lage, seine pädophile Veranlagung zu erkennen
und mit sei-nen sexuellen Bedürfnissen umzugehen.
Dem psychiatrischen [X.] folgend hat das [X.] insoweit angenommen, bei dem Angeklagten bestehe eine

-b er in Bezug auf seine sexuellen Bedürfnisse seine Gedanken, Impulse und Gemütszustände nicht als zu sich gehörend erlebe. Der Angeklagte könne den pädophilen [X.] seiner Taten nicht begreifen und kognitiv erfassen.
Eine Auseinander-setzung mit seinen sexuellen Bedürfnissen habe deshalb nie stattgefunden. Zur Begründung dieser Einschätzung, die sich das [X.] zu eigen gemacht hat, hat der Sachverständige
ausgeführt,
der Angeklagte habe im Rahmen [X.] selbst auf Vorhalt von Videoaufnahmen einzelner Tatgesche-hen, auf denen sowohl sein Schwimmanzug und sein Gesicht zu sehen als auch seine Stimme zu hören sei, die Tatbegehung in Abrede gestellt und er-son seinen
Schwimmanzug oder eine Maske mit seinem Gesicht getragen. Auch seine Einlassung in der Hauptverhandlung, in der
er die gefilmten Taten zwar eingeräumt, sich aber darauf berufen habe, hierzu von einer benannten dritten Person gezwungen worden zu sein, sei eine Bestätigung dieser Persön-lichkeitsstruktur.
b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Tatgericht die auch im Hinblick auf die Maßregelentscheidung zu beachtenden Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu [X.], Urteil 5
6
-
5
-
vom 16.
September 1992

2
StR 277/92, [X.]R StGB §
66 Abs.
1 Gefährlich-keit 4).
Zulässiges Verteidigungsverhalten darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
August 2009

1 [X.], [X.]R StGB §
66 Abs.
1 Hang 13; Beschluss vom 20.
März 2012

1
StR 64/12, [X.], 597
[Ls]; Beschluss vom 4.
Februar 2014

3
StR 451/13, [X.], 107; [X.] vom 21.
August 2014

1
StR 320/14, [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Gefähr-lichkeit 11). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges [X.] (vgl. [X.],
Beschluss vom 25. April 1990

3
StR 85/90, [X.]R StGB
§
46 Abs.
2 Verteidigungsverhalten 8; Beschluss vom 27.
Juni 1990

2
StR 256/90, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verteidigungsverhalten 9; Urteil vom 14.
November 1990

3
StR 160/90, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 [X.]; [X.], Beschluss vom 5. April 2011

3
StR 12/11, [X.], 482; Beschluss vom 21.
August 2014

1
StR 320/14, aaO;
Beschluss vom 26.
Oktober 2011

5
StR 267/11, [X.], 9). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers oder eines [X.] sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des [X.] darstellt, etwa
weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwür-digung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung ein-hergeht ([X.], Urteil vom 16.
September 1992

2
StR 277/92, aaO;
Beschluss vom 5.
April 2011

3
StR 12/11, aaO; Beschluss vom 21.
August 2014

1
StR 320/14, aaO).
Zwar mag der Rechtfertigungsversuch des Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen nicht überzeugend gewesen sein. Eine verbotene Verteidi-7
8
-
6
-
gungsstrategie hat dies aber nicht dargestellt. Vielmehr hat der Angeklagte ge-genüber dem Sachverständigen die Taten in Gänze in Abrede gestellt. In der Hauptverhandlung hat er die überwiegende Anzahl der Taten ebenfalls bestrit-ten und

neben wenigen anderen

nur diejenigen letztlich eingeräumt, von denen Videoaufnahmen existierten. Soweit er insoweit die Verantwortung mit der Begründung, er sei erpresst worden, auf eine dritte Person zu verlagern versucht
hat, darf dem Angeklagten dies, soweit die Grenze zulässigen [X.] nicht überschritten
ist, zur Begründung eines Hanges und der Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Abs.1 Nr. 4 StGB nicht angelastet werden.
Müsste der Angeklagte befürchten, dass zulässiges Verteidigungsverhalten zur
Begründung der Sicherungsverwahrung zu seinem Nachteil verwertet wird, wä-re er in seiner Entscheidung, wie er sich gegen die Anklagevorwürfe verteidigen will, nicht mehr frei.
4.
Die Einziehungsentscheidung war dahingehend abzuändern, dass ne-ben der Speicherkarte [X.] lediglich die Festplatte des Laptops [X.] eingezogen wird.
Bei einer Verurteilung nach §
184b Abs.
1 Nr.
3 StGB sind nach §
184b Abs.
6 Satz
2 StGB nur die Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzu-ziehen. [X.] die kinderpornographischen Schriften

wie hier

nach ihrer Herstellung als Bilddateien auf einer Speicherkarte bzw. einem Computer ab-gespeichert, unterliegen lediglich die als Speichermedien verwendeten Bauteile

also die Speicherkarte selbst und die Festplatte des Notebooks

der Einzie-hung. Die Einziehung des für den Speichervorgang verwendeten Computers nebst Zubehör kann nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach §
74 Abs.
1 Alternative
2 StGB erfolgen (vgl. [X.], Beschluss vom 8.
Februar 2012 9
10
-
7
-

4
StR 657/11, [X.], 319; Beschluss vom 8.
Oktober 2019

4
StR 247/19, juris Rn. 3; [X.] in: MüKoStGB,
3.
Aufl.,
§
184b Rn.
62).
Das [X.] hat seine mit keiner Begründung versehene Entschei-dung zwar ausdrücklich (nur) auf §
74 Abs.
1 StGB gestützt; die dabei gewählte Formulierung lässt aber erkennen, dass die [X.] insoweit [X.] von einer zwingend zu treffenden Entscheidung ausgegangen ist. [X.] hat das [X.] in Bezug auf die Einziehung des Laptops nicht ausge-übt. Um jede Beschwer des Angeklagten
zu vermeiden,
reduziert der Senat deshalb den Umfang der Einziehung auf den nach §
184b Abs.
6 Satz
2 StGB, § 74a StGB
zulässigen Umfang.

Sost-Scheible
Bender
Feilcke

Bartel
Paul

11

Meta

4 StR 200/19

24.10.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2019, Az. 4 StR 200/19 (REWIS RS 2019, 2258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2258

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Strafverurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften u.a.: Einziehung von Festplatte und Computer als Speichermedien


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4 StR 200/19

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